Sunday, May 31, 2009

Amsterdam-Test: ex ante Prüfung im Land erspart ex post Intervention aus Brüssel

Der "Amsterdam-Test" ist auch ein Lehrstück in angewandtem Branding: Für die Mechanismen zur Prüfung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen im Rundfunksektor mit dem gemeinsamen Markt haben sich in den Mitgliedstaaten schon Begriffe wie "Public Value Test" (UK) oder "Drei Stufen Test" (Deutschland) herausgebildet. Die Kommission konnte damit nicht ganz glücklich sein, denn aus ihrer Sicht geht es ja um eine gemeinschaftsrechtlich begründete Prüfung, deren Maßstäbe in der gesamten EU natürlich einheitlich sein müssen - aber es fehlte bislang der gemeinschaftsrechtlich geprägte einheitliche Begriff dafür. Den hat man schließlich mit "Amsterdam Test" gefunden - soweit ich das überblicke, wurde er erstmals in einer Rede von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes im März dieses Jahres verwendet (siehe dazu hier).

"Amsterdam Test" ist als Marke schlau gewählt: denn die Kommission sah sich in all den Beihilfenverfahren zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer massiven Einwänden gegenüber, die sich auf das Protokoll von Amsterdam und die daraus abzuleitende Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stützten. Die Kommission dreht diesen Argumentationstopos mit dem Begriff "Amsterdam Test" gewissermaßen um: bei der Beihilfen-Prüfung geht es demnach nicht um einen Angriff auf die im Protokoll von Amsterdam zum Ausdruck kommende besondere Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern gerade darum, die in diesem Protokoll festgelegten Voraussetzungen für die staatliche Finanzierung zu klären.

Der stellvertretende Generaldirektor der DG Wettbewerb, Herbert Ungerer, hat nun in einem Vortrag in Berlin eine Definition des Amsterdam-Tests gegeben: "Mit Amsterdam Test bezeichnen wir die Vorabprüfung jener Bedingungen, die der EU Vertrag [richtig wäre: EG-Vertrag] an die Verwendung staatlicher Beihilfen im Fernseh- und Rundfunksektor knüpft."

In seinem Vortrag hat Ungerer "klargestellt", dass "die EU Kommission sicher nicht die Rolle einer weiteren Prüfungsinstanz nach den Gremien übernehmen will." Drei Sätze weiter erklärt er dann allerdings gleich, dass der NDR Mediathek-Test "nicht völlig unproblematisch" war (siehe dazu auch hier). Kernpunkt der Kritik ist, dass der NDR-Rundfunkrat zwar Einnahmenverluste für private Wettbewerber für realistisch hielt, aber dennoch keine Einschränkungen des neuen öffentlich-rechtlichen Anbots verlangte, weil nicht mit einem Marktaustritt Dritter zu rechnen wäre.

Ungerer verweist auf den Entwurf der Rundfunkmitteilung (siehe dazu auch hier), nach dem den Mitgliedstaaten wesentliche Spielräume gegeben werden, vor allem bei der Beurteilung, wann eine audiovisuelle Dienstleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als "neu und wesentlich" anzusehen ist, welche Behörden die Prüfung vornehmen und wie das Verfahren im Detail aussehen soll.
"Zwingend ist aber, die Transparenz des Verfahrens zu garantieren und die Unabhängigkeit und Wirksamkeit des Tests zu garantieren. Stellungnahmen Dritter und die Entscheidung am Ende des Tests sind zu veröffentlichen. Die Entscheidungen sind zu begründen. Insbesondere muss die effektive Unabhängigkeit des Entscheidungsträgers gegenüber der Intendanz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt sichergestellt werden."
Nicht nur Herbert Ungerer, auch die Direktorenkonferenz der deutschen Landesmedienanstalten hat vor kurzem Kritik an den ersten Drei Stufen Tests in Deutschland geübt (Positionspapier, Pressemitteilung). Kritisiert wurde zB die "Beliebigkeit der methodischen Vorgangsweise" und dass die Gutachten "öffentlich-rechtliche Angebote per se als höherwertig für die Konsumenten-Wohlfahrt" eingestuft haben als private Angebote; eine Nutzenabwägung finde ebensowenig statt wie eine ernsthafte Risikoanalyse bezüglich der ökonomischen Auswirkungen auf die privaten Angebote (mehr dazu bei telemedicus).

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