Wednesday, August 27, 2008

Telekom und Rundfunk: Was vom Regierungsprogramm übrig blieb

Drei Seiten umfasste das Kapitel "Medien und Telekommunikation" im Regierungsprogramm für die 23. Gesetzgebungsperiode, daneben fanden sich noch kleine einschlägige Einsprengsel in anderen Kapiteln. Auch wenn die Legislaturperiode kürzer war als erwartet, ist dennoch der Zeitpunkt für eine kleine Bestandsaufnahme gekommen.
Dass der Inhalt des Regierungsprogramms gerade im Bereich Medien und Telekom nicht gerade ein Musterbeispiel an Klarheit war, habe ich schon einmal dargelegt. Es ist also zunächst schon einmal schwierig, überhaupt herauszufinden, was eigentlich angekündigt war:
  • Im Einleitungssatz des Kapitels "Medien und Telekommunikation" wird als Ziel der Medienpolitik der Bundesregierung "die Sicherung einer pluralistischen Medienlandschaft mit qualitativen Angeboten" genannt. Sofern das nicht ohnehin angesichts der bestehenden Medienlandschaft bloß ironisch gemeint sein sollte, fehlen im Programm jedenfalls konkrete Maßnahmen, die zur Erreichung dieses Ziels hätten beitragen sollen. Die zwei einleitenden Absätze des Medien und Telekom-Kapitels enthalten bloß unkonkrete Allgemeinplätze, sodass man auch nicht sagen könnte, dass irgendetwas aus diesem Bereich umgesetzt oder nicht umgesetzt worden wäre.
  • Etwas konkreter war die Ankündigung eines "unabhängigen Regulators Medien- und Telekommunikationsfragen", auch wenn die konkreten Formulierungen mehr Fragen aufwarfen als sie beantworteten. Umsetzung: keine (meinen Begriff des "bis auf weiteres-Regulators" werde ich wie erwartet noch einige Zeit verwenden können).
  • Bei der Medienförderung gab es zwar Bewegung, aber noch keinen Beschluss.
  • Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk war die Allgemeinplatz-Dichte im Regierungsprogramm auch recht hoch: er sollte "als national und international agierendes Content-Unternehmen in der digitalen Welt mit klarem öffentlich-rechtlichen Auftrag sowie transparenten Finanzierungsformen" positioniert werden. Sofern gemeint gewesen sein sollte, dass dies Aufgabe der Politik gewesen wäre - wohl nur im Wege der Gesetzgebung, denn eine Einflussnahme auf Geschäftsführung und Stiftungsrat des ORF ist ja nicht möglich;-) -, kann man bloß festhalten, dass rechtliche Änderungen in diese Richtung nicht erfolgt sind.
  • Dasselbe gilt für die "Festschreibung des digitalen Programmangebots sowie die Überarbeitung des Programmauftrages, insbesondere eine verstärkte Berücksichtigung des Themas Jugendschutz bzw. die Selbstverpflichtung zur Berücksichtigung österreichischer Produktionen," die aber nach dem Regierungsprogramm nicht zwingend umzusetzen, sondern bloß "ins Auge zu fassen" war. Ob das schon jemand ins Auge gefasst hat, entzieht sich meiner Kenntnis, legistisch ist jedenfalls nichts geschehen.
  • Zu TW1 steht Folgendes im Regierungsprogramm: "Falls der Spartenkanal TW 1 öffentlich-rechtlich finanziert werden soll, so besteht die Möglichkeit, ihn zu einem Spartenkanal, für Kultur und Information umzubauen." Prof. Mück hat immerhin versucht, diese Null-Aussage in seinem Sinne misszuverstehen.
  • Zu "evaluieren und gegebenenfalls... im Interesse ... unter Bedachtnahme ... und im Lichte ... anzupassen" waren die Werbebeschränkungen für den ORF. Umsetzung: nein.
  • Privaten Rundfunkanbietern wurde im Regierungsprogramm zwar bescheinigt, unverzichtbar sein, der allgemeinen Verheißung einer Anpassung des bestehenden Rechtsrahmens unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklungen folgten aber erst kurz vor dem Ende der Legislaturperiode vor rund zwei Wochen die ersten Schritte: die Regierungsvorlage zur Änderung des PrTV-G und des PrR-G (Lockerung der Werbebestimmungen im Einklang mit der AVMD-RL) sollte angeblich noch vor der Wahl im Nationalrat beschlossen werden. Ob das auch wirklich geschieht, kann derzeit wohl niemand vorhersagen.
  • Was mit der Sicherung eines wettbewerbsneutralen Zugangs zur Infrastruktur für Privatrundfunkanbieter gemeint gewesen sein sollte, hat sich mir nie ganz erschlossen; am ehesten dürfte damit wohl die Mitbenutzung von ORF (nun: ORS)-Sendeanlagen angesprochen worden sein. Was die Regierung dazu hätte tun sollen, entzieht sich aber definitiv meiner Kenntnis.
  • Mobile-TV: der einzige Punkt aus dem Kapitel Medien und Telekom, in dem tatsächlich eine Umsetzung eines Vorhabens aus dem Regierungsprogramm zweifelsfrei erfolgt ist, betrifft die Einführung von "Handy-TV" (Schaffung der Rechtsgrundlagen durch BGBl I 2007/52; Vergabe durch die KommAustria im Februar 2008)
  • Das mit den Top 3 der IKT-Nationen ist sich eher nicht ausgegangen, zum einheitlichen Ansprechpartner für IKT-Fragen und zur IKT-Taskforce sowie zu den damit angeblich geschaffenen "bestmöglichen Bedingungen im gesamten IKT-Bereich" sollte man wohl am besten gar nichts sagen.
  • Als fugitive Bestimmung im Landwirtschaftskapitel des Regierungsprogramms gab es dann noch die kryptische "500 Millionen Euro Breitbandoffensive", die unter anderem "mit 300 Millionen Euro von der Telekom finanziert" werden sollte. Was immer das hätte heißen sollen, zumindest das BMVIT hat von dieser 500 Millionen Breitbandoffensive noch nicht allzu viel mitbekommen: auf der Website des BMVIT wird zum Thema Breitband noch immer nur auf eine Breitbandinitiative hingewiesen, die schon von der Vorgängerregierung beschlossen wurde; zur Breitbandstrategie kann man dort auch den einschlägigen Ministerratsvortrag von Hubert Gorbach nachlesen (dort übrigens ohne Bundesadler!)
Nicht im Regierungsprogramm, aber auch nicht erledigt, war die Umsetzung der RL zur Vorratsdatenspeicherung; auch zur Frequenzpolitik schwieg das Regierungsprogramm, und schwieg auch der zuständige Minister (ob so jemals eine nationale Frequenzstrategie - sieh dazu hier - nach Brüssel kommuniziert werden kann?).
Und damit nicht der Eindruck entsteht, nur das Regierungsprogramm wäre unerledigt: auch der gesetzlich vorgesehene Evaluierungsbericht nach § 113 Abs 6 TKG 2003, der alle zwei Jahre vom BMVIT dem Nationalrat vorzulegen wäre, wurde nur im Jahr 2005 erstellt; der seit August 2007 fällige zweite Evaluierungsbericht verzögert sich, so habe ich nun auf Anfrage erfahren, "auf Grund der bevorstehenden Neuwahl". Das ist schon insofern bemerkenswert, als vor einem Jahr von der Neuwahl noch nichts bekannt war (ganz abgesehen davon, dass ich nicht nachvollziehen kann, wie die Neuwahl mit einem vom Minister vorzulegenden Bericht zusammenhängt).

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