Auch wenn er es nicht ausspricht: aktuell steht vor allem die E-Control im Fokus.
Der Kurier probiert seit einiger Zeit, TV-Ähnliches zu produzieren (da kommen dann - wie zuletzt - so Dinge heraus wie ein Interview mit dem Raiffeisen-Generalanwalt), und er versucht sich auch an einem Podcast, der - wenn nicht Kurier-Leute mit Kurier-Leuten diskutieren - im wesentlichen aus mitgefilmten Interviews besteht.
Beide Formate haben den Vorteil, dass man daraus Content für die Printzeitung machen kann, und heute bedeutet dies - neben einer Seite für den Raiffeisen-Generalanwalt - auch eine Seite für ein Interview mit Bundeskanzler Stocker.
Dieses Interview mit dem Bundeskanzler hat mich schon zu einem Thread auf BlueSky motiviert, und jetzt grife ich das Thema noch in einem kurzen Blogpost auf: der Bundeskanzler will nämlich - so muss man seine Aussagen wohl verstehen - zumindest einzelne derzeit unabhängige und weisungsfreie Behörden (wieder) unter politische Kontrolle bringen. Welche er meint, will er - auch auf Nachfrage - nicht sagen, und das ist Teil der Strategie.
Zunächst zu den konkreten Aussagen: im Bild links der relevante Ausschnitt aus dem Print-Kurier (man kann davon ausgehen, dass das in diesem Wortlaut auch explizit freigegeben wurde), und im Anschluss das Transkript vom YouTube-Video des Podcasts (ab Minute 22:37 bis 23:47; die Fragen stellte Kurier-Redakteurin Johanna Hager):
[Hager] Herr Stocker, Sie haben vorher gesagt, Sie werden sich vielleicht Kompetenzen oder etwas zurückholen. Können Sie das noch näher definieren, wo der Staat vielleicht mehr klare Kante zeigen wird, künftig?[Stocker] Ich will es jetzt nicht an einem konkreten Beispiel festmachen, weil sonst wird sich an dem festgebissen und das alles zerlegt ...[Hager] An einem Bereich vielleicht, im Bereich des Schulwesens oder ...[Stocker] Ich sage Ihnen die Grundstruktur, die ich in der Vergangenheit jetzt erlebt habe. Aus dem Bestreben, dass man Entscheidungen objektivieren will, hat man Vieles aus der Politik herausgenommen und in unabhängige und weisungsfreie Behörden verlagert. Und das kritisch zu hinterfragen, glaube ich, würde sich lohnen, überall dort, wo wir so unabhängige weisungsfreie Behörden haben, weil oftmals ist die Entscheidung dieser Behörde dann zwar unabhängig und weisungsfrei, aber die Politik wird dafür verantwortlich gemacht und wie gesagt, ich trage gerne Verantwortung für meine Entscheidungen, aber nicht für die anderer.[Hager] Jetzt werden wir wahnsinnig gespannt, welche Institutionen sie meinen, aber sie wollen dezidiert keine nennen.[Stocker] Richtig.[Hager] Gut.
Zur Übersicht: Liste unabhängiger österreichischer Behörden
(nicht ganz vollständig, ich hoffe aber die in der Praxis relevanten Behörden erfasst zu haben)
- Abschlussprüferaufsichtsbehörde
- Beschwerdekommission und Board (Organe der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria)
- Bundesdisziplinarbehörde
- Bundesentschädigungskommission (nach dem Besatzungsschädengesetz)
- Bundesschiedskommission (nach dem ASVG)
- Bundeswettbewerbsbehörde
- Datenschutzbehörde
- E-Control
- Finanzmarktaufsichtsbehörde
- KommAustria
- Personalvertretungsaufsichtsbehörde
- Post-Control-Kommission
- RTR GmbH (Fachbereich Telekommunikation und Post)
- Schienen-Control Kommission
- Schlichtungskommissionen (für die Leistungsvereinbarung) nach dem Universitätsgesetz 2002 und dem Bundesgesetz über das Institute of Digital Sciences Austria (Interdisciplinary Transformation University)
- Schlichtungsstelle (nach dem ArbVG)
- Telekom-Control-Kommission (auch als Aufsichtsstelle nach Art. 17 eIDAS-VO)
- Übernahmekommission (nach dem Übernahmegesetz)
- Unabhängiger Parteien-Transparenz-Senat
- Urheberrechtssenat (nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz 2016)
Daneben gibt es zahlreiche unabhängige beratende Einrichtungen, diverse Anwaltschaften, Rechtsschutzbeauftragte, Räte, Kommissionen, Beiräte usw., die aber keine Behörden im engeren Sinne sind, die verbindliche, rechtskraftfähige Entscheidungen treffen (ich habe auch einzelne echte Behörden hier nicht erwähnt, weil sie ziemlich sicher nicht im Fokus des Bundeskanzlers stehen, so etwa der Vorstand der Post AG als [unabhängige] Dienstbehörde für die der Post zugewiesenen Beamten oder die Bundesverteilungskommission nach dem Verteilungsgesetz Bulgarien und ähnliche).
- Bundeswettbewerbsbehörde: im Zug der Diskussion über hohe (Lebensmittel-)Preise gab es gelegentlich auch Kritik an der Effektivität der Wettbewerbsaufsicht
- KommAustria: da zeigte sich jüngst einmal der Medienminister "irritiert" über eine Entscheidung
- Unabhängiger Parteien-Transparenz-Senat: da beschloss der Nationalrat sogar ein Gesetz, um die Entscheidungspraxis des UPTS zu konterkarieren.
- Finanzmarktaufsichtsbehörde: die nicht immer zurückhaltende Kritik an restriktiven Kriterien für die Kreditvergabe kam besonders stark (aber nicht nur) aus der niederösterreichischen ÖVP.