Friday, September 25, 2009

Digitale Dividende, wieder einmal (Lesehinweis)

Der Verteilungskampf um die digitale Dividende hat nun auch in Österreich voll eingesetzt. Nachdem vor zwei Monaten die Frequenzbereichszuweisungs- und die Frequenznutzungsverordnung geändert wurden, kündigte Staatssekretär Ostermayer beim Rundfunkforum Ende August an, bis Anfang 2010 die weiteren notwendigen politischen Entscheidungen zu treffen, und zwar auf Basis einer bis dahin zu erstellenden wissenschaftlichen Studie (über die allerdings bis dato nichts näher bekannt ist; insbesondere auch noch keine Ausschreibung oder Interessentensuche - die Zeit wird wohl knapp werden).

Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass sich die Kontrahenten Interessenten in Position bringen: mit Presseaussendungen der einen wie der anderen Seite, diversen Anstrengungen in Lobbying gegenüber Politik und PR gegenüber den Medien - und natürlich mit Umfragen ("brandaktuelle Ergebnisse" sollen vom Forum Mobilfunk am 30.9.2009 vorgestellt werden; zum FMK siehe auch diesen Beitrag von Georg Holzer) und Studien. Zuletzt hat die ORS eine Studie von Ernst-Olav Ruhle (Juconomy Consulting) vorgestellt, die sich erwartungsgemäß kritisch mit zentralen Argumenten der Mobilfunker auseinandersetzt (Download der Studie; Presseaussendung) und zum Ergebnis kommt, dass eine Festlegung auf ein bestimmtes Konzept für die zukünftige Verwendung der Frequenzen heute deutlich verfrüht ist.

Ruhle beruft sich dabei auch auf die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Studie, deren Ergebnisse Anfang September vorgestellt wurden (siehe dazu die Website der Kommission zur digitalen Dividende und die Website der Auftragnehmer zur Studie; die wesentlichen Ergebnisse der Studie sind dieser Präsentation zu entnehmen). Die EU-Studie untersuchte nicht nur das realistische Szenario (die Vergabe des Sub-Bands von 790 bis 862 MHz an Mobilfunkanbieter nach Abschluss der Digitalisierung des terrestrischen Fernsehens), sondern auch radikalere Optionen wie zB die vollständige Räumung des gesamten 470-862 MHz-Bandes von Rundfunkdiensten; unter solchen Annahmen kommen daher auch manche etwas abenteuerlich wirkende Zahlen zustande. Insgesamt scheint die Studie aber durchaus solide, jedenfalls in jenen Punkten, die sie tatsächlich aufgreift (gelegentlich wird nämlich auch auf Umstände verwiesen, die nicht geprüft wurden, etwa die möglichen Störungen für den Kabel-TV-Empfang).

Wesentliche Ergebnisse der EU-Studie sind ua, dass der früheste realistische Zeitpunkt für die Schaffung des 790-862 MHz Bandes (und dessen Nutzung für Breitbandanwendungen) 2015 bleibt; für die Notwendigkeit einer weitergehenderen Räumung des UHF-Bandes besteht derzeit und auf absehbare Sicht keine Veranlassung. Für SAB/SAP (Rundfunk- und Produktionshilfsdienste, zB Funkmikrophone) gibt es keine unmittelbare Knappheit, solange nur das 790 bis 862 MHz-Band geräumt wird (würde ich die Festspielbühne am Bodensee bei Bregenz betreiben, hätte ich wohl dennoch Bedenken, zumal sich hier die Nutzungen in drei Ländern überschneiden).

Was andere Nutzungen der digitalen Dividende betrifft, wird in der EU-Studie hinsichtlich "Handy TV" keine Notwendigkeit zum Handeln gesehen, das gleich gilt für PPDR (public protection and diasaster relief). Dazu wird angemerkt, dass manche Mitgliedstaaten vor kurzem in PPDR-Systeme in anderen Frequenzbändern investiert haben (darauf werde ich für Österreich in einem späteren Beitrag noch einmal zurückkommen).

Noch diesen Herbst wird die Kommission eine Mitteilung zur digitalen Dividende veröffentlichen mit einer "Roadmap" für die nächsten Schritte. Außerdem soll der endgültige Abschaltzeitpunkt für analoges terrestrisches Fernsehen mit 1.1.2012 verbindlich festgelegt werden und die Nutzungsbedingungen für das Sub-Band von 790 bis 862 MHz sollen gemeinschaftsweit harmonisiert werden.

Die Radio Spectrum Policy Group wird im November ihre endgültige Position zur digitalen Dividende beschließen (zum Entwurf hier); zur Position der European Regulators Group siehe ERG (09) 26 ERG Statement on the Digital Dividend.

PS: Zur detaillierten Information in praktisch allen Frequenzangelegenheiten sei die Website des ECO - European Communications Office der CEPT - nachdrücklich empfohlen. Das ECO ist seit 1. Juli dieses Jahres an die Stelle des European Radiocommunications Office (ERO) und des (vergleichsweise weniger bedeutenden) European Telecommunications Office (ETO) getreten und daher auch noch unter der gut eingeführten Adresse www.ero.dk zu erreichen. Das ECO betreibt auch EFIS, ein europäisches Frequenzinformationssystem, und ECA, eine Datenbank über europäische Frequenzbereichszuweisungen.

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