Nummerierungsfragen zählen nicht unbedingt zu den Erfolgsgeschichten der europäischen Telekomregulierung: die Umsetzung der europäischen Notrufnummer 112 dauerte mehr als ein Jahrzehnt (und ist in einigen Mitgliedstaaten noch immer nicht abgeschlossen - siehe auch die noch anhängigen Vertragsverletzungsverfahren: C-230/07, C-274/07, C-539/07), der Erfolg der "harmonisierten Nummern für harmonisierte Dienste von sozialem Wert" hält sich bislang ebenfalls in Grenzen (siehe zB hier) - und nun dürfte auch das mehr als 15 Jahre alte Projekt, einen einheitlichen "Europäischen Telefonnummernraum" (ETNS) zu etablieren, gescheitert sein.
Dabei war das Konzept durchaus sinnvoll: im einheitlichen europäischen Wirtschaftsraum sollten auch paneuropäische Dienste unter europaweit einheitlichen Rufnummern erbracht werden können - und diese Dienste sollten über eine einheitliche regionale Vorwahl erreicht werden. Nach einigen Vorarbeiten im Rahmen der CEPT teilte die ITU, die die "country codes" (Landesvorwahlen) verwaltet, im Jahr 2000 schließlich 24 europäischen Staaten die gemeinsame "Vorwahl" 3883 zu (formal handelt es sich um eine Zusammensetzung aus dem "shared country code" 388 und dem "identification code" 3, siehe dazu die ITU-Entscheidung sowie die zuletzt veröffentlichte Liste der "E.164 country codes").
Die Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG enthält in Art 27 Abs 2 daher die ausdrückliche Verpflichtung aller Unternehmen, die öffentliche Telefonnetze betreiben, alle Anrufe in den europäischen Telefonnummernraum auszuführen (vgl dazu auch § 22 Z 2 TKG 2003). Auch im aktuellen Vorschlag der Kommission für eine Änderung (u.a.) der Universaldienstrichtlinie (KOM(2007) 698 endgültig) wird auf die Vorwahl 3883 ausdrücklich Bezug genommen. Ähnlich wie bei der Frequenzverwaltung zielt die Kommission auch hier darauf ab, de facto Kompetenzen der Mitgliedstaaten übertragen zu bekommen - konkret sollten "die Mitgliedstaaten, denen die Internationale Fernmeldeunion (ITU) die internationale Vorwahl '3883' zugewiesen hat," die alleinige Zuständigkeit für die Verwaltung des europäischen Telefonnummernraums (ETNS) an die neue europäische Regulierungsbehörde EECMA übertragen. In Erwägungsgrund 21 heißt es dazu noch, dass "der ETNS Chancen für den Aufbau europaweiter Dienste eröffnet".
Für besonderen Optimismus bestand freilich schon zu diesem Zeitpunkt längst kein Anlass mehr: das ERO hatte schon 2005 hatte nämlich das ECC beschlossen, alle Arbeiten im Zusammenhang mit ETNS einzustellen. Im Mai 2008 wurde auch die Zuteilung der regionalen Vorwahl 3883 durch die ITU zurückgenommen. Nur wenige Monate, nachdem die Kommission in ihrem Vorschlag zur Änderung der Universaldienstrichtlinie noch die "Chancen für den Aufbau europaweiter Dienste" durch den ETNS hervorhob, kam sie nun zum Ergebnis, dass es sich dabei um ein überholtes Konzept aus den 90er-Jahren handelt (wörtlich: "ETNS has difficulties to grow. One of the reasons is that it was conceived in the 90ies and that the concept is now outdated."). Die Kommission hat daher eine Studie über "Optionen für die Zukunft des ETNS" ausgeschrieben - wer sich um diesen Auftrag bewerben will, hat noch bis zum 22. September dazu Zeit.
Weshalb die Kommission aber ein Konzept, das sie nun als längst überholt ansieht, noch im November vergangenen Jahres ihren Vorschlägen für den überarbeiteten Rechtsrahmen zugrundegelegt hat, das lässt sich auch aus der Studien-Ausschreibung nicht nachvollziehen.
Friday, August 22, 2008
Europäischer Telefonnummernraum: zukunftsweisend oder veraltet?
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