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Wednesday, March 31, 2010

EGMR: Vorwurf der Kollaboration mit dem KGB - keine bloße Meinungsäußerung

"Political debate has its own rules and sometimes those rules can be very harsh for those who decide to actively participate in it. But neither the press nor political opponents can be granted a licence to kill." So schreiben die Richter Lech Garlicki (Polen), Ján Šikuta (Slowakei) und Mihai Poalelungi (Republik Moldau), in ihrer concurring opinion zum Urteil des EGMR vom 30.03.2010 im Fall Petrenco v. Moldova (Application no. 20928/05).

Der vom EGMR entschiedene Fall betraf einen Artikel in der offiziellen staatlichen Zeitung der Republik Moldau vom 4. April 2002. Darin wurde dem Beschwerdeführer vor dem EGMR, einem Universitätsprofessor für Geschichte und Vorsitzenden der Historikervereiningung Moldaus, von einem Historikerkollegen und ehemaligen Minister (implizit) vorgeworfen, sein Postgraduate-Studienplatz und seine nachfolgende Karriere als Historiker seien das Resultat seiner Kollaboration mit den sowjetischen Geheimdiensten gewesen. Herr Petrenco klagte, die Zeitung distanzierte sich zwei Jahre später von der herabwürdigenden Wortwahl und vom Vorwurf, der Beschwerdeführer habe ein "schwaches Gedächtnis" und es fehle ihm an persönlicher Würde, nicht aber auch vom Vorwurf der Kollaboration mit dem KGB. Vor den nationalen Gerichten blieb Herr Petrenco mit seine Klage erfolglos, anders vor dem EGMR, der mit einem Stimmverhältnis von sechs zu eins auf eine Verletzung des Artikel 8 EMRK erkannte.

Das Urteil folgt der Rechtsprechung des EGMR im Fall Pfeifer (siehe dazu im Blog hier) und wägt die Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK ab.
"Unlike the domestic courts, the Court is not persuaded that the statements in question can be considered mere value judgments. [...] In the Court's view, whether an individual has collaborated with the Soviet secret services is not merely a matter for speculation but a historical fact, capable of being substantiated by relevant evidence [...] implying without any factual basis that the applicant had collaborated with the Soviet secret services, exceeded the acceptable limits of comment in the context of a debate of general interest. Taking into account the particular gravity of the allegation in the present case, the Court finds that the reasons advanced by the domestic tribunals to protect the newspaper and S.N.'s right to freedom of expression were insufficient to outweigh the applicant's right to respect for his reputation."
Wie so oft sind die interessantesten Ausführungen in den Separatvoten zu finden. Zunächst im zustimmenden Votum der Richter Garlicki, Šikuta und Poalelungi, die sich mit der "wilden Säuberung" beschäftigen ("the so-called 'wild lustration': a situation in which allegations concerning former collaboration with the communist political police are raised, in the heat of a political debate, by the press and/or by a private person of some political standing"). Der Umstand, allein, dass eine solche "wilde Säuberung" in einem politischen Kontext stattfinde, reicht nicht aus, um von der Verpflichtung zum Schutz des guten Rufs anderer abzusehen. Die Richter weisen aber auch auf die Möglichkeit hin, dass es positive Verpflichtungen der Staaten geben könnte, Zugang zu Archivmaterial zu gewähren: "an arbitrary bar on any reasonable access [to state archives in which information about past events can be researched] may constitute a violation of both Article 8 and Article 10 of the Convention."
 
Interessant ist aber auch die abweichende Meinung des Richters David Thór Björgvinsson (Island), der auf die politischen Funktionen des Beschwerdeführers verweist, die in der Mehrheitsmeinung zwar im Vorbringen der Regierung der Republik Moldau ebenso referiert werden wie das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels keine politische Funktion ausgeübt habe, aber in der Beurteilung des Gerichts schlicht nicht vorkommen. Vor diesem Hintergrund und der kommunistischen Vergangenheit des Beschwerdeführers kann Richter Björgvinsson keine Verletzung des Art 8 EMRK erkennen: 
"The applicant does not deny that he was a member of the Communist Party of the former Soviet Union. Admittedly, membership of the Communist Party is one thing; association with the KGB is quite another. However, what is not in dispute is the fact of his association with a former repressive regime albeit in one of its less oppressive guises. In such circumstances and particularly in the context of a political debate on matters of public interest, I do not accept that the mere suggestion that the applicant was well regarded by the KGB so increases the level of stigmatisation that it warrants sacrificing the fundamental right to press freedom for the sake of protecting his rights under Article 8.
Dass die Frage der Zusammenarbeit mit kommunistischen Geheimdiensten auch in anderen Staaten relevant ist, zeigt zB ein aktuelles Urteil des OLG Hamburg in einem Streit zwischen Gregor Gysi und dem ZDF (hier bei Telemedicus).

Tuesday, March 30, 2010

Deutsches Bundesverwaltungsgericht: Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung und Marktanalyse Rundfunkmärkte

Seit heute ist auf der Website des deutschen Bundesverwaltungsgerichtes auch der Volltext des Urteils vom 27.01.2010, 6 C 22.08, betreffend den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung verfügbar. Wie aus der Pressemitteilung bekannt, hat das BVerwG mit diesem Urteil einer Klage der Deutschen Telekom AG (DT AG) "gegen die im Hinblick auf den VDSL-Ausbau verfügte Regulierung des Marktes für Teilnehmeranschlüsse teilweise stattgegeben."

Zum größeren Teil blieb die Klage der DT AG allerdings erfolglos: die Verpflichtungen, Wettbewerbern Kollokation (auch) im Kabelverzweiger und Zugang auch zu Kabelkanälen zwischen Kabelverzweiger und Hauptverteiler zu gewähren sowie über diese Möglichkeit zu informieren, hielten der gerichtlichen Überprüfung ebenso stand die Genehmigungspflicht hinsichtlich der Entgelte für diese Leistungen.

Als rechtswidrig beurteilt wurde hingegen die Verpflichtung der DT AG, für den Fall, dass aus technischen Gründen oder aus Kapazitätsgründen der Zugang der Wettbewerber zu Kabelkanälen nicht möglich ist, Zugang zu unbeschalteter Glasfaser zu gewähren. Dabei sprach sich das BVerwG nicht grundsätzlich gegen den Zugang zu unbeschalteten Glasfasern aus, sondern deutet eher das Gegenteil an: unter Hinweis darauf, dass die Zugangsverpflichtung zum Teilnehmeranschluss auf Einrichtungen erstreckt werden kann, die erforderlich sind, um Dienste über den Teilnehmeranschluss zu erbringen, hält das BVerwG fest: "Manches spricht dafür, dass dies - auch in Anbetracht der hier vorliegenden Marktabgrenzung - den Zugang zu unbeschalteten Glasfaserleitungen einschließen kann, der den Wettbewerbern die Anbindung des Kabelverzweigers an den Hauptverteilerstandort unter Verwendung eigener Leitungsendausrüstung ermöglicht". Im konkreten Fall war der Bundesnetzagentur allerdings "hinsichtlich des Glasfaserzugangs jedenfalls ein Ermessensfehler unterlaufen, ... weil nicht alle gegenläufigen Belange mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt und zum Ausgleich gebracht worden sind."

Im Übrigen zeigt das Urteil neuerlich die Bedeutung des "Regulierungsermessens" auf, dessen Gebrauch vom Gericht (nur) auf Abwägungsfehler zu überprüfen ist; gleichsam lehrbuchartig führt das BVerwG aus (Hervorhebung hinzugefügt): 
"Fehlerhaft wird das Regulierungsermessen ausgeübt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat - Abwägungsausfall -, in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste - Abwägungsdefizit -, die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist - Abwägungsfehleinschätzung - oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht - Abwägungsdisproportionalität"
Klare Worte findet das BVerwG auch zur Abgrenzung von der wettbewerbsrechtlichen essential facilities-Doktrin. Dass eine von der Regulierungsbehörde nach dem TKG auferlegte Zugangsverpflichtung den essential facilities-Kriterien nicht entspricht, ist demnach nicht relevant; oder, in den Worten des BVerwG:
Die genannte Rechtsprechung [Rs C-7/97, Bronner - Slg 1998, I-7791 Rn. 31 ff.] betrifft die nach allgemeinem Wettbewerbsrecht zu beantwortende Frage, inwieweit ein marktbeherrschendes Unternehmen durch die Verweigerung des Zugangs zu einem Vorleistungsprodukt seine Marktmacht missbraucht; auf die besonderen Verhältnisse eines der Marktregulierung unterliegenden Telekommunikationsunternehmens, dem nach Art. 8 ff. ZRL [ZugangsrRL] weitergehende Verpflichtungen auferlegt werden können, lässt sich diese Rechtsprechung nicht in vollem Umfang übertragen".
Auch die Marktdefinition und Marktanalyse der Märkte für Rundfunkübertragungsdienste hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht beschäftigt; in einem Beschluss  vom 28.1.2010, 6 B 50.09, wurde jedoch die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Januar 2009 zurückgewiesen, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukam. Dennoch ist die Entscheidung des BVerwG, in der knapp auf einige Grundfragen der Marktdefinition (Drei-Kriterien-Test, HM- und SSNIP-Test, Kreuzpreiselastizität und Angebotsumstellungsflexibilität) eingegangen wird, lesenswert, natürlich in Verbindung mit der ausführlichen vorinstanzlichen Entscheidung des VG Köln.

Monday, March 29, 2010

Aus der Reichskasse bezahlt: das niederländische öffentliche Fernsehen im Amsterdam-Test

"uit's Rijks kas betaald", aus der Reichskasse bezahlt, wurden die Programmkosten des niederländischen öffentlichen Fernsehens nach einer Verordnung aus dem Jahr 1956, und das ist - trotz mehrfacher Änderungen der Rechtslage - der Sache nach bis heute so geblieben: das jährliche Budget für den öffentlichen Rundfunk wird vom zuständigen Regierungsmitglied festgelegt und von der Regulierungsbehörde dem Nederlands Publieke Omroep (NPO) zugeleitet. Der NPO ist allerdings keine homogene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wie etwa der ORF, sondern eine Koordinierungseinrichtung, denn in den Niederlanden sind etwa zwei Dutzend öffentliche Rundfunkveranstalter tätig. [Die direkte Finanzierung aus dem Budget bedeutet übrigens nicht, dass die Bürger keinen Beitrag leisten müssten: seit dem Jahr 2000 wird ein Rundfunkbeitrag als allgemeine Steuer eingehoben, anstelle der bis dahin an den Besitz eines Empfangsgerätes geknüpften Gebühr.]

Auch der niederländische öffentliche Rundfunk war Gegenstand eines Beihilfenverfahrens der Europäischen Kommission, das mit Entscheidung vom 26.01.2010 nach entsprechenden Zusagen Niederlands eingestellt wurde; in der Presseaussendung wird darauf hingewiesen, dass es sich um die zweite Entscheidung auf der Grundlage der neuen Rundfunkmitteilung handelt (die erste Entscheidung nach dieser Mitteilung betraf bekanntlich den ORF). Nun wurde auch die nicht vertrauliche Fassung der Entscheidung veröffentlicht (Originalsprache, englisch). Die Entscheidung folgt dem mittlerweile bekannten Muster, der Drei-Stufen-Test oder Public-Value-Test oder - wie ihn die Kommission nennt - Amsterdam-Test ist damit sozusagen auch in seinem Heimatland angekommen.

Eine Besonderheit gegenüber den deutschen und österreichischen Beihilfeverfahren zum öffentlichen Rundfunk zeigt sich in der Festlegung des Auftrags: hier akzeptiert die Kommission, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag nicht bereits im Gesetz ausreichend klar festgelegt wird, sondern erst in einem Verwaltungsverfahren durch den Minister spezifiziert wird. Im Hinblick darauf, dass auch in diesem Verwaltungsverfahren ausreichende Transparenz (Veröffentlichung des Entscheidungsentwurfs, Konsultation) sichergestellt wird und dass für die Nichteinhaltung des Auftrags Sanktionen vorgesehen sind, hat die Kommission gegen diese niederländische Besonderheit keinen Einwand.

Wednesday, March 24, 2010

Nun online und gratis: IRIS, die rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle

IRIS, die rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, ist seit langem eine zentrale Informationsquelle für alle Entwicklungen im Recht der audiovisuellen Medien für ganz Europa (und zwar wirklich für ganz Europa, für mehr als 50 Staaten, nicht nur für die EU). Nun hat sich die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle entschlossen, IRIS online und kostenlos verfügbar zu machen und zugleich auch das Archiv beginnend im Jahr 1995 zu öffnen (Presseaussendung). Wer Monat für Monat kompakt und verlässlich das Wichtigste erfahren will, dem kann man nur raten, die IRIS elektronisch (kostenlos) zu abonnieren bzw den angebotenen RSS-feed zu nutzen. Besonders erfreulich ist auch das nun frei zugängliche Archiv, erschließbar auch über die Merlin-Datenbank,

Als Österreicher ist man beim Durchsehen der alten IRIS-Ausgaben oft seltsam berührt, zumal durch die "alphabetische Nachbarschaft" von AT zu AL (Albanien) in manchen Übersichten deutlich wird, dass die abwertende Bezeichnung als "Medien-Albanien" der Wirklichkeit nicht gerecht wird: so berichtete die IRIS in der Ausgabe 4/2002 etwa von der erstmaligen Zulassung privaten terrestrischen Fernsehens in Österreich, während in Albanien schon 50 längst bestehende Radio- und Fersnsehlizenzen suspendiert wurden.

Tuesday, March 23, 2010

"Internetreferenzierungsdienst": EuGH beschreibt Google im Google-Urteil mit einem Wort, das Google (noch) nicht kennt

Es ist eine bemerkenswerte Leistung, ein Wort zu finden, das Google noch nicht kennt - und das ausgerechnet, um einen Dienst von Google (adwords) zu beschreiben - aber dem EuGH ist das in seinem heutigen Urteil in den verbundenen Rechtssachen C‑236/08 bis C‑238/08, Google France ua, gelungen: mit dem Begriff Internetreferenzierungsdienst. Mehr dazu im Urteil, das ansonsten - soweit Google betroffen ist - keine Überraschung bietet (ich schreibe dazu nicht mehr, weil das Markenrecht von anderen in der Blogosphäre besser behandelt wird, zB Markenblog oder IPKat). Hier nur die für Google zentralen Rechtssätze:
Der Anbieter eines Internetreferenzierungsdienstes, der ein mit einer Marke identisches Zeichen als Schlüsselwort speichert und dafür sorgt, dass auf dieses Schlüsselwort Anzeigen gezeigt werden, benutzt dieses Zeichen nicht im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 89/104 bzw. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94.
Art. 14 der [e-Commerce-RL] ist dahin auszulegen, dass die darin aufgestellte Regel auf den Anbieter eines Internetreferenzierungsdienstes Anwendung findet, wenn dieser keine aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Hat dieser Anbieter keine derartige Rolle gespielt, kann er für die Daten, die er auf Anfrage eines Werbenden gespeichert hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, er hat die Informationen nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen gesperrt, nachdem er von der Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder Tätigkeiten des Werbenden Kenntnis erlangt hat.

Sunday, March 21, 2010

"Am Schauplatz - Bärenjäger": finanzielle und organisatorische Beiträge, um ein Ereignis der Berichterstattung herbeizuführen

Darf ein Rundfunkveranstalter finanziell und organisatorisch mithelfen, um ein Ereignis zu schaffen, über das er berichten will? Die Sendungsmacher von "Am Schauplatz" (ORF) hatten sich dieser Frage bereits einmal - auf Antrag des Publikumsrates - vor dem Bundeskommunikationssenat zu stellen. Der BKS wies den Antrag des Publikumsrats ab und konnte in der finanziellen und organisatorischen Mitwirkung der Schauplatz-Redaktion am Zustandekommen einer Jagdreise, die Gegenstand der Reportage war, keine Verletzung des ORF-Gesetzes feststellen. Aus aktuellem Anlass (in dem es aber offenbar nicht um eine schon ausgestrahlte Sendung geht, sondern um allfällige Vorkommnisse im Vorfeld) daher hier, ohne weitere Kommentierung, die einschlägigen Rechtssätze aus diesem Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 16.06.2008:
"Der Bundeskommunikationssenat geht wie auch der Antragsteller davon aus, dass ein Beitrag finanzieller wie organisatorischer Natur zur Herbeiführung eines Ereignisses, welches Gegenstand einer Berichterstattung sein soll, dann mit dem Objektivitätsgebot vereinbar ist, sofern eine Beeinflussung der Authentizität der Berichterstattung ausgeschlossen werden kann und durch geeignete Maßnahmen sichergestellt wird, dass der Anschein von Parteinahme oder der Verzerrung der Dimensionen des Ereignisses hintangehalten wird.

Gerade bei Sendungen wie 'Am Schauplatz' wird es oftmals notwendig sein, in Umgebungen und Milieus vorzudringen, welche unter gewöhnlichen Umständen einer nicht verdeckten Berichterstattung schwer zugänglich wären. Sofern eine Berichterstattung aufgrund sachlicher journalistischer Kriterien dennoch angestrebt wird, ist es nach Ansicht des Bundeskommunikationssenates nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn insbesondere durch organisatorische Maßnahmen die Möglichkeit einer ansonsten authentischen Berichterstattung geschaffen wird. Die Grenze der zulässigen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung wird im Übrigen insbesondere dort anzusiedeln sein, wo unlautere Methoden angewendet werden. ...
Der Bundeskommunikationssenat gelangt ... zur Ansicht, dass organisatorische und/oder finanzielle Beiträge des ORF zum Zustandekommen der Berichterstattung solange nicht als wesentliche Elemente der Berichterstattung gelten und deshalb gegenüber den Zusehern nicht zwingend offen zu legen wären, solange die Authentizität der Information gewährleistet bliebt und dem Beitrag nach objektiven Kriterien ein insgesamt untergeordneter Stellenwert zukommt, sodass die Gefahr der Beeinflussung der Berichterstattung als ausgeschlossen angesehen werden kann.Eine Offenlegung insbesondere finanzieller Leistungen des ORF im Zuge der Sendungsproduktion an in der Sendung auftretende Dritte wäre schließlich allenfalls dann zu
bejahen, sofern eine Abwägung des diesbezüglichen sachlich gerechtfertigten Informationsinteresses des durchschnittlichen Zusehers gegenüber der journalistischen Gestaltungsfreiheit ein Überwiegen des Informationsinteresses ergibt."

Thursday, March 18, 2010

EuGH: Grundsätzliches zur Zulässigkeit obligatorischer Streitschlichtungsverfahren

Der Friedensrichter aus Ischia mag seine Vorlagefragen sehr pauschal und am Rande der Unzulässigkeit formuliert haben (dazu schon hier und in Rn 23-30 des heutigen Urteils), der EuGH hat - den Schlussanträgen von Generalanwältin Kokott (zu diesen hier) folgend - dennoch die Gelegenheit ergriffen, eine ins Grundsätzliche gehende Entscheidung zu obligatorischen Streitschlichtungsverfahren zu treffen. Das heutige Urteil in den verbundenen Rechtssachen C‑317/08, C‑318/08, C‑319/08 und C‑320/08, Alassini ua, betrifft nämlich nicht nur Art 34 der UniversaldienstRL 2002/22/EG, sondern generell die Frage, ob bzw unter welchen Umständen der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes beeinträchtigt sein könnte, wenn ein Mitgliedstaat für die Durchsetzung von Rechten, die durch das Unionsrecht gewährt werden, vor Klagseinbringung zwingend die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens vorsieht.

Der EuGH folgt in der Sache der stringenten Analyse der Generalanwältin (sodass ich dazu im Wesentlichen auf mein Posting zu den Schlussanträgen verweisen kann), beantwortet die (so nicht gestellte, sondern notwendigerweise kräftig umformulierte) Vorlagefrage aber noch ausführlicher und deutlicher. Demnach steht Art 34 der RL 2002/22/EG einer Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegen, "die in Streitfällen zwischen Endnutzern und Dienstanbietern auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikationsdienste, in denen von dieser Richtlinie verliehene Rechte in Frage stehen, als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage einen obligatorischen Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung vorschreibt."

Daran war ohnehin nicht zu zweifeln. Von größerer Bedeutung ist allerdings der zweite Absatz des Urteilsspruchs:
"Die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes stehen einer nationalen Regelung, die für solche Streitfälle die vorherige Durchführung eines außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens vorschreibt, gleichfalls nicht entgegen, wenn dieses Verfahren nicht zu einer die Parteien bindenden Entscheidung führt, keine wesentliche Verzögerung für die Erhebung einer Klage bewirkt, die Verjährung der betroffenen Ansprüche hemmt und für die Parteien keine oder nur geringe Kosten mit sich bringt, vorausgesetzt jedoch, dass die elektronische Kommunikation nicht das einzige Mittel des Zugangs zu diesem Streitbeilegungsverfahren bildet und dass Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes in Ausnahmefällen möglich sind, in denen die Dringlichkeit der Lage dies verlangt."
Zur besseren Lesbarkeit hier eine gegliederte Übersicht der vom EuGH postulierten Voraussetzungen, unter denen ein zwingendes Streitschlichtungsverfahren vor Klagseinbringung zulässig ist, wenn es um Rechte geht, die durch Unionsrecht verliehen wurden:
  1. keine bindende Erledigung
  2. keine wesentliche Verzögerung 
  3. Hemmung der Verjährung der betroffenen Ansprüche 
  4. keine oder nur geringe Kosten für die Parteien  
  5. keine reinen "Online-ADR-Verfahren" (elektronische Kommunikation darf nicht das einzige Mittel sein, um Zugang zu diesem Streitbeilegungsverfahren zu erhalten)
  6. Maßnahmen des (gerichtlichen) vorläufigen Rechtsschutzes müssen in dringlichen Fällen möglich bleiben
Die Punkte 2 bis 5 wurden auch bereits von Generalanwälting Kokott formuliert, Punkt 1 dient meines Erachtens eher der Klarstellung, materiell neu gegenüber den Schlussanträgen ist allerdings die Betonung der Notwendigkeit, dass trotz obligatorischem Streitschlichtungsverfahren das Gericht weiterhin in der Lage sein muss, Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zu erlassen.

Zusätzlich zu den oben ausdrücklich genannten Punkten gilt natürlich, dass die Durchsetzung der durch die Union gewährten Rechte nicht gegenüber der Durchsetzung der aus dem nationalen Recht hergeleiteten Rechte benachteiligt sein darf (vgl Rn 51 des Urteils bzw Rn 41 der Schlussanträge).

Im Übrigen fällt auf, dass der EuGH, auch wenn es nicht wirklich entscheidungswesentlich ist, Art 47 der Grundrechte-Charta ("Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht") ausdrücklich zitiert. Die Ausgangsfälle dieses Verfahrens betrafen zwar klassische Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art 6 EMRK, sodass sich aus der Bezugnahme auf Art 47 GRC keine materielle Änderung gegenüber dem schon bisher als "Gemeinschaftsgrundrecht" ("gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten") anerkannten Art 6 EMRK ergibt. In Fällen aber, in denen keine "civil rights" iSd EMRK, wohl aber sonstige Rechte, die sich aus Unionsrecht herleiten, gegenständlich sind, kann Art 47 GRC jedoch durchaus zu erweiterten Anforderungen an den Rechtsschutz in den Mitgliedstaaten führen (rein administrative Instanzenzüge ohne volle gerichtliche Kontrolle scheinen damit jedenfalls nciht mehr vereinbar).

Wednesday, March 17, 2010

Rat auf Draht (drahtlos): langsam schließt sich der reality gap

Seit Jahren gibt es einen interessanten "reality gap" zwischen der Zahl der zur Notrufnummer 147 ("Rat auf Draht") abgesetzten und jener der dort angekommenen Notrufe. Die heute veröffentlichten Zahlen des Forums Mobilkommunikation zeigen aber, dass diese "verschwundenen Notrufe" langsam weniger werden: nach 4,9 Mio Anrufen zur Notrufnummer 147 allein aus Mobilnetzen im Jahr 2006, 2,7 Mio Anrufen im Jahr 2007 und 1,23 Mio Anrufen im Jahr 2008 wurden 2009 "nur" mehr 739.043 Notrufe zu dieser Nummer aus österreichischen Mobilnetzen abgesetzt.

Die Zahl der beim Notrufbetreiber angekommenen Notrufe geht zwar auch zurück, aber nicht so stark, hier die Zahlen des ORF (zu 2009 hier):
2007: 205.662 Kontakte, 131.354 Beratungsgespräche
2008: 178.126 Kontakte, 116.411 Beratungsgespräche
2009: 176.145 Kontakte, 109.008 Beratungsgespräche

Damit ist die Zahl der allein aus Mobilnetzen abgesetzten Notrufe immer noch rund viermal so hoch wie die Zahl der beim Notrufbetreiber (aus allen Netzen) entstandenen Kontakte, aber die Differenz wird geringer. Die Differenz ist meines Erachtens nach wie vor damit zu erklären, dass der Notrufbetreiber (eingestandenermaßen) entgegen den geltenden Rechtsvorschriften den Notrufdienst nicht so ausgestattet hat, dass bei der Entgegennahme von Rufen keine nennenswerten Wartezeiten auftreten. Die gute Nachricht ist, dass offenbar die Zahl der Notrufer, die nur auf einem Tonband oder gleich bei einem Besetztzeichen landen und es daher - entsprechend der Empfehlung des Notrufbetreibers"einfach ein bisschen später noch einmal" probieren, kleiner geworden ist.

Ex-FCC-Chef Hundt: Internet as Common Medium

Breitbandinternet ersetzt (terrestrisches und Kabel-)Fernsehen als "common medium" der USA. Auf diesen Punkt kann man den bemerkenswerten Vortrag von Reed Hundt, ex-Chairman der FCC (1993-1997), bringen, den er bei einer Veranstaltung am 11.03.2010 auf der Columbia Business School  gehalten hat (Video, zur Veranstaltung hier, ein Bericht darüber hier). Hundt postuliert, dass jede Gesellschaft ein gemeinsames Medium, ein "common medium" braucht - eine Funktion, die lange vom Fernsehen eingenommen wurde. Dessen Zeit ist nun vorbei, an seine Stelle tritt das Internet. Die Charakteristika eines gemeinsamen Mediums nach Hundt sind 
  1. it needs to reach 100% of the people
  2. it needs to be a customary medium for all 100%
  3. it needs to be very easy for them to use
  4. it has to be accessible culturally (it has to be in the common language or languages, it has to not create cultural barriers to its use)
  5. it needs to be open (open to participation)
  6. it needs to be good for business (economic growth is supposed to be fostered by the medium, not undercut by it)
  7. it has to provide access to the government and access for the government to the people
  8. it needs to be full of news in some way, shape, form or fashion
  9. it ought to be sufficiently local
  10. and lastly, at least in the United States, it needs to be private.
Das alles trifft nach Hundt auf das Internet weit mehr zu als auf klassisches Fernsehen, dessen Tage als common medium zu Ende gehen. In seinem Vortrag spricht Hundt recht offen über seine Zeit in der FCC (erzählt "some of the things that we really did think back in the 1990ies about the internet"), und wie damals die Weichen gestellt wurden um das Internet gegenüber dem Fernsehen aktiv zu bevorzugen, zB durch eine Verzögerung des Übergangs zu (terestrsicher) HDTV-Übertragung. Einer seiner Gründe dafür: "We also thought the Internet would fundamentally be pro-democracy and that broadcast had become a threat to democracy."

Ganz so offen ist der gestern veröffentlichte neue Breitbandplan der amerikanischen Regulierungsbehörde FCC (Übersichtsseite, gesamter Plan) nicht, obgleich die radikalen Vorgaben zur Frequenznutzung (innerhalb der nächsten zehn Jahre sind 500 MHz für Breitband freizumachen, davon 300 MHz für mobile Nutzung innerhalb der kommenden fünf Jahre) durchaus in diese Richtung geht. Insgesamt wirkt der FCC-Plan ähnlich ambitioniert wie die auch in Europa üblichen Pläne (etwa auch im Rahmen der sogenannten "digital agenda" der Europa 2020-Strategie, die unter anderem  Breitband-Internetzugang für alle bis 2013 anstrebt), aber doch schon um einiges konkreter, bis hin zu den Überlegungen, wie die Zielerreichung konkret gemessen werden soll. Was beim FCC-Plan bei einer ersten Durchsicht ebenfalls auffällt, ist der klare Fokus auf Wettbewerb und dabei wiederum auf der Erhebung und Bereitstellung anwenderorientierter Daten, sowie überhaupt die starken Ausrichtung an der Nutzerperspektive. "Establishing competition policies" ist Punkt 1 der Zusammenfassung, und dabei kommt an vorderster Stelle das Sammeln, Analysieren und Veröffentlichen detaillierter, auf geographische Märkte bezogener Informationen über Preise und Wettbewerb, außerdem "disclosure requirements" für Breitbandanbieter, basierend auf tatsächlicher Performance (nicht: "bis zu x MBit/s"). Daten zur tatsächlichen Geschwidingkeit von Breitbandverbindungen erhebt die FCC übrigens schon jetzt - im Weg von "Crowdsourcing" über eine eigene iPhone-App (mehr dazu hier bei Florian Novak).

PS (ohne Zusammenhang): ich habe meinen Foliensatz zu einem gestern gehaltenen Vortrag über das "Reformpaket" und die EuGH-Rechtsprechung zum Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste hier bereitgestellt.

Thursday, March 11, 2010

EuGH: generelles Verbot von Bündelangeboten zwar mit UniversaldienstRL, nicht aber mit UGP-RL vereinbar

Zum heutigen Urteil in der Rs C-522/08, Telekomunikacja Polska, hier die Beantwortung der Vorlagefragen (mehr dazu bei contentandcarrier):
Die Richtlinien 2002/21/EG [...] (Rahmenrichtlinie) und 2002/22/EG [...] (Universaldienstrichtlinie) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 der Ustawa – Prawo telekomunikacyjne (Telekommunikationsgesetz) [...], wonach untersagt ist, den Abschluss eines Vertrags über die Erbringung von Diensten davon abhängig zu machen, dass der Endnutzer einen Vertrag über die Erbringung weiterer Dienste schließt, nicht entgegenstehen. 
Die Richtlinie 2005/29/EG [...] (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist allerdings dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die von bestimmten Ausnahmen abgesehen Kopplungsangebote eines Verkäufers an einen Verbraucher ungeachtet der spezifischen Umstände des konkreten Falles verbietet.

Aus gegebenem Anlass: das F-Wort im (diesmal: österreichischen) Fernsehen

In den USA beschäftigt das F-Wort jahrelang die Regulierungsbehörde und alle Gerichtsebenen bis zum Supreme Court (Urteil vom 28.4.2009, 07-582, siehe dazu hier, hier und hier). Bis heute ist das bekannteste Verfahren nicht abgeschlossen, auch wenn es auf Vorfälle in den Jahr 2002 und 2003 zurückgeht (Cher: "I’ve also had critics for the last 40 years saying that I was on my way out every year. Right. So f*** ‘em.";  Nicole Ritchie und Paris Hilton: "Have you ever tried to get cow s*** out of a Prada purse? It’s not so f***ing simple."). Im Jänner 2010 fand die neuerliche Verhandlung vor dem Second Circuit statt, die hier zu sehen ist (Bericht dazu bei Informationoverlord).

Gestern gab es auch in Österreich einmal ein F-Wort live im frei empfangbaren TV: Dr. Hans-Peter Martin, MEP, bedachte Standard-Redakteur Harald Fidler in der ATV-Diskussionssendung Am Punkt (am späteren Abend) mit einem deutlichen "f*** you!" (siehe im Video hier bei 44'15''; via linzerschnitte). In den USA, wo im Hinblick auf "indecent content" im terrestrisch frei empfangbaren Fernsehen auch keine "watershed" gilt, müsste die FCC wohl über eine Verfahrenseinleitung nachdenken - allerdings hat sie in politischen Zusammenhängen das "F-Wort" auch schon toleriert, nämlich in Berichten über den Ausbruch von Vizepräsident Cheney, der einem Senator "f*** yourself" zugerufen hat (Zeitungsbericht hier).

In Österreich würde ein Vorgehen gegen den Rundfunkveranstalter voraussetzen, dass die Sendung "die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen" konnte und sie nicht überdies nicht entsprechend gekennzeichnet war (siehe § 32 Abs 2 und 3 PrTV-G).

Unabhängigkeit oder Aufsicht? EuGH zu deutschen Datenschutz-Kontrollstellen

Auch wenn der klassische Datenschutz nicht unbedingt Thema dieses Blogs ist, möchte ich auf das aktuelle Urteil des EuGH vom 9.3.2010, C-518/07, Kommission / Deutschland, hinweisen. Im Gegensatz zu den Schlussanträgen des Generalanwalts hat der EuGH die staatliche Aufsicht, der deutsche Datenschutz-Kontrollstellen (teilweise) unterliegen, als mit der allgemeinen DatenschutzRL 95/46/EG unvereinbar beurteilt. In Art 28 Abs 1 der RL heißt es nämlich: "Die Mitgliedstaaten sehen vor, daß eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen. Diese Stellen nehmen die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr. Nach diesem Urteil des EuGH kann der Gesetzgeber die Kontrollstellen zwar verpflichten, dem Parlament Rechenschaft über ihre Tätigkeiten abzulegen, eine staatliche Aufsicht durch Verwaltungsorgane ist aber mit dem Unabhängigkeitserfordernis nicht vereinbar.

Hervorzuheben ist, dass der EuGH ausdrücklich auch die Kompetenzgrundlage der DatenschutzRL (nun Art 114 AEUV, damals "ex-ex-Artikel" 100a EGV) als ausreichend ansieht, um den Mitgliedstaaten Vorgaben für die Verwaltungsorganisation - in concreto also für die Unabhängkeit der Kontrolstelle - zu machen, was von Deutschland nicht nur im Hinblick auf die DatenschutzRL heftig bekämpft wurde. Auch im Zusammenhang mit dem Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (RahmenRL) sowie der Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste war diese Frage ein wesentlicher Streitpunkt zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und der Kommission gewesen.

Im Telekombereich musste die Kommission in der schließlich beschlossenen RL 2009/140/EG eine Einschränkung gegenüber ihrem RL-Vorschlag hinnehmen: zwar heißt es in Art 3 Abs 3a der RahmenRL nun: "Unbeschadet der Absätze 4 und 5 handeln die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen nach den Artikeln 20 oder 21 zuständigen nationalen Regulierungsbehörden unabhängig und holen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen einer anderen Stelle ein noch nehmen sie solche entgegen." Aber gleich danach steht: "Dies steht einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen."

Damit gilt das Unabhängigkeitserfordernis nicht für jegliche Tätigkeit der Regulierungsbehörden, sondern nur für Wettbewerbsregulierung und Streitbeilegung und auch dort nur, soweit dies mit innerstaatlichem Verfassungsrecht (in Österreich Art 20 Abs 2 B-VG) vereinbar ist. Und während das in Ausführung des Art 20 Abs 2 B-VG vorgesehene Informationsrecht des Bundeskanzlers bei der Datenschutzkommission (§ 38 Abs 2 DSG) in Konflikt mit dem EuGH-Urteil C-518/07 stehen könnte, muss das vergleichbare Informationsrecht der Verkehrsministerin bei der Telekom-Control-Kommission (§ 6 Abs 3a KOG) bei der Umsetzung der RL 2009/140 wohl nicht beseitigt werden.

Für audiovisuelle Mediendienste hatte die Kommission in ihrem RL-Vorschlag auch eine weitergehende Unabhängigkeit der nationalen Regulierunsgbehörden vorgesehen: "Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden und sorgen dafür, dass diese ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausüben." In der beschlossenen RL findet sich dazu keine zwingende Vorgabe mehr; lediglich in Art 23b wird auf unabhängige Behörden Bezug genommen: "Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um sich gegenseitig und der Kommission, insbesondere über ihre zuständigen unabhängigen Regulierungsstellen, die Informationen zu übermitteln, die für die Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie ... notwendig sind." Das klingt natürlich so, als ginge der Richtliniengesetzgeber vom Bestehen solcher unabhängiger Stellen aus, aber eine Anordnung, diese gegebenenfalls erst zu schaffen, kann man der Bestmmung kaum entnehmen.

Nach dem EuGH-Urteil zu den Datenschutz-Kontrollstellen werden sich die Mitgliedstaaten aber in künftigen Verhandlungen auch im Telekom- und AV-Medien-Bereich schwerer tun, ein umfassenderes Unabhängigkeitserfordernis für Regulierungsbehörden abzuwehren. Auch in diesen Bereichen könnte - wie etwa Erwägungsgrund 13 zur RL 2009/140 ("Die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden sollte gestärkt werden, um eine wirksamere Anwendung des Rechtsrahmens zu gewährleisten ...") zeigt - das Ziel, die Regulierungsstellen "jeglicher äußeren Einflussnahme ..., die ihre Entscheidungen steuern könnte," zu entziehen, als wesentliches Element der RL (vergleiche RN 50 des EuGH-Urteils und Erwägungsgrund 62 der DatenschutzRL) angesehen werden. Auch die Subsidiaritätskarte hat vor dem EuGH in der Datenschutzsache übrigens nicht gezogen (s RNr 55 des Urteils).

Wednesday, March 10, 2010

Vermischte Lesehinweise (6)

"Regulating Communications: Stories from the First Hundred Years" war das Thema eines Vortrags von Glen O. Robinson;(Manuskript, Audio). Robinson war einst (1974-1976) selbst FCC-Mitglied, seither ist er einer der beständigsten Kritiker ihrer Regulierungspraxis. Auch im aktuellen Vortrag greift er die FCC massiv an, vor allem auch deren Aktivitäten zur Netzneutralität und zur Verbesserung lokaler Fernsehprogramme (Zitate: "Congress and the FCC itself have said that the Internet should not be fettered by regulation; therefore, the FCC tells itself that what it proposes to regulate cannot be the Internet."; "The FCC has chanted the importance of local broadcasting as the 'true and only heaven' of media policy for so long it has given itself little room for pursuing options that are inconsistent with this mantra."). Die 100 Jahre Kommunikationsregulierung rechnet Robinson übrigens ab Mann-Elkins Act von 1910. In Österreich könnte man da schon einige Zeit länger zurückgehen - zB zum Telegraphenpatent 1847 - siehe Bild.

Next Generation Connectivity - A review of broadband Internet transitions and policy from around the world ist eine Studie des Berkman Center for Internet & Society at Harvard University für die FCC (Übersichtsseite, Gesamttext). Österreich - das immer noch davon träumt, sich in "der Spitze der IKT-Nationen zu positionieren" - wird, anders als Schweden oder die Schweiz, in der Länderübersicht nicht näher beleuchtet; in der Übersichtstabelle für ein Gesamtranking (S. 53) kommt Österreich auf den 20. Platz.

Der BBC-Trust hat die Vorschläge des BBC-Generaldirektors zur "Strategy Review", teilweise schon mit ersten Beurteilungen durch den Trust, veröffentlicht und holt nun Meinungen dazu ein: "In particular, we want to find out what licence fee payers think of the proposals, and to test opinions and reactions from outside the BBC." Das Dokument enthält umfassende Vorschläge, vor allem auch für Einsparungen, und wird auch schon breit diskutiert (nur ein Beispiel hier). "Strategy Review" heißt übrigens, dass es schon eine Strategie gibt, die man sich anschaut und revidieren will. Zum Vergleich ein Zitat aus einer Presseaussendung des ORF vom 12.9.2008 zum Rechnungshof-Bericht: "Der RH kritisiert, dass es keine vom Stiftungsrat diskutierte und beschlossene langfristige Gesamtstrategie für die ORF-Entwicklung gibt. Dazu der ORF: Tatsächlich gibt es seit mehr als 20 Jahren keine vom Stiftungsrat beschlossene Gesamtstrategie." Angeblich hat sich das seither geändert; das am 2.4.2009 dem Stifungsrat vorgelegte  "Strategie- und Strukturkonzept für den ORF im digitalen Zeitalter" (aka "ORF 2015") wird vom ORF allerdings vertraulich behandelt und gerade nicht öffentlich diskutiert.

Dass in der BBC auch nicht immer alles in bester Ordnng ist, scheint sich derzeit am Beispiel einer Geschichte über NGOs, die (angeblich) Waffen für Aufständische in Äthiopien gekauft haben, zu zeigen. Ich habe die Details nicht verfolgt, aber die zornige Reaktion von Bob Geldof ist definitiv eine bemerkenswerte Lektüre: er schreibt vom totalen Zusammenbruch der Standards bei BBC World Service und fordert etwas Demut ein: "It's about time a little humility was allowed into your closed self-regarding little media world. But like the bankers and the MPs these days, you lot just don't get it, do you? ... your pathetic interpretation of press freedom as allowing any clown carte blanche to interpret reporting as an excuse for half-truth, distortion, and innuendo and unsubstantiated claims."

Zu "Public Value" wird dieser Tage viel gesagt und gedruckt: jüngst hat die RTR in ihrer Schriftenreihe zwei Beiträge zum Thema "Public Value und privater Rundfunk in Österreich" veröffentlicht, nämlich "Rundfunk und Public Value - ein rechtlicher Ansatz" von Susanne Lackner und "Die Bedeutung des privaten Rundfunks in Österreich" von Julia Wippersberg (pdf-Download der Publikation). 

Und als ein erstes Zwischenergebnis des Public-Value-Forschungsprojekts der FH Wien haben Reinhard Christl und Daniela Süssenbacher das Buch "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa" herausgegeben (im Falter-Verlag erschienen)

Tuesday, March 09, 2010

REM-Forschungspreis und REM (und andere) Veranstaltungen

Das Forschungsinstitut für das Recht der elektronischen Massenmedien (REM)* hat heuer erstmals einen mit € 3.000 dotierten Forschungspreis für "hervorragende rechtswissenschaftliche Leistungen auf den Gebieten des österreichischen Rechts der elektronischen Massenmedien einschließlich der verfassungsrechtlichen und europäischen Bezüge" ausgeschrieben, um den einschlägigen wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Nähere Informationen dazu hier, Bewerbungsschluss ist der 31.5.2010.

Der Preis wird im Rahmen des 6. Österreichischen Rundfunkforums verliehen, das am 9. und 10. September 2010 in Wien stattfinden wird. Generalthema des Rundfunkforums wird in diesem Jahr die Unabhängigkeit des Rundfunks sein. Der Termin sollte schon einmal vorgemerkt werden, nähere Informationen werden dann auf der REM-Website zu finden sein.

Nicht mehr so lang dauert es bis zum nächsten REM-Workshop, der schon am 14. April 2010 stattfindet. Bei diesem Workshop wird Matthias Traimer einen Überblick über die wesentlichen Regelungen der Rundfunkrechtsreform 2010 geben. Ich bin jedenfalls gespannt, ob man zum Zeitpunkt des Workshops schon genauer abschätzen kann, ob (und gegebenenfalls mit welchen Bedingungen bzw Änderungswünschen) im Parlament die notwendige Verfassungsmehrheit für den Entwurf der Regierung (611 BlgNR 24. GP) erreicht werden kann. Der REM-Workshop findet am 14.4.2010 um 14 Uhr in Wien in den Räumen der RTR statt, auf Grund des beschränkten Platzangebots ist Anmeldung unbedingt erforderlich (per E-Mail an brigitte.hohenecker@rtr.at).

Weitere Veranstaltungen:
  • Das "ORF-Dialogforum Qualitätsjournalismus" lädt gemeinsam mit dem Institut für Journalismus und Medienmanagement der Fachhochschule Wien zu einer Diskussion unter dem Titel "Macht Journalismus Angst?", am Mittwoch, 17. März 2010, 19.00 Uhr, in der FH Wien, Hörsaal B001, Währinger Gürtel 97, 1180 Wien (mehr Informationen und Anmeldung hier bzw hier)
  • Wer sich nach dieser Diskussion noch nicht fürchtet, kann am nächsten Tag gleich über die Zukunft des Journalismus diskutieren, bei einer Veranstaltung des Medienhaus Wien, gemeinsam mit dem Bundespresedienst: "The Future of Journalism" mit Alan Rusbridger (Chefredakteur Guardian News & Media, ich habe ihn jüngst hier zitiert) und Wolfgang Blau (Chefredakteur von Zeit Online, vor eineinhalb Jahren sprach er auch beim REM-Rundfunkforum, s dazu hier): am 18. März 2010, 18:00 Uhr, Kongress-Saal des Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, 1014 Wien; nähere Informationen und Anmeldung hier
  • Wer aber am 17. März nicht in Wien, sondern in Berlin ist, könnte bei der Präsentation einer Studie der Bayerischen (!) Landeszentrale für Neue Medien (BLM) über Medien- und Meinungsmacht dabei sein: Mittwoch, 17. März 2010, 18.00 Uhr, Behrenstraße 21/22, 10117 Berlin (mehr Information hier)
Ein empfehlenswertes Event ganz anderer Art schließlich ist Jägerstraße, "Wiens erste Grätzl-Soap" im Kabarett Vindobona, die mittlerweile bei Folge drei angelangt ist. Der Rundfunkbezug ergibt sich hier nicht nur aus den Kritiken, die (zB hier und hier) "Mitten im Zwanzigsten" als positiven Gegenpol zu "Mitten im Achten" sahen, sondern in der aktuellen dritten Folge (noch bis 1.4. zu sehen) noch viel plastischer: der GIS-Kontrollor - schon running gag der Serie - rettet ein Leben. Dennoch. "Im ORF würden sie das nie zeigen!" (auch das wird in jeder Folge erwähnt).
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*) full disclosure: ich bin dort Vorstandsmitglied

Monday, March 08, 2010

RegulatorTube: RTR-Videos auf YouTube


Ein Hinweis ohne weiteren Kommentar: die österreichische Telekom-Regulierungsbehörde (RTR-GmbH  Fachbereich Telekom) hat Videos mit Informationen für Konsumenten auf ihre Website und auf YouTube gestellt, auch zu Themen wie zB: "Worauf Sie bei Veröffentlichungen im Internet achten sollen" oder "Gefahren bei der Nutzung von Sozialen Netzwerken".

Sunday, March 07, 2010

PR-Ethikrat: 2 Jahre, 5 Presseaussendungen, 8 Beschwerden, 11 Mitglieder

Am 6. März 2008 wurde die Einrichtung des PR-Ethikrates beschlossen (Presseaussendung), im Dezember 2008 hat er die Arbeit aufgenommen (Presseaussendung), im Juni 2009 gab es eine weitere Presseaussendung (plus ein sogenanntes Positionspapier; siehe dazu hier), die vierte Pressaussendung folgte im September 2009, und nun - zwei Jahre nach dem Startschuss - ist man bei der Presseaussendung Nummer 5 angelangt. Mutig wie immer kämpft der PR-Ethikrat "für Transparenz bei bezahlten Berichten"; der Mut reicht aber offenbar nicht, die betroffenen Medien oder PR-Unternehmen, auf die sich die (wenigen) Beschwerden beziehen, auch zu nennen (siehe die eher bescheidene Darstellung der Beschwerdefälle hier).

Aber schon im vergangenen Juni war der PR-Ethikrat ja der Auffassung, dass es sich bei der Verletzung der medienrechtlichen Kennzeichnungspflicht um ein branchenweites Problem handle, sodass es "nicht sinnvoll wäre, Einzelfälle herauszugreifen". Dafür wollte man bei einem anderen Problemfall hart durchgreifen "aktiv beobachten" und "recherchieren": nämlich im "Fall BUWOG/Hochegger". Wer sich aber erwartet hätte, dass der PR-Ethikrat nach einem dreiviertel Jahr aktiver Beobachtung und Recherchen nun zu diesem Fall eine Aussage treffen könnte, wird auch in der neuen Presseaussendung enttäuscht:
"Entschlossen zeigt sich der Rat, wenn es um die Reputation der Branche geht. Im Vorjahr hat das Thema BUWOG/Peter Hochegger monatelang die Medien gefüllt. 'Wenngleich es sich um einen klaren Fall für die Gerichte und damit nicht für eine Institution der freiwilligen Selbstkontrolle wie den Ethik-Rat handelt, hat die Causa zwangsläufig nachteilige Effekte für die Branche gebracht', sagt Renate Skoff, stellvertretende Vorsitzende des Rats. 'Man muss hier eine klare Grenze ziehen und festhalten, dass die überwiegende Mehrheit der österreichischen PR-Berater professionell und verantwortlich handelt und nicht mit einem Kriminalfall in den gleichen Topf geworfen werden darf,' bricht Skoff eine Lanze für die Branche."

Das ist wahre Entschlossenheit: stets bereit, "aktiv zu beobachten" - und im Übrigen haben sich die elf Mitglieder des PR-Ethikrates seit dessen Einrichtung mit ganzen acht Beschwerden befasst (mit fünf davon in der Sache - das Verhältnis Presseaussendungen zu [zulässigen] Beschwerden - letzten Juni 3:3 - bleibt daher mit 5:5 weiterhin recht ausgewogen).

In eigener Sache: Blog-Umstellung, Übersichten zu EuGH/EuG und TK-Rechtsvorschriften

Kurz in eigener Sache: Dieses Blog habe ich bis gestern unter Nutzung der Blogger-Plattform mittels FTP auf meiner Website publiziert. Das war einfach, aber technisch längst nicht mehr state of the art. Da Blogger nun die FTP-Unterstützung einstellt, habe ich mich entschlossen, mein Blog auf eine Subdomain zu übersiedeln (http://blog.lehofer.at), auf der ich weiterhin Blogger nütze; das Blog wird nun allerdings nicht mehr von meinem Provider, sondern direkt von Google (Blogger gehört auch zum Google-Imperium) gehostet. Die alten Links auf Seiten im Blog sollten weiterhin funktionieren, wer sich bisher über Feeds informiert hat, müsste allerdings die neuen Feeds abonnieren (hier: RSS, Atom).Was derzeit nicht funktioniert, ist der Link auf die Blog-Homepage im Blog-Header, der führt zu einer nicht existierenden Seite (blog.lehofer.at/index.htm); das werde ich mir bei Gelegenheit näher anschauen. Es ist nicht unrealistisch, dass es auch sonst im Zuge der Umstellung zu kleineren (hoffentlich nicht größeren) Problemen kommen könnte; falls diesbezüglich etwas auffällt, bitte ich um Mitteilung in den Kommentaren.

In der neueren Version gibt es im Blog auch statische Seiten, die ich zunächst einmal für zwei Übersichten nütze: Zum einen für die - bisher als erstes Post etwas versteckte - Übersicht über Telekom- und Rundfunksachen vor dem EuGH und EuG, die nun hier direkt aufzurufen ist, zum anderen für die bisher nur als Textdokument verfügbare Übersicht über Rechtsvorschriften zum österreichischen und europäischen Telekommunikationsrecht, die nun auch in einer HTML-Version mit entsprechender Verlinkung zu den Quellen verfügbar ist.

Saturday, March 06, 2010

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Wednesday, March 03, 2010

Universaldienst-Konsultation

Im Telekombereich war der Universaldienst in den letzten Jahren nicht gerade ein Lieblingsthema der Kommission: 2006 versprach die Kommission ein Universaldienst-Grünbuch für das Jahr 2007, Kommissarin Reding verschob das dann auf das Jahr 2008 und präsentierte schließlich eine etwas magere Mitteilung, zu der die Kommission nach Artikel 15 und Anhang V der Universaldienst-RL ohnehin verpflichtet war. Die in dieser Mitteilung für 2009 angekündigte weitere Mitteilung fiel dann ganz aus, allerdings war die Kommission im Zuge derVerhandlungen mit dem Europäischen Parlament dann doch gezwungen, eine Erklärung zum Universaldienst abzugeben, in der sie bekräftigte, im Laufe des Jahres 2009 eine ausführliche Debatte zum Universaldienst auf der EU-Ebene fördern wolle; diese Debatte solle dann von der Kommission in einer Mitteilung an das Parlament und den Rat zusammengefasst werden und die Kommission werde bis zum 1. Mai 2010 notwendige Vorschläge zur Universaldienstrichtlinie vorlegen.

Wie die Debatte im Jahr 2009 gefördert wurde, lässt sich nicht ganz nachvollziehen, dass legislative Vorschläge bis zum 1. Mai 2010 vorgelegt würden, lässt sich definitiv ausschließen. Denn nun hat die Kommission erstmal eine Konsultation gestartet, die bis 7.5.2010 läuft. Die in der Erklärung gegenüber dem Parlament für bis zum 1.5.2010 angekündigten Vorschläge werden eben dann bis Ende 2010 kommen, falls notwendig (laut Presseaussendung). Angesichts der bisherigen Erfahrungen würde ich annehmen, dass solche Vorschläge auch bis zum 31.12.2010 nicht vorliegen werden.

Am Konsultationspapier bemerkenswert ist die erkennbar beleidigte Reaktion der Kommission auf das Parlament: auf Seite 2 bis 3 erzählt die Kommission zunächst einmal, dass sie eine Reform des Universaldienstes eigentlich aus der Telekom-Reform heraushalten wollte, dass sich das Parlament dieser weisen Haltung aber nicht anschließen mochte:
"This notwithstanding, the co-legislator deemed it necessary, in the light of developments, to address one particular aspect of regulatory flexibility by amending the current recital in the Directive dealing with functional internet access. In particular, the new recital seeks to allow Member States to define nationally the minimum data rates of the connection 'which are sufficient to permit functional internet access […] taking due account of specific circumstances in national markets, for instance the prevailing bandwidth used by the majority of subscribers in that Member State, and technological feasibility, provided that these measures seek to minimize market distortion.'
However, this amendment sets out a new principle only in a recital of the Amending Directive without corresponding changes in the body of the legislative text, which gives rise to questions of interpretation and which might affect legal certainty."
(Hervorhebung hinzugefügt)

Ich bin der Letzte, der wolkigen Erwägungsgründen ohne Basis im Normtext das Wort reden würde - aber die beleidigte Reaktion der Kommission wäre wohl auch nicht notwendig gewesen.

Zentrale Frage der Konsultation ist natürlich, ob (und gegebenenfalls wie) "Breitband für alle" Eingang in den Universaldienst finden soll; die Kommission scheint dem eher ablehnend gegenüberzustehen.

Update 23.11.2011: wie zu erwarten hat die Kommission die Sache noch weiter hinausgezögert und ist - ebenfalls wie erwartet - zum Ergebnis gekommen, weiterhin nichts wirklich zu unternehmen: in der am 23.11.2011 veröffentlichten Mitteilung (Presseaussendung dazu) sieht die Kommission "derzeit keine Notwendigkeit, das Grundkonzept und die Grundsätze des Universaldienstes als Instrument zur Vermeidung sozialer Ausgrenzung zu ändern." Sie wird weiter beobachten und Gespräche führen, und - damit überhaupt irgendetwas passiert - im ersten Quartal 2012 Vorschläge für die Barrierefreiheit von Websites ab 2015 vorlegen. Das ist nett, hat aber mit dem Universaldienst im klassischen Sinne nichts zu tun.

Tuesday, March 02, 2010

Dt. Bundesverfassungsgericht: "konkrete Ausgestaltung" der Vorratsdatenspeicherung in D verfassungswidrig

Das mit Spannung erwartete Urteil des deutschen Bundeverfassungsgerichts zur Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten durch das deutsche "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung" wurde heute verkündet; hier zur detaillierten Pressemitteilung; hier zum Urteil (mit Leitsätzen).

Das Ergebnis: das BVerfG beurteilt die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung im dTKG und in der dStPO als unvereinbar mit Art 10 Abs 1 GG. Pressemitteilung: "Zwar ist eine Speicherungspflicht in dem vorgesehenen Umfang nicht von vornherein schlechthin verfassungswidrig. Es fehlt aber an einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung. Die angegriffenen Vorschriften gewährleisten weder eine hinreichende Datensicherheit, noch eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten. Auch genügen sie nicht in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Transparenz und Rechtsschutzanforderungen."

Die Richtlinie selbst begegnet ausdrücklich keinen Bedenken des BVerfG: "Die Wirksamkeit der Richtlinie 2006/24/EG und ein sich hieraus möglicherweise ergebender Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor deutschen Grundrechten sind nicht entscheidungserheblich. Der Inhalt der Richtlinie belässt der Bundesrepublik Deutschland einen weiten Entscheidungsspielraum. Ihre Regelungen sind im Wesentlichen auf die Speicherungspflicht und deren Umfang beschränkt und regeln nicht den Zugang zu den Daten oder deren Verwendung durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Mit diesem Inhalt kann die Richtlinie ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden. Das Grundgesetz verbietet eine solche Speicherung nicht unter allen Umständen." (Hervorhebung hinzugefügt)

In Österreich hat sich das zuständige BMVIT bei der Erstellung des Ministerialentwurfs durch das Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte unterstützen lassen. Die Begutachtungsfrist für diesen Entwurf ist seit 15.1.2010 abgelaufen (hier zum Entwurf und den Stellungnahmen); eine Regierungsvorlage wurde dem Parlament noch nicht vorgelegt, die Verurteilung durch den EuGH wegen der nicht erfolgten Umsetzung ist demnächst zu erwarten (C-189/09 Kommission / Österreich). Nach Medienberichten will Neo-Justiz-Kommissarin Reding die Richtlinie übrigens grundlegend überprüfen.

PS: Der frühere deutsche Verfassungsrichter Hoffmann-Riem hat vor wenigen Tagen einen Beitrag in der Zeit (online) unter dem Titel "Wider die Geistespolizei" geschrieben: "Sollte es im Augenblick unvermeidlich sein, vermehrt Daten von Bürgern zu sammeln, wird es umso wichtiger, diese Datenverarbeitung streng zu kontrollieren." Seine ehemaligen Kollegen haben das offenbar genauso gesehen.

Förderung für DVB-T-Einführung in Berlin-Brandenburg vor dem EuGH

Im Dezember 2001 beschloss die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, den Umstieg auf die digitale terrestrische Übertragung (DVB-T) finanziell zu fördern. Die Europäische Kommission sah darin eine staatliche Beihilfe und leitete ein förmliches Prüfverfahren ein, das mit Entscheidung der Kommission vom 9.11.2005 abgeschlossen wurde. Ergebnis: "Die von der Bundesrepublik Deutschland den an DVB-T beteiligten privaten Rundfunkanbietern gewährte staatliche Beihilfe für die Einführung des digitalen terrestrischen Rundfunks in Berlin-Brandenburg ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar."

Gegen diese Entscheidung der Kommission klagte nicht nur die Bundesrepublik Deutschland als unmittelbarer Adressat, sondern auch einer der geförderten Programmanbieter (FAB Fernsehen aus Berlin GmbH) und die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Mit Urteilen vom 6.10.2009, T-8/06, FAB Fernsehen aus Berlin GmbH / Kommission und T-21/06 Deutschland / Kommission hat das EuG die Klagen der FAB und Deutschlands abgewiesen. Die Klage der MABB wurde, da diese von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen ist, mit Urteil vom 6.10.2009, T-24/06 Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) / Kommission als unzulässig abgewiesen (vgl dazu auch den Beschluss des EuG vom 5.10.2009 in der ähnlichen Rechtssache T-2/08 Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen).

Gegen das EuG-Urteil T-21/06 hat Deutschland Rechtsmittel an den EuGH erhoben; das Verfahren ist beim EuGH unter C-544/09 P anhängig (Update 15.09.2011: das Rechtsmittel Deutschlands wurde mit Urteil om 15.09.2011 zurückgewiesen). Damit wird sich nun der EuGH (ua) mit der Frage befassen müssen, ob beim Umstieg auf DVB-T strukturelles Marktversagen wie zB ein "Henne-und-Ei-Problem“ (vgl RNr 32 und 59 des EuG Urteils T-21/06) vorlag, das eine Beihilfe rechtfertigen könnte. Selbst wenn der EuGH aber ein derartiges Marktversagen annähme, blieben noch die meines Erachtens im konkreten Fall angesichts des EuG-Urteils schwer überwindbaren Hürden der Verhältnismäßigkeit und des Mindestmaßgebots.

Österreich hat sich übrigens sein Förderungssystem von der Kommission rechtzeitig absegnen lassen, siehe die Entscheidung N 622/2003 der Kommission (case site).

PS: zur Situation der Digitalisierung in Deutschland siehe auch den Digitalisierungsbericht 2009 - Auf dem Weg in die digitale Welt - Rundfunk und Internet wachsen zusammen und die Daten und Fakten zum Digitalisierungsbericht. Die Digitalisierungsbericht der österreichischen Regulierungsbehörde sind hier zu finden (zB Digitalisierungsbericht 2009).