Ein kurzfristiger Hinweis: morgen am 1. Dezember 2011 findet um 18:30 im TÜV Austria Forum in Wien (Walfischgasse 13) eine vom Österreichischen Presserat gemeinsam mit dem Kuratorium für Journalistenausbildung veranstaltete Podiumsdiskussion zum Thema "Transparenz" statt (mehr dazu hier). In zwei Panels wird über Transparenz in Medienunternehmen einerseits und Transparenz in der journalistischen Arbeit andererseits gesprochen, mit interessanten TeilnehmerInnen wie Harald Fidler (Standard), Florian Philapitsch (KommAustria), Wolfgang R. Langenbucher (Uni Wien), Helge Fahrnberger (kobuk.at), Anette Novak (Norran), OliverVoigt ("Österreich") und Christian Rainer (profil); laut Website des kfj soll auch Andreas Koller (Salzburger Nachrichten), laut Website des Presserats Claus Reitan (Furche) mitdiskutieren - ein kleines Überraschungsmoment bleibt also (ich kann leider nicht dabei sein, da ich zur selben Zeit Vorlesung halten werde).
Eine weitere Überraschung könnte auch noch der morgen tagende Verfassungsausschuss des Nationalrats liefern, falls sich doch noch eine ausreichende Mehrheit für das sogenannte "Medientransparenzgesetz" finden sollte (die Regierungsvorlage enthält Verfassungsbestimmungen und bräuchte daher eine Zweidrittelmehrheit; zum bisherigen Verlauf siehe hier und hier). Laut Pressemeldungen haben sich zumindest die beiden Regierungsparteien auf eine gegenüber den bisherigen Plänen deutlich erweiterte Offenlegung der Eigentumsverhältnisse geeinigt. Diese soll nicht nur jene Medien treffen, die Regierungsinserate veröffentlichen, sondern generell alle periodischen Medien; legistisch soll dazu § 25 Mediengesetz (Offenlegung) geändert werden. Ich habe gerade erst gesehen, dass der Text der geplanten Änderungen der Regierungsvorlage einerseits und der Entwurf eines selbständigen Ausschussantrages andererseits auf derStandard.at zur Verfügung stehen; näher durchgesehen habe ich den Text noch nicht. Und überhaupt gilt: dass das so kommt, glaube ich frühestens nach einer Beschlussfassung im Nationalratsplenum.
Blog zum österreichischen und europäischen Recht der elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste
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Wednesday, November 30, 2011
Tuesday, November 29, 2011
Ehre, Treue, EGMR: Verfahren Grüne Alternative Wien gegen Österreich nach OGH-Urteil erledigt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden, den Fall Grüne Alternative Wien gegen Österreich (Appl. no. 13281/02) aus dem Register zu streichen, weil sich die Sache zwischenzeitlich durch ein - aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur ergangenes - Urteil des OGH gelöst hat.
Die Angelegenheit betraf eine im Juli 2000 in einer Mitglieder- und Sympathisanten-Zeitschrift der Wiener Grünen veröffentlichte Persiflage auf ein Wahlplakats der FPÖ Wien. Das Originalplakat hatte den damaligen Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Mag. Hilmar Kabas umringt von Frauen und Kindern gezeigt, dazu mit dem Text: "Unser Angebot: Kindergarten kostenlos". In der Zeitschrift der Grünen wurde diese Vorlage so verändert, dass die Abbildung "den von Frauen und Kindern umringten Antragsteller [Mag. Hilmar Kabas] mit einer Adjustierung zeigt, die an die nationalsozialistische Uniform der SA erinnert. Er trägt einen Leibgurt und eine mit einem auffallenden Emblem - allerdings nicht in Form des Hakenkreuzes, sondern des Grußbuchstabens „F" auf weißem Grund - versehene Krawatte. Neben dem solcherart verfremdeten Foto des Antragstellers findet sich unter der Bezeichnung F***** der in Frakturschrift gehaltene Satz 'Unser Angebot: Ehre & Treue'." (zitiert aus dem OGH-Urteil vom 08.05.2008; der OGH anonymisierte in seinem Urteil auch die Parteien und das Druckwerk; da der EGMR die Parteien namentlich nennt und die Anonymisierung "Mag. Hilmar K." den Betroffenen nicht gerade nachhaltig vor Identifizierung schützt, habe ich die Angaben hier auch nicht weiter anonymisiert).
Im Jänner 2001 wurde die Grüne Alternative Wien als Medieninhaberin der Zeitschrift auf Antrag von Mag. Hilmar Kabas in erster Instanz zu einer Entschädigung gemäß § 6 MedienG sowie zur Urteilsveröffentlichung gemäß § 8a Abs 6 MedienG verurteilt. Der Erstrichter meinte, der Leser könne den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Publikation "nur dahin auffassen, dass Mag. Hilmar K***** durch die Darstellung in einer Uniform der SA, sohin als Mitglied einer nationalsozialistischen Kampforganistation, eine nationalsozialistische Gesinnung unterstellt, er zumindest in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt bzw ihm geradezu eine Betätigung im nationalsozialistischen Sinn zugeschrieben werde." (wieder zitiert nach dem OGH-Urteil). Vorbringen und Beweisanträge der Grünen wurden vom Erstrichter verworfen. Das OLG Wien gab mit Urteil vom 26.9.2001 der von den Grünen erhobenen Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nicht Folge.
Die Grüne Alternative Wien wandte sich wegen dieser Verurteilung an den EGMR, der mit Entscheidung vom 2.2.2006 die Zulässigkeit der Beschwerde bejahte. In der Folge behob der OGH aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur mit Urteil vom 8.5.2008, 15 Os 6/08h, 15 Os 7/08f, das erst- und zweitinstanzliche Urteil und fand darin recht klare Worte:
Wie der EGMR in seinem heutigen Urteil ausführt, hatten die Wiener Grünen damit eine Position erreicht, wie sie normalerweise - nach Feststellung einer Verletzung des Art 10 EMRK durch den EGMR - im Rahmen einer Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO erreicht werden könnte. Die Folgen einer Verletzung des Art 10 EMRK seien durch das Urteil des OGH ausgeglichen worden. Der EGMR konnte daher das Verfahren aus dem Register streichen und über die noch geltend gemachten Verfahrenskosten nach freiem Ermessen entscheiden; dabei fand er es angemessen, die Republik Österreich zum Kostenersatz gegenüber den Wiener Grünen zu verurteilen.
Im Ergebnis hat sich damit auch bewährt, dass das Justizministerium unter der damaligen Justizministerin Maria Berger bei der Generalprokuratur angeregt hat, in den Fällen, in denen nach rechtskräftigen Strafurteilen der Oberlandesgerichte Beschwerden unter Art 10 EMRK an den EGMR erhoben wurden, die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zu prüfen (siehe zB diese Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage). In den von der Generalprokuratur aufgegriffenen Fällen konnte damit schon vor einem Urteil des EGMR die Verletzung des Art 10 EMRK aufgegriffen und der Fall vor dem EGMR damit bereinigt werden; dies betraf neben dem nun erledigten Fall Grüne Alternative Wien auch die Fälle Verlagsgruppe News GmbH (Nr. 3), Standard Verlags GmbH sowie Standard Verlags GmbH und Rottenberg (medienrechtliche Antragsteller in den Ausgangsverfahren in Österreich waren übrigens Siegfried Kampl, Peter Westenthaler und Nikolaus Amhof); siehe dazu auch die Übersicht über Art 10 EMRK-Verfahren betreffend Österreich hier.
Die Angelegenheit betraf eine im Juli 2000 in einer Mitglieder- und Sympathisanten-Zeitschrift der Wiener Grünen veröffentlichte Persiflage auf ein Wahlplakats der FPÖ Wien. Das Originalplakat hatte den damaligen Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Mag. Hilmar Kabas umringt von Frauen und Kindern gezeigt, dazu mit dem Text: "Unser Angebot: Kindergarten kostenlos". In der Zeitschrift der Grünen wurde diese Vorlage so verändert, dass die Abbildung "den von Frauen und Kindern umringten Antragsteller [Mag. Hilmar Kabas] mit einer Adjustierung zeigt, die an die nationalsozialistische Uniform der SA erinnert. Er trägt einen Leibgurt und eine mit einem auffallenden Emblem - allerdings nicht in Form des Hakenkreuzes, sondern des Grußbuchstabens „F" auf weißem Grund - versehene Krawatte. Neben dem solcherart verfremdeten Foto des Antragstellers findet sich unter der Bezeichnung F***** der in Frakturschrift gehaltene Satz 'Unser Angebot: Ehre & Treue'." (zitiert aus dem OGH-Urteil vom 08.05.2008; der OGH anonymisierte in seinem Urteil auch die Parteien und das Druckwerk; da der EGMR die Parteien namentlich nennt und die Anonymisierung "Mag. Hilmar K." den Betroffenen nicht gerade nachhaltig vor Identifizierung schützt, habe ich die Angaben hier auch nicht weiter anonymisiert).
Im Jänner 2001 wurde die Grüne Alternative Wien als Medieninhaberin der Zeitschrift auf Antrag von Mag. Hilmar Kabas in erster Instanz zu einer Entschädigung gemäß § 6 MedienG sowie zur Urteilsveröffentlichung gemäß § 8a Abs 6 MedienG verurteilt. Der Erstrichter meinte, der Leser könne den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Publikation "nur dahin auffassen, dass Mag. Hilmar K***** durch die Darstellung in einer Uniform der SA, sohin als Mitglied einer nationalsozialistischen Kampforganistation, eine nationalsozialistische Gesinnung unterstellt, er zumindest in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt bzw ihm geradezu eine Betätigung im nationalsozialistischen Sinn zugeschrieben werde." (wieder zitiert nach dem OGH-Urteil). Vorbringen und Beweisanträge der Grünen wurden vom Erstrichter verworfen. Das OLG Wien gab mit Urteil vom 26.9.2001 der von den Grünen erhobenen Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nicht Folge.
Die Grüne Alternative Wien wandte sich wegen dieser Verurteilung an den EGMR, der mit Entscheidung vom 2.2.2006 die Zulässigkeit der Beschwerde bejahte. In der Folge behob der OGH aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur mit Urteil vom 8.5.2008, 15 Os 6/08h, 15 Os 7/08f, das erst- und zweitinstanzliche Urteil und fand darin recht klare Worte:
Unberücksichtigt blieb demnach nicht nur, dass ein Parteigänger des Antragstellers, nämlich Ernest W***** auf dem Landesparteitag der F***** Niederösterreich im Juni 2000 im Zuge der Ehrung langjähriger FPÖ-Mitglieder die dem SS-Leitspruch abgeleitete Parole "Unsere Ehre heißt Treue" verwendet hatte, sondern auch, dass weitere hochrangige Parteifunktionäre diesen durch Äußerungen wie: "Ehre und Treue seien 'Primärtugenden'" (Landesrat Dr. Ewald S*****) und "Es könne 'keine schlechte Sache sein, wenn sich jemand zu Anständigkeit, Treue, Ehrlichkeit und Leistungsbewusstsein bekennt'" (Landeshauptmann Dr. Jörg H*****) unterstützt hatten. In gleicher Weise wurde der Umstand ausgeklammert, dass der gegenständlichen Publikation ein aktuell affichiertes Wahlplakat als Vorlage diente, auf welchem der Antragsteller als Spitzenkandidat der F***** in Wien - mithin als Repräsentant derselben politischen Partei, der auch Ernest W*****, Dr. Ewald S***** und Dr. Jörg H***** angehörten - mit dem Werbeslogan "Unser Angebot: Kindergarten kostenlos" zu sehen war.Nach diesem Urteil betrieb Hilmar Kabas das Verfahren verständlicher Weise nicht mehr weiter, zahlte die bereits erhaltene Entschädigung zurück und erstattete die Verfahrenskosten.
Diese Aspekte wären jedoch von entscheidender Bedeutung gewesen, hätten sie doch - im Einklang mit den oben dargestellten Interpretationskriterien, insbesondere zu politischer Karikatur und Vorwissen des angesprochenen Leserkreises - die Konstatierung eines anderen Bedeutungsinhalts der inkriminierten Veröffentlichung dahin ermöglicht, dass die aktuellen Äußerungen und die Haltung der (damaligen) Führungsschicht der F*****, welcher auch der Antragsteller angehörte und welche die öffentliche Verwendung einer aus dem Leitspruch des SS stammenden Wortfolge anlässlich der Ehrung von Parteimitgliedern als völlig unbedenklich eingestuft hatte, angesichts der darüber zum Veröffentlichungszeitpunkt geführten breiten Diskussion - insbesondere durch Bezugnahme auf die Worte "Ehre" und "Treue" (als Angebot der F*****) - im Rahmen eines angemessenen Kommentars über eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses einer kritischen Betrachtung unterzogen wurden. Davon ausgehend hätte die Frage, ob fallbezogen ein im Sinn des § 111 StGB nicht tatbestandsmäßiges, auf Spitzenfunktionäre einer politischen Partei bezogenes Werturteil, dem ein entsprechendes Tatsachensubstrat zugrunde lag, in nicht exzessiver Form zum Ausdruck gebracht wurde, zu Gunsten der Antragsgegnerin beantwortet werden können.
Wie der EGMR in seinem heutigen Urteil ausführt, hatten die Wiener Grünen damit eine Position erreicht, wie sie normalerweise - nach Feststellung einer Verletzung des Art 10 EMRK durch den EGMR - im Rahmen einer Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO erreicht werden könnte. Die Folgen einer Verletzung des Art 10 EMRK seien durch das Urteil des OGH ausgeglichen worden. Der EGMR konnte daher das Verfahren aus dem Register streichen und über die noch geltend gemachten Verfahrenskosten nach freiem Ermessen entscheiden; dabei fand er es angemessen, die Republik Österreich zum Kostenersatz gegenüber den Wiener Grünen zu verurteilen.
Im Ergebnis hat sich damit auch bewährt, dass das Justizministerium unter der damaligen Justizministerin Maria Berger bei der Generalprokuratur angeregt hat, in den Fällen, in denen nach rechtskräftigen Strafurteilen der Oberlandesgerichte Beschwerden unter Art 10 EMRK an den EGMR erhoben wurden, die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zu prüfen (siehe zB diese Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage). In den von der Generalprokuratur aufgegriffenen Fällen konnte damit schon vor einem Urteil des EGMR die Verletzung des Art 10 EMRK aufgegriffen und der Fall vor dem EGMR damit bereinigt werden; dies betraf neben dem nun erledigten Fall Grüne Alternative Wien auch die Fälle Verlagsgruppe News GmbH (Nr. 3), Standard Verlags GmbH sowie Standard Verlags GmbH und Rottenberg (medienrechtliche Antragsteller in den Ausgangsverfahren in Österreich waren übrigens Siegfried Kampl, Peter Westenthaler und Nikolaus Amhof); siehe dazu auch die Übersicht über Art 10 EMRK-Verfahren betreffend Österreich hier.
Saturday, November 26, 2011
Wie die Telekom-Control-Kommission zu ihrem Namen kam (auch wenn Journalisten "Telekom-Kontroll-Kommission" schreiben)
Der Hintergrund der merkwürdigen Bezeichnung ist nur historisch zu erklären: er liegt bei der Luftverkehrskontrolle, englisch: air traffic control. Diese wird in Europa seit fast 50 Jahren im Rahmen der EUROCONTROL kordiniert ("Its name comes from its original mission which was to organise air traffic control" steht unter den FAQs auf der Website). Da die Sprache der Luftfahrt englisch ist, lag es nahe, für die österreichische Luftverkehrskontrolle, ausgehend von der EUROCONTROL, die Bezeichnung Austro Control zu wählen, als das ehemalige Bundesamt für Zivilluftfahrt aufgelöst und seine Aufgaben auf einen aus der klassischen Verwaltung ausgegliederten Rechtsträger übertragen werden sollten. Auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung im Austro Control Gesetz wurde gegen Ende des Jahres 1993 die Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung (Austro Control GmbH) gegründet.
Das Ausgliederungsmodell der Austro Control wurde juristisch heftig bekämpft, da damit in Österreich erstmals in einem nicht unwesentlichen staatlichen Aufgabenbereich die behördliche Vollziehung durch eine ausgegliederte GmbH erfolgen sollte, was verschiedenste staatsrechtliche Fragen, insbesondere auch zum Rechtsschutz, aufwarf. Mit dem wegweisenden "Austro Control-Erkenntnis" des Verfassungssgerichtshofes vom 14.03.1996, VfSlg 14.473, wurde das Austro Control-Modell (mit gewissen Rahmenbedingungen) aber als verfassungskonform anerkannt, und damit war der Weg frei, auch im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt gerade legistisch vorbereiteten Liberalisierung des Telekommunikationsrechts die Vollziehung einer GmbH zu übertragen.
Einem damaligen Modetrend entsprechend sollten nämlich möglichst viele Aufgaben von einem privatrechtlich organisierten Rechtsträger übernommen werden; eine GmbH war dabei sozusagen das Mindeste, in einem Alternativentwurf wurde sogar die Organisation der Regulierungsbehörde als Aktiengesellschaft gefordert. Und weil es den Namen Austro Control schon gab, und das eben gewonnene Austro Control-Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vom Verkehrsministerium gewissermaßen als gutes Omen genommen wurde, benannte man die neu zu schaffende GmbH gleich als "Telekom Control Österreichische Gesellschaft für Telekommunikationsregulierung mbH" (Telekom Control GmbH). Und weil die Telekom-Regulierungsbehörde auch Entscheidungsbefugnisse im Kernbereich der civil rights bekommen sollte, musste zusätzlich zur GmbH auch ein Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK, die Telekom-Control-Kommission, geschaffen werden. Bei der Einrichtung der Eisenbahn- und Energieregulierungsbehörden orientierte man sich dann einfach am Muster der Telekom-Regulierungsbehörde, bis hin zur Übernahme des eher absurden Namensbestandteils "Control".
Seit 14 Jahren gibt es mittlerweile also - in der Bezeichnung unverändert - die Telekom-Control-Kommission, die als zentrale österreichische Regulierungsbehörde im Bereich der Telekommunikation die wesentlichsten Entscheidungen trifft (zB in der Marktanalyse und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen oder bei Frequenzvergaben für Mobilfunkunternehmen etc).
Sollte man daher nicht erwarten können, dass Journalisten, die zu Telekom-Themen schreiben, die Behörde bei ihrem richtigen Namen nennen?
Offensichtlich nicht: denn als vor mehr als einem Monat News ein Interview mit Peter Hochegger brachte (auf orf.at recht zutreffend zusammengefasst in der Schlagzeile "Hochegger patzt alle an"), in dem er auch behauptete, bei der Besetzung der "Telekom-Kontroll-Kommission" irgendwie mitgewirkt zu haben, da verwendete nicht nur News die falsche Behördenbezeichnung, auch alle anderen Medien schrieben gedankenlos ab (zB Presse, ORF, Standard uva).
Nun ist die falsche Schreibweise der Behörde natürlich das geringste Problem in diesem Zusammenhang, aber dennoch irgendwie bezeichnend: denn offenbar hat es kein Medium für wert befunden, der Sache wenigstens ansatzweise inhaltlich nachzugehen. Wenn jemand auch nur versucht hätte, mit der Telekom-Control-Kommission Kontakt aufzunehmen, hätte ihm die richtige Bezeichnung kaum verborgen bleiben können. So aber bleibt das Gefühl, dass Hocheggers Geschichten einfach ungeprüft weitererzählt werden, und dass er genauso gut eine Behörde einfach erfinden hätte können, es wäre genauso wenig hinterfragt worden.
Nun könnte man auch meinen, dass Hocheggers Erzählungen betreffend die Telekom-Control-Kommission nicht glaubwürdig, nicht besonders aufregend oder zum relevanten Zeitpunkt ohnehin zumindest in der Fachwelt bekannt waren, aber das verträgt sich schlecht damit, dass die Medien gerade auch diese behauptete Einflussnahme durchaus prominent in ihren Berichten erwähnten (meist mit fetten Zwischenüberschriften). Wenn es aber schon eine Zwischenüberschrift wert war, wäre es dann nicht vielleicht auch einen kurzen reality check wert gewesen? Checkt in den Redaktionen eigentlich niemand, ob es die Behörde, auf deren Zusammensetzung Hochegger Einfluss genommen haben will, wenigstens überhaupt gibt?
PS: die Liste der Mitglieder der Telekom-Control-Kommission im Jahr 2007 (alt und neu) findet man zB auf Seite 22 des Kommunikationsberichts 2007.
PPS: Der erste Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen, der sich auch mit der "Telekom Affäre" auseinandersetzen soll, wurde am 18.11.2011 gefasst und ist auf der Website des Parlaments verfügbar.
PPPS (Update 24.04.2012): Aus Anlass eines Kommentars zu meinem Folgeposting, habe ich in einem Kommentar auch kurz dargestellt, weshalb die quasi-offizielle, aber eher konter-intuitive Abkürzung für Telekom-Control-Kommission "TKK" lautet (und nein, das steht nicht für Telekom-Kontroll-Kommission!).
Thursday, November 24, 2011
EuGH: generelle Internetsperre mit Unionsrecht nicht vereinbar
In der Rechtssache C-70/10 Scarlet Extended hatte sich der EuGH mit der Frage zu befassen, ob eine gerichtliche Anordnung an einen Internet Provider, seinen Kunden generell den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Daten aus dem Repertoire einer Verwertungsgesellschaft zu verunmöglichen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. In seinem heutigen Urteil folgt der EuGH den Schlussanträgen des Generalwalts und ist zum Ergebnis gekommen, dass das Unionsrecht einer derartigen generellen Anordnung entgegensteht.
Konkret hat der EuGH ausgesprochen, dass die Richtlinien 2000/31/EG (E-Commerce RL), 2001/29/EG (Urheberrecht-HarmonisierungsRL), 2004/48/EG (Urheberrecht-DurchsetzungsRL), 95/46/EG (DatenschutzRL) und 2002/58 (DatenschutzRL für elektronische Kommunikation)
Generelle Sperrverpflichtung als Verstoß gegen Art 15 Abs 1 E-Commerce-RL
Zur grundrechtlichen Dimension ist das Urteil aber zunächst einmal recht zurückhaltend und handelt die Fragen im Wesentlichen auf der Richtlinienebene ab, vor allem auch unter Bezug auf das Urteil in der Rs C-324/09 L'Oréal (dort ging es um Markenschutz im Hinblick auf Online-Marktplätze, konkret eBay). Demnach müssen die Mitgliedstaaten "Vermittlern" (zu denen der EuGH in Rn 30 pauschal auch "Provider" zählt) zwar auch Maßnahmen auftragen können, die Verletzungen an Rechten des geistigen Eigentums vorbeugen sollen. Die dafür zu schaffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften müssen aber (unter anderem) die Beschränkungen der E-Commerce-RL beachten und dürfen daher einen vermittelnden Dienstleister wie einen Provider nicht verpflichten, "sämtliche Daten jedes Einzelnen seiner Kunden aktiv zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen" (Rn 36).
Da im konkreten Fall feststand, dass die dem ISP aufgetragene "präventive Überwachung eine aktive Beobachtung sämtlicher elektronischen Kommunikationen im Netz des betreffenden Providers erfordern und mithin jede zu übermittelnde Information und jeden dieses Netz nutzenden Kunden erfassen" würde, steht der Anordnung schon Art 15 Abs 1 der E-Commerce-RL entgegen (Rn 41).
Grundrechtliche Abwägung: Eigentumsrecht / unternehmerische Freiheit
Grundrechtliche Positionen waren von beiden Verfahrensparteien des Ausgangsverfahrens ins Spiel gebracht worden und das vorlegenden Gericht hatte ausdrücklich auf Art 8 und 10 EMRK Bezug genommen. Der EuGH prüfte daher weiter, ob dieses - auf Grund der E-Commerce-RL erzielte - Ergebnis mit den Grundrechten im Einklang stand. Dabei liegt der Schwerpunkt - auf den ersten Blick eher überraschend - auf einer Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht nach Art 16 GRC und der unternehmerischen Freiheit nach Art 17 GRC.
Zunächst hält der EuGH fest, dass mit der strittigen Anordnung das Ziel verfolgt wurde, den Schutz der Urheberrechte sicherzustellen. Der Schutz des Rechts am geistigen Eigentum ist zwar in Art 17 Abs 2 der Grundrechtecharta verankert, dieses Recht ist jedoch, wie der EuGH in Rn 43-45 des Urteils darlegt, nicht schrankenlos und sein Schutz daher nicht bedingungslos zu gewährleisten (der EuGH verweist dazu insbesondere auf Rn 62 bis 68 des Urteils Promusicae; zu diesem Urteil siehe hier). Weiter heißt es:
Erst in einem dritten Schritt kommen dann die in der Vorlagefrage primär angesprochenen Rechte auf Datenschutz und Informationsfreiheit ins Spiel (das vorlegende Gericht hatte auf Art 8 und Art 10 EMRK als "Gemeinschaftsgrundrechte" Bezug genommen, wohl weil die Grundrechtecharta zum relevanten Zeitpunkt der Ausgansgverfahrens noch nicht in Kraft war; der EuGH erwähnt Art 8 und 10 EMRK in diesem Zusammenhang aber gar nicht mehr und bezieht sich ausschließlich auf Art 8 und 11 GRC). Dass der EuGH erst am Ende seiner Analyse auf diese Bestimmungen eingeht, ist allerdings durchaus folgerichtig: denn die tragenden Gründe für das Ergebnis des konkreten Vorabentscheidungsverfahrens ließen sich schon auf Richtlinienebene finden, im zweiten Schritt war zu prüfen, ob dieses Ergebnis die betroffenen Verfahrensparteien als Grundrechtsträger beeinträchtigte, und erst im dritten - nicht mehr fallentscheidenden! - Schritt ging der EuGH auf die vom vorlegenden Gericht vorrangig angesprochenen Grundrechte ein.
Vor diesem Hintergrund ist natürlich keine umfassende Auseinandersetzung mit den exakten Grenzen eines Eingriffs in die Rechte auf Datenschutz und Informationsfreiheit erforderlich. Der EuGH weist zunächst darauf hin, dass sich die Wirkungen der Anordnung nicht auf den betroffenen Provider beschränken würden, "weil das Filtersystem auch Grundrechte der Kunden dieses Providers beeinträchtigen kann, nämlich ihre durch die Art. 8 und 11 der Charta geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen." Zum einen handle es sich bei den zu prüfenden IP-Adressen um personenbezogene Daten, da sie die genaue Identifizierung der Nutzer ermöglichen. Zum anderen könnte die Anordnung die Informationsfreiheit beeinträchtigen, weil das Filtersystem "möglicherweise nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte." Das Ergebnis der grundrechtlichen Abwägung zusammenfassend (Rn 53):
Der EuGH hat mit diesem Urteil generellen Sperren eine Absage erteilt, konkrete Anordnungen - auf der Grundlage einer entsprechenden gesetzlichen Basis und einer Abwägung der berührten Grundrechtspositionen - sind damit aber keineswegs unzulässig.
Besonders hinweisen möchte ich darauf, dass der Schutz des ISPs in diesem Zusammenhang daran hängt, dass er lediglich die reine Durchleitung im Sinne des Art 12 der E-Commerce-RL anbietet. Das Privileg nach Art 15 Abs 1 der E-Commerce-RL, dass solchen Providern keine allgemeine Überwachungspflicht auferlegt werden darf, fällt weg, wenn der Provider (ua) die übermittelten Informationen auswählt oder verändert. Beginnt der ISP, aus eigenem - sei es auch in vorauseilendem Gehorsam oder im Rahmen einer ihm vielleicht nahegelegten "Selbstregulierung" - ein inhaltliches Filter- oder Sperrsystem aufzubauen, dann verliert er dieses Privileg nach Art 15 Abs 1 E-Commerce-RL, auf dem das ganze hier besprochene EuGH-Urteil aufbaut.
PS: weitere Blogbeiträge zB bei Telemedicus, RA Stadler, Technollama, s.a. die Pressemitteilung von EDRI mit Q&As; Update 26.11.2011: "5 Fragen zum Netzsperren-Urteil des EuGH" bei Telemedicus, lesenswert auch RA Stadler zur etwas eigenwilligen Interpretation des Urteils durch Prof. Schwartmann (der übrigens relevant genug ist, einen eigenen Wikipedia-Eintrag zu haben, was in Deutschland ja etwas heißen will; erstellt hat den Eintrag übrigens eine studentische Hilfskraft des Professors); zum Verhältnis zur Newszbin-Fall im UK lesenswert auch iOverlord; weiters aus dem UK kNOwfuture, Glyn Moody (der aus meiner Sicht etwas überzogen von einem "turning point in law" schreibt) und IPKat.
Konkret hat der EuGH ausgesprochen, dass die Richtlinien 2000/31/EG (E-Commerce RL), 2001/29/EG (Urheberrecht-HarmonisierungsRL), 2004/48/EG (Urheberrecht-DurchsetzungsRL), 95/46/EG (DatenschutzRL) und 2002/58 (DatenschutzRL für elektronische Kommunikation)
"in Verbindung miteinander und ausgelegt im Hinblick auf die sich aus dem Schutz der anwendbaren Grundrechte ergebenden Anforderungen, [...] dahin auszulegen [sind], dass sie der Anordnung an einen Anbieter von Internetzugangsdiensten entgegenstehen, ein System der FilterungNun überrascht nicht wirklich, dass der EuGH den ausführlich begründeten Schlussanträgen von Generalanwalt Cruz Villalón (dazu hier) im Ergebnis gefolgt ist, zumal die zur Debatte stehende Sperrverpflichtung tatsächlich besonders umfassend war und keine Abwägung, wie sie bei einem Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen Standard ist, erkennen ließ. Mit Spannung war aber erwartet worden, ob sich der EuGH auch grundsätzlicher mit der Reichweite und Bedeutung der Informationsfreiheit nach Art 11 der Grundrechtecharta (GRC) im Hinblick auf Internetsperren bzw Internetfilter auseinandersetzen würde.
– aller seine Dienste durchlaufenden elektronischen Kommunikationen insbesondere durch die Verwendung von „Peer-to-Peer“-Programmen,
– das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist,
– präventiv,
– auf ausschließlich seine eigenen Kosten und
– zeitlich unbegrenzt
einzurichten, das in der Lage ist, im Netz dieses Anbieters den Austausch von Dateien zu identifizieren, die ein Werk der Musik, ein Filmwerk oder audiovisuelles Werk enthalten, an denen der Antragsteller Rechte zu haben behauptet, um die Übertragung von Dateien, deren Austausch gegen das Urheberrecht verstößt, zu sperren.
Generelle Sperrverpflichtung als Verstoß gegen Art 15 Abs 1 E-Commerce-RL
Zur grundrechtlichen Dimension ist das Urteil aber zunächst einmal recht zurückhaltend und handelt die Fragen im Wesentlichen auf der Richtlinienebene ab, vor allem auch unter Bezug auf das Urteil in der Rs C-324/09 L'Oréal (dort ging es um Markenschutz im Hinblick auf Online-Marktplätze, konkret eBay). Demnach müssen die Mitgliedstaaten "Vermittlern" (zu denen der EuGH in Rn 30 pauschal auch "Provider" zählt) zwar auch Maßnahmen auftragen können, die Verletzungen an Rechten des geistigen Eigentums vorbeugen sollen. Die dafür zu schaffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften müssen aber (unter anderem) die Beschränkungen der E-Commerce-RL beachten und dürfen daher einen vermittelnden Dienstleister wie einen Provider nicht verpflichten, "sämtliche Daten jedes Einzelnen seiner Kunden aktiv zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen" (Rn 36).
Da im konkreten Fall feststand, dass die dem ISP aufgetragene "präventive Überwachung eine aktive Beobachtung sämtlicher elektronischen Kommunikationen im Netz des betreffenden Providers erfordern und mithin jede zu übermittelnde Information und jeden dieses Netz nutzenden Kunden erfassen" würde, steht der Anordnung schon Art 15 Abs 1 der E-Commerce-RL entgegen (Rn 41).
Grundrechtliche Abwägung: Eigentumsrecht / unternehmerische Freiheit
Grundrechtliche Positionen waren von beiden Verfahrensparteien des Ausgangsverfahrens ins Spiel gebracht worden und das vorlegenden Gericht hatte ausdrücklich auf Art 8 und 10 EMRK Bezug genommen. Der EuGH prüfte daher weiter, ob dieses - auf Grund der E-Commerce-RL erzielte - Ergebnis mit den Grundrechten im Einklang stand. Dabei liegt der Schwerpunkt - auf den ersten Blick eher überraschend - auf einer Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht nach Art 16 GRC und der unternehmerischen Freiheit nach Art 17 GRC.
Zunächst hält der EuGH fest, dass mit der strittigen Anordnung das Ziel verfolgt wurde, den Schutz der Urheberrechte sicherzustellen. Der Schutz des Rechts am geistigen Eigentum ist zwar in Art 17 Abs 2 der Grundrechtecharta verankert, dieses Recht ist jedoch, wie der EuGH in Rn 43-45 des Urteils darlegt, nicht schrankenlos und sein Schutz daher nicht bedingungslos zu gewährleisten (der EuGH verweist dazu insbesondere auf Rn 62 bis 68 des Urteils Promusicae; zu diesem Urteil siehe hier). Weiter heißt es:
"46 Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens müssen die nationalen Behörden und Gerichte daher u. a. ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Rechts am geistigen Eigentum, das Inhaber von Urheberrechten genießen, und dem Schutz der unternehmerischen Freiheit, der Wirtschaftsteilnehmern wie den Providern nach Art. 16 der Charta zukommt, sicherstellen."Abgewogen wird also zunächst nicht mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit nach Art 11 GRC, sondern mit dem für den betroffenen Provider unmittelbarer relevanten Schutz der unternehmerischen Freiheit (für Juristen interessant: Art 17 GRC gewährt kein Recht auf unternehmerische Freiheit, diese Freiheit wird vielmehr nur "nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten" anerkannt; Dogmatiker sehen darin ganz bedeutende Unterschiede, die den EuGH hier aber offensichtlich nicht an einer direkten Abwägung gehindert haben). Der EuGH stellt jedenfalls fest, dass die strittige Anordnung
"zu einer qualifizierten Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Providers führen [würde], da sie ihn verpflichten würde, ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes und allein auf seine Kosten betriebenes Informatiksystem einzurichten, was im Übrigen gegen die Voraussetzungen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 verstieße, wonach die Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein dürfen.Weitere Grundrechtsdimension: Datenschutz und Informationsfreiheit
49 Somit ist davon auszugehen, dass die Anordnung, das streitige Filtersystem einzurichten, das Erfordernis der Gewährleistung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen dem Schutz des Rechts am geistigen Eigentum, das Inhaber von Urheberrechten genießen, und dem Schutz der unternehmerischen Freiheit, die Wirtschaftsteilnehmern wie den Providern zukommt, nicht beachtet."
Erst in einem dritten Schritt kommen dann die in der Vorlagefrage primär angesprochenen Rechte auf Datenschutz und Informationsfreiheit ins Spiel (das vorlegende Gericht hatte auf Art 8 und Art 10 EMRK als "Gemeinschaftsgrundrechte" Bezug genommen, wohl weil die Grundrechtecharta zum relevanten Zeitpunkt der Ausgansgverfahrens noch nicht in Kraft war; der EuGH erwähnt Art 8 und 10 EMRK in diesem Zusammenhang aber gar nicht mehr und bezieht sich ausschließlich auf Art 8 und 11 GRC). Dass der EuGH erst am Ende seiner Analyse auf diese Bestimmungen eingeht, ist allerdings durchaus folgerichtig: denn die tragenden Gründe für das Ergebnis des konkreten Vorabentscheidungsverfahrens ließen sich schon auf Richtlinienebene finden, im zweiten Schritt war zu prüfen, ob dieses Ergebnis die betroffenen Verfahrensparteien als Grundrechtsträger beeinträchtigte, und erst im dritten - nicht mehr fallentscheidenden! - Schritt ging der EuGH auf die vom vorlegenden Gericht vorrangig angesprochenen Grundrechte ein.
Vor diesem Hintergrund ist natürlich keine umfassende Auseinandersetzung mit den exakten Grenzen eines Eingriffs in die Rechte auf Datenschutz und Informationsfreiheit erforderlich. Der EuGH weist zunächst darauf hin, dass sich die Wirkungen der Anordnung nicht auf den betroffenen Provider beschränken würden, "weil das Filtersystem auch Grundrechte der Kunden dieses Providers beeinträchtigen kann, nämlich ihre durch die Art. 8 und 11 der Charta geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen." Zum einen handle es sich bei den zu prüfenden IP-Adressen um personenbezogene Daten, da sie die genaue Identifizierung der Nutzer ermöglichen. Zum anderen könnte die Anordnung die Informationsfreiheit beeinträchtigen, weil das Filtersystem "möglicherweise nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte." Das Ergebnis der grundrechtlichen Abwägung zusammenfassend (Rn 53):
"Somit ist festzustellen, dass das fragliche nationale Gericht, erließe es die Anordnung, mit der der Provider zur Einrichtung des streitigen Filtersystems verpflichtet würde, nicht das Erfordernis beachten würde, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einerseits dem Recht am geistigen Eigentum und andererseits der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung der Informationen zu gewährleisten."Achtung: wer als ISP selbst filtert, ist nach diesem Urteil nicht geschützt
Der EuGH hat mit diesem Urteil generellen Sperren eine Absage erteilt, konkrete Anordnungen - auf der Grundlage einer entsprechenden gesetzlichen Basis und einer Abwägung der berührten Grundrechtspositionen - sind damit aber keineswegs unzulässig.
Besonders hinweisen möchte ich darauf, dass der Schutz des ISPs in diesem Zusammenhang daran hängt, dass er lediglich die reine Durchleitung im Sinne des Art 12 der E-Commerce-RL anbietet. Das Privileg nach Art 15 Abs 1 der E-Commerce-RL, dass solchen Providern keine allgemeine Überwachungspflicht auferlegt werden darf, fällt weg, wenn der Provider (ua) die übermittelten Informationen auswählt oder verändert. Beginnt der ISP, aus eigenem - sei es auch in vorauseilendem Gehorsam oder im Rahmen einer ihm vielleicht nahegelegten "Selbstregulierung" - ein inhaltliches Filter- oder Sperrsystem aufzubauen, dann verliert er dieses Privileg nach Art 15 Abs 1 E-Commerce-RL, auf dem das ganze hier besprochene EuGH-Urteil aufbaut.
PS: weitere Blogbeiträge zB bei Telemedicus, RA Stadler, Technollama, s.a. die Pressemitteilung von EDRI mit Q&As; Update 26.11.2011: "5 Fragen zum Netzsperren-Urteil des EuGH" bei Telemedicus, lesenswert auch RA Stadler zur etwas eigenwilligen Interpretation des Urteils durch Prof. Schwartmann (der übrigens relevant genug ist, einen eigenen Wikipedia-Eintrag zu haben, was in Deutschland ja etwas heißen will; erstellt hat den Eintrag übrigens eine studentische Hilfskraft des Professors); zum Verhältnis zur Newszbin-Fall im UK lesenswert auch iOverlord; weiters aus dem UK kNOwfuture, Glyn Moody (der aus meiner Sicht etwas überzogen von einem "turning point in law" schreibt) und IPKat.
Was ist ein Werbespot? EuGH legt FernsehRL aus
In seinem heutigen Urteil im Vertragsverletzungsverfahren C-281/09 Kommission / Spanien
(siehe hier zu den Schlussanträgen des Generalanwalts) musste sich der EuGH mit der Kreativität auseinandersetzen, mit der Spanien die Begrenzung der Werbezeiten nach der FernsehRL zu umgehen versuchte.
Die RL nannte in ihrem Art 18 Abs 1 "Teleshopping-Spots, Werbespots und andere Formen der Werbung mit Ausnahme von Teleshopping-Fenstern" und begrenzte in der Folge die Sendezeit für Werbespots mit 15 v. H. der täglichen Sendezeit; innerhalb einer Stunde war der Anteil an Sendezeit für Werbespots und Teleshopping-Spots nach Art 18 Abs 2 der RL mit 20 v. H. begrenzt (in der nun geltenden Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, 2010/13/EG, wurde die tägliche Begrenzung fallen gelassen, es blieb allerdings die Begrenzung für den Anteil von Fernsehwerbespots und Teleshopping-Spots von maximal 20% innerhalb einer vollen Stunde).
Wie der EuGH darlegt, hatte Spanien neben Werbespots noch folgende Werbeformen (die daher bei der Berechnung der Werbezeitenbegrenzung nicht berechnet wurden):
Der EuGH ließ sich davon nicht beeindrucken. Vor allem unter Bezugnahme auf das Urteil C-195/06 Österreichischer Rundfunk hob der Gerichtshof hervor, dass "dem Schutz der Verbraucher als Zuschauer gegen übermäßige Werbung im Rahmen des Ziels der Richtlinie 89/552 eine wesentliche Bedeutung zukommt" (Rn 45). Der Begriff Werbespot ist daher "unter Berücksichtigung des Ziels der Richtlinie auszulegen ist, die Ausübung der Werbefreiheit im Fernsehen mit dem zwingenden Gebot in Einklang zu bringen, Fernsehzuschauer gegen ein Übermaß an Werbesendungen zu schützen." Im Ergebnis hielt der EuGH fest,
Das Königreich Spanien hat daher gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 der Fernsehrichtlinie (in der Fassung der RL 97/36/EG) verstoßen, indem es duldete, dass bestimmte Formen der Werbung, wie Werbereportagen, Telepromotion-Spots, Sponsoring-Werbespots und Mikrowerbespots, von spanischen Fernsehanstalten mit längerer Dauer ausgestrahlt werden als nach der RL erlaubt.
(siehe hier zu den Schlussanträgen des Generalanwalts) musste sich der EuGH mit der Kreativität auseinandersetzen, mit der Spanien die Begrenzung der Werbezeiten nach der FernsehRL zu umgehen versuchte.
Die RL nannte in ihrem Art 18 Abs 1 "Teleshopping-Spots, Werbespots und andere Formen der Werbung mit Ausnahme von Teleshopping-Fenstern" und begrenzte in der Folge die Sendezeit für Werbespots mit 15 v. H. der täglichen Sendezeit; innerhalb einer Stunde war der Anteil an Sendezeit für Werbespots und Teleshopping-Spots nach Art 18 Abs 2 der RL mit 20 v. H. begrenzt (in der nun geltenden Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, 2010/13/EG, wurde die tägliche Begrenzung fallen gelassen, es blieb allerdings die Begrenzung für den Anteil von Fernsehwerbespots und Teleshopping-Spots von maximal 20% innerhalb einer vollen Stunde).
Wie der EuGH darlegt, hatte Spanien neben Werbespots noch folgende Werbeformen (die daher bei der Berechnung der Werbezeitenbegrenzung nicht berechnet wurden):
"Werbereportagen: Werbebotschaft von längerer Dauer als ein Spot, die im Allgemeinen argumentativ, informativ und beschreibend ist. Es handelt sich ebenfalls um eine Standardproduktion, die mehrfach ausgestrahlt werden kann, obwohl sie in der Regel wegen ihrer einmaligen Merkmale der Dauer und Argumentation nicht mehrfach gesendet wird.Spanien bemühte sich redlich, die Besonderheiten zu betonen, die diese Werbeformen von typsichen Werbespots abheben würden. Besonders nett finde ich das Argument, "dass die vier streitigen Werbeformen nicht nur wegen ihrer Standardlänge, sondern auch wegen ihrer geringeren kommerziellen Aggressivität, ihrer verringerten suggestiven Wirkung auf den Verbraucher und des Umstands, dass sie eine geringere Störung des Programmgenusses für die Zuschauer bewirkten, nicht unter den Begriff der Werbespots fielen." (Rn 34)
Telepromotions: Werbebotschaften in Verbindung mit einem Programm, für die dieselbe Bühne, dasselbe Bühnenbild, dieselbe Szenografie und/oder dieselben Kostüme verwendet werden wie für das Programm, mit dem sie in Verbindung stehen. Es handelt sich um eine 'Serienproduktion', die nicht in eigenständiger Form, sondern nur im Rahmen der Wiederholung des Programms, in dem sie produziert wurde, mehrfach gesendet werden soll. Da die Telepromotions desselben Produkts in den aufeinanderfolgenden Sendungen eines Programms verschiedenen Aufnahmen entsprechen (denen der verschiedenen Folgen des Programms), sind sie niemals identisch. Eine Telepromotion kann in einer ausschließlich mündlichen Botschaft des Moderators bestehen, soweit diese der Werbung dient.
Sponsoring-Werbespots: Auf Antrag bestimmter Fernsehgesellschaften hat der ehemalige Secretario General de Comunicaciones (Generaldirektor Verkehr im Ministerium für Infrastruktur und Verkehr) entschieden, dass eine besondere Form von Spots – nach der Bezeichnung eines Fernsehveranstalters die 'Euroclaqueta' –, in denen der Hinweis auf das Sponsoring eines Programms und die Werbung des Sponsors gleichzeitig erfolgen, den anderen Formen der Werbung zugerechnet werden, wenn sie die drei folgenden Bedingungen erfüllen:
– Höchstdauer von 10 Sekunden;
– Ausstrahlung unmittelbar vor oder nach dem Programm, auf das sie sich beziehen;
– Produktionseigenschaften, die sich deutlich von der Produktion herkömmlicher Spots unterscheiden.
Mikrowerbespots: Mikrospots, die Werbebotschaften enthalten, werden als 'eine andere Form der Werbung' angesehen, wenn sie länger als 60 Sekunden dauern und wenn es sich nicht um eine bloße Zusammenfassung entfernt zusammenhängender Spots handelt."
Der EuGH ließ sich davon nicht beeindrucken. Vor allem unter Bezugnahme auf das Urteil C-195/06 Österreichischer Rundfunk hob der Gerichtshof hervor, dass "dem Schutz der Verbraucher als Zuschauer gegen übermäßige Werbung im Rahmen des Ziels der Richtlinie 89/552 eine wesentliche Bedeutung zukommt" (Rn 45). Der Begriff Werbespot ist daher "unter Berücksichtigung des Ziels der Richtlinie auszulegen ist, die Ausübung der Werbefreiheit im Fernsehen mit dem zwingenden Gebot in Einklang zu bringen, Fernsehzuschauer gegen ein Übermaß an Werbesendungen zu schützen." Im Ergebnis hielt der EuGH fest,
"dass alle Formen der Fernsehwerbung, die zwischen den Programmen oder während der Pausen gesendet werden, grundsätzlich einen 'Werbespot' im Sinne der Richtlinie 89/552 darstellen, es sei denn, die betreffende Werbeart fällt unter eine ausdrücklich von der Richtlinie vorgesehene andere Form der Werbung, wie dies etwa beim 'Teleshopping' der Fall ist, oder sie nimmt wegen der Art und Weise ihrer Darbietung mehr Zeit in Anspruch als Werbespots, vorausgesetzt, eine Anwendung der für Werbespots vorgesehenen Begrenzungen liefe darauf hinaus, diese Werbeform ohne stichhaltige Rechtfertigung gegenüber Werbespots zu benachteiligen."Am Ende lief es schlicht auf die Dauer der Sonder-Werbeformen hinaus: da jede der vier Werbeformen im Allgemeinen eine Dauer von höchstens zwei Minuten hat, fallen sie, wie der EuGH in Rn 55 des Urteils ausspricht, unter den Begriff der Werbespots iSd FernsehRL (und wohl auch iSd Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, 2010/13/EG).
Das Königreich Spanien hat daher gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 der Fernsehrichtlinie (in der Fassung der RL 97/36/EG) verstoßen, indem es duldete, dass bestimmte Formen der Werbung, wie Werbereportagen, Telepromotion-Spots, Sponsoring-Werbespots und Mikrowerbespots, von spanischen Fernsehanstalten mit längerer Dauer ausgestrahlt werden als nach der RL erlaubt.
Tuesday, November 22, 2011
Beleidigter Toter? Der EGMR zum Schutz der Ehre eines seit über 30 Jahren toten Politikers
De mortuis nil nisi bene: die alte lateinische Redensart, dass man über Tote nur Gutes (oder gar nichts) sagen soll, hat ein Sohn und Erbe des 1962 verstorbenen früheren maltesischen Ministerpräsidenten Sir Paul Boffa offenbar nicht nur als moralische, sondern auch als rechtliche Maxime genommen. Denn als eine maltesische Zeitung 1994 einen Leserbrief veröffentlichte, in dem - eher nebenbei - behauptet wurde, eine Änderung der Flächenwidmung in Xemxija sei erfolgt, weil Sir Boffa dort bauen wollte, klagte der Sohn auf Entschädigung wegen Beleidigung: seinem Vater sei damit eine verwerfliche Absicht unterstellt worden.
Das Verfahren zog sich über mehrere Gerichtsebenen, bis mit einem endgültigen Urteil des Verfassungsgerichtshofs im Oktober 2009 feststand, dass der Leserbriefschreiber John Mizzi (übrigens selbst Journalist, der überdies mit Sir Boffa befreundet gewesen war) dem Sohn von Sir Boffa eine Entschädigung von 700 € wegen der Beleidigung zahlen musste.
Die daraufhin von John Mizzi erhobene Beschwerde hatte vor dem EGMR Erfolg (Urteil vom 22.11.2011, Mizzi gegen Malta, Appl. no. 17320/10; Pressemitteilung des EGMR): Außer Streit stand, dass ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vorlag und dass dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage bestand, die dem legitimen Ziel diente, den guten Ruf und die Rechte anderer zu schützen. Der EGMR verneinte aber, dass der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.
Dazu prüfte er zunächst den inkriminierten Satz des Leserbriefs (auch im Original in englischer Sprache, erschienen in der englischsprachigen Sunday Times of Malta): "After the war, during the administration of Dr Boffa, permission was given for buildings to be erected on the northern part of the bay because Dr Boffa wanted to build there".Während die maltesischen Gerichte angenommen hatten, damit sei Sir Boffa die Absicht unterstellt worden, er habe persönlich dort bauen wollen, kam der EGMR - dem Beschwerdeführer folgend - zum Ergebnis, dass man das vernünftig auch dahin verstehen könnte, dass Sir Boffa nicht selbst hätte bauen wollen. Tatsächlich war in der Folge dort gebaut worden, sodass auch eine ausreichende Tatsachengrundlage vorlag. Die Aussage müsse zudem im Zusammenhang des Leserbriefs gelesen werden, zu berücksichtigen wäre, dass es sich bei der beleidigten Person um eine "public fugure" gehandelt hat, und schließlich sollte auch nicht unbeachtet bleiben, dass diese Person zum Zeitpunkt der "Beleidigung" schon mehr als 30 Jahre tot war. Im Detail heißt es im Urteil:
Der Präsident des EGMR und Vorsitzende der hier entscheidenden 4. Kammer, Sir Nicolas Bratza, gab hingegen ein zustimmendes Separatvotum ab, in dem er sich kritisch mit der grundsätzlichen Frage befasst, ob bei Verstorbenen überhaupt eine - von ihren Nachkommen geltend zu machende - Beleidigung in Frage kommt. Er verweist darauf, dass die Veröffentlichungen in den Fällen Editions Plon und Hachette Filipacchi Associés, in denen der EGMR Ansprüche von Hinterbliebenen anerkannt hat, direkte und unmittelbare Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben der unmittelbaren Familie des Verstorbenen gehabt hatten; außerdem war es dabei nicht um Beleidigungen gegangen. Bei Beleidigungen müsse anderes gelten:
Das Verfahren zog sich über mehrere Gerichtsebenen, bis mit einem endgültigen Urteil des Verfassungsgerichtshofs im Oktober 2009 feststand, dass der Leserbriefschreiber John Mizzi (übrigens selbst Journalist, der überdies mit Sir Boffa befreundet gewesen war) dem Sohn von Sir Boffa eine Entschädigung von 700 € wegen der Beleidigung zahlen musste.
Die daraufhin von John Mizzi erhobene Beschwerde hatte vor dem EGMR Erfolg (Urteil vom 22.11.2011, Mizzi gegen Malta, Appl. no. 17320/10; Pressemitteilung des EGMR): Außer Streit stand, dass ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vorlag und dass dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage bestand, die dem legitimen Ziel diente, den guten Ruf und die Rechte anderer zu schützen. Der EGMR verneinte aber, dass der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.
Dazu prüfte er zunächst den inkriminierten Satz des Leserbriefs (auch im Original in englischer Sprache, erschienen in der englischsprachigen Sunday Times of Malta): "After the war, during the administration of Dr Boffa, permission was given for buildings to be erected on the northern part of the bay because Dr Boffa wanted to build there".Während die maltesischen Gerichte angenommen hatten, damit sei Sir Boffa die Absicht unterstellt worden, er habe persönlich dort bauen wollen, kam der EGMR - dem Beschwerdeführer folgend - zum Ergebnis, dass man das vernünftig auch dahin verstehen könnte, dass Sir Boffa nicht selbst hätte bauen wollen. Tatsächlich war in der Folge dort gebaut worden, sodass auch eine ausreichende Tatsachengrundlage vorlag. Die Aussage müsse zudem im Zusammenhang des Leserbriefs gelesen werden, zu berücksichtigen wäre, dass es sich bei der beleidigten Person um eine "public fugure" gehandelt hat, und schließlich sollte auch nicht unbeachtet bleiben, dass diese Person zum Zeitpunkt der "Beleidigung" schon mehr als 30 Jahre tot war. Im Detail heißt es im Urteil:
"37. [...] The Court notes that the impugned statement, whatever its meaning may be, was a mere historic sideline to an article which dealt with a totally different subject matter. It held no prominence in the writing; it was of little significance, was written in the calmest of tones and could hardly be considered as provocative or exaggerated in that specific context.Weniger bemerkenswert als das Ergebnis, dass der Beschwerdeführer durch die Verurteilung demnach in seinen Rechten nach Art 10 EMRK verletzt worden war, ist der Umstand, dass das Urteil nicht einstimmig zustandekam, sondern gegen die Stimme des für Malta tätig gewordenen (ad hoc-)Richters David Scicluna (sonst Richter am Strafberufungsgericht in Malta). Seine dem Urteil beigefügte abweichende Meinung zeigt große Entfernung zu allem, was am EGMR in Artikel 10-Fällen mehrheitsfähig ist.
38. Furthermore, the domestic courts did not give any weight to the fact that the person who they found to have been defamed was a former prime minister, and thus a politician and public figure who was subject to wider limits of acceptable criticism (see Lombardo and Others v. Malta, no. 7333/06, § 54, 24 April 2007) and that the article covered a subject of at least some public interest.
39. The Court further notes that the said prime minister was deceased at the time the letter was written. Indeed, the person who sued the applicant and to whom damages were awarded was not the defamed person, but his heir. In this respect, although the possibility of bringing such an action existed in the Maltese legal system, like in other countries, and though this has never raised an issue, as such, before the Court [...], it is of the view that this element should have been considered by the domestic courts when assessing the proportionality of the interference. [...]
40. In conclusion, the Court considers that the domestic courts’ decisions, narrow in scope, reiterating what, in their view, was implied by the impugned statement, and upholding the right of reputation without explaining why this outweighed the applicant’s freedom of expression and without taking into consideration other relevant factors, cannot be considered to fulfil the obligation of the courts to adduce 'relevant and sufficient' reasons which could justify the interference at issue."
Der Präsident des EGMR und Vorsitzende der hier entscheidenden 4. Kammer, Sir Nicolas Bratza, gab hingegen ein zustimmendes Separatvotum ab, in dem er sich kritisch mit der grundsätzlichen Frage befasst, ob bei Verstorbenen überhaupt eine - von ihren Nachkommen geltend zu machende - Beleidigung in Frage kommt. Er verweist darauf, dass die Veröffentlichungen in den Fällen Editions Plon und Hachette Filipacchi Associés, in denen der EGMR Ansprüche von Hinterbliebenen anerkannt hat, direkte und unmittelbare Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben der unmittelbaren Familie des Verstorbenen gehabt hatten; außerdem war es dabei nicht um Beleidigungen gegangen. Bei Beleidigungen müsse anderes gelten:
"In the case of defamation, the situation appears to me to be different: the defamatory statement, while doubtless affecting the reputation of the deceased ancestor, has in my view no direct impact on the private or family life of the descendants. The exposure of an individual in such a case to an action in damages for defaming the deceased ancestor of a family is likely to have a seriously chilling effect on the right of freedom of expression, particularly in a case where many years have passed since the death and the burden of proving the truth of the allegation lies on the defendant in any such action. In my view, even if such an action is in principle compatible with the requirements of Article 10, when striking the balance between the competing interests, the weight to be attached to the reputation of the deceased individual must diminish with the passing of the years and that attaching to freedom of expression must correspondingly increase."
Monday, November 21, 2011
Gesetzliche Begleitmaßnahmen zur Erhöhung des ORF-Programmentgelts
Mit 1. Juni 2012 soll das Programmentgelt des ORF neu festgelegt (genauer: um 7% erhöht) werden; schon mit 1. Jänner 2012 soll - nach einem am vergangenen Freitag eingebrachten Initiativantrag der Abgeordneten Cap, Kopf, Kolleginnen und Kollegen - eine gesetzliche Begleitmaßnahme in Kraft treten, nach der Programmentgelt jedenfalls dann zu zahlen ist, "wenn der Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs. 1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß § 3 Abs. 1 [ORF-G] terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird." Mit anderen Worten: wenn in Österreich ein Rundfunkgerät betrieben wird und der Standort vom ORF versorgt wird (also praktisch überall), dann kommt es nicht mehr darauf an, ob mit den konkreten Radio- oder Fernsehgeräten auch tatsächlich die Programme des ORF empfangen werden können.
Wer seine Fernsehprogramme über Satellit bezieht und weder DVB-T-Tuner noch ORF-Karte hat, kann die ORF-Fernsehprogramme nicht empfangen und muss nach der derzeitigen Rechtslage auch kein Fernsehentgelt zahlen (siehe dazu dieses Erkenntnisses des VwGH, dazu im Blog hier). Wenn man sich zB die Postings unter den Berichten über die angekündigte Erhöhung des Programmentgelts so ansieht (nur ein Besipiel), dann ist klar, dass bei jeder Erhöhung des Programmentgelts mit einem Anstieg der "Gebührenflüchtlinge" zu rechnen ist. Mit dem Initiativantrag kommen die Regierungsparteien dem ORF nun zur Hilfe und schließen dieses gesetzliche Schlupfloch. Damit sollte die Gefahr erodierender Programmentgelteingänge bis zu dem wahrscheinlich nach 2013 zu erwartenden Umstieg auf eine haushaltsbezogene Abgabe (wenn sich diese in Deutschland bewährt, mehr dazu noch unten) gebannt sein.
Zur Erhöhung des Programmentgelts
Laut Aussendung des ORF wird sich der ORF-Stiftungsrat am 15. Dezember 2011 mit einem Antrag des Generaldirektors auf Neufestlegung des Programmentgelts befassen; angekündigt ist eine Erhöhung um 7% ab 01.06.2012. Der ORF verwendet in seiner Aussendung dafür den Begriff einer "Teil-Valorisierung", was aus rechtlicher Sicht zumindest missverständlich ist. Für die Festlegung des Programmentgelts enthält nämlich § 31 ORF-Gesetz nähere Regeln, die mit einer "Valorisierung" - im Sinne von Wertsicherung - nichts zu tun haben; maßgebend ist ausschließlich der Finanzierungsbedarf für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags.
Dass der ORF die geplante Erhöhung in seiner Kommunikationspolitik dennoch in Bezug zur Inflation setzt, war zu erwarten und ist aus PR-Sicht auch verständlich. Wie er das tut, ist aber - ich versuche das ganz wertneutral und vorsichtig auszudrücken - bemerkenswert: die ab 01.06.2012 wirksam werdende Erhöhung wird in der ORF-Aussendung nämlich mit der "hochgerechneten Inflation von 2008 [!] bis 2016 (voraussichtlich 17%)" - also offenbar dem Endwert von 9 Jahren teilweise schon erlebter und teilweise noch erwarteter Inflation - verglichen. Ausdrücklich wird auch behauptet, dass die "Teil-Valorisierung" (gemeint: Erhöhung) einen Zeitraum von neun Jahren (2008 bis 2016) abdecke.
Nun ist die Inflation in den Jahren 2008 bis 2011 vollkommen unerheblich, immerhin hat der ORF nicht nur über das Jahr 2010 positiv bilanziert, auch das Jahr 2011 soll positiv abgeschlossen werden (was auch in der aktuellen Aussendung zum Programmentgelt hervorgehoben wird) - mit anderen Worten: es ist nicht erkennbar, dass die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags dieses Jahr nicht gedeckt werden könnten. Will man die Erhöhung des Programmentgelts daher schon der Inflation gegenüberstellen, dann wäre es angebracht, nur die (erwartete) Inflation 2012 bis 2016 heranzuziehen (und auch hier natürlich nicht den Endwert, sondern nur etwa die Hälfte dieses Werts, denn das Programmentgelt soll ja bereits ab 1.6.2012 erhöht werden, während die Inflation sich erst über den gesamten Zeitraum entwickelt.
Auslaufen der Bundessubvention
Dass es 2012 - auch bei weiteren Sparmaßnahmen - mit den Einnahmen des ORF eng werden könnte, ist freilich evident: denn die Subventionen des Bundes gemäß § 31 Abs 11 ORF-Gesetz (im ORF-Jargon meist als "Refundierung der Gebührenbefreiung" bezeichnet), die 2010 50 Mio € ausmachten und 2011 wiederum in diesem Ausmaß zu erwarten sind, gehen im Jahr 2012 auf (höchstens) 30 Mio € zurück und werden auch im Jahr 2013 höchstens 30 Mio € ausmachen; für die Zeit danach sind derzeit keine weiteren solchen Subventionen gesetzlich vorgesehen. Die Programmentgelterhöhung von 7% dürfte im Jahr 2012 (da sie erst ab 1.6.2012 wirksam wird) Mehrerträge aus dem Programmentgelt von etwa 21 Mio € bringen. Das bedeutet somit keine wirkliche Erhöhung der Einnahmen des ORF, da ja zugleich die Bundessubvention um 20 Mio € geringer ausfallen wird; erst im Folgejahr würden die Einnahmen aus dem Programmentgelt dann um etwa 37 Mio € zunehmen (oder, verglichen mit 2011, um etwa 17 Mio €).
Den Berechnungen in der ORF-Aussendung kann ich nicht ganz folgen, denn der kaufmännische Direktor des ORF rechnet für 2012 mit Kostensteigerungen von 20 Mio €, zusätzlichen Kostensteigerungen für Sportgroßereignisse in der Höhe von ebenfalls 20 Mio € und kommt dann unter Berücksichtung der "Reduktion der Refundierungsmittel" (um 20 Mio € niedrigere Bundessubvention) auf rund 50 Mio € - das geht sich um immerhin zehn Millionen Euro nicht aus.
Verhältnis "Gebühren"-Finanzierung und Werbung/Sonstige Erlöse
Die Entwicklung der Einnahmen aus Programmentgelten einerseits und Werbung bzw sonstigen Erlösen andererseits habe ich in einem nun wieder aktualisierten Google-Doc zusammengestellt.
Man sieht dabei, dass sich das Verhältnis zwischen der Finanzierung aus Programmentgelten und Werbung/sonstigen Erlösen in den letzten Jahren deutlich verschoben hat; während 2004 bis 2007 das Verhältnis recht ausgeglichen war, ist seither der Anteil der "Gebührenfinanzierung" deutlich gestiegen (gemeint sind die Programmentgelte und 2010 auch die - im Jahresabschluss des ORF unter den Programmentgelt-Erlösen ausgewiesenen - Einnahmen aus der Bundessubvention nach § 31 Abs 11 ORF-G). Dass das ORF-Budget "immer gebührenlastiger" wird, wie die APA schrieb, gilt allerdings nur für die jüngere Vergangenheit; bis in die Mitte der 80erJahre des vorigen Jahrunderts machten die Einnahmen aus den Programmentgelten einen ähnlich großen Anteil aus wie in den letzten zwei bis drei Jahren.
Exkurs: Umstellung auf Haushaltsabgabe
Wie schon erwähnt, rechne ich damit, dass in wenigen Jahren auch in Österreich eine Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild eingeführt wird. Damit könnte man auch jene Haushalte, die sich derzeit der GIS entziehen, weil sie tatsächlich radio- und fernsehabstinent leben oder sich einfach nicht erwischen lassen, in die Abgabenpflicht einbeziehen. Die GIS schreibt in ihren Presseunterlagen, dass 140.000 Haushalte "noch als Kunden zu gewinnen" seien; legt man den durchschnittlichen Ertrag aus dem Programmentgelt pro Teilnehmer für den ORF zugrunde (etwa 152 € pro Jahr), so würde eine Einbeziehung aller bisher von der GIS "noch nicht als Kunden gewonnenen" Haushalte über den Weg der Haushaltsabgabe dem ORF (auf gegenwärtiger Basis) rund 21 Mio € pro Jahr bringen.
Zum weiteren Verfahren zur Programmentgelterhöhung
Verfahrenstechnisch braucht es nun einen begründeten Antrag des Generaldirektors, danach einen Beschluss des Stiftungsrates, der wiederum der Genehmigung des Publikumsrats bedarf (die Genehmigung gilt aber als erteilt, wenn der Publikumsrat nicht binnen 8 Wochen begründet widerspricht; selbst wenn er widerspricht, kann der Stiftungsrat einen Beharrungsbeschluss fassen). Erstmals wird bei der kommenden Neufestsetzung des Programmentgelts auch eine Prüfung durch die Regulierungsbehörde erfolgen; diese kann innerhalb von drei Monaten den Beschluss des Stiftungsrates aufheben, wenn er nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
Für das laut Aussendung geplante Inkrafttreten der Neufestlegung des Programmentgelts ab Juni 2012 wäre es daher erforderlich, dass der Regulierungsbehörde der Beschluss des Stiftungsrates spätestens am 29. Februar 2012 vorliegt. Wäre ein Widerspruch des Publikumsrats zu erwarten, dann ist die Zeit also schon knapp: denn wenn der Publikumsrat in diesem Fall auch die achtwöchige Frist voll ausreizt, könnte der Beharrungsbeschluss des Stiftungsrats erst in der zweiten Februarhälfte erfolgen. Da sich aber die "Freundeskreise" im Stiftungsrat bereits freundlich geäußert haben, desgleichen auch die Mediensprecher der Regierungsparteien (das Zauberwort/die Sprachregelung lautet derzeit "maßvoll"), da die Personalentscheidungen derzeit auch eher "maßvoll" getroffen werden und weil schließlich der gemeinsame Antrag von Cap und Kopf in Sachen "Gebührenflüchtlinge" auch nicht gerade auf einen koalitionären Streitfall hindeutet, werden die SP- und VP-nahen Publikumsräte wohl kaum Widerspruch gegen einen Erhöhungsbeschluss des Stiftungsrates erheben.
Update 27.12.2011: heute wurde die Änderung des ORF-Gesetzes im Bundesgesetzblatt kundgemacht; der Erhöhung des Programmentgelts ab 01.06.2012 hat mittlerweile sowohl der Stiftungsrat (Aussendung vom 15.12.2011) als auch der Publikumsrat des ORF (Aussendung vom 19.12.2011) zugestimmt.
Wer seine Fernsehprogramme über Satellit bezieht und weder DVB-T-Tuner noch ORF-Karte hat, kann die ORF-Fernsehprogramme nicht empfangen und muss nach der derzeitigen Rechtslage auch kein Fernsehentgelt zahlen (siehe dazu dieses Erkenntnisses des VwGH, dazu im Blog hier). Wenn man sich zB die Postings unter den Berichten über die angekündigte Erhöhung des Programmentgelts so ansieht (nur ein Besipiel), dann ist klar, dass bei jeder Erhöhung des Programmentgelts mit einem Anstieg der "Gebührenflüchtlinge" zu rechnen ist. Mit dem Initiativantrag kommen die Regierungsparteien dem ORF nun zur Hilfe und schließen dieses gesetzliche Schlupfloch. Damit sollte die Gefahr erodierender Programmentgelteingänge bis zu dem wahrscheinlich nach 2013 zu erwartenden Umstieg auf eine haushaltsbezogene Abgabe (wenn sich diese in Deutschland bewährt, mehr dazu noch unten) gebannt sein.
Zur Erhöhung des Programmentgelts
Laut Aussendung des ORF wird sich der ORF-Stiftungsrat am 15. Dezember 2011 mit einem Antrag des Generaldirektors auf Neufestlegung des Programmentgelts befassen; angekündigt ist eine Erhöhung um 7% ab 01.06.2012. Der ORF verwendet in seiner Aussendung dafür den Begriff einer "Teil-Valorisierung", was aus rechtlicher Sicht zumindest missverständlich ist. Für die Festlegung des Programmentgelts enthält nämlich § 31 ORF-Gesetz nähere Regeln, die mit einer "Valorisierung" - im Sinne von Wertsicherung - nichts zu tun haben; maßgebend ist ausschließlich der Finanzierungsbedarf für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags.
Dass der ORF die geplante Erhöhung in seiner Kommunikationspolitik dennoch in Bezug zur Inflation setzt, war zu erwarten und ist aus PR-Sicht auch verständlich. Wie er das tut, ist aber - ich versuche das ganz wertneutral und vorsichtig auszudrücken - bemerkenswert: die ab 01.06.2012 wirksam werdende Erhöhung wird in der ORF-Aussendung nämlich mit der "hochgerechneten Inflation von 2008 [!] bis 2016 (voraussichtlich 17%)" - also offenbar dem Endwert von 9 Jahren teilweise schon erlebter und teilweise noch erwarteter Inflation - verglichen. Ausdrücklich wird auch behauptet, dass die "Teil-Valorisierung" (gemeint: Erhöhung) einen Zeitraum von neun Jahren (2008 bis 2016) abdecke.
Nun ist die Inflation in den Jahren 2008 bis 2011 vollkommen unerheblich, immerhin hat der ORF nicht nur über das Jahr 2010 positiv bilanziert, auch das Jahr 2011 soll positiv abgeschlossen werden (was auch in der aktuellen Aussendung zum Programmentgelt hervorgehoben wird) - mit anderen Worten: es ist nicht erkennbar, dass die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags dieses Jahr nicht gedeckt werden könnten. Will man die Erhöhung des Programmentgelts daher schon der Inflation gegenüberstellen, dann wäre es angebracht, nur die (erwartete) Inflation 2012 bis 2016 heranzuziehen (und auch hier natürlich nicht den Endwert, sondern nur etwa die Hälfte dieses Werts, denn das Programmentgelt soll ja bereits ab 1.6.2012 erhöht werden, während die Inflation sich erst über den gesamten Zeitraum entwickelt.
Auslaufen der Bundessubvention
Dass es 2012 - auch bei weiteren Sparmaßnahmen - mit den Einnahmen des ORF eng werden könnte, ist freilich evident: denn die Subventionen des Bundes gemäß § 31 Abs 11 ORF-Gesetz (im ORF-Jargon meist als "Refundierung der Gebührenbefreiung" bezeichnet), die 2010 50 Mio € ausmachten und 2011 wiederum in diesem Ausmaß zu erwarten sind, gehen im Jahr 2012 auf (höchstens) 30 Mio € zurück und werden auch im Jahr 2013 höchstens 30 Mio € ausmachen; für die Zeit danach sind derzeit keine weiteren solchen Subventionen gesetzlich vorgesehen. Die Programmentgelterhöhung von 7% dürfte im Jahr 2012 (da sie erst ab 1.6.2012 wirksam wird) Mehrerträge aus dem Programmentgelt von etwa 21 Mio € bringen. Das bedeutet somit keine wirkliche Erhöhung der Einnahmen des ORF, da ja zugleich die Bundessubvention um 20 Mio € geringer ausfallen wird; erst im Folgejahr würden die Einnahmen aus dem Programmentgelt dann um etwa 37 Mio € zunehmen (oder, verglichen mit 2011, um etwa 17 Mio €).
Den Berechnungen in der ORF-Aussendung kann ich nicht ganz folgen, denn der kaufmännische Direktor des ORF rechnet für 2012 mit Kostensteigerungen von 20 Mio €, zusätzlichen Kostensteigerungen für Sportgroßereignisse in der Höhe von ebenfalls 20 Mio € und kommt dann unter Berücksichtung der "Reduktion der Refundierungsmittel" (um 20 Mio € niedrigere Bundessubvention) auf rund 50 Mio € - das geht sich um immerhin zehn Millionen Euro nicht aus.
Verhältnis "Gebühren"-Finanzierung und Werbung/Sonstige Erlöse
Die Entwicklung der Einnahmen aus Programmentgelten einerseits und Werbung bzw sonstigen Erlösen andererseits habe ich in einem nun wieder aktualisierten Google-Doc zusammengestellt.
Man sieht dabei, dass sich das Verhältnis zwischen der Finanzierung aus Programmentgelten und Werbung/sonstigen Erlösen in den letzten Jahren deutlich verschoben hat; während 2004 bis 2007 das Verhältnis recht ausgeglichen war, ist seither der Anteil der "Gebührenfinanzierung" deutlich gestiegen (gemeint sind die Programmentgelte und 2010 auch die - im Jahresabschluss des ORF unter den Programmentgelt-Erlösen ausgewiesenen - Einnahmen aus der Bundessubvention nach § 31 Abs 11 ORF-G). Dass das ORF-Budget "immer gebührenlastiger" wird, wie die APA schrieb, gilt allerdings nur für die jüngere Vergangenheit; bis in die Mitte der 80erJahre des vorigen Jahrunderts machten die Einnahmen aus den Programmentgelten einen ähnlich großen Anteil aus wie in den letzten zwei bis drei Jahren.
Exkurs: Umstellung auf Haushaltsabgabe
Wie schon erwähnt, rechne ich damit, dass in wenigen Jahren auch in Österreich eine Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild eingeführt wird. Damit könnte man auch jene Haushalte, die sich derzeit der GIS entziehen, weil sie tatsächlich radio- und fernsehabstinent leben oder sich einfach nicht erwischen lassen, in die Abgabenpflicht einbeziehen. Die GIS schreibt in ihren Presseunterlagen, dass 140.000 Haushalte "noch als Kunden zu gewinnen" seien; legt man den durchschnittlichen Ertrag aus dem Programmentgelt pro Teilnehmer für den ORF zugrunde (etwa 152 € pro Jahr), so würde eine Einbeziehung aller bisher von der GIS "noch nicht als Kunden gewonnenen" Haushalte über den Weg der Haushaltsabgabe dem ORF (auf gegenwärtiger Basis) rund 21 Mio € pro Jahr bringen.
Zum weiteren Verfahren zur Programmentgelterhöhung
Verfahrenstechnisch braucht es nun einen begründeten Antrag des Generaldirektors, danach einen Beschluss des Stiftungsrates, der wiederum der Genehmigung des Publikumsrats bedarf (die Genehmigung gilt aber als erteilt, wenn der Publikumsrat nicht binnen 8 Wochen begründet widerspricht; selbst wenn er widerspricht, kann der Stiftungsrat einen Beharrungsbeschluss fassen). Erstmals wird bei der kommenden Neufestsetzung des Programmentgelts auch eine Prüfung durch die Regulierungsbehörde erfolgen; diese kann innerhalb von drei Monaten den Beschluss des Stiftungsrates aufheben, wenn er nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
Für das laut Aussendung geplante Inkrafttreten der Neufestlegung des Programmentgelts ab Juni 2012 wäre es daher erforderlich, dass der Regulierungsbehörde der Beschluss des Stiftungsrates spätestens am 29. Februar 2012 vorliegt. Wäre ein Widerspruch des Publikumsrats zu erwarten, dann ist die Zeit also schon knapp: denn wenn der Publikumsrat in diesem Fall auch die achtwöchige Frist voll ausreizt, könnte der Beharrungsbeschluss des Stiftungsrats erst in der zweiten Februarhälfte erfolgen. Da sich aber die "Freundeskreise" im Stiftungsrat bereits freundlich geäußert haben, desgleichen auch die Mediensprecher der Regierungsparteien (das Zauberwort/die Sprachregelung lautet derzeit "maßvoll"), da die Personalentscheidungen derzeit auch eher "maßvoll" getroffen werden und weil schließlich der gemeinsame Antrag von Cap und Kopf in Sachen "Gebührenflüchtlinge" auch nicht gerade auf einen koalitionären Streitfall hindeutet, werden die SP- und VP-nahen Publikumsräte wohl kaum Widerspruch gegen einen Erhöhungsbeschluss des Stiftungsrates erheben.
Update 27.12.2011: heute wurde die Änderung des ORF-Gesetzes im Bundesgesetzblatt kundgemacht; der Erhöhung des Programmentgelts ab 01.06.2012 hat mittlerweile sowohl der Stiftungsrat (Aussendung vom 15.12.2011) als auch der Publikumsrat des ORF (Aussendung vom 19.12.2011) zugestimmt.
TKG-Novelle 2011 nun im BGBl
Heute wurde die TKG-Novelle 2011 ("Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz sowie das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden") im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2011/102) kundgemacht. Da sich am Inhalt dieser Novelle seit der Regierungsvorlage nichts mehr geändert hat, kann ich wieder auf meine bisherigen Anmerkungen (zuletzt hier, zuvor hier, sowie hier zum Ministerialentwurf) sowie auf die offiziellen Erläuterungen zur Regierungsvorlage verweisen. Wie schon erwähnt, enthält das Gesetz einige Bestimmungen, deren Sinn sich wahrscheinlich nur den Lobbyisten erschließt, die sie hineinreklamiert haben (insbesondere § 38 Abs 2 und § 42 Abs 1 in der geänderten Fassung), im Großen und Ganzen aber handelt es sich um eine recht passable Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben, ergänzt im Wesentlichen durch den grundsätzlich sinnvollen Versuch, innerstaatliche Zuständigkeiten und Verfahrensregeln zu bereinigen (zB durch die konzentrierte Zuständigkeit für Leitungs- und Mitbenutzungsrechte bei der Regulierungsbehörde oder durch die Zusammenführung von Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren).
Bisher noch nicht erwähnt habe ich die Regelung betreffend "Cookies", die für einige Unruhe vor allem unter Online-Werbern gesorgt hat und sorgt. In Werbekreisen wurde die mit der TKG-Novelle (unter anderem) umgesetzte RL 2009/136/EG (oder auch die durch diese Richtlinie unter anderem geänderte DatenschutzRL für elektronische Kommunikation) ja gerne gleich als "Cookie-Richtlinie" bezeichnet, weil sie - unter vielen anderen - auch Regeln für die Verwendung von Cookies enthält. Die Richtlinie lässt, etwas vereinfacht dargestellt, den Einsatz von Cookies zu, "sofern der Teilnehmer oder der Nutzer, auf den sich die Daten beziehen, zuvor seine Einwilligung gegeben hat" (siehe Art 5 und dazu die Erwägungsgründe 24 und 25 der Richtlinie).
Die österreichische Umsetzung in § 96 Abs 3 TKG 2003 wird nicht viel konkreter: Hier heißt es, dass Betreiber öffentlicher Kommunikationsdienste und Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft verpflichtet sind, "den Teilnehmer oder Benutzer darüber zu informieren, welche personenbezogenen Daten er ermitteln, verarbeiten und übermitteln wird, auf welcher Rechtsgrundlage und für welche Zwecke dies erfolgt und für wie lange die Daten gespeichert werden. Eine Ermittlung dieser Daten ist nur zulässig, wenn der Teilnehmer oder Nutzer seine Einwilligung dazu erteilt hat. Dies steht einer technischen Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein Kommunikationsnetz ist oder, wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Benutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann. [...]"
Die wesentliche Frage ist natürlich, ob die Einwilligung in die Verwendung von Cookies durch entsprechende Browsereinstellungen ausreicht. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sagen dazu ein vorsichtiges Ja: "Wenn dies technisch durchführbar ist, kann die Einwilligung des Nutzers zur Verarbeitung über die Handhabung der entsprechenden Einstellungen eines Browsers oder einer anderen Anwendung ausgedrückt werden." Ob das letztendlich tatsächlich genügt, wird wohl erst der EuGH über die Auslegung der DatenschutzRL für elektronische Kommunikation klären.
Bisher noch nicht erwähnt habe ich die Regelung betreffend "Cookies", die für einige Unruhe vor allem unter Online-Werbern gesorgt hat und sorgt. In Werbekreisen wurde die mit der TKG-Novelle (unter anderem) umgesetzte RL 2009/136/EG (oder auch die durch diese Richtlinie unter anderem geänderte DatenschutzRL für elektronische Kommunikation) ja gerne gleich als "Cookie-Richtlinie" bezeichnet, weil sie - unter vielen anderen - auch Regeln für die Verwendung von Cookies enthält. Die Richtlinie lässt, etwas vereinfacht dargestellt, den Einsatz von Cookies zu, "sofern der Teilnehmer oder der Nutzer, auf den sich die Daten beziehen, zuvor seine Einwilligung gegeben hat" (siehe Art 5 und dazu die Erwägungsgründe 24 und 25 der Richtlinie).
Die österreichische Umsetzung in § 96 Abs 3 TKG 2003 wird nicht viel konkreter: Hier heißt es, dass Betreiber öffentlicher Kommunikationsdienste und Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft verpflichtet sind, "den Teilnehmer oder Benutzer darüber zu informieren, welche personenbezogenen Daten er ermitteln, verarbeiten und übermitteln wird, auf welcher Rechtsgrundlage und für welche Zwecke dies erfolgt und für wie lange die Daten gespeichert werden. Eine Ermittlung dieser Daten ist nur zulässig, wenn der Teilnehmer oder Nutzer seine Einwilligung dazu erteilt hat. Dies steht einer technischen Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein Kommunikationsnetz ist oder, wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Benutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann. [...]"
Die wesentliche Frage ist natürlich, ob die Einwilligung in die Verwendung von Cookies durch entsprechende Browsereinstellungen ausreicht. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sagen dazu ein vorsichtiges Ja: "Wenn dies technisch durchführbar ist, kann die Einwilligung des Nutzers zur Verarbeitung über die Handhabung der entsprechenden Einstellungen eines Browsers oder einer anderen Anwendung ausgedrückt werden." Ob das letztendlich tatsächlich genügt, wird wohl erst der EuGH über die Auslegung der DatenschutzRL für elektronische Kommunikation klären.
Thursday, November 17, 2011
Schlussanträge Bonnier Audio: VorratsdatenRL steht ISP-Auskunftspflicht bei Urheberrechtsverletzung nicht grundsätzlich entgegen
Generalanwalt Jääskinen erwähnt schon einleitend in seinen heute veröffentlichten Schlussanträgen in der Rechtssache C-461/10 Bonnier Audio AB ua den "neuartige[n] und häufig delikate[n] Charakter der Fragen des Schutzes personenbezogener Daten" und weist darauf hin, dass es sich um einen Querschnittsbereich handelt, "der unablässig eine Reihe von Fragen in verschiedenen Bereichen aufwirft. Er stellt [...] ein Grundrecht dar (Art. 8 der Grundrechtecharta), das häufig gegen ein anderes unionsrechtlich garantiertes Grundrecht wie den Schutz des geistigen Eigentums (Art. 17 der Grundrechtecharta) abgewogen werden muss."
Im konkreten Fall ging es um eine von Obersten Gerichtshof Schwedens vorgelegte Frage, die sich mit dem Verhältnis der DatenschutzRL für elektronische Kommunikation - in der Fassung der RL über die Vorrratsspeicherung von Daten - einerseits und der RL über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums 2004/48 andererseits befasste. Das ist dem Grundsatz nach nicht neu, der EuGH hat in den Fällen C-275/06 Promusicae (im Blog dazu hier) und C-557/07 LSG (im Blog dazu hier) schon Stellung genommen. "Kein Gebot [zu Speicherung und Auskunft], aber auch kein definitives Verbot - und über allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz", so habe ich das damals zu Promusicae auf den Punkt zu bringen versucht - und aus Anlass der heutigen Schlussanträge muss ich das auch nicht modifizieren.
Neu gegenüber den bisherigen Fällen ist vor allem das zwischenzeitliche Inkrafttreten der RL über die Vorratsspeicherung von Daten, die aber, so der Generalanwalt, für den konkret zu beurteilenden Fall nicht von Bedeutung ist. Denn dem Ausgangsrechtsstreit liegt ein zivilrechtliches Verfahren zugrunde, und die Daten wurden nicht von einer zuständigen nationalen Behörde, sondern von Privatpersonen begehrt; das Ausgangsverfahren fällt somit nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der VorratsdatenRL.
Weder die DatenschutzRL 95/46 noch die DatenschutzRL für elektronische Kommunikation 2002/58 (auch nicht in ihrer durch die VorratsdatenRL ergänzten Fassung) enthält spezielle Vorschriften für die Vorratsspeicherung oder Verwendung von Telekommunikationsdaten im Rahmen der Verfolgung von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums durch Privatpersonen. Nach Prüfung dieser Richtlinien wie auch der DurchsetzungsRL 2004/48 kommt der Generalanwalt zum Ergebnis, dass auf Unionsebene zwar einiges für eine RL spreche, die die RL 2002/58 um eine Pflicht zur Vorratsspeicherung im Hinblick auf Verletzungen eines Rechts des geistigen Eigentums ergänzen und den Zweck dieser Speicherung, die zu speichernden Daten, die Speicherfrist und die zugangsberechtigten Personen festlegen würde, dass eine solche Richtlinie zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht existiert.
Im konkreten Fall ging es um eine von Obersten Gerichtshof Schwedens vorgelegte Frage, die sich mit dem Verhältnis der DatenschutzRL für elektronische Kommunikation - in der Fassung der RL über die Vorrratsspeicherung von Daten - einerseits und der RL über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums 2004/48 andererseits befasste. Das ist dem Grundsatz nach nicht neu, der EuGH hat in den Fällen C-275/06 Promusicae (im Blog dazu hier) und C-557/07 LSG (im Blog dazu hier) schon Stellung genommen. "Kein Gebot [zu Speicherung und Auskunft], aber auch kein definitives Verbot - und über allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz", so habe ich das damals zu Promusicae auf den Punkt zu bringen versucht - und aus Anlass der heutigen Schlussanträge muss ich das auch nicht modifizieren.
Neu gegenüber den bisherigen Fällen ist vor allem das zwischenzeitliche Inkrafttreten der RL über die Vorratsspeicherung von Daten, die aber, so der Generalanwalt, für den konkret zu beurteilenden Fall nicht von Bedeutung ist. Denn dem Ausgangsrechtsstreit liegt ein zivilrechtliches Verfahren zugrunde, und die Daten wurden nicht von einer zuständigen nationalen Behörde, sondern von Privatpersonen begehrt; das Ausgangsverfahren fällt somit nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der VorratsdatenRL.
Weder die DatenschutzRL 95/46 noch die DatenschutzRL für elektronische Kommunikation 2002/58 (auch nicht in ihrer durch die VorratsdatenRL ergänzten Fassung) enthält spezielle Vorschriften für die Vorratsspeicherung oder Verwendung von Telekommunikationsdaten im Rahmen der Verfolgung von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums durch Privatpersonen. Nach Prüfung dieser Richtlinien wie auch der DurchsetzungsRL 2004/48 kommt der Generalanwalt zum Ergebnis, dass auf Unionsebene zwar einiges für eine RL spreche, die die RL 2002/58 um eine Pflicht zur Vorratsspeicherung im Hinblick auf Verletzungen eines Rechts des geistigen Eigentums ergänzen und den Zweck dieser Speicherung, die zu speichernden Daten, die Speicherfrist und die zugangsberechtigten Personen festlegen würde, dass eine solche Richtlinie zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht existiert.
"In Anbetracht dieser Umstände ist festzustellen, dass die derzeit geltenden Rechtsvorschriften der Union die erforderlichen Einzelheiten für die Vorratsspeicherung und die Weitergabe der personenbezogenen Daten, die bei der elektronischen Kommunikation im Hinblick auf ihre Weitergabe im Fall einer von einer Privatperson geltend gemachten Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums erzeugt werden, nicht vorsehen."Es kommt daher wesentlich auf das nationale Recht des Mitgliedstaates an. Ein Gericht dürfe aber nicht ohne weiteres die Herausgabe von Daten, die nach der VorratsdatenRL gesammelt wurden, anordnen; vielmehr müsste der nationale Gesetzgeber, wollte er die Nutzung dieser Daten auch für die privatrechtliche Verfolgung von Rechtsansprüchen aus dem geistigen Eigentum zulassen, die Rechte und Pflichten in der nationalen Rechtsordnung im Voraus und detailliert festlegen:
"Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass für die Grundrechte im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten und des Privatlebens einerseits sowie im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums andererseits der gleiche Schutz zu gelten hat. Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums dürfen somit nicht dadurch privilegiert werden, dass sie auf personenbezogene Daten zurückgreifen können, die rechtmäßig für Zwecke, die mit dem Schutz ihrer Rechte nichts zu tun haben, erhoben oder auf Vorrat gespeichert worden sind. Diese Daten können nach den für den Schutz personenbezogener Daten geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen zu derartigen Zwecken nur erhoben und verwendet werden, wenn der nationale Gesetzgeber im Einklang mit Art. 15 der Richtlinie 2002/58 im Voraus detaillierte Vorschriften für diesen Fall erlassen hat"Der Vorschlag des Generalanwalts für die Beantwortung der ersten Frage des vorlegenden schwedischen Gerichts (die zweite Frage wäre demnach gegenstandslos) lautet:
"Die [RL 2006/24/EG] gilt nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten für andere als die in Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Zwecke. Demzufolge steht diese Richtlinie der Anwendung einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der in einem zivilrechtlichen Verfahren einem Internetdienstleister zu dem Zweck, einen bestimmten Teilnehmer identifizieren zu können, aufgegeben wird, einem Urheberrechtsinhaber oder dessen Vertreter Auskunft über den Teilnehmer zu geben, dem der Internetdienstleister eine bestimmte IP‑Adresse zugeteilt hat, von der aus die Verletzung begangen worden sein soll. Diese Angaben müssen jedoch gemäß detaillierten nationalen Rechtsvorschriften, die unter Beachtung der für den Schutz personenbezogener Daten geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen erlassen worden sind, im Hinblick auf ihre Weitergabe und Verwendung zu diesem Zweck auf Vorrat gespeichert worden sein."
Tuesday, November 15, 2011
EGMR: Nachlässige Reporterin darf Rechtsanwalt nicht (fälschlich) Nachlässigkeit vorwerfen
Berichterstattung über Strafprozesse ist eine heikle Gratwanderung zwischen dem Eingriff in Persönlichkeitsrechte (der Angeklagten, der Opfer von Straftaten, anderer Beteiligter) und dem Recht der Öffentlichkeit, über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse informiert zu werden. Besonders heikel kann es werden, wenn in der Berichterstattung das Verhalten der Anwälte thematisiert - und kritisiert - wird.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte zuletzt im Juni dieses Jahres im Fall Aquilina ua gegen Malta (Appl. no. 28040/08; siehe dazu im Blog hier) zugunsten einer Gerichtsreporterin erkannt, die bei einer turbulenten Verhandlung den Eindruck gewonnen hatte, dass der nicht erschienene Anwalt der Missachtung des Gerichts für schuldig befunden wurde (obwohl das Gericht tatsächlich nur festgehalten hat, dass das anwaltliche Verhalten an Missachtung des Gerichts grenze).
Auch im Fall Semik-Orzech gegen Polen (Appl. no. 39900/06) ging es um einen Zeitungsbericht über einen nicht zu einer Verhandlung erschienenen Anwalt. In seinem heutigen Urteil in dieser Rechtssache stellte der EGMR allerdings (einstimmig) fest, dass durch die Verurteilung einer polnischen Journalistin wegen des in ihrem Prozessbericht enthaltenen Vorwurfs, der Anwalt sei nachlässig gewesen, keine Verletzung des Art 10 EMRK erfolgte.
Zum Verfahren vor den nationalen Gerichten
Ausgangspunkt war ein Strafprozess über einen großangelegten Betrugsfall, der auch auf heftiges Medieninteresse stieß. Angeklagt waren mehrere Personen, zwei von ihnen wurden (exklusiv) vom Anwalt J.Z. vertreten, ein dritter Angeklagter zunächst gemeinsam von J.Z. und einer anderen Anwältin (D.K.). J.Z. erteilte dieser Anwältin auch Untervollmacht. In der ersten Verhandlung wurde heftig darüber debattiert, ob es Interessenkonflikte im Hinblick auf die Verteidigung der beiden von J.Z. exklusiv vertretenen Angeklagten einerseits und des dritten Angeklagten andererseits gäbe; J.Z. legte daraufhin die Verteidigung des dritten Angeklagten nieder.
An der nächsten Verhandlung konnte J.Z. nicht teilnehmen und informierte seine Klienten über die an D.K. erteilte Substitutionsvollmacht. In dieser Verhandlung sprach das Gericht jedoch aus, dass die Vertretung aller drei Angeklagten durch D.K. wegen eines Interessenkonflikts nicht zulässig sei. Die Verhandlung musste daher vertagt werden. Die Beschwerdeführerin vor dem EGMR veröffentlichte daraufhin in der Zeitung Dziennik Zachodni einen Artikel unter der (vom EGMR so ins Englische übersetzten) Überschrift "A Lawyer's Nonchalance?" ("Nachlässigkeit eines Anwalts?"). Darin behauptete sie, der Anwalt J.Z. sei zur Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen und habe lediglich eine andere Anwältin gebeten, ihn zu vertreten. Das Gericht habe wegen des Interessenkonflikts, der dem Anwalt J.Z. bewusst gewesen sei, vertagen müssen. Es sei schwer, die Abwesenheit des Anwalts nicht als Missachtung des Gerichts zu sehen, schließlich hätte er wissen müssen, wie er eine Abwesenheit hätte rechtfertigen müssen.
Der Anwalt verlangte eine Richtigstellung, die von der Zeitung allerdings nicht vorgenommen wurde. Ein paar Tage später wurde das Schreiben des Anwalts als Leserbrief veröffentlicht, mit einem ablehnenden Kommentar der Journalistin, die darin die Vorwürfe im Wesentlichen wiederholte. Der Anwalt klagte wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und erhielt das Recht auf Entschuldigung und Richtigstellung in der Zeitung zugesprochen; die Journalistin und der Chefredakteur mussten 30.000 Zloty (ca. 6.800 Euro) zugunsten wohltätiger Zwecke zahlen.
Das Gericht stellte im Wesentlichen fest, dass das mögliche Vorliegen eines Interesenkonflikts zwar bei der ersten Verhandlung erörtert worden war, dass aber nach dem Protokoll dieser Verhandlung vom Gericht festgehalten worden war, dass zu diesem Zeitpunkt keine Grundlage für die Annahme eines Interessenkonflikts bestanden habe. Erst bei der zweiten Verhandlung sei vom Gericht ausgesprochen worden, dass ein Interessenkonflikt vorliege. Auch habe der Anwalt bereits bei der ersten Verhandlung gewusst, dass er an der zweiten Verhandlung nicht werde teilnehmen können und habe deshalb die Untervollmacht erteilt, die von der anderen Anwältin auch angenommen worden sei. Der Anwalt habe keinen Grund für die Annahme gehabt, dass sein Fernbleiben bei der zweiten Verhandlung den Verfahrensablauf stören könnte. Der Vorwurf, der Anwalt habe sich unprofessionell verhalten, sei daher nicht zutreffend gewesen, er sei weder unentschuldigt der Verhandlung ferngeblieben, noch habe er seine Klienten erst kurzfristig informiert. Die Reporterin hatte den Anwalt vor der Berichterstattung auch nicht kontaktiert.
Das Urteil des EGMR
Der EGMR rekapituliert wie üblich die grundlegenden Rechtsprechungslinien, und hier würde ich zunächst einmal den Absatz 45 des Urteils insbesondere jenen ans Herz legen, die sich aus Anlass aktueller Entscheidungen Wiener Gerichte ("journalistischer Bettnässer", "durch Inserate beeinflusste Berichterstattung"; die Links gegen jeweils zu Standard-Berichten, die - erstinstanzlichen - Urteile sind nicht veröffentlicht) über Begriffe wie "Tatsachensubstrat" und "Wertungsexzess" lustig gemacht haben. Der EGMR hatte - da sowohl das Vorliegen eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit, als auch die gesetzliche Grundlage und das legitime Ziel unstrittig waren - nur mit der Frage zu befassen, ob die konkrete Einschränkung auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.
Der EGMR betonte, wie schon im Fall Aquilina, dass das Verhalten des Anwalts in der öffentlichen Verhandlung eine Angelegenheit öffentlichen Interesses ist. Der als Tatsache berichtete Vorwurf der Nachlässigkeit war faktisch unrichtig. Weiter war festzustellen, dass die Beschwerdeführerin selbst nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorgegangen war: sie hatte - obwohl es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf handelte - nicht einmal versucht, den Anwalt zu erreichen und auch nicht, was ihr möglich gewesen wäre, die Gerichtsprotokolle konsultiert."The applicant, in her desire to get the news out quickly, failed to consult trustworthy sources". Und schließlich hatte die Zeitung die Veröffentlichung einer Richtigstellung abgelehnt.
Ausdrücklich befasst sich der EGMR mit der Argumentation des zweitinstanzlichen polnischen Gerichts, wonach Journalisten bei der Gerichtsberichterstattung nur die Fakten berichten und nicht eigene Meinungen präsentieren sollten. Dies wird, wenig überraschend, deutlich abgelehnt:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte zuletzt im Juni dieses Jahres im Fall Aquilina ua gegen Malta (Appl. no. 28040/08; siehe dazu im Blog hier) zugunsten einer Gerichtsreporterin erkannt, die bei einer turbulenten Verhandlung den Eindruck gewonnen hatte, dass der nicht erschienene Anwalt der Missachtung des Gerichts für schuldig befunden wurde (obwohl das Gericht tatsächlich nur festgehalten hat, dass das anwaltliche Verhalten an Missachtung des Gerichts grenze).
Auch im Fall Semik-Orzech gegen Polen (Appl. no. 39900/06) ging es um einen Zeitungsbericht über einen nicht zu einer Verhandlung erschienenen Anwalt. In seinem heutigen Urteil in dieser Rechtssache stellte der EGMR allerdings (einstimmig) fest, dass durch die Verurteilung einer polnischen Journalistin wegen des in ihrem Prozessbericht enthaltenen Vorwurfs, der Anwalt sei nachlässig gewesen, keine Verletzung des Art 10 EMRK erfolgte.
Zum Verfahren vor den nationalen Gerichten
Ausgangspunkt war ein Strafprozess über einen großangelegten Betrugsfall, der auch auf heftiges Medieninteresse stieß. Angeklagt waren mehrere Personen, zwei von ihnen wurden (exklusiv) vom Anwalt J.Z. vertreten, ein dritter Angeklagter zunächst gemeinsam von J.Z. und einer anderen Anwältin (D.K.). J.Z. erteilte dieser Anwältin auch Untervollmacht. In der ersten Verhandlung wurde heftig darüber debattiert, ob es Interessenkonflikte im Hinblick auf die Verteidigung der beiden von J.Z. exklusiv vertretenen Angeklagten einerseits und des dritten Angeklagten andererseits gäbe; J.Z. legte daraufhin die Verteidigung des dritten Angeklagten nieder.
An der nächsten Verhandlung konnte J.Z. nicht teilnehmen und informierte seine Klienten über die an D.K. erteilte Substitutionsvollmacht. In dieser Verhandlung sprach das Gericht jedoch aus, dass die Vertretung aller drei Angeklagten durch D.K. wegen eines Interessenkonflikts nicht zulässig sei. Die Verhandlung musste daher vertagt werden. Die Beschwerdeführerin vor dem EGMR veröffentlichte daraufhin in der Zeitung Dziennik Zachodni einen Artikel unter der (vom EGMR so ins Englische übersetzten) Überschrift "A Lawyer's Nonchalance?" ("Nachlässigkeit eines Anwalts?"). Darin behauptete sie, der Anwalt J.Z. sei zur Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen und habe lediglich eine andere Anwältin gebeten, ihn zu vertreten. Das Gericht habe wegen des Interessenkonflikts, der dem Anwalt J.Z. bewusst gewesen sei, vertagen müssen. Es sei schwer, die Abwesenheit des Anwalts nicht als Missachtung des Gerichts zu sehen, schließlich hätte er wissen müssen, wie er eine Abwesenheit hätte rechtfertigen müssen.
Der Anwalt verlangte eine Richtigstellung, die von der Zeitung allerdings nicht vorgenommen wurde. Ein paar Tage später wurde das Schreiben des Anwalts als Leserbrief veröffentlicht, mit einem ablehnenden Kommentar der Journalistin, die darin die Vorwürfe im Wesentlichen wiederholte. Der Anwalt klagte wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und erhielt das Recht auf Entschuldigung und Richtigstellung in der Zeitung zugesprochen; die Journalistin und der Chefredakteur mussten 30.000 Zloty (ca. 6.800 Euro) zugunsten wohltätiger Zwecke zahlen.
Das Gericht stellte im Wesentlichen fest, dass das mögliche Vorliegen eines Interesenkonflikts zwar bei der ersten Verhandlung erörtert worden war, dass aber nach dem Protokoll dieser Verhandlung vom Gericht festgehalten worden war, dass zu diesem Zeitpunkt keine Grundlage für die Annahme eines Interessenkonflikts bestanden habe. Erst bei der zweiten Verhandlung sei vom Gericht ausgesprochen worden, dass ein Interessenkonflikt vorliege. Auch habe der Anwalt bereits bei der ersten Verhandlung gewusst, dass er an der zweiten Verhandlung nicht werde teilnehmen können und habe deshalb die Untervollmacht erteilt, die von der anderen Anwältin auch angenommen worden sei. Der Anwalt habe keinen Grund für die Annahme gehabt, dass sein Fernbleiben bei der zweiten Verhandlung den Verfahrensablauf stören könnte. Der Vorwurf, der Anwalt habe sich unprofessionell verhalten, sei daher nicht zutreffend gewesen, er sei weder unentschuldigt der Verhandlung ferngeblieben, noch habe er seine Klienten erst kurzfristig informiert. Die Reporterin hatte den Anwalt vor der Berichterstattung auch nicht kontaktiert.
Das Urteil des EGMR
Der EGMR rekapituliert wie üblich die grundlegenden Rechtsprechungslinien, und hier würde ich zunächst einmal den Absatz 45 des Urteils insbesondere jenen ans Herz legen, die sich aus Anlass aktueller Entscheidungen Wiener Gerichte ("journalistischer Bettnässer", "durch Inserate beeinflusste Berichterstattung"; die Links gegen jeweils zu Standard-Berichten, die - erstinstanzlichen - Urteile sind nicht veröffentlicht) über Begriffe wie "Tatsachensubstrat" und "Wertungsexzess" lustig gemacht haben. Der EGMR hatte - da sowohl das Vorliegen eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit, als auch die gesetzliche Grundlage und das legitime Ziel unstrittig waren - nur mit der Frage zu befassen, ob die konkrete Einschränkung auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.
Der EGMR betonte, wie schon im Fall Aquilina, dass das Verhalten des Anwalts in der öffentlichen Verhandlung eine Angelegenheit öffentlichen Interesses ist. Der als Tatsache berichtete Vorwurf der Nachlässigkeit war faktisch unrichtig. Weiter war festzustellen, dass die Beschwerdeführerin selbst nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorgegangen war: sie hatte - obwohl es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf handelte - nicht einmal versucht, den Anwalt zu erreichen und auch nicht, was ihr möglich gewesen wäre, die Gerichtsprotokolle konsultiert."The applicant, in her desire to get the news out quickly, failed to consult trustworthy sources". Und schließlich hatte die Zeitung die Veröffentlichung einer Richtigstellung abgelehnt.
Ausdrücklich befasst sich der EGMR mit der Argumentation des zweitinstanzlichen polnischen Gerichts, wonach Journalisten bei der Gerichtsberichterstattung nur die Fakten berichten und nicht eigene Meinungen präsentieren sollten. Dies wird, wenig überraschend, deutlich abgelehnt:
62. The Court notes that the appellate court suggested that journalists in judicial reporting were obliged to limit their reports to statements of fact and abstain from presenting their own opinions [...]. There is no authority in the Court’s case-law for such a statement and such an approach does not appear to be compatible with the role of the press in ensuring the public character of judicial proceedings and their transparency and fairness. While the Court has stressed the importance of journalistic objectivity and balance in the context of judicial reporting [..], it is of the view that it is of primary importance for the proper functioning of judicial systems that journalists are free not only to inform the general public about the factual aspects of cases examined by the courts, but also to formulate and disseminate their views and opinions on important issues involved in or connected with the subject-matter of cases under judicial consideration. In the same vein, it is important that the courts have an opportunity to obtain feedback on how their acts and judicial decisions are understood and regarded by the public. Such knowledge contributes to the quality of judicial decision-making and to a better understanding by society at large of the complexity of the issues involved in the administration of justice." (Hervorhebung hinzugefügt)Dennoch konnte in der Verurteilung der polnischen Journalistin keine Verletzung des Art 10 EMRK gesehen werden, denn vor allem das erstinstanzliche Gericht hatte erkannt, dass ein Konflikt zwischen dem Recht der Beschwerdeführerin auf freie Meinungsäußerung und dem Schutz des guten Rufs und der Rechte des Anwalts vorlag und eine sorgfältige Abwägung der beteiligten Interessen vorgenommen. Ausschlaggebend war schließlich vor allem, dass die Journalistin im hier vorliegenden Fall, anders als die Journalistin im Fall Aquilina, nicht sorgfältig gewesen war, und dass auch keine Richtigstellung oder eine Entschuldigung gedruckt worden war:
"In particular, the first-instance court adopted the test of adequate diligence in assessing whether the journalist had discharged her obligations. The approach taken by the courts is therefore compatible with freedom of expression guaranteed by Article 10 of the Convention [..]. The Court notes that the present case is to be distinguished from the case of Aquilina and Others v. Malta, [...] , where all the evidence heard by the domestic courts in the defamation proceedings against the applicants clearly indicated that the magistrate [...] had made a finding of contempt of court in respect of the lawyer appearing for the accused. In that case, however, the domestic courts (in the defamation proceedings) paid little or no attention to this evidence, preferring to rely on the brief and apparently incomplete record of the proceedings before the Court of Magistrates [...]. Moreover in that case the court reporter had shown due diligence in attempting to verify the facts, and the newspaper had published an apology two days later [...]."
Friday, November 11, 2011
Biomasse und Breitband: der Telekom-Bauer bringt die Welt ins Dorf
Was man dem als Bauernbund-Obmann kürzlich zurückgetretenen Nationalratsabgeordneten Fritz Grillitsch sicher nicht vorwerfen kann, ist mangelndes Engagement für den Breitbandausbau im ländlichen Raum. Hier einmal ein paar Zitate aus seinen Parlamentsreden (Hervorhebungen hinzugefügt):
Das "Forum Land" ist laut laut seiner Website ein Verein, der "dem ländlichen Raum eine Stimme" verleihen soll. Sitz des Vereines ist an der Anschrift des Bauernbunds, er ist auch unter der selben Telefonnummer erreichbar, (Ex-)Bauernbund-Obmann Grillitsch war Präsident und Bauernbund-Direktor Abentung war Geschäftsführer (die Funktionsperiode endete laut Zentralem Vereinsregister am 24. März 2011, offenbar hat der Verein übersehen, die aktuellen Vorstandsmitglieder der Vereinsbehörde ordnungsgemäß anzuzeigen).
Die Domain des Vereins "Forum Land" gehört übrigens der vereinseigenen Forum Land GmbH, die sonst eher wenig in Erscheinung tritt (aber etwa das Erntedankfest des Bauernbunds veranstaltet haben dürfte). Wenn, wie jetzt vom neuen Bauernbund-Obmann angekündigt, "alle relevanten Unterlagen von Forum Land Österreich selbstverständlich gegenüber dem Untersuchungsausschuss" offen gelegt werden sollen, müsste man wohl darauf achten, dass es nicht nur den Verein "Forum Land" gibt (ein Verein "Forum Land Österreich" existiert nicht), sondern eben auch die GmbH, die vielleicht eher für Gegenleistungen in Betracht käme. (Allerdings übt der neue Bauernbund-Obmann derzeit weder eine Organfunktion im Verein "Forum Land" noch in der Forum Land GmbH aus, aber das wird schon noch werden).
Wie genau (oder ob) zwischen "Forum Land" und Bauernbund unterschieden wurde, lässt sich freilich nicht immer eindeutig nachvollziehen. So wurde Grillitsch etwa in einer Aussendung des Agrarischen Informationszentrums (auch das ist übrigens ein eigener Verein, der seinen Sitz allerdings in der Zentrale der Landwirtschaftskammern hat, Obmann-Stv. ist ein gewisser Fritz Grillitsch) am 29.1.2007 so zitiert: "Es war nicht zuletzt der Österreichische Bauernbund, der sich in den letzten beiden Jahren über die Initiative 'Forum Land' und mit Unterstützung durch die Telekom massiv dafür eingesetzt hat, dass auch immer mehr entlegene Regionen mit Breitband-Zugang versorgt wurden."
Der Bauernbund wurde also, nach den eigenen Worten seines Obmanns, über die Initiative Forum Land durch die Telekom unterstützt. Und das Forum Land hat wohl tatsächlich auch Gegenleistungen für die Unterstützung geboten. Etwa bei der Positionierung von Ex-Telekom Austria-Vorstandsdirektor Rudolf Fischer (wir erinnern uns: laut Hochegger-Konzept sollten "diverse Breitbandinitiativen [...] untrennbar und aktiv mit dem Innovator Rudolf Fischer öffentlich" positioniert werden). Zumindest auf der Website des Forums Land und im "Murtal extra" gab es da einiges zu lesen: "Das FORUM LAND setzt Zukunfts-Initiativen. Gemeinsam mit der Telekom Austria wird der Breitband-Internetausbau in der Obersteiermark beschleunigt", heißt es zB hier (Seite 33; mit Fotos von Grillitsch und Fischer, umrahmt von Telekom Austria Fähnchen).
Für Grillitschs Heimatregion scheint sich der Einsatz gelohnt haben; in der "Steirischen Wirtschaft" vom 7.1.2005 (Seite 5) etwa wurde groß von der Breitbandinitiative im Oberen Murtal berichtet, denn immerhin gab es "anlässlich des Breitband-Internetausbaus in Möderbrugg und St. Lorenzen bei Knittelfeld (bereits angeschlossen) sowie Stadl a.d. Mur, Frojach-Katsch a.d. Mur und Oberwölz" eine "hochrangig besetzte Pressekonferenz" (mit - erraten - unter anderem Grillitsch und Fischer): "Aufgrund einer Initiative von FORUM LAND (Obmann NRAbg Fritz Grillitsch, Präsident des Österr. Bauernbundes) und Telekom Austria (Vorstandsdirektor Rudolf Fischer) wurden diese Gemeinden für den ADSL-Ausbau vorgezogen."
Zwischendurch forderte Grillitsch unter anderem bessere Infrastruktur im ländlichen Raum ("Investitionen in die Breitbandtechnologie sind das Fundament für eine moderne Informationsgesellschaft"), betonte die Wichtigkeit neuer Kommunikationstechnologien ("Breitband ist eine Riesenchance"), organisierte einen "Infrastrukturgipfel" ("Telekom-Vorstand Rudolf Fischer beleuchtete die Entwicklung der Obersteiermark in Sachen Internetversorgung. [...] Nicht zuletzt auf Grund der Initiativen von Forum Land nähert sich die Obersteiermark heute der Vollversorgung."), und noch einen "Infrastrukturgipfel" ("Zu den Grundvoraussetzungen gehören ein Zugang zu Breitbandinternetanschlüssen ..."), organisierte auch eine Veranstaltung zum Thema "Neue Bandbreiten bekommt das Land", verfasste Presseaussendungen ("FORUM LAND und Telekom Austria beschleunigen Breitband-Internetausbau in der Obersteiermark", oder: "Kreativität und moderne Technologien schaffen Zukunftschancen für bäuerliche Unternehmen", jeweils gleich mit Downloadmöglichkeit für die dazugehörende TA-Aussendung), gründete ein "Proponentenkomitee mit zahlreichen prominenten Mitgliedern" für eine Zukunftsregion oberes Murtal", unter anderem mit "Heinz Sundt und Mag. Rudolf Fischer (Generaldirektor und Vorstand Telekom Austria)", und tat vielleicht so manches mehr, was nicht in den Zeitungen stand.
Ob die Leistungen des Forums Land in diesen paar Jahren für die Telekom Austria mehr als eine Million Euro wert waren, das muss dieses Unternehmen für sich beurteilen.* Schade finde ich, dass zumindest der Eindruck entsteht, der politische Einsatz des zurückgetretenen Bauernbund-Obmanns für den Breitbandausbau könnte in einem Zusammenhang gestanden sein mit der beträchtlichen finanziellen Unterstützung eines von ihm geleiteten Vereins durch ein an der Förderung dieses Ausbaus interessiertes Unternehmen.
Wäre es nicht schön, wenn man bei den ohnehin wenigen PolitikerInnen, die sich für Telekom- oder IKT-Themen interessieren, nicht immer überlegen müsste, ob (und welche) Sponsoren die aktuell vertretenen Positionen mitbestimmt haben könnten?
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*) Jedenfalls dürfte die Telekom Austria beim Forum Land einen nachhaltig guten Eindruck hinterlassen haben, denn die Forum Land Zeitung vom November 2010 widmete zB fast eine ganze ihrer insgesamt bloß vier Seitender Werbung für einem sehr freundlichen Bericht über den Breitbandausbau der Telekom Austria (da nichts von Entgeltlichkeit dabei steht, kann das - Einhaltung des Mediengesetzes vorausgesetzt - schließlich keine "Gegenleistung" gewesen sein).
"Gerade für den ländlichen Raum, für den ländlichen Raum als Wirtschaftsstandort, sind [im sogenannten 'Wachstumspaket'] zwei ganz entscheidende Punkte enthalten. Das ist zum einen die Forcierung von Biomasse [...], das ist zum anderen die Breitbandtechnologie. Da bin ich insbesondere unserem Infrastrukturminister Gorbach und dieser Bundesregierung wirklich sehr, sehr dankbar, weil diese Technologie die Möglichkeit bietet, die Welt ins Dorf zu bringen und umgekehrt das Dorf in die Welt zu bringen." (Quelle: stenographisches Protokoll des Nationalrates, 37. Sitzung der 22. Gesetzgebungsperiode, 12.11.2003, Seite 86-87)
"Ich glaube tatsächlich, dass sich die Zahlen dieser Bundesregierung sehen lassen können. [...] Ich verweise in diesem Zusammenhang etwa auf die Breitbandförderung. Für diese sehr positive Maßnahme sollten bis zum Jahr 2007 100 Millionen € vorgesehen werden, damit der ländliche Raum ein attraktiver Wirtschaftsstandort wird, damit die Welt ins Dorf kommt, damit rasch Informationen und Wissen ausgetauscht werden können." (Quelle: stenProtNR, 103. Sitzung, 22. GP, 6.4.2005, S. 124-125)
"Der Herr Bundeskanzler hat es bereits angeschnitten: Breitbandtechnologie, Informationstechnologie. Auch da wurde in den Wachstumspaketen, und zwar mit 60 Millionen €, sichergestellt, dass man auf der einen Seite sozusagen die Welt ins Dorf bekommt und auf der anderen Seite die Produkte, die Landschaft, die Ideen in Sekundenschnelle in die Welt hinausstellen kann." (Quelle stenProtNR, 161. Sitzung, 22. GP, 28.10.2008, 14.7.2006, S. 104)
"Was mich besonders für die Menschen im ländlichen Raum freut, ist die Technologieoffensive, die Breitbandoffensive mit 500 Millionen €, wo der ländliche Raum ein attraktiver Wirtschaftsraum werden kann, wo wir sozusagen die Welt in das Dorf bekommen und wo wir umgekehrt in Sekundenschnelle unsere Leistungen, unsere Ideen, unsere Produkte in die Welt hinausstellen können" (Quelle: stenProtNR 9. Sitzung, 23. GP, 16.-17.1.2007, S. 188)
"Insgesamt für den ländlichen Raum besonders wichtig ist auch der Ansatz der Breitbandtechnologie. Das ist das Schlüsselinstrument dafür, dass dieser unser ländlicher Raum in Zukunft ein attraktiver Wirtschaftsraum ist, in dem wir wieder eine Trendumkehr schaffen können, in dem die Menschen wieder Arbeit vor Ort finden und wieder Einkommen vor Ort verdienen, in dem die Menschen wieder Investitionen tätigen, in dem die Wertschöpfung letztlich in der Region bleibt." (Quelle: stenProtNR 18. Sitzung, 23. GP, 30.3.2007, S. 42)
"Ich bin froh, dass Sie [der damalige Bundesminister Werner Faymann] sich mit Willi Molterer sowohl über die Breitbandinitiative, die gerade für den ländlichen Raum als attraktiven Wirtschaftsstandort wichtig ist, als auch über den [...] Klima- und Energiefonds [...] geeinigt haben." (Quelle: stenProtNR, 21. Sitzung, 23. GP, 25.4.-3-5.2007, S. 345)
"Ich bin auch froh darüber, dass es entsprechende infrastrukturelle Maßnahmen gibt, wenngleich 'nur' – unter Anführungszeichen – mit 10 Millionen € beispielsweise für den Ausbau der Breitbandtechnologie und der Glasfasertechnologie. Aber gerade diese Technologie bringt Arbeitsplätze in periphere Räume, insbesondere auch in den ländlichen Raum." (Quelle: stenProtNR, 3. Sitzung 24. GP, 28.10.2008, S. 66)Da solches Engagement für den Breitbandausbau offenbar gleich verdächtig macht, gab es nach Grillitschs Rücktritt umgehend Gerüchte über mögliche Zahlungen der Telekom Austria an den Bauernbund. Stimmt nicht, sagt der neue Bauernbund-Obmann Jakob Auer laut Kleiner Zeitung: "Gesponsert worden sei lediglich das dem Bauernbund zugeordnete 'Forum Land', da habe es aber immer eine Gegenleistung gegeben." Mittlerweile gibt es auch erste Berichte zur Höhe der Zahlungen: laut profil sollen seit 2005 Beträge von zusammen über einer Million Euro von der Telekom an das Forum Land geflossen sein, die - da freut man sich heute ja schon - immerhin "ordnungsgemäß verbucht" worden seien und für die es jeweils Gegenleistungen gegeben habe.
Das "Forum Land" ist laut laut seiner Website ein Verein, der "dem ländlichen Raum eine Stimme" verleihen soll. Sitz des Vereines ist an der Anschrift des Bauernbunds, er ist auch unter der selben Telefonnummer erreichbar, (Ex-)Bauernbund-Obmann Grillitsch war Präsident und Bauernbund-Direktor Abentung war Geschäftsführer (die Funktionsperiode endete laut Zentralem Vereinsregister am 24. März 2011, offenbar hat der Verein übersehen, die aktuellen Vorstandsmitglieder der Vereinsbehörde ordnungsgemäß anzuzeigen).
Die Domain des Vereins "Forum Land" gehört übrigens der vereinseigenen Forum Land GmbH, die sonst eher wenig in Erscheinung tritt (aber etwa das Erntedankfest des Bauernbunds veranstaltet haben dürfte). Wenn, wie jetzt vom neuen Bauernbund-Obmann angekündigt, "alle relevanten Unterlagen von Forum Land Österreich selbstverständlich gegenüber dem Untersuchungsausschuss" offen gelegt werden sollen, müsste man wohl darauf achten, dass es nicht nur den Verein "Forum Land" gibt (ein Verein "Forum Land Österreich" existiert nicht), sondern eben auch die GmbH, die vielleicht eher für Gegenleistungen in Betracht käme. (Allerdings übt der neue Bauernbund-Obmann derzeit weder eine Organfunktion im Verein "Forum Land" noch in der Forum Land GmbH aus, aber das wird schon noch werden).
Wie genau (oder ob) zwischen "Forum Land" und Bauernbund unterschieden wurde, lässt sich freilich nicht immer eindeutig nachvollziehen. So wurde Grillitsch etwa in einer Aussendung des Agrarischen Informationszentrums (auch das ist übrigens ein eigener Verein, der seinen Sitz allerdings in der Zentrale der Landwirtschaftskammern hat, Obmann-Stv. ist ein gewisser Fritz Grillitsch) am 29.1.2007 so zitiert: "Es war nicht zuletzt der Österreichische Bauernbund, der sich in den letzten beiden Jahren über die Initiative 'Forum Land' und mit Unterstützung durch die Telekom massiv dafür eingesetzt hat, dass auch immer mehr entlegene Regionen mit Breitband-Zugang versorgt wurden."
Für Grillitschs Heimatregion scheint sich der Einsatz gelohnt haben; in der "Steirischen Wirtschaft" vom 7.1.2005 (Seite 5) etwa wurde groß von der Breitbandinitiative im Oberen Murtal berichtet, denn immerhin gab es "anlässlich des Breitband-Internetausbaus in Möderbrugg und St. Lorenzen bei Knittelfeld (bereits angeschlossen) sowie Stadl a.d. Mur, Frojach-Katsch a.d. Mur und Oberwölz" eine "hochrangig besetzte Pressekonferenz" (mit - erraten - unter anderem Grillitsch und Fischer): "Aufgrund einer Initiative von FORUM LAND (Obmann NRAbg Fritz Grillitsch, Präsident des Österr. Bauernbundes) und Telekom Austria (Vorstandsdirektor Rudolf Fischer) wurden diese Gemeinden für den ADSL-Ausbau vorgezogen."
Zwischendurch forderte Grillitsch unter anderem bessere Infrastruktur im ländlichen Raum ("Investitionen in die Breitbandtechnologie sind das Fundament für eine moderne Informationsgesellschaft"), betonte die Wichtigkeit neuer Kommunikationstechnologien ("Breitband ist eine Riesenchance"), organisierte einen "Infrastrukturgipfel" ("Telekom-Vorstand Rudolf Fischer beleuchtete die Entwicklung der Obersteiermark in Sachen Internetversorgung. [...] Nicht zuletzt auf Grund der Initiativen von Forum Land nähert sich die Obersteiermark heute der Vollversorgung."), und noch einen "Infrastrukturgipfel" ("Zu den Grundvoraussetzungen gehören ein Zugang zu Breitbandinternetanschlüssen ..."), organisierte auch eine Veranstaltung zum Thema "Neue Bandbreiten bekommt das Land", verfasste Presseaussendungen ("FORUM LAND und Telekom Austria beschleunigen Breitband-Internetausbau in der Obersteiermark", oder: "Kreativität und moderne Technologien schaffen Zukunftschancen für bäuerliche Unternehmen", jeweils gleich mit Downloadmöglichkeit für die dazugehörende TA-Aussendung), gründete ein "Proponentenkomitee mit zahlreichen prominenten Mitgliedern" für eine Zukunftsregion oberes Murtal", unter anderem mit "Heinz Sundt und Mag. Rudolf Fischer (Generaldirektor und Vorstand Telekom Austria)", und tat vielleicht so manches mehr, was nicht in den Zeitungen stand.
Ob die Leistungen des Forums Land in diesen paar Jahren für die Telekom Austria mehr als eine Million Euro wert waren, das muss dieses Unternehmen für sich beurteilen.* Schade finde ich, dass zumindest der Eindruck entsteht, der politische Einsatz des zurückgetretenen Bauernbund-Obmanns für den Breitbandausbau könnte in einem Zusammenhang gestanden sein mit der beträchtlichen finanziellen Unterstützung eines von ihm geleiteten Vereins durch ein an der Förderung dieses Ausbaus interessiertes Unternehmen.
Wäre es nicht schön, wenn man bei den ohnehin wenigen PolitikerInnen, die sich für Telekom- oder IKT-Themen interessieren, nicht immer überlegen müsste, ob (und welche) Sponsoren die aktuell vertretenen Positionen mitbestimmt haben könnten?
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*) Jedenfalls dürfte die Telekom Austria beim Forum Land einen nachhaltig guten Eindruck hinterlassen haben, denn die Forum Land Zeitung vom November 2010 widmete zB fast eine ganze ihrer insgesamt bloß vier Seiten