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Tuesday, May 25, 2010

"Stereotyp begründete Entscheidungen" als Verletzung des Art 10 EMRK - Update zur EGMR-Rechtsprechung

"Stereotyp begründete" Entscheidungen zur Beschlagnahme einer Tageszeitung, 30 Tage hindurch in täglichen Beschlüssen wiederholt, ohne auf Vorbringen des betroffenen Zeitungsherausgebers einzugehen: das stellt selbst dann eine Verletzung des Art 10 EMRK dar, wenn diese Beschlüsse einer nationalen gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten haben (und schon etwa drei Monate nach ihrer Erlassung aufgehoben wurden). Das ist das Ergebnis des EGMR-Urteils vom 20. Mai 2010 im Fall  Saygili und Bilgic gegen Türkei (Application no. 33667/05).

Ein anderes Beispiel für gravierende Mängel in einem nationalen medienrechtlichen Verfahren ist der Fall Myrskyy gegen Ukraine (Application no. 7877/03) - hier hat sich das nationale Gericht bei der Beurteilung der Äußerung eines Wissenschaftlers über eine politische Partei allein auf Parteiprogramm und -statut gestützt, ohne die vom Beklagten vorgebrachten Beweismittel für die tatsächliche Tätigkeit der Partei zu würdigen.Unter anderem deshalb stellte der EGMR in seinem Urteil vom 20.05.2010 eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.

Und schließlich kam es zur Feststellung einer Verletzung des Art 10 EMRK im Fall Cox gegen Türkei (Application no. 2933/03): über eine US-Staatsbürgerin, die in den 1980er Jahren als Lektorin an türkischen Universitäten gearbeitet hatte, wurde - nach mehrfacher Ausweisung - ein Wiedereinreiseverbot in die Türkei verhängt. Der EGMR kam in seinem Urteil vom 20.05.2010 zum Ergebnis, dass das Einreiseverbot wegen kontroversieller Äußerungen verhängt worden war, sodass darin eine Verletzung des Art 10 EMRK liegt. Alle drei Urteile ergingen einstimmig (zur Übersicht über die Art 10 EMRK-Fälle siehe hier)

Noch kein Urteil gibt es im Fall Bronner Online AG gegen Österreich (Application no. 22820/06), allerdings wurde dieser Fall nun der österreichischen Regierung kommuniziert, wodurch klar ist, dass der EGMR in die Sache einsteigt. Inhaltlich geht es um einen Artikel vom 15.09.2004 im Online-Standard zum "Krone-Konflikt" zwischen WAZ und der Familie Dichand. Hans Dichand und seine beiden Söhne klagten den in diesem Artikel zitierten Friedrich "Bibi" Dragon, die Bronner Online AG ist durch die solidarische Haftung für die über Friedrich Dragon verhängte Geldstrafe betroffen und wandte sich an den EGMR. Man kann gespannt sein, ob das Verfahren vor dem EGMR oder der "Krone-Konflikt" früher zu Ende sein wird. Auch für das Verfahren vor dem EGMR gilt, was Christian Konrad dem Standard jüngst zum möglichen Ausstieg der WAZ-Gruppe aus "Kurier" und "Krone" mitgeteilt hat: "In dieser Causa ist Gelassenheit nie schlecht gewesen."

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