Vor einem Jahr fand die "Start-Pressekonferenz" des "Österreichischen Medienrats" statt, der sich laut erster Presseaussendung als "unabhängiges Organ der nichtstaatlichen, freiwilligen Selbstkontrolle des österreichischen Journalismus" verstehen wollte. "Eine Homepage www.medienrat.at ist im Aufbau", hieß es damals (Presseaussendung vom 27.05.2009). Der Medienrat wollte "behauptete oder vermutete Missstände im Bereich journalistischer Tätigkeit" untersuchen und sollte von jedermann angerufen werden können; "Kontrahenten im jeweiligen Streitfall" würden, so hieß es, zu einer Verhandlung geladen und im Anschluss werde "eine Meinung zum jeweiligen Fall publiziert" (siehe dazu auch die bisherigen Beiträge dazu in diesem Blog).
Ein Jahr danach ist die Website wohl immer noch im Aufbau, wenngleich Veränderungen bisher nicht zu bemerken waren (noch immer gibt es dort bloß ein Bild der Mitglieder mit deren Namen und der Adresse des Rats sowie das Video der Start-Pressekonferenz). Publizierte "Meinungen" gibt es noch immer nicht. Offenbar hat sich einfach niemand mit einem ernsthaften Anliegen an den Medienrat gewandt: in einem Interview von Anfang März dieses Jahres sagte der Vorsitzende des Österreichischen Journalisten-Clubs (ÖJC), bei dem der Medienrat angesiedelt ist, dass es "sieben Anfragen an den Medienrat" gegeben habe, "von denen allerdings keine zur Verhandlung gebracht" worden sei. Verständlich, wenn alle Anfragen von ähnlicher Qualität waren wie jener Fall, den der ÖJC selbst in einer Presseaussendung öffentlich bekannt gemacht hat: dass nämlich eine verkehrspolizeiliche Strafverfügung (!) Gegenstand der journalistischen Selbstkontrolle sein könnte, muss auch erst einmal jemand einfallen (ebenso wie übrigens die in der selben Presseaussendung vom ÖJC angekündigte Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen eben dieser Strafverfügung - bevor also überhaupt das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde). Informationen über den Inhalt der weiteren "Anfragen" wurden bisher nicht veröffentlicht.
Ebenfalls in einem Interview Anfang März 2010 sagte das Medienrats-Mitglied Albert Malli, dass sich der Medienrat "gerade erst gegründet" habe, und dass er sich "natürlich nicht" wünsche, "dass der Medienrat 2010 öfter in Erscheinung tritt. Das hieße nämlich, ich wünschte mir heftige Verstöße in den Medien und die wünsche ich mir keinesfalls. Somit könnte man auch sagen, es ist gut, wenn er nicht zusammentreten muss." Wie der gelernte Österreicher sagt: "guat is gangen, nix is g'schehn".
Damit aber wenigstens irgendetwas geschieht, gibt es eine Podiumsdiskussion, zu der der ÖJC für 7. Juni 2010 einlädt: "Ein Jahr Medienrat - Pressefreiheit braucht keine Fesseln" lautet der Titel. Es geht dabei nicht um die vom Medienrat angekündigte journalistische Selbstkontrolle, sondern um "eine große Gefahr für die Pressefreiheit" (gemeint ist natürlich nicht eine allfällige Tätigkeit des Medienrats, sondern eine etwas kryptisch umschriebene "derzeitige Entwicklung"; unter anderem werden die "Herausgabe von Recherchematerial" und die "Beschlagnahmung von Druckwerken" angesprochen, also wohl die Fälle "Schauplatz" und "News/Hypo Alpe-Adria").
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