Pages

Wednesday, February 25, 2009

Bell v. Linkline: "Two wrong claims do not make one that is right"

Der US Supreme Court hat heute in der Sache Bell v. Linkline entschieden (Urteil); zur Vorgeschichte und zum wesentlichen Sachverhalt siehe schon hier und hier. Das Ergebnis, auf das Wesentlichste zusammengefasst: auf der Basis des Sherman Act kann gegen ein Unternehmen, das nach dieser Rechtsvorschrift (also nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht) keine Verpflichtung zum Vertragsschluss ("duty to deal") hat, nicht wegen "price squeeze" vorgegangen werden.

Im konkreten Fall unterlag AT&T*) einer regulatorischen Verpflichtung, DSL-Wholesale-Zugang zu gewähren, sodass nach US-Recht keine vergleichbare Verpflichtung nach dem Sherman Act bestand (zur anderen Rechtslage im Gemeinschaftsrecht siehe meinen früheres Beitrag auf content and carrier). Aus europäischer Sicht ist die Entscheidung daher nicht von besonderem Interesse (die bei der mündlichen Verhandlung noch angesprochenen Bezüge zum europäischen Recht spielen im Urteil auch keine Rolle mehr). Die Ablehnung der Position von Linkline fiel ziemlich eindeutig aus, ohne dissenting opinion, und mit einigen recht klaren Worten:
"Plaintiffs’ price-squeeze claim, looking to the relation between retail and wholesale prices, is thus nothing more than an amalgamation of a meritless claim at the retail level and a meritless claim at the wholesale level. If there is no duty to deal at the wholesale level and no predatory pricing at the retail level, then a firm is certainly not required to price both of these services in a manner that preserves its rivals’ profit margins. [...]
In this case, plaintiffs have not stated a duty-to-deal claim under Trinko and have not stated a predatory pricing claim under Brooke Group. They have nonetheless tried to join a wholesale claim that cannot succeed with a retail claim that cannot succeed, and alchemize them into a new form of antitrust liability never before recognized by this Court. We decline the invitation to recognize such claims. Two wrong claims do not make one that is right."
*) Die Rechtssache selbst wurde unter dem Namen "Bell" geführt; ganz genau wollte es der Supreme Court mit den Firmennamen aus nachvollziehbaren Gründen nicht nehmen - in einer Fußnote zum Urteil heißt es: "Petitioners consist of several corporate entities and subsidiaries, and their names and corporate structures have changed frequently over the course of this litigation. For simplicity, we will refer to all the petitioners as 'AT&T.'"
PS (update): Rob Frieden zu dieser Entscheidung; und ein Bericht auf SCOTUS-Blog.

Lesestoff

Wieder einmal ein kurzer Hinweis auf interessanten Lesestoff:

Monday, February 23, 2009

PrTV-G, PrR-G und MedienG-Novellen

Der erste Schritt zur Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) ist nun getan: die Novelle zum Privatfernsehgesetz, die in Anpassung an die RL kleinere Erleichterungen für Unterbrecherwerbung, Patronanzsendungen und Teleshoppingangebote von privaten Fernsehveranstaltern bringt, ist - gemeinsam mit einer geringfügigen Anpassung des Privatradiogesetzes - am 23. Februar 2009 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2009/7) veröffentlicht worden und tritt mit 1. März 2009 in Kraft (siehe dazu die RV, die Erläuterungen und den Ausschussbericht mit dem - nur hinsichtlich des Inkrafttretenstermins - geänderten Gesetzesvorschlag). Anlässlich der Debatte im Nationalrat hat dieser auch einstimmig folgende Entschließung gefasst, die ich lieber unkommentiert lasse:
"Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, mit den Betreibern von Privatfernseh- und Privatradioanstalten in Gespräche einzutreten, um einen freiwilligen Verzicht auf Unterbrecherwerbung bei Kindersendungen und Kinderfilmen unabhängig von der Dauer zu erreichen."
Die Umsetzung der weiteren Neuerungen der AVMD-RL wird, wie die Erläuterungen zur PrTV-G-Novelle betonen, "einen intensiven Diskussionsprozess mit allen Beteiligten erfordern" (der vom Bundeskanzleramt längst begonnen wurde); das Regierungsprogramm (siehe dazu hier bzw hier) sieht die Umsetzung der RL im Jahr 2009 vor (bis 19. Dezember 2009 lässt die RL Zeit), enthält sich aber inhaltlicher Vorgaben.

Ebenfalls am 23. Februar 2009 wurde die Novelle zum Mediengesetz, mit der die Sammlung und Ablieferung periodischer elektronischer Medien geregelt wird, im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl I 2009/8; dazu schon hier; siehe weiters die RV, die Erläuterungen und den Ausschussbericht). Auch diese Novelle tritt am 1. März 2009 in Kraft.

Was man unter "deutlich besser als erwartet" verstehen kann

"Der Bilanzgewinn wird am Jahresende 2008 15,6 Millionen Euro betragen." So steht es in einer Presseaussendung des ORF nach der Stiftungsratssitzung vom 2. Februar 2008; damals ging man von einem negativen EGT für 2008 von 27,9 Mio. Euro aus.
"Der Küniglberg erwartet für 2008 zehn Millionen Verlust"
, wurde nach der Stiftungsratssitzung vom 11. Juni 2008 berichtet (unklar ist, ob damit das Bilanzergebnis oder EGT gemeint war).

Und nun die große Überraschung: das vorläufige Jahresergebnis 2008 ist "deutlich besser als erwartet", "deutlich besser als prognostiziert", "deutlich über den Prognosen" und "sowohl bei Personal- wie auch bei Sachkosten unter den Budgetansätzen" (das alles steht in nur einer Presseaussendung des ORF vom heutigen Tag) - und was heißt das konkret? Das vorläufige EGT wird bei minus 79 Mio. Euro liegen (also knapp 50 Mio Euro schlechter als vor einem Jahr erwartet; wie das Bilanzergebnis ausfallen wird, geht aus der Presseaussendung nicht hervor).

Natürlich, ich habe die "Prognose" vom November 2008 (damals erwartete man im ORF minus 100 Mio Euro) in dieser Aufzählung unterschlagen, und mit der Finanzkrise und dem Werbeeinbruch konnte man Anfang 2008 nicht rechnen. Mir geht es auch nicht um eine - mit den spärlichen öffentlich zugänglichen Informationen auch nicht einmal annähernd mögliche - Bewertung des Ergebnisses: aber muss ein negatives Ergebnis, das tatsächlich deutlich schlechter ist als noch vor einem halben Jahr erwartet, wirklich mit solchen Jubelmeldungen verkündet werden?

PS: Der Generaldirektor betont laut Zitat in der ORF-Presseaussendung auch, dass "zusätzliche Programmvorhaben wie die Nationalratswahlen oder 'Starmania' realisiert werden" konnten. Dazu zwei - zugegeben rhetorische - Fragen: Wie "zusätzlich" war eigentlich die weitere Staffel von Starmania? Und war die Nationalratswahl wirklich bloß ein vom ORF realisiertes "Programmvorhaben"?

Sunday, February 22, 2009

Festes Netz, festes Entgelt, (nach unten) flexible Bandbreite

Zwischen beworbener und tatsächlich nutzbarer Bandbreite liegt bei mobilem Breitband-Internet regelmäßig ein recht beträchtlicher Unterschied (siehe etwa den Arbeiterkammer-Test vom Oktober 2008); teilweise lässt sich das auch mit den technischen Gegegebenheiten erklären. In letzter Zeit hat aber die Praxis, mit faktisch kaum erreichbaren "bis zu"-Bandbreiten zu werben, auch auf das Festnetz übergegriffen.

Abgesehen von der Frage, ab welchem Übertreibungsgrad die Werbung irreführend ist (und gegebenenfalls, ab welchem Übertreibungsgrad sie dann wieder als marktschreierische Werbung, die ohnehin niemand ernst nimmt, nicht mehr irreführend wäre), stellen sich da natürlich auch einige vertragsrechtliche Fragen. Wenn die Leistungsbeschreibungen zB "bis zu 16 Mbit/s" versprechen, muss man dann auch 2 oder 3 Mbit/s als vertragskonform hinnehmen? Meines Erachtens jedenfalls dann nicht, wenn auch Bandbreiten "bis zu 4 Mbit/s" oder "bis zu 8 Mbit/s" angeboten werden. Interessanter wird es, wenn in den Leistungsbeschreibungen die Bandbreiten ohne "bis zu"-Einschränkung angegeben werden, und nur auf der Website folgender kleiner Hinweis erfolgt:
"Die angegebenen Bandbreiten verstehen sich als maximal im geteilt genutzten Netzwerk."
Ob diese Klausel den Benchmark-Test des § 6 Abs 3 KSchG (Transparenzgebot) bestehen würde, will ich hier einmal dahingestellt lassen - wie sie sich im Ergebnis auswirken kann (und wie der Provider - nicht - reagiert), zeigt dieser Beitrag von Manfred Schindler: statt der versprochenen 30 Mbit/s sind es bei ihm im Regelfall knapp 1 Mbit/s, also bloß ein Dreißigstel vom erwarteten "speed". (Da kann ich richtig zufrieden sein: immerhin bekomme ich von meinem Provider typischerweise zwischen 30 und 45% jener 8 Mbit/s, die mir "bis zu"-versprochen wurden.)

Aber vielleicht sollte man als Konsument beim Abschluss von Verträgen über Breitband-Internet von den Providern lernen und eigene Vertragsklauseln verwenden, zB:
"Das von mir zugesagte Entgelt versteht sich als maximal im geteilt genutzten Konto." (Mit anderen Worten: was ich an Geld übrig habe, verteile ich bis zu diesem Maximalbetrag auch an Sie). Noch einfacher ist natürlich: "Das von mir zugesagte Entgelt beträgt bis zu xy Euro monatlich".
PS - im Ernst: die brititsche Regulierungsbehörde Ofcom hat aufgrund ähnlicher Probleme einen freiwilligen Verhaltenskodex erstellt, der mittlerweile von den wesentlichen ISPs unterzeichnet wurde (siehe dazu auch den Konsumentenleitfaden). Der Verhaltenskodex unterscheidet zwischen "headline or advertised speed" (das ist die in der Werbung genannte Geschindigkeit), "access line speed" (maximale Geschwindigkeit zwischen Breitband-Modem und local exchange / cable head end), "actual throughput speed" und "average throughput speed" (was der Kunde tatsächlich bekommt). Für "early 2009" hat Ofcom auch die Veröffentlichung von weiteren Untersuchungsergebnissen angekündigt, wonach ein Viertel der britischen Breitbandkunden nicht die von ihnen bei Vertragsabschluss erwartete Bandbreite bekommen haben.

Friday, February 20, 2009

Abgestimmtes Verhalten von Mobilnetzbetreibern: Schlussanträge C-8/08 T-Mobile Netherlands ua

Wenn Unternehmen ihr Marktverhalten abstimmen, um den Wettbewerb zu beschränken, dann ist das wie Autofahren unter erheblichem Alkohol- oder Drogeneinfluss - das Verhalten an sich ist verboten, egal ob tatsächlich in der Folge ein Schaden eintritt. In ihren Schlussanträgen in der Rechtssache C-8/08 T-Mobile Netherlands ua bringt Generalanwältin Kokott schon mit solchen Vergleichen (hier: RNr. 47) klar zum Ausdruck, dass Verstöße gegen Art 81 Abs 1 EG kein Bagatelldelikt sind.

Der EuGH wurde in dieser Rechtssache nicht als Instanzgericht in einer von der Kommission betriebenen Wettbewerbssache angerufen, sondern mit Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts, das im (nun nicht mehr ganz so) neuen dezentralen System der Wettbewerbsaufsicht (VO 1/2003) tätig ist. Ausgangspunkt war eine geradezu klassische Verhaltensabstimmung durch Vertreter niederländischer Mobilfunkunternehmen:

"Am 13. Juni 2001 trafen sich Vertreter von Mobilfunkbetreibern, die auf dem niederländischen Markt Mobiltelekommunikationsdienstleistungen anbieten. Während des besagten Treffens wurde u. a. über die Kürzung der Standardvertragshändlervergütungen für Postpaid-Verträge am oder um den 1. September 2001 gesprochen. Wie sich dem Vorlagebeschluss entnehmen lässt, kamen dabei zwischen den Teilnehmern des Treffens vertrauliche Informationen zur Sprache".
Der Vorwurf einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung wurde im nationalen Verfahren fallengelassen, übrig blieb der Vorwurf der Abstimmung des Marktverhaltens. Die vom niederländischen Gericht gestellten Vorlagefragen gaben der Generalanwältin Gelegenheit, einige wesentliche Aspekte für die Anwendung des Art 81 Abs 1 EG auch für die nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte zu betonen und der vom vorlegenden Gericht offenbar angedeuteten eher "vorsichtigen" Linie entgegenzutreten.

Ganz knapp zusammengefasst: wird das Marktverhalten im Hinblick auf eine geplante Änderung von Ankaufspreisen abgestimmt, liegt ein Verstoß gegen Art 81 EG vor, egal ob es tatsächlich negative Auswirkungen auf den Markt gibt. Die Verhaltensabstimmung muss nicht nachhaltig sein, schon ein einmaliges Treffen, in dem Informationen ausgetauscht werden, reicht aus, und im Beweisverfahren sind die Besonderheiten des Wettbewerbsverfahrens zu berücksichtigen, sodass an das Beweismaß keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Etwas mehr im Detail:

  • Wettbewerbswidriger Zweck und wettbewerbswidrige Wirkung sind nicht kumulative, sondern alternative Voraussetzungen für das in Art. 81 Abs. 1 EG normierte Verbot. "Anders als das vorlegende Gericht zu meinen scheint, darf folglich das Verbot 'bezweckter Verstöße' nicht etwa dahin verstanden werden, dass der wettbewerbswidrige Zweck lediglich eine Art Vermutung der Rechtswidrigkeit entstehen lässt, die aber widerlegt werden kann, wenn sich im konkreten Einzelfall keine negativen Auswirkungen auf das Marktgeschehen nachweisen lassen".
  • Ein Austausch von Informationen über eine beabsichtigte Senkung bestimmter Provisionen für Vertragshändler ist grundsätzlich geeignet, wettbewerbswidrige Auswirkungen nach sich zu ziehen, weil er den Grad der Ungewissheit über das Marktgeschehen verringern oder gar beseitigen und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen führen kann.
  • Die Selbständigkeit der Wirtschaftsteilnehmer gehört zu den Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb. Das Selbständigkeitspostulat "steht jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die ein Unternehmen das Marktverhalten seiner Wettbewerber beeinflusst oder sie über seine Entschlüsse oder Erwägungen zu seinem eigenen Marktverhalten ins Bild setzt, sofern auf diese Weise Wettbewerbsbedingungen entstehen können, die nicht den normalen Bedingungen des betreffenden Marktes entsprechen". Das gilt umso mehr auf einenm "hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt" wie dem Mobilfunkmarkt.
  • Unerheblich ist es , "ob nur ein Unternehmen seine Wettbewerber einseitig über sein in Aussicht genommenes Marktverhalten informiert oder ob alle beteiligten Unternehmen sich gegenseitig über ihre jeweiligen Erwägungen und Absichten informieren. Denn schon wenn ein einziges Unternehmen sich aus der Deckung wagt und seinen Konkurrenten vertrauliche Informationen über seine künftige Geschäftspolitik preisgibt, verringert sich dadurch für alle Beteiligten die Unsicherheit über das künftige Marktgeschehen und entsteht die Gefahr einer Verringerung des Wettbewerbs und eines kollusiven Verhaltens unter ihnen."
  • "Entgegen der vom vorlegenden Gericht angedeuteten Auffassung ist es im Übrigen nicht erforderlich, dass eine Verhaltensabstimmung sich auf alle Wettbewerbsparameter erstreckt." - Schon die Abstimmung nur im Hinblick auf die hier gegenständlichen Händlerprovisionen reicht für den Verstoß gegen Art 81 Abs 1 EG aus.
  • Das Beweismaß ist zwar nicht gemeinschaftsrechtlich geregelt, aber auch hier gelten der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz. Mit dem Effektivitätsgrundsatz wäre es unvereinbar, an den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG oder 82 EG durch die nationalen Wettbewerbsbehörden oder durch private Kläger "derart hohe Anforderungen stellten, dass ein solcher Nachweis übermäßig erschwert oder gar praktisch unmöglich würde. Insbesondere dürfen die nationalen Gerichte die typischen Eigenarten der Beweisführung bei der Feststellung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln nicht außer Acht lassen.
    Zu diesen Eigenarten gehört, dass in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können. Denn die auf solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen gerichteten Tätigkeiten und Zusammenkünfte spielen sich in aller Regel heimlich ab, und die Unterlagen darüber werden auf ein Minimum reduziert."
  • Es kann "nicht als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung angesehen werden, wenn in Wettbewerbsverfahren aus typischen Geschehensabläufen nach Erfahrungssätzen bestimmte Schlussfolgerungen gezogen werden und es den betroffenen Unternehmen frei steht, diese Schlussfolgerungen zu entkräften."
  • "Nach dem Grundsatz der Effektivität dürfen an den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 81 EG keine derart hohen Anforderungen gestellt werden, dass ein solcher Nachweis übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich würde. Insbesondere dürfen die nationalen Gerichte die typischen Eigenarten der Beweisführung bei der Feststellung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln nicht außer Acht lassen und müssen es gestatten, bei der Beurteilung typischer Geschehensabläufe auf Erfahrungssätze zurückzugreifen."

Wednesday, February 18, 2009

ORF: Konzept-Recycling

Ohne sofortige und kompromißlose Maßnahmen in fast allen Teilen des Unternehmens droht dem ORF ein ähnliches Schicksal wie anderen großen österreichischen Unternehmen (Stichwort: 'Konsum-Pleite'). Es gilt zu verhindern, daß aus einem Paradeunternehmen in kürzester Zeit ein Sanierungsfall wird. "
In den Unterlagen, die den Mitgliedern des Finanzausschusses des ORF-Stiftungsrates von der ORF-Geschäftsführung zur Vorbereitung für die nächste Sitzung übermittelt wurden, finden sich klare und dramatische Worte. Allein: sie stammen aus einem Text Gerhard Zeilers aus dessen Zeit als ORF-Generalintendant, Titel: "Von der Sendeanstalt zum Multimedia-Unternehmen" (online offenbar nicht verfügbar). Wäre da nicht die alte Rechtschreibung (zB "daß") und der Hinweis auf den Konsum (statt wie derzeit üblich AUA) - wer weiß, ob es den Ausschussmitgliedern überhaupt aufgefallen wäre.

Das Konzept Zeilers wirkt jedenfalls im Vergleich zu dem, was man aktuell so vom ORF hört, gar nicht so antiquarisch: neben den Standards wie "Absicherung der Marktführerschaft", "Sparen in allen Unternehmensbereichen" oder "Existenzsicherung des ORF als eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer neuen Konkurrenzlandschaft" hat Zeiler in diesem Text aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts immerhin auch das Thema interaktive Breitbandkommunikation und Internetdienste aufgegriffen (dem aktuellen Programmdirektor des ORF war es dagegen vorbehalten, sich vor kurzem zum Thema Internet etwas skeptischer zu äußern).

Manches kommt einem auch aus einem aktuelleren Dokument bekannt vor, das dem Stiftungsrat laut Zeitungsberichten ebenfalls übermittelt wurde: der Bewerbung des derzeitigen ORF-Generaldirektors um gerade diesen Job. Daher ein kleines Ratespiel zwischendurch: welcher der beiden folgenden Absätze stammt von Wrabetz, welcher von Zeiler? (Auflösung ganz unten)
a) "Die Organisationsstruktur des ORF muss mittel- und langfristig den Notwendigkeiten eines voll im Wettbewerb stehenden Unternehmens entsprechen. Klare Zielsetzungen, schnelle Entscheidungsabläufe, eindeutige Verantwortlichkeiten und eine effizientes Kontrollsystem - so lauten die künftigen Anforderungen an die Organisation."
b) "Um den Erfolg des Unternehmens sicherzustellen, ist die Entwicklung neuer Arbeits- und Organisationsformen erforderlich. Flache Hierarchien, schnelle Entscheidungen, bereichsübergreifendes projektbezogenes Denken und Handeln sind die Grundlage für den machbaren Erfolg des Unternehmens."


Ansonsten hat der Generaldirektor den Finanzausschussmitgliedern (laut APA) noch das Medienkapitel aus dem Regierungsprogramm, die Stellungnahme des ORF zum Rechnungshofbericht und den "neuen deutschen Rundfunkstaatsvertrag" übermittelt (alles Dinge, die man übrigens hier auf diesem Blog schon lange verlinkt fand: zum Regierungsprogramm, zum Rechnungshof, zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag).

Die Vorgangsweise, dem Finanzausschuss nur Unterlagen zu übermitteln, die ohnehin schon veröffentlicht sind, steht im völligen Einklang mit der Kommunikationspolitik der ORF-Geschäftsführung gegenüber dem Stiftungsrat, die sogar gegenüber dem Rechnungshof verteidigt wurde. Der Rechnungshof hatte die mangelhaften Finanzvorschauen gerügt, die jeweils nur wenige Seiten umfassten und einen geringen Detaillierungsgrad aufwiesen ("Zum Teil wurden die gesamten Betriebsaufwendungen ohne Unterteilung oder nur in zwei Unterpositionen gegliedert dargestellt."); die Unterlagen für die Sitzungen des Stiftungsrates waren, so der Rechnungshof, oft nicht aussagekräftig und für eine Beschlussfassung nicht geeignet.

Der ORF hielt dem entgegen, es sei darauf Bedacht zu nehmen, "dass zu detaillierte Festlegungen bei der lückenhaften Vertraulichkeit im ORF zu nachteiligen Folgen bei Mitbewerbern, Lieferanten, Öffentlichkeit, Politik, in den Beziehungen zu den betrieblichen Sozialpartnern führen können." Mit anderen Worten: die Geschäftsführung vertraut dem Stiftungsrat nicht, also informiert sie ihn auch nicht genauer. Der Rechnungshof mochte sich mit solcher Argumentation, die auch schon in der Stellungnahme zum Rohbericht vorgebracht wurde, nicht anzufreunden; wörtlich heißt es im Bericht:
"Der RH wiederholte seine Empfehlung, dem Stiftungsrat nachvollziehbare Grundlagen sowie Konzepte für die inhaltliche und zeitliche Umsetzung der konkret definierten Einsparungsmaßnahmen vorzulegen; insbesondere deshalb, weil fast die Hälfte der Erlöse des ORF aus Programmentgelten stammt und daher ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Gebarung des ORF besteht."
Dass der Stiftungsrat mangelhaft informiert ist, hat der Rechnungshof nicht nur der Geschäftsführung vorgeworfen - es muss ja auch jemanden geben, der sich die mangelnde Information gefallen lässt. Wörtlich aus dem Bericht: "Der RH erachtete die Information des Stiftungsrates als unzureichend. Der RH empfahl der Geschäftsführung, den Stiftungsrat umfassend zu informieren, und dem Stiftungsrat, die Überwachung der Geschäftsführung in ausreichendem Maße wahrzunehmen."

PS - Auflösung zum obigen Ratespiel: a) Zeiler (ß-Schreibung angepasst), b) Wrabetz

PPS: in einer ersten Version dieses Beitrags, die ein paar Stunden online war, habe ich das Konzept Zeilers auf Grund eines Versehens auf 1994 datiert, jedenfalls die mir vorliegende Fassung dürfte aber tatsächlich aus 1996 stammen - das habe ich hier nachträglich korrigiert und außerdem den letzten Absatz hinzugefügt.

Monday, February 16, 2009

Digitale terrestrische Fernsehübertragung: EU und USA

Der Sprung ins kalte Wasser war für die USA für morgen vorgesehen: am 17. Februar 2009 sollte die analoge Fernsehübertragung abgeschaltet werden und das Zeitalter der ausschließlich digitalen Übertragung anbrechen. Doch in letzter Minute wurde mit dem DTV Delay Act der Umschaltzeitpunkt verschoben: letzter Umschalttag ist nun der 12. Juni 2009. Dennoch werden 641 der fast 1800 Fernsehsender in den USA bis zum 17. Februar 2009, 11:59, ihrer analoge Übertragung ganz einstellen, von ABILENE-SWEETWATER, TX bis ZANESVILLE, OH (die gesamte Senderliste ist hier, die Info der FCC hier, Konsumenteninformationen gibt es auf der DTV-Transition Website). Für zehn Jahre Vorbereitung und fast zwei Milliarden Dollar staatlicher Ausgaben nicht wirklich ein Erfolg - so sieht das zB auch die Washington Post, die darauf hinweist, dass die USA damit hinter einem halben Dutzend europäischer Staaten hinterherhinkt.

Wie es in Europa ausschaut, hat - wohl nicht zufällig heute - die Europäische Kommission in einer Presseaussendung mitgeteilt. Die Kommission sieht die EU-Staaten "auf Kurs" bei der Abschaltung der analogen TV-Übertragung; sie teilt die Mitgliedstaaten dabei in drei Klassen ein: A (schon abgeschaltet), B (Abschaltung 2010 oder früher) und C (bis 2012). In der A-Klasse finden sich neben dem flämischen Teil Belgiens Deutschland, Finnland, Luxemburg, die Niederlande und Schweden, in der B-Klasse sind Österreich, Dänemark, Estland, Spanien, Malta und Slowenien; der Rest ist in Klasse C (nur Polen will bis 2015 analog senden und kommt in dieser Klasseneinteilung gar nicht mehr vor). Aus österreichischer Sicht ist natürlich für die Umstellungssituation kritisch, dass unsere östlichen Nachbarstaaten Tschechische Republik, Slowakei und Ungarn in der Klasse C sind, was die volle Nutzbarkeit der digitalen Dividende noch hinausschiebt.

We are trying to make the best of a difficult situation"
, sagt FCC-Interimsvorsitzender Copp über die amerikanische Umstellung, ganz einfach war (und ist) es aber in Europa auch nicht immer.

Sunday, February 15, 2009

ORF-Informationsdirektor: Politik hat Eigentümerfunktion am ORF

ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser bestätigt Robert Menasse, der ja in Österreich "Gegensätze zu einem 'Entweder und Oder' aufgehoben" sah. Denn einerseits betont Oberhauser gerne, dass sich "die Politik" aus dem ORF raushalten soll (zB im Kurier am 9.12.2008: "der ORF ist für die Politik kein Wunschkonzert mehr"), andererseits ruft er nach mehr Einmischung der Politik - so auch in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins profil, wo er wörtlich sagt:
"In Wirklichkeit muss man auch einmal die Politik daran erinnern, dass sie eine Eigentümerfunktion hat."
Nein, hat sie nicht. Der ORF ist eine - per Definition eigentümerlose - Stiftung, und "die Politik", wen immer Oberhauser damit auch meinen mag, kann daher auch keine Eigentümerfunktion ausüben. Oberhausers merkwürdiger Appell an "die Politik" steht natürlich im Zusammenhang mit den Finanzen des ORF, denn gleich im nächsten Satz sagt er:
"Von den Rundfunkgebühren, die wir alle zahlen, gehen 120 Millionen an die Länder und 120 Millionen an den Bund. Wenn wir das Geld hätten, könnten wir jetzt aufhören zu reden."
Das hätte natürlich nahegelegt, diesen Beitrag mit einer Frage zu beginnen: "Kann man ORF-Direktor Oberhauser mit Geld zum Schweigen bringen?" (Antwort: ja, aber man braucht dafür 240 Mio. Euro). Aber die Sache ist doch ernst, so skurril manche Wortmeldungen auch sein mögen. Natürlich, wenn der ORF zusätzlich zu seinen Einnahmen aus dem Programmentgelt 240 Mio. Euro an Subventionen aus öffentlichen Geldern erhielte, wäre ein Minus von 10 Mio. Euro im Jahr 2008 (Stand 18. Juni 2008) genauso locker zu verkraften wie eines von 100 Mio. Euro (Stand 12.11.2008) oder doch wieder unter 100 Mio. Euro (Stand 3.2.2009). Aber genauso gut könnten zB Tankstellenbetreiber sagen, dass ihre Erträge viel besser wären, wenn sie die Mineralölsteuer zwar einnehmen könnten, aber nicht abliefern müssten.

Dass es sich bei den von Oberhauser angesprochenen Geldern zudem nicht - bzw nur zu einem sehr geringen Teil - um Rundfunkgebühren handelt, sei hier nur der Ordnung halber angemerkt (siehe dazu auch hier); allzu große Detailkenntnis über die Finanzierung des ORF wird man vom ORF-Informationsdirektor ohnehin nicht erwarten wollen; im schon zitierten Kurier-Interview hat er etwa gesagt:
"Es muss aber auch der Politik endlich bewusst werden, dass sie gefordert ist: Da wird dem Unternehmen nach acht Jahren eine Gebührenerhöhung von einem Euro gewährt, wovon 25 Cent an die Länder gehen - in Summe immerhin 120 Millionen pro Jahr."
Was daran falsch ist:
1. Nicht "die Politik" hat dem Unternehmen eine "Gebührenerhöhung" gewährt, sondern der ORF hat die Erhöhung des Programmentgelts selbst beschlossen;
2. das Programmentgelt wurde nicht um einen Euro, sondern um 1,30 Euro (Radio- und Fernsehentgelt) erhöht;
3. von der Erhöhung des Programmentgelts um 1,30 Euro geht kein Cent an die Länder (auch wenn sich aufgrund der Erhöhung des Programmentgelts die daran geknüpften Abgaben teilweise erhöht haben).

"Die Politik" hat laut Oberhauser dem ORF auch "angekündigt, dass wir [ORF] von der Gebührenbefreiung ersetzt bekommen, was wir selber einsparen." [update 23.2.2009: auch das ist falsch, sagt zumindest jemand, der es wissen müsste: der Medienstaatssekretär, in einem profil-Interview vom 23.2.2009] In diesem Zusammenhang tauchen auch wieder die 57 Mio. Euro auf, die dem ORF aufgrund der Gebührenbefreiungen entgehen und deren "Refundierung" dem ORF daher nach Oberhausers Ansicht zustehen soll. Natürlich ist das ein politisches und kein rechtliches Argument, das daher auch politisch zu beurteilen ist (was ich hier nicht tun will). Soweit aber in diesem Zusammenhang gelegentlich auch Rechtsansprüche angedeutet werden, habe ich dazu schon hier etwas notiert. Ergänzend dazu nütze ich die Gelegenheit, auf das einschlägige Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27.6.2002, G 93/01, hinzuweisen, in dem es heißt:
"Der Verfassungsgerichtshof geht in systematischer Auslegung der gesetzlichen Bestimmung sowohl des § 20 RundfunkG idF des BudgetbegleitG 2001 als auch des § 31 ORF-G - jeweils in ihrer Gesamtheit - davon aus, dass demnach (arg.: 'kostendeckend') bei der Festsetzung der Höhe des Programmentgeltes auch der Umstand zu berücksichtigen ist, dass ein Teil der Hörer und Seher der Sendungen des ORF von der Entrichtung des Programmentgeltes von Gesetzes wegen befreit ist und für diesen Entfall von Programmentgelt dem ORF [...] auch keine Abgeltung seitens des Bundes gewährt (werden) wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem ORF bei der Besorgung seiner 'gesetzmäßigen Aufgaben' iSd. genannten Bestimmungen, was die hiedurch verursachten Kosten anlangt, jedenfalls ein Spielraum zukommt, von dem erforderlichenfalls aufwandsminimierend Gebrauch gemacht werden kann."
Aus dem juristischen Jargon übersetzt, heißt der letzte Satz wohl nichts anderes als: wenn es notwendig ist, könnte ja auch gespart werden.

Wenn man aber, wie Oberhauser, ständig die Verantwortung der Politik einfordert, darf man sich wohl nicht wundern, wenn sie auch wahrgenommen wird. Ebenfalls heute war zB im Kurier zu lesen, dass es "zwischen den Koalitionspartnern Konsens über 'die Nominierungsrechte in Personal-Angelegenheiten' gebe." Die SPÖ dürfte demnach die Nominierung des österreichischen Mitglieds der Europäischen Kommission der ÖVP überlassen, so SPÖ-Abgeordneter Hannes Swoboda, der dafür andeutete, "dass die SPÖ an anderen Nominierungen Interesse habe, 'wie dem ORF'." Abgesehen davon, dass ein Abtausch von EU-Kommissar und ORF-Generaldirektor etwa ebenso viel Sinn macht wie ein Abtausch von Bundeskanzler und (zB) Chefredakteur der Burgenländischen Volkszeitung, so sei hier nur festgehalten, dass es jedenfalls nach dem ORF-Gesetz kein Nominierungsrecht einer politischen Partei für den Generaldirektor des ORF gibt.

Tuesday, February 10, 2009

EuGH: Vorratsdaten-RL dient dem Funktionieren des Binnenmarkts

Die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten ist auf eine geeignete Rechtsgrundlage (Art 95 EG) gestützt, entschied der EuGH - den Schlussanträgen des Generalanwalts folgend - heute in der Rs C-301/06 Irland/Parlament und Rat (s dazu bereits hier und hier). In der Presseaussendung des EuGH (der Volltext des Urteils ist aktuell noch nicht online, müsste aber noch heute hier zu finden sein) wird betont: "Der Gerichtshof stellt zunächst klar, dass sich die von Irland erhobene Klage allein auf die Wahl der Rechtsgrundlage bezieht und nicht auf eine eventuelle Verletzung der Grundrechte als Folge von mit der Richtlinie verbundenen Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre."

Es habe sich gezeigt, so der Gerichtshof laut seiner Presseaussendung, "dass sich die Unterschiede [in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen betreffend die Datenspeicherung] unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts ausgewirkt hätten und dass es absehbar war, dass sich diese Auswirkung noch verstärken würde. In einer solchen Situation war es gerechtfertigt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber das Ziel, das Funktionieren des Binnenmarkts zu schützen, durch den Erlass von Harmonisierungsvorschriften verfolgte."

update: Das Urteil ist nun online, viel Neues gegenüber der Presseaussendung ergibt sich daraus nicht; hier nur eine knappe Zusammenfassung der wesentlichen Begründung:

1. Die RL dient der Harmonisierung (RNr 66 bis 72):
  • zwischen den nationalen Regelungen bestehen Unterschiede;
  • mehrere Mitgliedstaaten haben Maßnahmen nach Art 15 Abs 1 der RL 2002/58 erlassen;
  • diese Verpflichtungen zur Datenvorratsspeicherung haben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für die Diensteanbieter haben (hohe Investitionen und Betriebskosten);
  • die Maßnahmen weisen auch erhebliche Unterschiede auf, insbesondere hinsichtlich der Natur der gespeicherten Daten und ihrer Speicherungsfrist;
  • schließlich war absehbar, dass weitere Mitgliedstaaten entsprechende Vorschriften einführen würden;
  • das alles zeigt, dass die Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen geeignet waren, sich unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken, und dass es absehbar war, dass sich diese Auswirkung noch verstärken würde.
2. Die RL regelt Tätigkeit der Diensteanbieter, nicht der Polizei- und Justizbehörden (RNr 79 bis 91):
  • maßgeblich ist der materielle Gehalt der RL-Bestimmungen;
  • diese beschränken sich im Wesentlichen auf die Tätigkeiten der Diensteanbieter und regeln nicht den Zugang zu den Daten oder deren Nutzung durch die Polizei- und Justizbehörden;
  • die Diensteanbieter müssen "nur die Daten, die im Zuge der Bereitstellung der betreffenden Kommunikationsdienste erzeugt oder verarbeitet wurden, auf Vorrat speichern." Diese Daten sind eng mit der Geschäftstätigkeit der Anbieter verbunden;
  • die RL regelt somit Tätigkeiten, die unabhängig von der Durchführung jeder eventuellen Maßnahme polizeilicher oder justizieller Zusammenarbeit in Strafsachen sind; sie harmonisiert weder die Frage des Zugangs zu den Daten durch die zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden noch die Frage der Verwendung und des Austauschs dieser Daten zwischen diesen Behörden;
  • dies ist auch der Unterschied zur Sachlage betreffend die Fluggastadatensätze (PNR), die dem Urteil des EuGH vom 30.5.2006 C-317/04 Parlament/Rat zugrunde lag; dort ging es um die Übermittlung von Fluggastdaten an eine US-Behörde; das gegenständliche Abkommen betraf auch eine Datenverarbeitung, die vom Anwendungsbereich der RL 95/46 ausgeschlossen war.
Die Begründung enthält noch ein weiteres Argument, das mir allerdings nicht überzeugend erscheint: die "Vorratsdaten-RL" hat die RL 2002/58 (DatenschutzRL elektronische Kommunikation) geändert. Da diese RL auf Art 95 EG gestützt war, konnte - so der EuGH im Ergebnis - die Änderung "nicht auf eine Bestimmung des EU-Vertrags gestützt werden, ohne gegen Art. 47 EU zu verstoßen" (RNr 78). Wenn es aber auf den materiellen Gehalt der Bestimmungen ankommt (so der EuGH in RNr 79), kann die Form - Abänderung einer auf Art 95 EG gestützten RL - nicht entscheidend sein. Würde man zum Ergebnis kommen, dass die Bestimmungen materiell unter Titel VI des EU-Vertrags fielen, dann könnte wohl der Umstand, dass sie in der Form einer Änderung einer auf Art 95 EG gestützten RL getroffen wurden, nichts an der falschen Rechtsgrundlage ändern (auch wenn diese Form der Rechtssetzung dann auch nach Art 47 EU unzulässig wäre).

Noch ein update: Bundesministerin Bures kündigte an, sie werde "das Ludwig Boltzmann Institut für Menschrechte beauftragen, gemeinsam mit anderen Experten einen Gesetzesentwurf zu den telekommunikationsrechtlichen Problemstellungen auszuarbeiten, der allen datenschutzrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards und Erfordernissen gerecht werden soll." Das Boltzmann-Institut hat im letzten Jahr schon eine Studie über die Umsetzung der Vorratsdaten-RL für das BMVIT gemacht (hier abrufbar).

Versagt die Presse-Selbstregulierung? Ein Bericht aus dem UK

Nach dem Veranstaltungshinweis nun ein Literaturhinweis (und ich muss mich ein wenig korrigieren: natürlich funktioniert nicht nur die Diskussion über die Selbstregulierung recht gut: man kann auch prima über sie schreiben). Der Media Standards Trust fragt sich in einem umfassenden Bericht "Is self-regulation failing the press and the public?" Die Anwort kann man ganz kurz zusammenfassen: ja. Oder, nur wenig ausführlicher, in den Worten der Herausgeber:
"The current system, the report finds, is insufficiently effective, largely unaccountable, opaque, and failing to reflect the radically changed media environment."
Die Press Complaints Commission, so der Bericht, erfüllt nur drei von 15 Kriterien, die vom britischen Verbraucherrat für glaubwürdige Selbstregulierungssysteme aufgestellt wurden (eine übersichtliche Auseinandersetzung mit diesen Kriterien findet sich auf den Seiten 23 bis 32 des Berichts; empfehlenswerte Lektüre für alle, die zB in Österreich über neue Selbstregulierungseinrichtungen verhandeln). Bezeichnend ist auch der einleitende Satz zu dieser Übersicht: "The assessment of the PCC in this report is based on information that is publicly available. It is difficult because, as will be illustrated below, there is limited publicly available information on the PCC, and much of what is available is provided by the PCC itself in Annual Reports." (Die sogenannte "Leseranwaltschaft" in Österreich veröffentlicht gleich gar keine Informationen und gibt auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht einmal bekannt, wieviele Fälle an sie herangetragen wurden).

Der derzeitige Vorsitzende der Press Complaints Commission hat sich, vorsichtig ausgedrückt, kritisch über den Bericht geäußert; seine Vorwürfe werden von den Berichtverfassern zurückgewiesen (siehe auch die Berichte im Guardian und bei der BBC; update 10.2.2008: auch auf OfcomWatch und LexFerenda mit weiteren Hinweisen). Ein interessanter Zugang findet sich bei Peter Wilby, der nichts davon hält, sich über sinkendes Vertrauen in die Presse zu beklagen: die Leute vertrauen den Zeitungen - sie vertrauen zB darauf, dass Sun oder Mail "good entertainment, scurrilous gossip and consistent articulation of popular prejudices" bieten:
"The Mail could be trusted to support claims that the MMR vaccine causes autism because it never misses a medical scare story. It would have lost trust, exposing itself (to many readers) as a lackey of the medical and political establishments, if it had taken a different line. ... In a democratic and open society, most people are likely to distrust most newspapers most of the time. Most Guardian readers wouldn't trust the Mail, nor most Mail readers the Guardian."

Monday, February 09, 2009

Solange wir die Zukunft nicht kennen, können wir nicht planen

"ORF sucht Zukunft in zwölf Kommissionen", lese ich gerade auf derStandard.at; zwölf Arbeitsgruppen sollen offenbar Sparmaßnahmen planen. Diese Planungsaktivitäten bringen mich noch einmal zurück zum Rechnungshofbericht über den ORF (bisher hier und hier). Wie bekannt, hat der Rechnungshof seinen Bericht mit dem Satz eingeleitet: "Dem Österreichischen Rundfunk (ORF) fehlte nach wie vor eine umfassende Gesamtstrategie." Dementsprechend hob er auch in seinen Schlussbemerkungen an erster Stelle folgende Empfehlung hervor: "Eine vom Stiftungsrat zu genehmigende Gesamtstrategie sollte die Grundlage für eine Strukturreform im ORF bilden und die Rahmenbedingungen für die langfristigen Planungen schaffen."

Das interessante Detail in diesem Zusammenhang ist die Reaktion des ORF in seiner Stellungnahme des ORF vom 19. Jänner 2009; wörtlich heißt es dort:
"Die Erstellung eines sinnvollen Gesamtstrategiekonzepts ist nun auch möglich, da wesentliche Voraussetzungen wie
-- voraussichtlicher Ausgang des EU-Verfahrens
-- Auswirkungen der Digitalisierung
-- Empfehlungen des Rechnungshofs
-- Regierungsprogramm der Bundesregierung
-- Auswirkungen der größten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte
bekannt sind und eindeutige Festlegungen durch den Stiftungsrat im Hinblick auf die Erhaltung des Gesamtportfolios der Produkte des ORF in der Sitzung vom 8. Oktober 2008 beschlossen wurden. Ein umfassendes Strategiedokument ohne Einbeziehung dieser Faktoren wäre sinnvoll nicht erstellbar gewesen. Nun wird ein Gesamtstrategiekonzept, das auf den oben genannten Grundlagen aufbaut, im Frühjahr vorbereitet und für die Sitzung am 2. April 2009 dem Stiftungsrat vorgelegt." (Hervorhebung hinzugefügt)
Abgesehen davon, dass man die Kenntnis des voraussichtlichen Ausgangs des EU-Verfahrens genauso wie der Auswirkungen der Digitalisierung bei den Verantwortlichen im ORF schon deutlich früher als zu Beginn des Jahres 2009 voraussetzen könnte, ist jedenfalls der Fatalismus dieser Stellungnahme bemerkenswert. Das Motto "solange wir die Zukunft nicht kennen, ist eine sinnvolle Planung nicht möglich" hilft natürlich sehr beim Vermeiden von Fehlplanungen - aber dann stellt sich doch die Frage, was heute wirklich anders ist: kennt der ORF tatsächlich schon die Auswirkungen dieser Wirtschaftskrise? Oder der nächsten? Kann man vernünftig planen, wenn man das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung nicht kennt? Oder sollte der ORF vielleicht mit dem Strategiekonzept einfach noch ein wenig warten, bis klar ist, ob er überhaupt noch eines braucht? Und dann ist da noch die Frage, wie umfangreich ein "umfassendes Strategiedokument" sein muss: reichen eigentlich drei Seiten wie beim Qualitätssicherungssystem?

Und damit zu etwas ganz anderem (und doch auch wieder nicht): einer Presseaussendung des ORF vom heutigen Tag war zu entnehmen, dass die Gratiszeitung "Heute" etwas schrecklich Falsches geschrieben haben muss. Glücklicherweise ist dieser "Artikel", der zum Verständnis der ORF-Aussendung notwendig ist, auch tatsächlich noch online zu finden. "Heute" nennt dort Zahlen über die angebliche Gage eines Opernball-Moderators, der ORF weist diese als falsch (zu hoch) zurück und betont auch, dass das Honorar natürlich nicht nur für die Moderation des einen Abends, sondern auch für die Vorbereitung ("wochenlange intensive Vorbereitungs- und Recherche-Arbeit") und weitere Termine bezahlt wird.

Interessant ist daran aus meiner Sicht nur, dass laut ORF-Aussendung noch Verhandlungen mit den Moderatorinnen und Moderatoren geführt werden und keine ausverhandelten Verträge existieren. Wenn man jetzt berücksichtigt, dass wochenlange intensive Vorbereitungszeit notwendig ist und auch mit dem (noch nicht existierenden) ModeratorInnen-Vertrag honoriert wird, dann ginge sich das ab Vertragsschluss, wann immer der sein wird, nicht mehr aus, denn der Opernball findet schon in zehn Tagen statt. Also haben die - schon Mitte Dezember des Vorjahres präsentierten - ModeratorInnen wohl bislang ohne Vertrag gearbeitet und befinden sich nun in einer verhandlungstaktisch zumindest interessanten Position gegenüber dem ORF: denn dieser wird ja wohl kaum noch andere ModeratorInnen engagieren können, wenn es zu keiner Einigung mehr kommt - sehr viele Menschen, die sich wochenlang intensiv recherchierend auf den Opernball vorbereitet haben (und nicht bei einem anderen Sender arbeiten), dürfte es kaum geben.

Der ORF betont auch, dass er "keine Vertragsdetails, also auch solche über die Höhe von Honoraren öffentlich macht." Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, der in typischer Verkörperung der deutschen Staatsferne des Rundfunks im Verwaltungsrat des ZDF sitzt, hat in einem FOCUS-Interview gerade das für das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen gefordert. Außerdem regte Müller an, "eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den Anstalten und der Politik einzusetzen, 'die die Dinge kritisch aufarbeitet und einen Verhaltenskodex entwickelt, vergleichbar mit den Good-Governance-Regeln in der Wirtschaft'."

Da fällt mir ein: letztes Jahr war laut Zeitungsmeldungen im ORF-Stiftungsrat wieder einmal "über die Fortschritte bei der Erarbeitung eines freiwilligen 'Corporate Governance" Kodex' berichtet worden; die Arbeitsgruppe dazu gibt es seit 2006. Aber vielleicht war auch dieser Kodex sinnvoll erst erstellbar, als das neue Regierungsprogramm (dazu hier, hier und hier) bekannt wurde, in dem es heißt: "Es soll ein Corporate Governance-Kodex für das Unternehmen [ORF] gelten, differenziert nach Organmitgliedern und MitarbeiterInnen."

Wenn man sich freilich auch mit Dingen wie einem Corporate Governance Kodex solange Zeit lässt, bis das Thema Inhalt eines Regierungsprogramms wird, dann darf man sich wahrscheinlich nicht wundern, wenn im schon zitierten "Heute"-Artikel der Medienstaatssekretär als "der eigentliche 'Ober-Boss' der ORF-Truppe" bezeichnet wird (auch wenn er das, wie ich hier vorsichtshalber anmerken muss, natürlich nicht ist).

Saturday, February 07, 2009

Frankreich: Immaterieller Schadenersatz für Angst vor Mobilfunkmast


Größere Kartenansicht
Auf der Google-Maps Karte kann man nicht genau erkennen, welcher der Bäume auf dem Grundstück mit der Anschrift 14, Chemin du Gouttet tatsächlich bloß "ein Betonmast in Form eines Baumes" ist, auf dem Mobilfunkantennen zur Versorgung der Ortschaft Tassin La Demi-Lune angebracht sind (oder bald: waren). Der Mobilfunkbetreiber Bouygues Télécom muss nach einem nun in zweiter Instanz vom Berufungsgerichtshof Versailles bestätigten Urteil die Antennen abmontieren - und außerdem den klagenden Anrainern Entschädigungenvon 7.000 € zahlen für die Angst ("un sentiment d'angoisse"), die sie drei Jahre lang wegen ihrer Nähe zum Mobilfunkmast erlitten haben (siehe zum Urteil den Bericht in Le Monde, das Urteil ist hier zu finden; das erstinstanzliche Urteil hier).

In der aktiven Szene der "Handymastengegner" sorgt dieses Urteil für Hochstimmung (siehe ein Beispiel unter vielen hier), hat doch - soweit zu überblicken - erstmals ein Instanzgericht die Demontage von Antennen unter dem Gesichtspunkt des Vorsichtsgrundsatzes ("Principe de Précaution") angeordnet. Bemerkenswert ist tatsächlich, dass das Gericht die bekannten "Appelle" und Resolutionen diverser Mastengegner (eine Zusammenstellung auf einer einschlägigen Website hier) genauso als Beleg für seine Entscheidung zitiert wie den sogenannten "BioInitiative"-Bericht (laut deutschem Bundesamt für Strahlenschutz - nur als ein Beispiel für zahlreiche kritische Stimmen - hat dieser Bericht "klare wissenschaftliche Schwächen"). Zumindest teilweise werden auch die Forderungen von Mobilfunkkritikern schon als Fakten beurteilt: wenn das Gericht meint, dass unter anderem Österreich die Referenzwerte von ICNIRP schon zugunsten niedriger Werte aufgegeben hätte, ist das nämlich nicht zutreffend. Der vom Gericht zitierte Wert ist jener der "Salzburger Resolution", die keineswegs verbindlich ist. Dass die ICNIRP-Werte der Empfehlung des Rates 1999/519 und der RL 2004/40/EG zum Arbeitnehmerschutz vor elektrischen Feldern zugrundeliegen, beeindruckt das Gericht demgegenüber offenbar nicht (zu den offiziellen EMF-Werten siehe auch die Übersicht der WHO; eine gute Übersicht über die Umsetzung der Empfehlung 1999/519 gibt es auch in diesem Bericht der Kommission vom September 2008, weitere Infos hier).

PS: Ein "Dossier" aus Sicht der Kläger - unter anderem mit einem Bild des als Baum getarnten Sendemastes - gibt es hier.

Friday, February 06, 2009

Selbstregulierung, wieder einmal (Veranstaltungshinweis)

Manchmal denke ich, das einzig gut Funktionierende an der Selbstregulierung ist die Diskussion darüber. Und so gibt es demnächst wieder einmal eine Veranstaltung, die sich (schwerpunktmäßig) mit Fragen der journalistischen Selbstregulierung bzw. "Selbstkontrolle" befasst: vom 26. bis 28. Februar 2009 findet die Konferenz "Europäische Öffentlichkeit und journalistische Verantwortung" statt (Anmeldung hier). Veranstalter ist das Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien in Kooperation mit dem Presseclub Concordia, dem deutschen Verein für publizistische Selbstkontrolle, der Initiative Qualität im Journalismus und dem Kuratorium für Journalistenausbildung.

Keynote Speaker ist Miklos Haraszti, OSZE-Beauftragter für die Freiheit der Medien, zum Thema "Journalistic self-control at the European level - a deficiency?". Weitere SprecherInnen sind unter anderem
  • Robert Pinker, früherer Vorsitzender der britischen Press Complaints Commission (sein Rückzug ist mittlerweile auch schon fast fünf Jahre her),
  • Peter Studer, verdienter Schweizer Medienrechtler und ebenfalls früherer Vorsitzender eines Presserats,
  • Henrik Kaufholz von der Politiken in Dänemark,
  • Huub Evers von der Fontys Hochschule in Tilburg, der nicht nur das niederländische Standardwerk zur Medienethik geschrieben hat, sondern letztes Jahr auch einen kurzen Artikel mit dem schönen Titel: "Duitse Presserat worstelt met online journalistiek" (was man auf gut wienerisch wohl mit "Deutscher Presserat wurschtelt mit Online-Journalismus" gar nicht so falsch übersetzt hätte, "worstelt" bedeutet nämlich: "kämpft"),
  • Daphne Koene vom niederländischen Presserat
  • und noch einige andere mehr - leider erfährt man zu den ReferentInnen auf der Einladung nichts außer dem Herkunftsort; vielleicht gehen die Veranstalter davon aus, dass das Zielpublikum ohnehin alle kennen sollte - aber wer nicht so alt ist wie ich, hat vielleicht von Robert Pinker noch nie etwas gehört. Überhaupt kann die Einladung die Verbindung mit der klassischen Presse (print!) nicht verleugnen: auch auf der Website des Veranstalters gibt es sie nur in PDF, ohne nähere Informationen oder gar Verlinkung.
In Österreich, wo man sich zuletzt vor gut einem halben Jahr wieder einmal auf einen Presserat geeinigt hatte (zum Presserat in diesem Blog auch hier und hier), verhandelt man im Februar wieder einmal weiter (update 22.2.2009: und einigte sich wieder einmal nicht). Im Regierungsprogramm (dazu hier) wurden diese Verhandlungen "ausdrücklich begrüßt" und eine finanzielle Unterstützung "in Aussicht genommen", allerdings unter der - praktisch unerfüllbaren, oder zumindest vom Willen einzelner Regierungsmitglieder vielleicht nicht ganz unabhängigen - Bedingung, dass sich "alle relevanten Unternehmen und Titel unabhängig von Erscheinungsweise und Finanzierung" (also aus Sicht der Regierung wohl jedenfalls Krone, "Österreich" und "Heute") beteiligen.

Interessant ist, dass Selbstkontrolle (aus der Sicht der sich selbst Kontrollierenden) offenbar ganz gut mit Fremdfinanzierung zusammenpasst - auch der Werberat möchte nun die "Bundesregierung via Bundeskanzleramt, Medienstaatssekretariat, in die (Finanzierungs-) Pflicht" (!) bringen (Horizont-Bericht) - auf dass auch die selbstregulierende Tätigkeit des Melissa-Manns öffentlich mitfinanziert werde.

Thursday, February 05, 2009

TW1: Das Beste kommt erst immer wieder

"Mit einem Marktanteil von 0,5 Prozent und täglichen Zuschauerzahlen von 106.000 (mit Spitzenwerten von bis zu 171.000) hat sich der Sender als fixe Größe unter den Spartensendern etabliert." Das war 2002.

"die Marktanteile wurden verdoppelt, die Reichweiten waren die besten seit dem Sendestart ... Die Tagesreichweite im Dezember übertraf den im Vormonat aufgestellten Rekordwert abermals. Jeweils 209.000 Zuseher pro Tag (vgl. Vorjahreswert 150.000) bescherten dem Spartensender somit den höchsten Wert seit Sendestart." So hieß es in einer Presseaussendung im Jänner 2008 über das Jahr 2007. Und einige Tage vorher stand schon im Kurier: "Im November und Dezember 2007 habe es überhaupt die höchste TW-1-Nutzung mit einem KaSat-Marktanteil von 0.4 Prozent und 209.000 Zusehern gegeben. Damit hat man gestandene Sender in diesem Segment wie Bayern Alpha und und Phoenix überholt."

Und nun, nach dem erfolgreichsten Jahr seit Sendestart? "Die Tagesreichweite im Dezember 2008 erreichte durch die sehr gute Nutzung abermals einen neuen Höchststand: im Schnitt sahen pro Tag 82.000 Seher mehr zu als im Dezember 2007. Im Bereich der Spartensender befindet sich TW1 mit einem Marktanteil von 0,4 Prozent auf dem Niveau von Sendern wie DSF, BR-Alpha oder MTV. "

Zur Veranschaulichung: damit hätte jeder Fernsehzuseher im Schnitt etwa 37 Sekunden das Programm von TW1 gesehen. Aber stimmt das überhaupt? Auf der Website von TW1 steht bei den Mediadaten etwas anderes, dort heißt es nämlich: "Der KaSat-Marktanteil TW1/ORF SP+ betrug im Dezember 0,4%." Der Anteil von Sport Plus ist da also schon eingerechnet, die Blutauffrischung durch den gebührenfinanzierten Sport wird TW1 wohl nicht geschadet haben.

Überhaupt sind die Zahlen von TW1 recht verwirrend - so heißt es in der Presseaussendung: "Rund 22.000 Zuseher mehr pro Tag als im Vorjahr und damit eine Steigerung der Tagesreichweite von 23 Prozent bestätigen das adaptierte Sendeschema." Geht man - in grammatikalisch korrigierender Auslegung - davon aus, dass nicht eine frühere "Tagesreichweite von 23%" noch gesteigert wurde, sondern die Tagesreichweite um 23% gestiegen ist, dann würde das eine Tagesreichweite von (durchschnittlich im Jahr 2008) 117.652 Zusehern (die jeweils mindestens 60 Sekunden lang bei TW1 geblieben sind) bedeuten.

Das könnte auch einigermaßen mit der weiteren Behauptung zusammenpassen, dass die Tagesreichweite im Dezember 2008 "abermals einen neuen Höchststand" erreicht habe und im Schnitt pro Tag 82.000 Seher mehr zusahen als im Dezember 2007, zumal auf der Mediadaten-Seite von TW1 für den "Einzelsender" TW1 immerhin die Tagesreichweite für Dezember 2008 mit 161.000 Zusehern angegeben ist. 82.000 Zuseher weniger würden also für Dezember 2007 79.000 ergeben. Wenn aber, wie TW1 letztes Jahr behauptete, die durchschnittliche Tagesreichweite im Dezember 2007 bei 209.000 Zusehern lag, dann fehlen da irgendwo 130.000 Zuseher.

Ganz klar ist mir übrigens auch der folgende Satz aus der TW1-Aussendung nicht: "Die Live-Berichte aus dem Parlament und die Übertragung des Zilk-Begräbnis sorgten alleine für 10 Prozent der gesamte TW1 Nutzung." Heißt das, dass an diesen zwei Tagen insgesamt so viele Zuschauer so lange zugesehen haben wie sonst während etwa 40 Tagen? Angesichts eines von TW1 genannten "Rekordwerts" von "durchschnittlich 81.000 Zusehern" bei der Parlamentsübertragung ließe das auf recht interessante sonstige Durchschnittsreichweiten schließen.

Angesichts solcher Zahlenspiele wäre es natürlich nett, würde der ORF die "Rekordzahlen" im Detail veröffentlichen, um das nachvollziehbar zu machen (auf der Medienforschungs-Website des ORF werden - warum wohl? - weder zu TW1 noch zu ORF Sport Plus Zahlen ausgewiesen).

Wednesday, February 04, 2009

Keine großen Sprünge für "Project Kangaroo": Britische Wettbewerbskommission gegen BBC/C4/ITV-Joint Venture

Das von BBC Worldwide, Channel 4 und ITV geplante Video on Demand-Projekt "Kangaroo", mit dem Programme von Channel 4, ITV und aus dem Archiv der BBC über ein gemeinsames Portal (UKVOD) angeboten werden sollte, steht nun endgültig vor dem Aus: Im heute veröffentlichten Schlussbericht (Presseaussendung, Meldung der BBC) kommt die Competition Commission zu einem klaren Ergebnis: "We conclude that prohibition of the JV [Joint Venture] is the only remedy that would address the SLC [serious lessening of competition] and adverse effects that we found."

Das Projekt sollte Video on Demand-Inhalte für jedermann (auch für Wiederverkäufer) bereitstellen und mit wenigen Ausnahmen die Hauptvertriebsschiene für die beteiligten Programmanbieter sein. Ziel war es,
"to create a customer proposition that could compete in the VOD market against powerful competitors who were able to leverage significant existing assets that the broadcasters did not possess. To achieve this, the parties intend to create a 'one-stop-shop' that will provide consumers with the convenience of being able to access both popular content and niche content on a single service, providing the consumer with ‘a sophisticated and comprehensive user experience'."
Aus der Sicht der Competition Commission würde damit der Wettbewerb so eingeschränkt, dass als einzige Abhile nur mehr das Verbot blieb:
"We concluded that the JV would be likely to lead to a loss of rivalry between the parties, amounting to a substantial lessening of competition (SLC) in the supply of UK TV VOD content at the wholesale and retail levels. We also concluded that the JV would be unlikely to result in an SLC in the online UK advertising market or in the market for content acquisition in the UK. ...
We considered whether prohibition might extinguish any relevant customer benefits. However, we thought it unlikely that this JV was the only way in which customer benefits could be realized. We therefore concluded that we did not need to modify the remedy that we would otherwise put in place. We concluded that prohibition would be a proportionate remedy to the SLC and adverse effects that we had found."

update/links: eine kritische Reaktion von Emily Bell und Überlegungen zu möglichen Auswegen von Mark Sweney, beide auf der Guardian-Website.

Tuesday, February 03, 2009

Grundlegende Richtung von TW1: "keine"

§ 25 Mediengesetz verlangt von Rundfunkveranstaltern, dass sie "entweder ständig auf einer leicht auffindbaren Teletextseite zur Verfügung zu stellen oder im Amtsblatt zur 'Wiener Zeitung' binnen eines Monats nach Beginn der Ausstrahlung und im ersten Monat jedes Kalenderjahres" eine Erklärung über die grundlegende Richtung des Mediums verlautbaren. Der ORF ist dieser Verpflichtung durch eine Bekanntmachung am 31. Jänner 2009 mit folgender Erklärung nachgekommen:
"Grundlegende Richtung der ORF-Hörfunkprogramme Ö1, der Regionalradios, Ö3, FM4, Radio Österreich 1 International, der ORF-Fernsehprogramme ORF 1 ORF 2, ORF Sport Plus, TW1 bzw. des ORF-Online-Dienstes und ORF-Teletext bzw. des ORF OK Multitext: Erfüllung des Programmauftrages gemäß §§ 4 ff ORF-Gesetz und des Auftrags gemäß § 3 Abs. 5 iVm § 18 ORF-Gesetz, jeweils idF BGBl. I Nr. 102/2007."
Das ist für TW1 insofern interessant, als es für dieses Programm in den "§§ 4 ff ORF-Gesetz" gerade keinen Programmauftrag gibt. Der Programmauftrag bezieht sich nämlich ausdrücklich nur auf die gemäß § 3 ORF-G verbreiteten Programme, und zu denen gehört das "Spartenprogramm" TW1 nach § 9 ORF-Gesetz nicht (siehe dazu schon hier).

Will man nun nicht unterstellen, dass der ORF seiner Verpflichtung nach dem Mediengesetz nur unvollständig nachgekommen wäre, dann kann man wohl nur einen Schluss aus dieser Offenlegung ziehen: dass es für TW1 gar keine grundlegende Richtung gibt. Das würde immerhin mit dem Eindruck übereinstimmen, den man bei gelegentlicher Betrachtung dieses Programms gewinnt.

Monday, February 02, 2009

Digitale Dividende - für wen?

Wenn es um die Verteilung von Dividenden geht, ist das Interesse groß - und wie der volle Saal bei der Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Digitale Plattform Austria letzten Dienstag gezeigt hat, gilt dies auch für die digitale Dividende (siehe dazu schon hier), selbst wenn noch keineswegs feststeht, wie viel es letztlich zu verteilen geben wird.

Die Veranstaltung unter dem schlichten Titel "Die digitale Dividende" bot einen informativen Überblick über die tatsächliche Situation in Österreich und über die maßgebenden Interessenpositionen, von den Rundfunknetzbetreibern über die Mobilfunker bis zu den Kulturveranstaltern, die um die Einsetzbarkeit ihrer drahtlosen Mikrofone bangen. Interessant waren auch die ersten zaghaften Ansätze für eine österreichische frequenzpolitische Position, die sich aus dem Einleitungsstatement von Univ.-Prof. Georg Lienbacher, Leiter des Verfassungdienstes im Bundeskanzleramt, ableiten lassen (da Lienbacher in Vertretung des kurzfristig verhinderten Medien-Staatssekretärs Josef Ostermayer sprach, darf man wohl annehmen, dass es sich dabei um eine "offiziöse" Position handelt). Lienbacher betonte den Interessenausgleich, den es zwischen Rundfunkveranstaltern, Mobilfunkbetreibern und Konsumenten bei der DVB-H-Vergabe gegeben habe, und wünschte sich darauf aufbauend auch in Zukunft eine pragmatische Vorgangsweise. Der Bedarf an zusätzlichen "Muxen" (Multiplex-Plattformen) für DVB-T in Österreich sei "überschaubar", meinte Lienbacher und betonte, dass weder ein gänzliches Aufbrauchen der digitalen Dividende für Rundfunkdienste, noch eine "Vorausreservierung für nicht umsetzungsreife Konzepte" angebracht sei. Deutliche Kritik gab es an der Europäischen Kommission; Österreich spreche sich gegen den Versuch aus, den politischen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten in der Rundfunk- und Frequenzpolitik zurückzudrängen; Rundfunk-Frequenzen seien auch kein beliebig handelsbares Wirtschaftsgut.

Wesentliche Aussagen der weiteren Referenten sind der Presseinformation der RTR zu entnehmen; daher hier nur ergänzend ein paar aus meiner Sicht interessante Details, die in der Presseinfo nicht erwähnt werden:
  • Hans Hege, Direktor der MABB, betonte die Bedeutung der terrestrischen TV-Verbreitung für Zweitgeräte und mobile Geräte, sodass die Reichweite von DVB-T über die bundesweit 11% der Haushalte, für die DVB-T die einzige TV-Versorgung ist, hinausgehe. Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich nach seinen Angaben durch die Digitalisierung die Senderkosten halbiert. Die Terrestrik sei auch notwendig, um unerwünschten Entwicklungen (Verschlüsselung bisher frei empfangbarer Programme) in der Kabel- und Satellitenverbreitung entgegenzuwirken. Hege sprach sich für die Harmonisierung des (bisherigen) Rundfunk-Spektrums oberhalb von 790 MHz aus, auch um Breitband-Internet zu ermöglichen (durch Rundfunkgebühren würden ja zB auch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Anstalten finanziert werden, sie sollten daher auch von jedermann genutzt werden können, was eine entsprechend Internetanbindung voraussetzt). Dennoch zeigte sich Hege skeptisch zur Nutzung der digitalen Dividende durch Mobilfunker: für mobiles Telefonieren sei die digitale Dividende nicht notwendig, die bisher mangelnde Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Breitband-Internet sei auch "kein Problem der Physik", sondern eine wirtschaftliche Frage. Auch Rundfunkfrequenzen seien dafür kein Allheilmittel. Schließlich sei "die bisherige Geschichte der Durchsetzung von (Versorgungs-)Auflagen keine Erfolgsgeschichte". Frequenzbedarf für Rundfunkdienste werde es bei einer späteren Umstellung auf DVB-T2 geben; dass HDTV über DVB-T verbreitet werde, hält Hege hingegen auf absehbare Zeit nicht für realistisch.
  • Michael Truppe vom Bundeskanzleramt berichtete über den Diskussionsstand in Brüssel (sieh dazu die Vortragsfolien).
  • Franz Prull (im Bild oben links zu sehen), stv. Leiter der KommAustria und oberster Rundfunk-Frequenzplaner, zeigte auf, was von der theoretisch möglichen digitalen Dividende in der frequenzplanerischen Praxis überbleibt (siehe seine Folien). In Österreich mit seinen (für die Frequenzplanung) neun bis zehn Nachbarstaaten ist die Situation natürlich einigermaßen komplexer als auf einer Insel wie etwa dem UK. Von sechs bis sieben "Layers" (Bedeckungen) bleibt da manchmal gar nicht mehr viel übrig, zumal die Vergabe der digitalen Dividende ja schon mit Mux B (zweites bundesweites DVB-T), Mux C (regionales DVB-T) und Mux D (bundesweites DVB-H) begonnen hat.
  • Auch Franz Ziegelwanger, Frequenzmanager des BMVIT, ging auf die technischen Gegebenheiten ein und erläuterte insbesondere die schwierige Situation von PMSE (Funkanwendungen für "Programme Making and Special Events", also vor allem drahtlose Mikrofone in Theatern, Opernhäusern, bei Veranstaltungen und der TV-Programmproduktion), die derzeit in lokal nicht genutzten Bereichen des Rundfunkspektrums verwendet werden, durch die Ausnützung der digitalen Dividende aber "vertrieben" werden könnten. Allenfalls könnte für diese Anwendungen Ersatz im L-Band gefunden werden (siehe seine Vortragsfolien).
  • Michael Wagenhofer, kaufmännischer Geschäftsführer der ORS, betonte - im Gegensatz zu Hege - dass auch HDTV digital terrestrsich verbreitet werden müsse. In einer digitalen Zukunft müssten "zumindest 2 HDTV-MUXe" in der Startphase, danach bis zu 7 HD-MUXe angeboten werden, für einen weichen Umstieg (auch auf DVB-T2) seien daher Frequenzreserven erforderlich - für andere Anwendungen blieb in seinem Szenario kein Raum (siehe auch seine Vortragsfolien).
  • Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der deutschen Bundesnetzagentur, berichtete von Grabenkämpfen um die digitale Dividende und verwendete mehrfach das Bild von Schützengräben - insgesamt eine recht martialische Darstellung. Und auch wenn sie sich eher in der Rolle einer Vermittlerin sehen wollte, war doch ziemlich klar, wo ihre Präferenzen lagen - jedenfalls nicht bei den Rundfunkveranstaltern und den sie unterstützenden Ländern. In einigen Punkten aber deckte sich ihre Meinung durchaus mit Hans Hege, etwa dass HDTV über terrestrische Verbreitunsgwege "keinen Sinn" macht, aber auch bei der Einschätzung, dass DVB-T als "Hebel" nützlich ist, um Verschlüsselungsbestrebungen im Kabel- und Sat-Bereich im Zaum zu halten. Henseler-Unger machte klar, dass sie jedenfalls von einer Zuweisung des Frequenzbereichs 790-862 MHz für Mobilfunkanwendungen (IMT) ausgeht und auch im Bereich 470 bis 790 MHz andere Anwendungen als Rundfunkdienste zulassen möchte (neben PMSE auch Cognitive Radio und drahtlosen festen Breitbandzugang). Die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung, in der dies geregelt werden soll, könnte im Februar im Kabinett beschlossen werden, bedarf aber dann noch der Zustimmung durch den Bundesrat (siehe auch ihre Vortragsfolien).
  • Tobias Schmidt von RTL verteidigte eloquent die Position der Rundfunkveranstalter. Das Kompromissangebot aus dieser Sicht war, die Kanäle 61 bis 69 (also 790 bis 862 MHz) für andere Anwendungen freizugeben, dafür aber für den Frequenzbereich unter 790 MHz einen "Bestandsschutz" für Rundfunkdienste festzuschreiben; außerdem müssten die Kosten für notwendige Umzugsmaßnahmen aus dem Bereich 790 bis 862 MHz von den "neuen Mietern" bezahlt werden. Für Schmidt ist das Argument, die digitale Dividende werde von Telekomanbietern zur Breitbandversorgung im ländlichen Raum genützt werden, nicht glaubwürdig; wörtlich sagte er: "Ich möchte das den Kollegen von der Telekomseite raten, das nicht allzu sehr nach vorne zu tragen, sonst werden sie es am Ende noch tun müssen."
  • Stephan Korehnke von Vodafone D2 bezog die Gegenposition (siehe auch seine Vortragsfolien) - er will, dass zusätzlich zu den aus seiner Sicht ohnehin klaren 72 MHz (790 bis 862 MHz) noch weitere 90 MHz für Telekomanwendungen freigemacht werden. Auflagen zur Flächenversorgung sollen nur "mit Augenmaß" erteilt werden (soll wohl heißen: gerade nicht für die wirklich ländlichen Gebiete). Bei der "Förderung kultur- und medienpolitischer Zielsetzungen wie zB kulturelle Vielfalt und Medienpluralismus" setzte Korehnke in seinen Vortragsfolien ein Fragezeichen: die Liberalisierung der Frequenzverwaltung soll nach Ansicht von Vodafone D2 offenbar ohne Berücksichtigung dieser Kriterien erfolgen.
Man kann nun gespannt sein, wie sich der österreichische "pragmatische Ansatz" entwickeln wird und ob sich daraus gar einmal so etwas wie eine nationale Frequenzpolitik und -strategie (siehe Art 3 Abs 1 lit b der Entscheidung über die einheitliche Bereitstellung von Informationen über die Frequenznutzung in der Gemeinschaft) entwickeln könnte (siehe dazu auch hier)

PS: Die britische Regulierungsbehörde Ofcom, in ihrer Eigenwahrnehmung immer schon "leader within Europe in planning for the release of a digital dividend", hat übrigens heute ein Konsultationsdokument (Kurzfassung, Presseinfo) veröffentlicht, in dem sie eine Änderung des bisherigen Planes zur Diskussion stellt. Im Hinblick auf die - nach dem Ergebnis der Weltfunkkonferenz eigentlich wenig überraschende - Entscheidung anderer EU-Staaten, vorrangig das Spektrum von 790 bis 862 MHz (auch) dem Mobilfunk zur Verfügung zu stellen, will sich Ofcom nun dieser Entwicklung anschließen und den alten Plan entsprechend abändern. Und es wäre nicht Ofcom, würde nicht selbst dieser Rückzieher, der einiges an früheren Planungen und auch Frequenzzuteilungen obsolet macht, noch mit Milliardengewinnen für die Volkswirtschaft angepriesen: "We estimate these net benefits, conservatively, at £2-3 billion in net present value (NPV)." Dagegen nehmen sich die Kosten für den Rückzieher bescheiden aus: "We believe the costs of clearing channels 61, 62 and 69 will be modest compared to the benefits. Our estimate is that these costs lie in the range of about £90-200m."

PPS: In den USA ist der geplante Umstieg auf digitale terrestrische Verbreitung am 17. Februar noch immer nicht ganz klar (siehe zB hier oder hier). Bemerkenswert ist die Drastik, mit der der derzeit amtierende interimistische Vorsitzende der FCC, Mcihael J. Copps, die Situation in einer Ansprache am vergangenen Freitag beschrieben hat: "... we never really dug deep enough to understand all the consequences that would attend the DTV transition ... we didn’t have a well thought-out and coherent and coordinated plan to ease the transition ... we didn’t have a sense of real urgency until it was too late. ... Unfortunately, things don’t look any better now ... If anything, they look worse. At this point, we will not have — we cannot have — a seamless DTV transition." Und vier Tage zuvor hatte Copps noch in einer Ansprache vor den Mitarbeitern der FCC dringend dazu aufgerufen, sich für das "DTV volunteer team" zu melden. [update 5.2.2009: der Umstellungszeitpunkt wurde nun doch auf 12. Juni 2009 verschoben - Fernsehsender können aber auch wie geplant schon am 17. Februar umstellen; siehe die Public Notice der FCC]