Das interessante Detail in diesem Zusammenhang ist die Reaktion des ORF in seiner Stellungnahme des ORF vom 19. Jänner 2009; wörtlich heißt es dort:
"Die Erstellung eines sinnvollen Gesamtstrategiekonzepts ist nun auch möglich, da wesentliche Voraussetzungen wieAbgesehen davon, dass man die Kenntnis des voraussichtlichen Ausgangs des EU-Verfahrens genauso wie der Auswirkungen der Digitalisierung bei den Verantwortlichen im ORF schon deutlich früher als zu Beginn des Jahres 2009 voraussetzen könnte, ist jedenfalls der Fatalismus dieser Stellungnahme bemerkenswert. Das Motto "solange wir die Zukunft nicht kennen, ist eine sinnvolle Planung nicht möglich" hilft natürlich sehr beim Vermeiden von Fehlplanungen - aber dann stellt sich doch die Frage, was heute wirklich anders ist: kennt der ORF tatsächlich schon die Auswirkungen dieser Wirtschaftskrise? Oder der nächsten? Kann man vernünftig planen, wenn man das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung nicht kennt? Oder sollte der ORF vielleicht mit dem Strategiekonzept einfach noch ein wenig warten, bis klar ist, ob er überhaupt noch eines braucht? Und dann ist da noch die Frage, wie umfangreich ein "umfassendes Strategiedokument" sein muss: reichen eigentlich drei Seiten wie beim Qualitätssicherungssystem?
-- voraussichtlicher Ausgang des EU-Verfahrens
-- Auswirkungen der Digitalisierung
-- Empfehlungen des Rechnungshofs
-- Regierungsprogramm der Bundesregierung
-- Auswirkungen der größten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte
bekannt sind und eindeutige Festlegungen durch den Stiftungsrat im Hinblick auf die Erhaltung des Gesamtportfolios der Produkte des ORF in der Sitzung vom 8. Oktober 2008 beschlossen wurden. Ein umfassendes Strategiedokument ohne Einbeziehung dieser Faktoren wäre sinnvoll nicht erstellbar gewesen. Nun wird ein Gesamtstrategiekonzept, das auf den oben genannten Grundlagen aufbaut, im Frühjahr vorbereitet und für die Sitzung am 2. April 2009 dem Stiftungsrat vorgelegt." (Hervorhebung hinzugefügt)
Und damit zu etwas ganz anderem (und doch auch wieder nicht): einer Presseaussendung des ORF vom heutigen Tag war zu entnehmen, dass die Gratiszeitung "Heute" etwas schrecklich Falsches geschrieben haben muss. Glücklicherweise ist dieser "Artikel", der zum Verständnis der ORF-Aussendung notwendig ist, auch tatsächlich noch online zu finden. "Heute" nennt dort Zahlen über die angebliche Gage eines Opernball-Moderators, der ORF weist diese als falsch (zu hoch) zurück und betont auch, dass das Honorar natürlich nicht nur für die Moderation des einen Abends, sondern auch für die Vorbereitung ("wochenlange intensive Vorbereitungs- und Recherche-Arbeit") und weitere Termine bezahlt wird.
Interessant ist daran aus meiner Sicht nur, dass laut ORF-Aussendung noch Verhandlungen mit den Moderatorinnen und Moderatoren geführt werden und keine ausverhandelten Verträge existieren. Wenn man jetzt berücksichtigt, dass wochenlange intensive Vorbereitungszeit notwendig ist und auch mit dem (noch nicht existierenden) ModeratorInnen-Vertrag honoriert wird, dann ginge sich das ab Vertragsschluss, wann immer der sein wird, nicht mehr aus, denn der Opernball findet schon in zehn Tagen statt. Also haben die - schon Mitte Dezember des Vorjahres präsentierten - ModeratorInnen wohl bislang ohne Vertrag gearbeitet und befinden sich nun in einer verhandlungstaktisch zumindest interessanten Position gegenüber dem ORF: denn dieser wird ja wohl kaum noch andere ModeratorInnen engagieren können, wenn es zu keiner Einigung mehr kommt - sehr viele Menschen, die sich wochenlang intensiv recherchierend auf den Opernball vorbereitet haben (und nicht bei einem anderen Sender arbeiten), dürfte es kaum geben.
Der ORF betont auch, dass er "keine Vertragsdetails, also auch solche über die Höhe von Honoraren öffentlich macht." Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, der in typischer Verkörperung der deutschen Staatsferne des Rundfunks im Verwaltungsrat des ZDF sitzt, hat in einem FOCUS-Interview gerade das für das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen gefordert. Außerdem regte Müller an, "eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den Anstalten und der Politik einzusetzen, 'die die Dinge kritisch aufarbeitet und einen Verhaltenskodex entwickelt, vergleichbar mit den Good-Governance-Regeln in der Wirtschaft'."
Da fällt mir ein: letztes Jahr war laut Zeitungsmeldungen im ORF-Stiftungsrat wieder einmal "über die Fortschritte bei der Erarbeitung eines freiwilligen 'Corporate Governance" Kodex' berichtet worden; die Arbeitsgruppe dazu gibt es seit 2006. Aber vielleicht war auch dieser Kodex sinnvoll erst erstellbar, als das neue Regierungsprogramm (dazu hier, hier und hier) bekannt wurde, in dem es heißt: "Es soll ein Corporate Governance-Kodex für das Unternehmen [ORF] gelten, differenziert nach Organmitgliedern und MitarbeiterInnen."
Wenn man sich freilich auch mit Dingen wie einem Corporate Governance Kodex solange Zeit lässt, bis das Thema Inhalt eines Regierungsprogramms wird, dann darf man sich wahrscheinlich nicht wundern, wenn im schon zitierten "Heute"-Artikel der Medienstaatssekretär als "der eigentliche 'Ober-Boss' der ORF-Truppe" bezeichnet wird (auch wenn er das, wie ich hier vorsichtshalber anmerken muss, natürlich nicht ist).
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