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Monday, December 10, 2012

Diesmal keine stille Lösung: Wird die Bundeswettbewerbsbehörde bei der Yesss!-Übernahme durch die TA "von Anwälten bedroht"?

Wie immer man die vom Kartellgericht (nicht rechtskräftig) genehmigte Übernahme des Mobilfunkers Yesss! durch die A1 Telekom Austria AG (Zusammenschlussanmeldung) sehen mag, eines scheint klar: nach einer "stillen Lösung" zwischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und Telekom Austria (TA) sieht es derzeit nicht gerade aus (was sicher nicht daran liegt, dass der Generaldirektor der BWB bei der TA einen ihm persönlich vertrauten Ansprechpartner nach Bekanntwerden eines eher informellen Mails verloren hat).

Darauf deutet jedenfalls die interessante Pressearbeit der BWB hin*), die nun zu einem etwas aufgeregten Bericht im Wirtschaftsblatt geführt hat - wohl nicht zufällig ausgerechnet am Beginn jener Woche, in der die EU-Kommission ihre (erwartet: positive) Entscheidung zur Übernahme von Orange Austria durch Hutchison 3G Austria - dem Kernstück des Gesamtdeals - bekanntgeben wird.

Der Artikel im Wirtschaftsblatt beginnt recht dramatisch: "Im Übernahmepoker um Orange/Hutchison und Telekom Austria/Yesss verschärfen sich die Fronten. Wie das WirtschaftsBlatt erfahren hat, wurde die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im Verfahren Telekom/Yesss von Anwälten der beteiligten Unternehmen bedroht."

Wer jetzt aber an eine gefährliche Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) denkt, liegt ziemlich falsch: das Drohpotenzial erschöpft sich offenbar in der Ankündigung möglicher Amtshaftungsklagen, falls die BWB Rekurs gegen den - den Zusammenschluss genehmigenden - Beschluss des Kartellgerichts erheben sollte. Außerdem, so wird der Sprecher der BWB weiter zitiert, habe "man" (wer immer das sein mag, Namen werden nicht genannt) "schon verhohlen mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs gedroht, falls wir daran denken ein Rechtsmittel zu ergreifen".

Amtsmissbrauch durch Rekurserhebung?
Nun bin ich nicht sicher, ob der BWB-Sprecher die ihm zugeschriebenen Zitate autorisiert hat (angesichts der professionellen Beratung würde ich das zwar grundsätzlich annehmen, angesichts des Inhalts der Zitate aber eher nicht), aber eine "Drohung" mit dem "Vorwurf des Amtsmissbrauchs" (§ 302 StGB) - sollte es sie tatsächlich gegeben haben - könnte wohl niemandem in der BWB begründete Besorgnisse einflößen. Das Delikt des Amtsmissbrauchs setzt nämlich Schädigungsvorsatz und wissentlichen Befugnismissbrauch voraus - und da wäre ich doch sehr neugierig, wo man im Fall der Erhebung eines Rechtsmittels dafür irgendwelche Anhaltspunkte finden könnte.

Ich neige daher zur Annahme, dass das mit dem Amtsmissbrauch missverstanden wurde und eigentlich - wie in zwei anderen Zitaten des BWB-Sprechers - Amtshaftung gemeint war. Nach dem Amtshaftungsgesetz haftet (ua) der Bund, "nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als [seine] Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben".

Amtshaftung wegen Rekurserhebung?
Ein etwaiger Amtshaftungsanspruch wegen eines von der BWB erhobenen Rekurses könnte sich nur auf jenen Schaden richten, der sich aus der Verzögerung der Durchführung des Zusammenschlusses aufgrund des Rechtsmittelverfahrens ergeben könnte. Zudem müsste das Handeln der Organe der BWB rechtswidrig sein, was bei der Erhebung eines der BWB offen stehenden Rechtsmittels zunächst einmal nicht anzunehmen ist und nur bei von vornherein aussichtsloser und schlechthin mutwilliger Verfahrensführung in Betracht käme. In der ständigen Rechtsprechung des OGH werden die Voraussetzungen für den Ersatz eines Schadens wegen Verfahrensführung recht eng gefasst (hier zitiert aus dem Beschluss vom 13.03.2008, 6 Ob 18/08b):
"Ersatz eines aufgrund einer Verfahrensführung erlittenen Schadens kann nur dann in Frage kommen, wenn der, der später das Verfahren verliert, wusste oder wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder den tatsächlichen Voraussetzungen entbehrte oder von vornherein unhaltbar war, dessen ungeachtet jedoch das Verfahren führte, um für sich irgendeinen Vorteil zu erreichen (vgl RIS-Justiz RS0020727); der von ihm eingenommene Rechtsstandpunkt musste bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen beziehungsweise musste das Verfahren überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig geführt worden sein (1 Ob 223/03f; ebenso RIS-Justiz RS0022854, RS0022840); dabei ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen und vor allem zu berücksichtigen, dass das Recht eines jeden, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe des Gerichts oder der sonst zuständigen Behörde in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit für die Rechtsverteidigung belastet werden darf (RIS-Justiz RS0022796, RS0022781; 5 Ob 261/02x = MietSlg 54.176)."
Auch die behauptete "Drohung" mit Amtshaftungsklagen für den Fall, dass die BWB ein Rechtsmittel erhebt, scheint daher nur sehr begrenzt als "Einschüchterungsversuch" (so das Wirtschaftsblatt) tauglich. Dass der Sprecher der BWB es noch nie erlebt hat, dass der Behörde "schon prophylaktisch mit Amtshaftungsklage" gedroht werde, verwundert mich übrigens auch ein wenig - das Ankündigen möglicher Amtshaftungsfolgen für den Fall einer missliebigen behördlichen Entscheidung würde ich durchaus zum Standardrepertoire anwaltlicher Argumentationsmuster zählen (genauso wie man einen Vertragspartner, von dem man vertragswidriges Verhalten befürchtet, auf die möglichen Schadenersatzansprüche hinweist)

Das heißt natürlich nicht, dass die beteiligten Unternehmen die Lage ganz entspannt sehen dürften - immerhin hängt laut Medienberichten der gesamte Deal der Orange-Übernahme durch Hutchison auch an der Bedingung, dass die Yesss!-Übernahme durch die TA genehmigt wird. Trotz der für diese Woche zu erwartenden Genehmigung der EU-Kommission für die Orange-Übernahme durch Hutchison könnte der Gesamtdeal daher noch durch einen Rekurs der BWB und/oder des Bundeskartellanwaltes gegen die kartelllgerichtliche Genehmigung des Yesss!-Übernahme verzögert werden (oder gar - wenn der OGH als Kartellobergericht einem Rekurs Folge gibt - scheitern).

Die von den beteiligten Unternehmen angestrebte "Konsolidierung" des österreichischen Mobilfunkmarktes hätte auch eine gewisse Signalwirkung; zumindest wird das bei der New York Times so gesehen (die NYT meint allerdings auch, dass der Deal nun die Anforderungen der BWB erfülle). Was man sich von einem konsolidierten Markt erwartet, hat auch der einzige nicht direkt in den Deal eingebundene österreichische Mobilnetzbetreiber zuletzt recht deutlich gemacht: der neue CEO erzählt gerne von einer "die gesamte österreichische Mobilfunkbranche" betreffenden Ertragsschwäche, für die die Verantwortung "zu einem guten Teil bei der Branche selbst liege"; die Firmen stünden heute "alle gemeinsam vor einem Scherbenhaufen und fragen sich, was sollen wir tun". Wie eine Antwort darauf aussehen könnte, teilt er der Presse auch gerne mit: "Zwei Euro mehr pro Kunde, und T-Mobile hat keine Probleme" heißt es da zum Beispiel, oder "Abkehr vom All-inclusive-Tarif". Man kann gespannt sein, ob die Wettbewerber - egal ob der Orange/Hutchison-Deal durchgeht - die Signale aufnehmen.

Verfahren vor der EU-Kommission:
Im Zusammenschlussfall M 6.497 Hutchison 3G Austria / Orange Austria läuft die verlängerte Entscheidungsfrist der Kommission am 21.12.2012 aus. Die Entscheidung der Kommission dürfte diese Woche fallen; nach weiteren Zugeständnissen von Hutchison im Frequenzbereich wird allgemein eine Genehmigung durch die Kommission erwartet (siehe etwa den Bericht bei Reuters oder in der NYT). Die von Hutchison am 11.11.2012 abgegebene Verpflichtungserklärung gegenüber der EU-Kommission ist übrigens als Anlage zu einem Maßnahmenentwurf der Telekom-Control-Kommission im Web veröffentlicht.
Update 12.12.2012: erwartungsgemäß hat die Kommission heute die Übernahme unter Auflagen genehmigt (Pressemitteilung der Kommission); bedauerlich ist, dass wieder einmal die falsche Behörde genannt wird, die in Östtereich die Frequenzversteigerung vornehmen wird: das wird natürlich nicht die RTR, sondern die Telekom-Control-Kommission sein..

Verfahren vor der Telekom-Control-Kommission:
Weiters ist auch ein Verfahren zur Genehmigung einer wesentlichen Änderung der Eigentümerstruktur der Orange Austria aufgrund der Übernahme durch Hutchison 3G Austria gemäß § 56 Abs 2 TKG 2003 vor der Telekom-Control-Kommission (TKK) anhängig. Die TKK hat dazu am 28.11.2012 den Entwurf einer Vollziehungshandlung veröffentlicht, zu dem "bis spätestens 10.12.2012 (12:00 Uhr, einlangend bei der Behörde)" Stellung genommen werden kann - auch die Entscheidung der TKK dürfte daher in dieser Woche (wohl zeitlich abgestimmt mit der EU-Kommission) fallen; nach dem veröffentlichten Entwurf ist die Genehmigung zu erwarten (aber natürlich nicht sicher, solange die endgültige Entscheidung nicht getroffen und zugestellt ist). Der Entwurf der Vollziehungshandlung enthält übrigens auf Seite 10 wieder einmal eine recht nützliche Übersicht über die aktuelle Frequenzausstattung der österreichischen Mobilnetzbetreiber und wie sich diese nach der geplanten Fusion ändern würde.

Update 14.12.2012: Mit Bescheid der TKK vom 13.12.2012, F 1/12-59, wurde die wesentliche Änderung der Eigentümerstruktur genehmigt. Außderdem erfolgte mit Bescheid der TKK vom 13.12.2012, F 6/12-9 (zu den Anlagen siehe hier), die Genehmigung von Frequenzüberlassungen zwischen Orange Austria, Hutchison 3G Austria, 3G Mobile und A1 Telekom Austria, die im Zusammenhang mit der Übernahme der Yesss! durch dei TA stehen; außerdem sollen die Überlassungen eine Defragmentierung des Spektrums der beteiligten Mobilnetzbetreiber bewirken.

Update 21.12.2012: Haben die "Drohungen" gewirkt? Die Bundeswettbewerbsbehörde hat jedenfalls heute erklärt, keinen Rekurs gegen den Beschluss des Kartellgerichts zur Genehmigung der Übernahme von Yesss! durch die Telekom Austria einzubringen. Von den noch vor zehn Tagen so dunkel beschworenen "Drohungen" liest man heute allerdings nichts mehr. Die Begründung der BWB, weshalb sie auf den Rekurs verzichtet, klingt aber doch ein wenig trotzig: Die Entscheidung des Kartellgerichts, so wird die BWB in den Medien zitiert, sei "zwar mangelhaft, jedoch vor dem Kartellobergericht (OGH) nicht mit Aussicht auf Erfolg bekämpfbar". Diese Einstellung - "egal was das Gericht sagt, ich habe Recht" - kennt man sonst eher von "Personen mit verdichtetem Rechtsbewusstsein" als von staatlichen Behörden (aber die BWB tat sich ja auch schon mit anderen Entscheidungen des Kartellgerichts recht schwer).
Eine nachvollziehbare und schlüssig begründete Erklärung, weshalb er keinen Rekurs erhebt, gibt übrigens der Bundeskartellanwalt (der ebenso wie die BWB als Amtspartei berechtigt wäre, das Rechtsmittel zu ergreifen).

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*) die BWB wird "strategisch in allen Kommunikationsfragen" von einer professionellen - auch in Sachen Litigation PR aktiven - Agentur beraten.

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