Nun hat ORF-Generaldirektor Wrabetz, nach ersten politischen Reaktionen auf die Wünsche des ORF, in einer Publikumsratssitzung seine Vorschläge ein wenig modifiziert: anders als noch bei der Vorstellung des Modells im Oktober soll es nun für die Haushalte doch günstiger werden; in einer Aussendung des Publikumsrates heißt es:
Zur Diskussion um die geplante Haushaltsabgabe sagte ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz: "Das geplante System soll für 97 Prozent der Haushalte eine Vergünstigung bringen. Bei der Festsetzung eines neuen Beitrags besteht die Möglichkeit, die Abgabe günstiger zu gestalten und jene Mittel aus der ORF-Gebühr, die nun an Bund und Länder gehen, als Medienabgabe zweckzuwidmen." [Hervorhebung hinzugefügt]Daran ist zunächst schon bemerkenswert, dass von einer "geplanten Haushaltsabgabe" und einem "geplanten System" die Rede ist, obwohl bislang nicht viel mehr als der Wunsch des ORF bekannt ist und einige mehr oder weniger positive politische Reaktionen. Ich nehme durchaus an, dass ein haushaltsbezogenes System auch in Österreich kommen wird, aber von einem "geplanten System" zu sprechen, wenn man die eigenen Wünsche beschreibt, scheint mir doch noch recht mutig.
Außerdem fällt auf, dass von einem neuen Beitrag die Rede ist, weiters von der Möglichkeit, die Abgabe günstiger zu gestalten, und schließlich davon, dass "jene Mittel aus der ORF-Gebühr, die nun an Bund und Länder gehen", zweckgewidmet werden könnten (zum Teil eben wieder für den ORF). Das Wort Programmentgelt, das die derzeitige Hauptfinanzierungsquelle des ORF ist, kommt in diesem Zusammenhang nicht vor (wird aber in derselben Presseaussendung in anderem Zusammenhang durchaus genannt).
Der ORF scheint sich also in seinen Wünschen nach einem neuen Beitrag ein wenig vom Konzept des Programmentgelts zu entfernen, das jedenfalls dem Grundsatz nach auf eine Leistungs-/Gegenleistungsbeziehung hinweist. Der Begriff "Beitrag (oder, wie die deutsche Bezeichnung ab 1.1.2013: "Rundfunkbeitrag") setzt diese Austauschbeziehung nicht voraus. (Sicherheitshalber merke ich hier nur noch an, dass es natürlich keine "ORF-Gebühr" gibt und daher auch keine Mittel aus der "ORF-Gebühr" an Bund und Länder fließen).
Dass die Möglichkeit besteht, die Abgabe günstiger zu machen, bedeutet - im Gesamtkonzept des ORF-Vorschlags - nicht notwendigerweise, dass der dem ORF zufließende Beitrag günstiger im Sinne von "für den einzelnen Haushalt billiger als jetzt" sein muss. Damit könnte zum einen auch gemeint sein, dass das Gesamtssystem (inklusive der dem ORF vorschwebenden "Medienabgabe") "günstiger" sein müsse. Zum anderen - und vor allem - aber sagt das Wort "günstiger" nichts aus ohne Vergleichsbasis.
Die Frage ist also: günstiger als was? Wenn ein feststehender Betrag X nicht mehr durch 97% der Haushalte, sondern durch 100% der Haushalte aufgebracht werden muss, dann kann der auf den einzelnen Haushalt entfallende Betrag natürlich sinken. Geht man aber davon aus, dass im ersten Jahr der "Haushaltsabgabe" nicht bloß der Betrag X, sondern ein Betrag von X+Y erforderlich ist, dann muss die Belastung des einzelnen Haushalts in Vergleich zum zuletzt bezahlten Betrag nicht sinken.
Angesichts der sonstigen Botschaften des ORF im Zusammenhang mit dem Vorstoß für eine "Haushaltsabgabe" (zB "Valorisierung", "Nachhaltigkeit" und "Refundierung der Gebührenbefreiung") würde ich nicht annehmen, dass die "Haushaltsabgabe" für die einzelnen Haushalte zu einer Verbilligung gegenüber dem derzeit als Programmentgelt gezahlten Betrag führen wird - aber es lässt sich natürlich allemal darstellen, dass die neue Regelung insofern "günstiger" für die einzelnen (derzeit schon Programmentgelt zahlenden) Haushalte ist, als der zu finanzierende Gesamtbetrag sich dann eben auf eine größere Grundgesamtheit von Haushalten verteilen wird.
Auch nach der vom Generaldirektor nun dem Publikumsrat präsentierten Modifikation des ORF-Modells, die der Standard auf "eine kleine Kampagne in der Krone, Widerspruch der ÖVP und [vom] eigenen, bürgerlichen Finanzdirektor" zurückführt, sollte man die APA-Schlagzeile "Wrabetz: Haushaltsabgabe soll Verbilligung bringen" daher nicht unbedingt wörtlich verstehen. Im Zweifel sollte man wohl eher die von der ORF-Unternehmenskommunikation verantwortete Aussendung lesen: "billiger" kommt dort jedenfalls nicht vor - nur "günstiger".
Die wirkliche Grenze: das Nettokostenprinzip
Vor allem aber ist bei der gesamten Diskussion um die Finanzierung des ORF per "Haushaltsabgabe" (Beitrag?) oder Programmentgelt zu beachten, dass es nicht nur darum geht, § 31 ORF-Gesetz zu novellieren, sondern dass die derzeit darin getroffenen Regelungen ihre Grundlage im Beschluss der Europäischen Kommission vom 28.10.2009 (Staatliche Beihilfe E 2/2008 - Finanzierung des ORF) finden und die in diesem Beschluss gesetzten Grenzen auch bei jeder Neuregelung eingehalten werden müssen.
Der Kommissionsbeschluss - ebenso wie die Rundfunkmitteilung der Kommission (im Blog dazu zB hier) - begrenzt die Beihilfenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls nach dem Nettokostenprinzip: der "Betrag der öffentlichen Ausgleichszahlung" (dazu zählen die Einnahmen aus Programmentgelten oder "Haushaltsabage") darf demnach "grundsätzlich die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags auch unter Berücksichtigung anderer direkter oder indirekter Einnahmen aus diesem Auftrag nicht übersteigen" (Rundfunkmitteilung, Abs 71); Überkompensierungen sind nur sehr beschränkt - in der Regel nicht mehr als 10% - zum Ausgleich von Kosten- und Einnahmenschwankungen zulässig (zur konkreten österreichischen Situation siehe dazu die Absätze 244 bis 258 in der Kommissionsentscheidung zur ORF-Finanzierung).
Effizienzsteigerung?
Nach der ORF-Aussendung vom 17.10.2012 soll das neue Modell auch "effizient sein (Senkung der Kosten der Einhebung)". Auf den ersten Blick scheint es auch naheliegend, dass die Umstellung von einem geräte- zu einem haushaltsbezogenen Entgelt/Beitrag Ressourcen bei der bisherigen "Schwarzseher"-Fahndung einsparen kann. Die ersten Erfahrungen im Prozess der Umstellung in Deutschland sind da aber offenbar nicht allzu ermutigend: die Gebühreneinzugszentrale GEZ (sozusagen die deutsche GIS) stockt angeblich Personal auf, was den Ökonomen Justus Haucap zu recht drastischer Kritik veranlasste (man muss aber anmerken, dass diese Kritik auf einem Blog der Industrielobby INSM veröffentlicht wurde; die INSM ist seit Auffliegen ihrer Schleichwerbung in der ARD-Serie "Marienhof" deutlich kritisch gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk).
Derzeit gibt es in Österreich keine Abgabe oder Steuer, die bundesweit einheitlich am "Haushalt" ansetzt, und daher existiert auch keine entsprechende verlässliche Datenbasis (die beste bundesweite Übersicht darüber dürfte tatsächlich die GIS haben). Die Abgrenzung, wann ein eigenständiger Haushalt vorliegt (etwa in Wohngemeinschaften, Nebenwohnsitzen, Zusammenleben mehrerer Generationen unter einem Dach etc.) ist aber keineswegs immer trivial - auch dazu würden bei einer Umstellung also wohl Ressourcen der bisherigen "Schwarzseher"-Fahndung gebraucht. Wie groß die Effizienzsteigerung bei der Einhebung einer haushaltsbezogenen Abgabe statt des bisher gerätebezogenen Programmentgelts daher sein würde, lässt sich daher nur sehr schwer einschätzen.
Zusammenfassend:
Ein System, in dem 100% der Haushalte für die ORF-Beihilfenfinanzierung aufkommen, muss zwangsläufig für den einzelnen zahlenden Haushalt günstiger sein im Vergleich zu einem System wie dem aktuellen, in dem dafür nur ca. 97% der Haushalte aufkommen (unter der Annahme, dass sich bei den Betrieben, von denen der ORF derzeit nicht spricht, keine Änderungen ergeben). Dass es "billiger" wird (in dem Sinne, dass der geleistete Betrag absolut sinkt), das kann man aber wohl nicht erwarten.
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