Bei den in Österreich derzeit diskutierten Inseratenaffären geht es im Kern um den Vorwurf, Politiker hätten sich durch großzügiges Inserieren auf Kosten von Ministerien oder staatsnahen Betrieben das Wohlwollen der solcherart geförderten Medien sichern wollen (wie das etwa bei der Gratiszeitung "Heute" funktioniert haben dürfte, hat dossier.at recherchiert und hier dokumentiert).
Eine andere Art der Inseratenaffäre gab es vor einigen Jahren in Rumänien: dort wurde behauptet, dass investigative Journalisten kompromittierendes Material über Politiker und Geschäftsleute zusammengetragen hätten, um diese damit zu erpressen: von der Veröffentlichung des belastenden Materials würde abgesehen, wenn entsprechende Inseratenaufträge erteilt würden.
Diese Vorfälle bilden den Hintergrund zu dem aktuell beim EGMR anhängigen Beschwerdefall Man und andere gegen Rumänien (Appl. no. 39273/07), in dem vor kurzem das "Statement of Facts" an den betroffenen Staat verschickt wurde. Hauptbeschwerdeführer ist Liviu Man, ein früherer BBC-Journalist und regionaler Direktor des rumänischen Fernsehens, nun Chef einer Zeitungsgruppe in Rumänien. In seinen Zeitungen wurde schwerpunktmäßig über Korruption auf hoher Ebene und über Fehlverhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft berichtet.
Im Jahr 2005 begann die Anti-Korruptionseinheit der Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Journalisten dieser Zeitungsgruppe wegen des Verdachts der Erpressung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Grund dafür waren Beschwerden lokaler Politiker und Geschäftsleute - demnach hätten die Journalisten kompromittierendes Material zusammengetragen, das sie veröffentlichen wollten, wenn die Betroffenen keine Inserate buchten.
Nach einem Jahr Telefonüberwachung (mit 50.000 abgehörten Telefonaten) kam es am 30. Oktober 2006 zu Hausdurchsuchungen bei Liviu Man und vier weiteren Journalisten (und in der Folge auch in zwei Zeuitungsbüros). Liviu Man wurden Handschellen angelegt und er wurde zur Befragung zur Staatsanwaltschaft geführt, vorbei an Presse-und TV-Journalisten, die angeblich vom Staatsanwalt eingeladen worden waren. Einige der Ermittlungsschritte wurden später vom Gericht für unrechtmäßig erklärt; das Strafverfahren gegen die Journalisten ist aber noch anhängig.
Ob Herr Man und seine KollegInnen also tatsächlich investigativen Journalismus zur Erpressung und Inseratenbeschaffung betrieben haben, ist auch auf nationaler Ebene noch nicht geklärt (es gilt die Unschuldsvermutung, worauf ich schon wegen der von außen recht undurchsichtigen Situation in Rumänien besonders nachdrücklich hinweisen möchte). Vor dem EGMR ist diese Frage daher auch nicht Gegenstand, es geht vielmehr um Fragen im Zusammenhang mit den Wohnungs- und Bürodurchsuchungen und der Anhaltung der Journalisten.
Nur falls jetzt jemand auf eine Idee kommen sollte: Erpressung mit Recherche-Ergebnissen wäre natürlich auch in Österreich kein legales Geschäftsmodell zur Finanzierung von investigativem Journalismus.
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