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Monday, May 28, 2012

"direkt" interessant: Heimliche Filmaufnahmen als Sendungskonzept?

Üblicherweise schreibe ich ja nicht über das Fernsehprogramm, aber das hier könnte direkt interessant sein: "In dem spannenden und informativen Reportagemagazin werden aktuelle, bewegende und erregende Themen aus der Lebenswelt der Österreicherinnen und Österreicher aufgegriffen. Bewegende Reportagen und Geschichten über Schicksale und unzumutbare Zustände haben in der Sendung ihren Fixplatz. Außerdem ist das Team [...] mit versteckter Kamera in Österreich unterwegs und deckt diverse Missstände auf."

So beschreibt die Website des ORF die Sendung "direkt - das magazin" auf ORF eins. Nun ist zwar die Aufdeckung "diverser Missstände" durch dieses Magazin bisher an mir vorbeigegangen, aber ich finde es interessant, dass der versteckte Kameraeinsatz von vornherein Teil des Sendungskonzepts ist. Denn die Rechtslage für das Ausstrahlen heimlich gemachter Filmaufnahmen ist durchaus heikel (was der EGMR dazu sagt, werden wir im Fall Haldimann gegen Schweiz erfahren; siehe dazu schon hier). Und immerhin darf nach den Programmrichtlinien des ORF (Punkt 1.3.12) die "heimliche Bildaufnahme von Personen [...] nur in besonderen, durch den Zweck der Aufnahme gerechtfertigten Situationen und nach vorheriger Genehmigung seitens des/der zuständigen Direktors/Direktorin oder Landesdirektors/Landesdirektorin bei der Gestaltung von Programmelementen Verwendung finden."

Laut Standard-Bericht wird "direkt - das magazin" nun von der ORF-Fernsehdirektorin eingestellt. Vielleicht ist es ihr einfach zu viel geworden, Woche für Woche die versteckten Einsätze zum Aufdecken von Missständen zu genehmigen - oder vielleicht hat sie sich die Sendung auch einfach einmal angeschaut.*)
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*) Hier die (vollständige) Themenliste von "direkt - das magazin" der letzten vier Wochen (wörtlich dem ORF-Programm entnommen) - das mit dem Aufdecken von Missständen mit versteckter Kamera ist wohl eher ein Missverständnis:
  • 22.05.2012: Heiße Öfen, wilde Partys – Das GTI-Treffen am Wörthersee. Im Schatten von Trackshittaz – Fluch und Segen erfolgreicher Brüder. Beim Entrümpeln Geld verdienen – Wo funktioniert das besser: auf dem Flohmarkt oder im Internet?
  • 15.05.2012: „Dampfen“ statt „Rauchen“ - Ist die neue E-Zigaretten wirklich ungefährlich? Dancing Stars vor dem Finale - Der Countdown läuft. Bangkok, Bali, Kambodscha - Mit Gery Keszler unterwegs.
  • 08.05.2012: Abspeck Experiment – Die Stunde der Wahrheit für direkt-Reporterin Elisabeth Hötzl. Gefahrenquelle One-night-stand – wie sehr denken Österreicher noch an Verhütung? Schöntrinken – geht das überhaupt?
  • 24.04.2012: Chinesen in Wien - zwischen Integration und Parallelgesellschaft. Sechs Kilo in sechs Wochen: Direkt Reporterin Elisabeth Hötzl vor ihrem großen Abspeck-Experiment. Kony 2012: Wie Botschaften durch Facebook und Co eine Eigendynamik entwickeln können.

Return of the Cookie Monster? Auch die BBC produziert Falschmeldungen

Dieser Tage ging wieder einmal das Cookie-Monster durch die Medien, auch in Österreich. Am Samstag erklärte die futurezone, dass "mit dem heutigen Datum, dem 26. Mai [2012]", eine "neue EU-Regel in Kraft" trete; die EU habe "heute eine 2006 beschlossene, überarbeitete Datenschutzrichtlinie in Kraft gesetzt." Immerhin verlinkt die futurezone zur Quelle ihrer Falschmeldung, zur BBC. Auf deren Website steht tatsächlich: "European laws that define what details sites can record in text files called cookies came into force on 26 May [2012]." Eine ähnliche Falschmeldung brachte das Wall Street Journal Blog. Interessant ist auch die Meldung auf dem beliebten deutschen Portal golem.de ("IT-News für Profis"), in der ebenfalls von einem Inkrafttreten am 26. Mai 2012 die Rede ist, aber ein Link auf die Richtlinie gesetzt wird; wer den Link anklickt, kann schon aus den Übersichtsdaten erkennen, dass die Richtlinie jedenfalls nicht erst am 26. Mai 2012 in Kraft getreten ist:
Richtig ist: die Richtlinie 2009/136/EG, von manchen auch als "Cookie-Richtlinie" bezeichnet, ist am 19. Dezember 2009 in Kraft getreten und war bis zum 25. Mai 2011 umzusetzen.*) Die jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die Richtlinie umgesetzt wurden, waren daher spätestens ab 26., Mai 2011 anzuwenden (bzw: wären ab diesem Zeitpunkt anzuwenden gewesen, denn nur wenige EU-Mitgliedstaaten haben die Bestimmungen rechtzeitig umgesetzt). Dass BBC, WSJ und andere nun von einem Inkrafttreten am 26. Mai 2012 berichten, hat einen einfachen Grund: das Information Commissioner's Office im UK, das die einschlägigen Bestimmungen des britischen Rechts vollzieht, hatte eine einjährige "Schonfrist" seit dem Inkrafttreten der britischen Umsetzungsbestimmungen am 26. Mai 2011 eingeräumt, bevor die tatsächliche Anwendung - notfalls mit Strafen - durchgesetzt werden sollte.

Inhaltlich geht es um die umstrittene Frage, wie Internetnutzer ihre Zustimmung zum Setzen und Auslesen von Cookies zum Ausdruck bringen können. Muss in jedem Fall ein Pop up-Fenster erscheinen, das über die konkreten Cookies umfassend informiert und einen Button zur Ablehnung der Cookies enthält? Oder reicht es vielleicht schon aus, dass Cookies generell über Browsereinstellungen abgelehnt werden können? Ich habe die österreichische Situation schon einmal kurz dargestellt und wollte das nun - "aus gegebenem Anlass" - etwas vertiefen:

Der Richtlinientext:
Die RL 2009/136/EG änderte die DatenschutzRL für elektronische Kommunikation (RL 2002/58) dahingehend ab, dass deren Art 5 Abs 3 nun lautet:
"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf  Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat. Dies steht einer technischen Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz ist oder wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann."
Vereinfacht gesagt: Speichern von und Zugreifen auf Cookies ist nur bei "informed consent" des Nutzers zulässig (oder wenn dies für einen ausdrücklich gewünschten Dienst zwingend notwendig ist). Erläutert wird das in Erwägungsgrund 66 der RL 2009/136/EG (vgl auch schon Erwägungsgründe 24 und 25 der RL 2002/58/EG):
"Es ist denkbar, dass Dritte aus einer Reihe von Gründen Informationen auf der Endeinrichtung eines Nutzers speichern oder auf bereits gespeicherte Informationen zugreifen wollen, die von legitimen Gründen (wie manchen Arten von Cookies) bis hin zum unberechtigten Eindringen in die Privatsphäre (z. B. über Spähsoftware oder Viren) reichen. Daher ist es von größter Wichtigkeit, dass den Nutzern eine klare und verständliche Information bereitgestellt wird, wenn sie irgendeine Tätigkeit ausführen, die zu einer solchen Speicherung oder einem solchen Zugriff führen könnte. Die Methoden der Information und die Einräumung des Rechts, diese abzulehnen, sollten so benutzerfreundlich wie möglich gestaltet werden. Ausnahmen von der Informationspflicht und der Einräumung des Rechts auf Ablehnung sollten auf jene Situationen beschränkt sein, in denen die technische Speicherung oder der Zugriff unverzichtbar sind, um die Nutzung eines vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich angeforderten Dienstes zu ermöglichen. Wenn es technisch durchführbar und wirksam ist, kann die Einwilligung des Nutzers zur Verarbeitung im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG über die Handhabung der entsprechenden Einstellungen eines Browsers oder einer anderen Anwendung ausgedrückt werden. Die Umsetzung dieser Voraussetzungen sollte durch die Stärkung der Befugnisse der zuständigen nationalen Behörden wirksamer gestaltet werden."
Österreichische Umsetzung
Art 5 Abs 3 der RL 2009/136/EG wurde in Österreich durch § 96 Abs 3 TKG 2003 umgesetzt (in Kraft getreten am 22.11.2011); dort heißt es:
"Betreiber öffentlicher Kommunikationsdienste und Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft im Sinne des § 3 Z 1 E-Commerce-Gesetz, BGBl. I Nr. 152/2001, sind verpflichtet, den Teilnehmer oder Benutzer darüber zu informieren, welche personenbezogenen Daten er ermitteln, verarbeiten und übermitteln wird, auf welcher Rechtsgrundlage und für welche Zwecke dies erfolgt und für wie lange die Daten gespeichert werden. Eine Ermittlung dieser Daten ist nur zulässig, wenn der Teilnehmer oder Nutzer seine Einwilligung dazu erteilt hat. Dies steht einer technischen Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein Kommunikationsnetz ist oder, wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Benutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann." 
Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung in der Regierungsvorlage (1389 BlgNR 24. GP) lauten Hervorhebung hinzugefügt):
"Zu § 96 Abs. 3:
In der Neuformulierung wird nun eine Zustimmung bzw. eine Einwilligung des Teilnehmers gefordert, die auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen getroffen werden muss. Damit wird im Wesentlichen sicher gestellt, dass die allgemeinen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes durch das Telekommunikationsgesetz 2003 nicht abgeschwächt werden. Der Informationspflicht kann für Dienste der Informationsgesellschaft etwa durch Aufnahme einer Datenschutzerklärung im verpflichtenden Impressum nachgekommen werden. Wenn dies technisch durchführbar ist, kann die Einwilligung des Nutzers zur Verarbeitung über die Handhabung der entsprechenden Einstellungen eines Browsers oder einer anderen Anwendung ausgedrückt werden."
Der Fachverband Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer geht davon aus, dass nach § 96 Abs 3 TKG 2003 "die Einwilligung des Nutzers zur Verarbeitung von Cookies über die entsprechenden Browsereinstellungen als erteilt" gilt (zusätzlich brauche man noch eine Datenschutzerklärung im Impressum der Website). 

Dass "informed consent" derzeit schon allein mit Browsereinstellungen sichergestellt werden kann, ist allerdings nicht als allgemeines - "herrschendes" - Verständnis der entsprechenden Richtlinienbestimmung anzusehen (vgl etwa die Position der Art 29-Datenschutz-Arbeitsgruppe zu Online Behavioural Advertising oder das CoCom-Dokument zu Art 5 Abs 3 der RL; vor allem dass die Zustimmung auch "spezifisch" sein muss, dürfte wohl gegen die Auffassung sprechen, dass eine einmalige Einstellung im Browser nach der Richtlinie schon ausreichen würde). Wie die Richtlinienbestimmung endgültig auszulegen ist, wird erst der EuGH entscheiden (darauf weist auch das CoCom-Papier hin: "It should be emphasized that the interpretation of European Union law is ultimately the role of the Court of Justice of the European Union."). Bis dahin scheint es mir angesichts der oben zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage aber nicht ausgeschlossen, dass die Auffassung der Wirtschaftskammer als vertretbare Rechtsansicht angesehen werden könnte, die damit zumindest vor einer Verurteilung nach dem UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch) schützen könnte.

PS: Dass Art 5 Abs 3 der DatenschutzRL für elektronische Kommunikation - ohne entsprechende Umsetzungsmaßnahme - unmittelbar anzuwenden wäre, wie dies der deutsche Bundesbeauftragte für den Datenschutz für die Situation in Deutschland meint, würde ich im Übrigen auch nicht gerade als herrschendes Verständnis der Richtlinie ansehen. Schon über die Frage, ob die Norm ausreichend bestimmt ist, ließe sich vielleicht diskutieren; mehr noch aber stellt sich aus meiner Sicht das Problem der "horizontalen Drittwirkung", da es hier in der Regel um eine Anwendung unter Privaten geht, also nicht um die Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Staat.

PPS: Die enormen praktischen Probleme mit der Umsetzung der "Cookie-Richtlinie" haben mittlerweile auch das Information Commissioner's Office im UK zu einem Rückzieher bewogen. Die revidierten Guidelines (siehe dazu auch hier) akzeptieren nun auch "implied consent" (konkludente Zustimmung), etwa wenn jemand auf einer Website weiter surft, nachdem er darauf aufmerksam gemacht wird, dass Cookies gespeichert werden.  

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*) Der korrekte Titel der RL lautet: "Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz."
In den Medien wird oft das Datum, bis zu dem eine RL in nationales Recht umgesetzt sein muss, (technisch unrichtig) als Datum des Inkrafttretens bezeichnet; dieser Irrtum wäre nicht weiter schlimm, würde dabei wenigstens das richtige Ende des Umsetzungszeitraums erwischt. 

Thursday, May 10, 2012

EGMR: positive Verpflichtung zum Schutz journalistischer Berufsausübung nach Art 10 EMRK - Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung

In seinem heute verkündeten Urteil im Fall Frasila und Ciocirlan gegen Rumänien (Appl. no. 25329/03; Pressemitteilung) hat der EGMR entschieden, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK auch dadurch verletzt werden kann, dass staatliche Behörden Gerichtsentscheidungen, die zugunsten von Journalisten ergangen sind, nicht wirksam durchsetzen und damit die journalistische Berufsausübung hindern.

Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt zeigt ein bemerkenswertes Sittenbild von Medien, Wirtschaft und Politik im Rumänien des beginnenden 21. Jahrhunderts, vor allem im Jahr 2002. Wie in den vom EGMR zitierten Berichten von NGOs und der Europäischen Kommission auch aufgezeigt wurde, war es damals offenbar nicht ungewöhnlich, dass "lokale Barone" auf kritische Berichte über ihre wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten mit Druck auf die Medieninhaber reagierten. Erleichtert wurde die Druckausübung dadurch, dass viele Medien hohe Abgabenschulden hatten und auf den guten Willen der rumänischen Behörden angewiesen waren.

Der Erstbeschwerdeführer hatte eine privates Rundfunkunternehmen (mit zwei Gesellschaften) aufgebaut und kritisch über einen "lokalen Baron" berichtet. Dieser drohte ihm an, für den Konkurs der Gesellschaften zu sorgen, und tatsächlich kam es wenig später zu einer unangekündigten Kontrolle der Finanzbehörde (deren Chef übrigens damals Partner des "Barons" in mehreren kommerziellen Gesellschaften war). Schließlich verkaufte der Beschwerdeführer - warum wohl? - eine der Gesellschaften ("Tele M.") an den "Baron" und an ein Unternehmen der Ehefrau des Sohns des Chefs der Finanzbehörde. Für den Fortbetrieb des Radiosenders wurde jedoch ein Vertrag zwischen den beiden Gesellschaften geschlossen, nach dem offenbar "Radio M. Plus" (die noch dem Erstbeschwerdeführer gehörte; die Zweitbeschwerdeführerin war Programmdirektorin) die wesentliche Programmleistung erbringen sollte. In der Folge kam es aber zu "Missverständnissen" zwischen den Gesellschaften, und den BeschwerdeführerInnen wurde von Vertretern der Tele M. der Zugang zu den Redaktionsräumen verwehrt.

Die BeschwerdeführerInnen erreichten eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, wonach ihnen Zutritt zu den Räumlichkeiten zu gewähren war. Die Vollstreckung dieser Entscheidung scheiterte aber trotz dreier Versuche; der Gerichtsvollzieher unternahm keine weiteren Anstrengungen, die Entscheidung durchzusetzen, insbesondere forderte er auch keine Untersützung durch die Polizei an.

Der Gerichtshof hielt fest, dass Rumänien keine direkte Verantwortung für das Handeln der Tele M trage, da es sich dabei um eine private Gesellschaft handelt. Der Beschwerdefall betrifft auch nicht die Unmöglichkeit der Verbreitung von Information und Ideen, sondern die Art der Ausübung eines Berufs, dem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine wesentliche Funktion in einer demokratischen Gesellschaft - die des Wachhunds - zukommt. Auch die Art der Berufsausübung ist aber nach Art 10 EMRK geschützt.

Dass die BeschwerdeführerInnen trotz Verweigerung des Zugangs zu den Radio-Redaktionsräumen journalistisch - durch Veröffentlichung von Artikeln in Printmedien - tätig sein konnten, half der Regierung nichts: es liegt weder am Gerichtshof noch an den nationalen Behörden, die journalistische Entscheidung für eine bestimmte Technik zu substitutieren; zudem können audiovisuele Medien oft einen viel unmittelbareren und stärkeren Eindruck machen als die Presse.

Der EGMR hält fest, dass die Rolle des Staates als höchter Garant der Vielfalt, vor allem bei audiovisuellen Medien, noch "unverzichtbarer" ("plus indispensable" - ist das nicht eine unzulässige Steigerung?) wird, wenn die Unabhängigkeit der Presse von außen von politisch und wirtschaftlich Mächtigen unter Druck gesetzt wird. Die konkrete Situation in Rumänien war daher besonders zu berücksichtigen:
64. En outre, la Cour rappelle que l’État est l’ultime garant du pluralisme, surtout pour ce qui est des médias audiovisuels dont les programmes se diffusent souvent à très grande échelle (Informationsverein Lentia et autres c. Autriche, 24 novembre 1993, § 38, série A no 276). Ce rôle devient d’autant plus indispensable lorsque l’indépendance de la presse souffre de pressions extérieures exercées par des politiciens et des détenteurs du pouvoir économique. En conséquence, il faut donc attacher une importance particulière au contexte de la liberté de la presse en Roumanie à l’époque des faits. Or, d’après les rapports établis par plusieurs organisations nationales et internationales, la situation de la presse en Roumanie pendant la période 2002-2004 n’apparaît pas comme ayant été satisfaisante [...]. Ces rapports soulignent, entre autres, que la presse locale se trouvait directement ou indirectement, sous le contrôle des responsables politiques ou économiques de la région. La Cour ne saurait ignorer que, dans la présente affaire, le requérant affirme avoir subi des pressions politiques et économiques qui ont abouti à la vente d’une partie de sa participation dans une société de télévision [...]. Dans ces conditions, les mesures que l’État devait prendre, vu son rôle de garant du pluralisme et de l’indépendance de la presse, sont d’une réelle importance.
Die nationalen Behörden hätten daher effektive Maßnahmen setzen müssen, um die BeschwerdeführerInnen bei der Durchsetzung der zu ihren Gunsten ergangenen Entscheidung zu unterstützen. Das "juristische Arsenal", das den BeschwerdeführerInnen zur Verfügung stand, hat sich allerdings als inadäquat und nicht effektiv erwiesen. Indem die nationalen Behörden die notwendigen effektiven Maßnahmen zur Unterstützung der BeschwerdeführerInenn bei der Vollstreckung der Gercihsentscheidung unterlassen haben, haben sie die Garantien des Art 10 EMRK jeder nützlichen Wirkung (effet utile) beraubt und die Ausübung des journalistischen Berufs in Frage gestellt: 
Or, l’essentiel de l’arsenal juridique mis à la disposition des requérants pour faire exécuter la décision qui leur était favorable, à savoir le système des huissiers de justice, s’est montré inadéquat et inefficace. De plus, en s’abstenant de prendre des mesures efficaces et nécessaires pour assister les requérants dans l’exécution de la décision judiciaire définitive et exécutoire précitée, les autorités nationales ont privé les dispositions de l’article 10 de la Convention de tout effet utile et ont remis en cause l’exercice de la profession de journaliste de radio par les requérants.
PS: juristisch interessant an diesem Fall ist auch noch die Frage der - von Rumänien betrittenen, vom Gerichtshof aber akzeptierten - Ausschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel, die ich hier aber nicht vertiefen möchte.
Schließlich wäre auch noch die Rolle der nationalen Rundfunkbehörde untersuchenswert, die (im Jahr 2008) ausgesprochen hat, dass Radio M Plus 2002 bis 2004 keinen Sendebetrieb ausgeübt hat. Ob eine aufrechte Lizenz bestanden hat oder nicht war aber nicht Gegenstand des EGMR-Verfahrens.

Update 25.09.2012: der EGMR hat nun auch eine kurze Zusammenfassung des Urteils veröffentlicht

Tuesday, May 08, 2012

Das nächste IKT-irgendwas wird durchs Dorf getrieben: der "IKT-Konvent"

Vor mehr als vier Jahren wurde im Beisein der damaligen Regierungsspitze (Kanzler, Vizekanzler) und diverser Vertreter der Telekom- und IKT-Wirtschaft die sogenannte "Internetoffensive" präsentiert (Bericht im Blog hier). Die legendären Fotos: "Alfred Gusenbauer, Wilhelm Molterer und Rudolf Fischer halten einen (überdimensionierten) USB-Stick" sind heute noch auffindbar, aber ihre - durchaus gegebene - Symbolkraft dürfte wohl nicht mehr jene sein, die sich die heutigen Spitzen der IKT-Wirtschaft wünschen.

Und weil es daher Zeit für ein Foto ist, auf dem die aktuelle Regierungsspitze mit den aktuellen Telekom- und IKT-CEOs zu sehen ist, findet am Freitag, 11.5.2012 wieder eine Veranstaltung statt, diesmal nennt man es bemüht salbungsvoll gleich "IKT-Konvent"*). Die Einladung betont, dass die Veranstaltung "unter Anwesenheit von Herrn Bundeskanzler Werner  Faymann und Herrn Vizekanzler Michael Spindelegger" stattfinden wird, und auf die Vorstellung der Arbeit der "Internetoffensive" sowie ihrer Zusammenarbeit mit dem "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft" der Bundesregierung freuen sich sechs CEOs und ein CTO, aber was bei diesem "Konvent" konkret passieren soll, lässt sich leider weder der persönlichen Einladung noch der Website wirklich entnehmen. Aber die Spannung bleibt natürlich: welches IKT- und/oder Internet-Symbol werden Kanzler, Vizekanzler und TA-CEO diesmal in die Hand nehmen? Mein Tipp wäre: "Faymann, Spindelegger und Ametsreiter halten ein Tablet" - aber wir werden ja sehen.

*) Update 11.05.2012: auf der "internetoffensive"-Website ist heute jeder Hinweis auf den Konvent verschwunden, stattdessen finde ich den netten Hinweis, dass der Internet-Auftritt der Internetoffensive gerade überarbeitet wird und man bloß noch 64 Tage darauf gespannt sein muss. Dass es den IKT-Konvent dennoch geben soll, kann man zumindest den Presseaussendungen von SPÖ und ÖVP über die Termine ihrer Partei-(und Regierungs-)Spitzen entnehmen (allerdings ist Bundeskanzler Faymann für 10.15 Uhr und Vizekanzler Spindelegger für 11.00 Uhr angekündigt).

PS: die Domain "ikt-konvent.at" wäre noch frei, falls sie wer haben möchte.
Update 14.05.2012: Schade, "Jedem Schüler sein Tablet" schreibt die Presse zwar über ihren Bericht zu diesem IKT-Konvent, aber für das von mir erwartete Foto "Faymann, Spindelegger und Ametsreiter halten ein Tablet" hat es dieses Jahr doch nicht gereicht. Das Bild "Ametsreiter deutet auf den eine blaue Mappe haltenden Bundeskanzler" ist kein wirklich vollwertiger Ersatz.