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Saturday, December 31, 2011

Kleiner Nachtrag zu den "Kontroll"-Behörden

Vor etwa einem Monat habe ich - aus damals aktuellem Anlass - hier zu erklären versucht, weshalb manche österreichische Regulierungsbehörden einen etwas merkwürdigen Namen mit "Control" in der Mitte tragen; außerdem habe ich mich verwundert gezeigt, dass die Behördenbezeichnungen in den Medien sehr häufig falsch geschrieben werden ("Kontroll-").

Ein Leser meines Blogs hat mir nun ein Urteil zukommen lassen, das zeigt, dass sich auch Richter gelegentlich mit den Behördenbezeichnungen schwer tun. In diesem Urteil eines Einzelrichters des Landesgerichts Klagenfurt, das schon vor rund zehn Jahren (09.08.2001) erlassen wurde, wird die (damalige) Elektrizitäts-Control-Kommission konsequent als "Elektrizitätskontrollkommission" bezeichnet, was an einer Stelle dann auch begründet wird:
"[...] die Elektrizitätskontrollkommission (im Gesetzestext: Elektrizitäts-"Control"-Kommission; die Verwendung des englischen Begriffes "Control" ist mit Rücksicht auf Art 8 B-VG und im Hinblick darauf, dass es sich nicht um eine ausländische, sondern [...] österreichische Einrichtung handelt, nicht verständlich)." 
Nun würde ich Art 8 B-VG, der die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, als Staatssprache der Republik festlegt, nicht zwingend dahin interpretieren, dass Behördenbezeichnungen immer und ausschließlich Begriffe der deutschen Sprache verwenden müssten - aber (rechtlich) interessant an den wohl eher persönlich motivierten Ausführungen des damals erkennenden Richters (die genaue Schreibweise der Behörde war nicht entscheidungserheblich) ist eher, dass die Elektrizitäts-Control-Kommission damals ausdrücklich mit mehreren Verfassungsbestimmungen (zB hier) in der Verfassung verankert war, also juristisch auf gleicher Ebene wie Art 8 B-VG.

Aber in Kärnten hat es mit der deutschen Sprache wohl eine besondere Bewandtnis, denn wie schrieb etwa der vor kurzem verstorbene Kärntner Schriftsteller Werner Kofler in einer Miniatur mit dem Titel "auf der behörde":
"nix
tua ma nix
umanonda-tischkarirn
nix, do
wer ma nit long
umanonda-tischkarirn
mir red ma
deitsch"
PS: und jetzt schick ich das/ Blog  wirklich in eine kleine Winterpause, wie ich sie schon anlässlich meines vorletzten Blogposts angekündigt habe.

Wednesday, December 28, 2011

Detail am Rande: der ORF und das Lobbying-Gesetz

Natürlich verfolge auch ich die aktuelle Debatte zu den kurz vor Weihnachten verkündeten ORF-Personalentscheidungen, von denen man ja nicht mehr recht weiß, ob sie schon getroffen wurden (in diese Richtung ging die ORF-Presseaussendung), oder ob doch noch BewerberInnen gesucht werden (worauf die Ausschreibung von drei dieser Positionen hindeuten würde). Aber zu diesen Personalgeschichten will ich mich ausdrücklich nicht äußern.

Als Detail am Rande interessant fand ich - in einem ganz anderen Zusammenhang - aber folgende Antwort von Thomas Prantner, der gerade noch Online-Direktor des ORF ist und laut ORF-Presseaussendung demnächst "stellvertretender Technischer Direktor"* des ORF sein wird, in einem aktuellen Interview mit dem Standard
"Ich gebe gerne zu, dass ich beim Zustandekommen der Zweidrittelmehrheit für das ORF-Gesetz 2010 versucht habe, bei Abgeordneten Überzeugungsarbeit im Interesse des Unternehmens zu leisten."
Das wäre natürlich eine ganz klassische Lobbyingtätigkeit im Sinne des - noch nicht beschlossenen - "Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetzes" (kurz: LobbyG). Der im Juni 2011 zur Begutachtung versandte Ministerialentwurf sollte für "alle Aktivitäten mit dem Ziel der direkten Einflussnahme auf einen bestimmten Entscheidungsprozess der österreichischen Gesetzgebung und Verwaltung" gelten (mit einigen, hier nicht relevanten Ausnahmen) und hätte insbesondere auch Unternehmenslobbyisten erfasst (Unternehmenslobbyist sollte nach der Definition in § 3 Z 4 des Entwurfs ein "Organ oder Dienstnehmer [sein], zu dessen Aufgaben es gehört, Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 [Lobbying] für seinen Dienstgeber auszuüben"). Wäre ein Gesetz mit dem Inhalt des Ministerialentwurfs zum Zeitpunkt der Prantnerschen Bemühungen schon in Geltung gestanden, dann wäre diese Tätigkeit registrierungspflichtig gewesen und hätte einem Verhaltenskodex unterliegen müssen.

Aus der Stellungnahme im Begutachtungsverfahren lässt sich entnehmen, dass der ORF seiner Einbeziehung in das LobbyG allerdings nicht viel abgewinnen konnte; wörtlich heißt es dort:
"Der ORF erfüllt [...] einen öffentlichen Auftrag. Aktivitäten, die dessen Erfüllung dienen, sind - vergleichbar der Funktion der öffentlichen Hand - Anliegen der Allgemeinheit. Aus diesem Grund regen wir an, die Tätigkeit des ORF in den Katalog der Ausnahmen von der Anwendung des geplanten Gesetzes in § 1 Abs 3 - allenfalls Abs 4 - aufzunehmen."
Mittlerweile gibt es eine Regierungsvorlage, bei der sich gegenüber dem Ministerialentwurf zwar nicht der Titel, aber doch einiges am Inhalt des geplanten Gesetzes verändert hat. Würde die Überzeugungsarbeit des Onlinedirektors (oder - wohl bei anderen Abgeordneten - anderer DirektorInnen oder des Generaldirektors) auch nach der Regierungsvorlage noch unter das LobbyG fallen? Die Antwort, nicht wirklich überraschend, lautet: Nein.

Denn erstens wurde der Begriff des Unternehmenslobbyisten neu definiert, sodass nur mehr "Organe oder Dienstnehmer eines Unternehmens, zu deren überwiegendem Aufgabenbereich Lobbying-Tätigkeiten für dieses Unternehmen oder für ein mit ihm in einem Konzern verbundenes Unternehmen gehören" erfasst sind. Ich würde nicht annehmen, dass die Direktoren überwiegend mit Lobbying beschäftigt sind.

Zweitens aber - und für den ORF noch wichtiger - soll das LobbyG nach der Regierungsvorlage "auf die Interessenvertretung durch die Sozialpartner und kollektivvertragsfähigen Einrichtungen" weitestgehend nicht anzuwenden sein (ausgenommen sind nur die Registrierungspflichten nach den §§ 9 und 12). Da der ORF nach § 48 Abs 5 ORF-Gesetz kollektivvertragsfähig ist, würde er also bei Gesetzwerdung der Regierungsvorlage schon aus diesem Grund den zentralen Verhaltenspflichten des LobbyG nicht unterliegen (die Erläuterungen verweisen zur Kollektivvertragsfähigkeit zwar auf § 4 ArbVG, der Gesetzesentwurf selbst differenziert aber nicht danach, ob die Kollektivvertragsfähigkeit nach dieser oder einer anderen gesetzlichen Bestimmung - wie zB für die Akademie der Wissenschaften oder eben den ORF - gegeben ist).

Auch der zukünftigen Überzeugungsarbeit des "stellvertretenden Technischen Direktors"* oder der echten ORF-DirektorInnen und des Generaldirektors (oder des Einsatzes der "politischen Kontakte", auf die Prantner im Presse-Interview hinweist) würde das LobbyG - sollte es in der Fassung der Regierungsvorlage im Nationalrat beschlossen werden - also keine Steine in den Weg legen.

PS, aber das ist ohnehin bekannt: Das Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks verlangt, dass die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der Rundfunkaufgaben betraut sind, gewährleistet ist.

*) Die Anführungszeichen bei "stellvertretender Technischer Direktor" habe ich gesetzt, weil das ORF-Gesetz zwar (ab 1.1.2012: maximal vier) DirektorInnen vorsieht, aber keine StellvertreterInnen. Auch ein sogenannter "stellvertretender Technischer Direktor" kann den technischen Direktor daher nicht bei jenen Aufgaben vertreten, die diesem nach dem Gesetz und der (vom Stiftungsrat zu beschließenden) Geschäftsverteilung zukommen. De facto aber könnte man wohl mit entsprechenden Handlungsvollmachten und Organisationsanweisungen eine Funktion einrichten, die der eines "stv. TD" weitgehend gleichkommt, sodass die Bezeichnung "stv. TD" wohl nur eine sprachliche Verkürzung eines vielleicht komplexeren Sachverhalts ist. Aber derzeit ist ja offenbar noch nicht einmal klar, ob die Bestellung Prantners für diese Funktion schon fix ist (so die ORF-Presseaussendung vom 23.12.2011), oder ob die Funktion nun ausgeschrieben wird (so ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann im APA-Interview) oder vielleicht doch wieder nicht (so verstehe ich jedenfalls ORF-Generaldirektor Wrabetz in einem wenig später veröffentlichten APA-Interview).

Saturday, December 24, 2011

Gegen Jahresende ...





Ich bedanke mich bei den treuen wie auch bei den bloß gelegentlichen Leserinnen und Lesern dieses Blogs für das Interesse. Nun kommt erst mal eine Art Winterpause, denn planmäßig - falls ich nicht zwischendurch noch ein paar Lesehinweise online stelle - folgt mein nächster Eintrag erst wieder am 17. Jänner 2012, wenn die Schlussanträge im Fall C-510/10 DR und TV2 Danmark A/S anstehen.

Und nein, ich werde zu den aktuellen Personalentscheidungen im ORF nichts schreiben, wirklich nicht.

Monday, December 19, 2011

Commissioner Kroes calling the talented Dr. Googleberg to the "crime scene internet"

Zum Thema Guttenberg/Kroes ist wahrscheinlich schon alles gesagt, aber eben noch nicht von allen. Auch mir war es wichtig, die Ernennung von Guttenberg zum Berater der Kommission für die "No Disconnect"-Strategie nicht unkommentiert zu lassen und ich habe dazu etwas - in englischer Sprache - auf content and carrier geschrieben, was ich ausnahmsweise hier einfach cross-poste:

It could have been the ultimate practical joke of this year.

Neelie Kroes, Vice-President of the European Commission, appointed Karl-Theodor zu Guttenberg "to promote internet freedom globally". According to her press release, this "appointment forms a key element of a new "No Disconnect Strategy" to uphold the EU's commitment to ensure human rights and fundamental freedoms are respected both online and off-line, and that internet and other information and communication technology (ICT) can remain a driver of political freedom, democratic development and economic growth."

But sadly, it is not a joke.

Guttenberg, who was briefly Germany's minister for economics and technology (Feb 2009 until Oct 2009) and then minister of defense (until 1 March 2011), fell from grace when it was revealed that he had plagiarized large chunks of his doctoral thesis. Internet activists set up a wiki and within a few weeks managed to publicly document that 94.4 (!)  percent of the pages in Guttenberg's thesis contained plagiarized text. Of course people made (and make) fun of Guttenberg, calling him "Googleberg" or "Doctor Copy & Paste", or promoting a "Guttenberg"-keyboard (for maximum efficiency, just Ctrl+C+V).Guttenberg, who had denied all allegations when he was first confronted ("absurd allegation"), had to resign, the university stripped him of his degree, and the state prosecutor started investigations. In May 2011, the university's investigation came to the conclusion that Guttenberg "had manifestly and gravely breached the standards of good scientific practice and had cheated with intent" (my translation, more information on the Guttenberg-case - in German - at the university's website). Not even a month ago, the state prosecutor came to the conclusion that Guttenberg had, with intent, committed criminal breaches of copyright in 23 counts, but closed the case after Guttenberg payed 20.000 Euro to a charity (press release of the state prosecutor's office, in German); this is a common way of dealing with petty crimes (misdemeanours) where there is no public interest in further prosecution (section 153a of the German Code of Criminal Procedure act).

Guttenberg is not repentant: just three weeks ago he published a book called "Vorerst gescheitert" ("failed for now"), consisting of a long interview with a German journalist. He again denied any intent to plagiarize; rather he argued that the copying was the "fatal result of a chaotic and unsystematic mode of work", having copied from the internet and then mixed it up due to using at least 80 floppy disks (!) and four different computers (more here, in German). The respected conservative daily FAZ commented: "Guttenberg has not lost his ability to talk nonsense".

Guttenberg has no relevant expertise in internet issues, at least no such expertise seems to be documented, and neither Kroes nor her spokesperson came up with any evidence that Guttenberg ever had any original ideas, did any research or even just was involved with specific internet-related issues. Many German commenters are heavily critical of Guttenberg's support for a German law which should block access to the internet in case of (suspected) child pornography; the relevant act was introduced when Guttenberg was minister of economics (but not by him) under the title "Zugangserschwerungsgesetz", which translates as "Act to make access [to the internet] more difficult"(!). The Act never came into force and is in the process of being formally repealed, after criticism not only by internet activists, but also by many law professors and constitutional scholars. Guttenberg defended the act and implicitely accused the critics of being against blocking of child pornography-websites (see a newspaper report here, in German).

Guttenberg's wife was involved in a TV-series called "Tatort Internet" ("Crime Scene Internet"), which tried to lure potential pedophiles into meeting underage girls and then exposed them on TV. Although the faces of the suspected pedophiles were not shown (or blurred), some of them could be identifed rather easily by TV-viewers. The series came under heavy criticism, for instance by the Minister of Justice who said "There is danger that innocent people are put in the pillory and the rule of law would be in a precarious situation. This is a high risk".

So, first of all, Guttenberg (just recently)
  • has been stripped of his degree because of intellectual dishonesty,
  • was found to have been a multiple copyright-infringer,
  • and admitted only as much as that he was out of his depths when dealing with computers and the internet
In addition, Guttenberg has no relevant expertise or experience in internet issues.

Kroes, who was aware of all this, nevertheless thought it fit to appoint Guttenberg as her adviser. When she announced it, it still sounded like an impressive job (and remember: it is supposed to be a key element of the strategy). In the press release it said that "Karl-Theodor zu Guttenberg will liaise with Member States, third countries and NGOs which are committed to work in this area and advise on how to advance the strategy in a co-ordinated and effective manner." Kroes is further quoted with: "I want Karl-Theodor zu Guttenberg to champion this cause with governments and NGOs and ensure it gets the attention, focus and support it deserves."

The reasons Kroes gave for this appointment are rather slim; pressed to justify her choice, she wrote:
"As he himself has acknowledged, if anyone understands the power of the internet, and its power to hold authorities to account, it is Karl-Theodor [Guttenberg]. Anyone who has worked with Karl-Theodor – and I myself have done so closely when he was German Economics Minister – would recognise his great political abilities. But what I also admire in him is his fresh and international outlook. [...]
If you are wondering why Karl-Theodor and not someone else, I would say that I am looking for talent, not saints. I am asking him to do an important job; nothing more, nothing less. I live in the future, not the past."
This indeed is rather troubling: Kroes is at once arguing that it is "an important job", and that "talent" - plus a "fresh and international outlook" - is all that Guttenberg is bringing to this job. And she also thinks that Guttenberg gained relevant experience in internet-related issues by having been exposed on a Website as a multiple intentional copyright-infringer who cheated with intent in his thesis (which, by the way, she describes in an interesting euphemism as being "not a saint").

I don't think the regular Commission services would employ anyone just for having "talent" (at least I have not yet seen a single concours of EPSO just checking for talent), and I doubt that an academic cheater who was stripped of his degree could pass the vetting process for any senior position within the Commission services. While I don't take offense with "forgiveness", the logic that Kroes claims is behind Guttenberg's appointment is severely flawed: I doubt that Vice-President of the Commission Reding would consider appointing a convicted criminal as an adviser on Justice affairs and then argue: "if anyone understands the power of law enforcement, it is XY, who served 10 years in jail".
After the initial reactions (I recommend taking look at the comments to Kroes' blog entry [and the German language version] and at the Kosmopolito-blog), the Commissioner retracted: in another blog entry she wrote: "There is no payment, no staff, no special treatment. He will be providing advice and assistance to me in a personal capacity. We will keep costs to a minimum, and I can assure you I’ll squeeze him for every good idea and every piece of feedback he has." Her spokesperson commented that "People need to keep this choice in perspective; it is just one element of the wider no disconnect strategy".

So we are left to wonder: is this an important job, including the task to liaise with governments and NGOs and thus to "champion a cause" - all of which would require a clear mandate, duties and responsibilities - or is it merely a rather vague invitation to a personal friend of the Commissioner to share a few ideas, just having the EU pay for a few trips? Kroes' spokesperson explicitely stated that Guttenberg will not be a special adviser (who are under certain obligations under staff regulations, and who come in a paid and an unpaid variety), so we do not know what kind of relationship this should be, what (if any)  mandate Guttenberg has, which (if any) staff regulations apply, which confidentiality agreements, etc. etc.

Personally, I am also deeply sceptical about unpaid advisers, because they either have to be quite rich to be able to fulfill their tasks or they are in effect paid by someone else who is not necessarily disclosed or lacks transparency (Guttenberg is working for a US-based lobbying organisation / "think-tank", which by the way is not registered in the EU transparency register). I don't buy into conspiracy theories, which also abound in the comments on Kroes's blog entries (ACTA, PNR, NATO, everything is mixed in, all forming part of a supposed greater story), to me all of this looks more like a new chapter to "The March of Folly".

The appointment of Guttenberg as an adviser (or whatever his position/function might turn out to be) not only severely discredits the whole No Disconnect-Strategy, it also shows an incredible lack of judgment by the Commissioner and her staff. Kroes stressed that Guttenberg was her choice and her idea, and she is at least to be commended for not trying to blame her (other) advisers for this abysmal decision.

Kroes could have backed down: she could have apologized for not having thought this through, for having been distracted by more important issues and for not having paid enough attention to who should take this job. And then she could have cancelled the appointment of Guttenberg, to present a true expert as a new special adviser. I even waited a few days before writing this blog entry, because I thought Kroes might find a way out and get rid of Guttenberg. But instead of limiting the damage already done, Kroes chose to widen it and to defend Guttenbergs's choice.

Obviously Kroes thinks that there are only some particularly concerned German internet activists who produce nothing more than a storm in a (German) teacup (at least that is what the comments of her spokesperson on the Kosmopolito-blog said, for instance here).

I do not share this view.

As evidenced - among others - by this blog post, there are people outside of Germany who do not believe in the wisdom of appointing a disgraced former politician to be an adviser in a field where he is not an expert and does not command the trust of the people he should "liaise" with. Critics include not only some hotheaded activists, but also many highly reputable academics, because appointing Guttenberg can only be seen as a deliberate provocation of the academic community and its values. This appointment will come back to haunt Kroes in any future decision she will take: as she showed such lack of judgment in appointing Guttenberg, how can she be trusted to show more judgment and take reasoned decisions in other matters?

To sum it up: The appointment of Guttenberg was wrong, and the decision to stick with him casts a serious doubt on Kroes' overall power of judgment.


PS: Kroes asked that we should judge "Karl-Theodor [Guttenberg] ultimately on the quality of the advice he provides", which calls for that advice to be published in full (because otherwise how could we judge it?). If published, I am sure that there will be a wiki devoted to scrutinising this advice.

Sunday, December 11, 2011

"Meine Rolle als erfolgreiche/r FunktionärIn": Politikberater in den ORF-Publikumsrat

Der Run auf einen Sitz im Publikumsrat des ORF war auch schon einmal stärker: vor kurzem trat Kathrin Zettel zurück, die im Publikumsrat "auf einem ÖVP-Ticket" den "Bereich Jugend" vertreten sollte, und für diese Lücke muss der Bundeskanzler Ersatz finden und hat daher im Sinne des § 28 ORF-Gesetz, "von Einrichtungen bzw. Organisationen", die für den Bereich Jugend repräsentativ sind, Vorschläge eingeholt. Aber nur die Österreichische Kinderwelt (die Kinderorganisation der Jungen ÖVP) interessierte sich dafür, ein neues Mitglied für den Bereich Jugend vorzuschlagen.

Obwohl zwischen der Aufforderung zur Erstattung von Vorschlägen und der Bekanntmachung des eingelangten Vorschlags die Kundmachung des Bundeskanzlers über die Aufhebung des § 28 Abs. 6 bis 10 des ORF-Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof (siehe im Blog dazu hier) erfolgte und es um den Ersatz der per Publikums-Direktwahl gewählten Kathrin Zettel geht, kann der Bundeskanzler über den Ersatz entscheiden (§ 29 Abs 6 ORF-G ist vom VfGH-Erkenntnis nicht betroffen).

Vorgeschlagen wurde der Bundesobmann der "Österreichischen Kinderwelt", Ulrich Lanzer (als Uli Höller war er vor zehn Jahren zB Spitzenkandidat der "Aktionsgemeinschaft" bei den ÖH-Wahlen). Er gibt seinen Beruf als Politikberater an und führt mit seinem Unternehmen, der Höller Unternehmensberatungs und -beteiligungs GmbH, laut deren Website "für Kunden aus der Politik und Interessenspolitik" unter anderem "Strategieberatung", "Personalentwicklung für (interessens)politische Institutionen" und "Politisches Coaching (z.B. Vorbereitung von Personen auf politische Ämter)" durch. Für Lanzer, der sonst etwa Wirtschaftskammerfunktionären auf dem Weg zum/zur "FunktionärIn der Zukunft" hilft (Seminar: "Meine Rolle als erfolgreiche/r FunktionärIn"), ist das wohl auch ein weiterer Schritt zum erfolgreichen Funktionär.

Natürlich überrascht es nicht wirklich, dass nur die "Kinderwelt" einen Vorschlag gemacht hat, denn bei aller formalen Entpolitisierung des Publikumsrats gibt es im Publikumsrat nach aktueller Rechtslage ja zwei Vertreter für den Bereich Jugend. Aktuell im Publikumsrat ist Jürgen Michlmayr, Bundesvorsitzender der Gewerkschaftsjugend - und wenn Ulrich Lanzer (wohl bei der kommenden Sitzung am 19.12.2011) seine Tätigkeit im Publikumsrat aufnimmt, dann ist endlich die österreichische Realität wieder hergestellt, in der die gesamte Gesellschaft, von der Jugend (Michlmayr / Lanzer) bis zu den älteren Menschen (Mauhart / Tötschinger), harmonisch durch jeweils zwei Personen repräsentiert werden kann, die rein zufällig von einer SP- bzw einer VP-nahen Organisation nominiert werden.

Und sozusagen auf der Metaebene finde ich es fast ein wenig ironisch, wenn in den Publikumsrat - dem keine PolitikerInnen angehören dürfen (im Detail siehe § 28 Abs 2 ORF-G) - nun ausgerechnet ein Politikberater einzieht.

Friday, December 09, 2011

Is it rocket science? Die Trägerrakete zur nächsten ORF-Gesetz-Novelle

Qualitätssicherung wird im ORF-Gesetz bekanntlich hochgehalten (siehe insbesondere § 4a ORF-G), also muss man wohl auch an den Gesetzestext höchste Qualitätsansprüche stellen. Umso entsetzlicher muss es für die Abgeordneten Cap und Kopf gewesen sein, als sie vor wenigen Tagen bemerkten, dass in gleich drei Paragraphen des ORF-Gesetzes vom "Parlamentsmitarbeitergesetz" die Rede ist, wo dieses Gesetz doch schon seit 1. Jänner 2011 die Kurz(?)bezeichnung "Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz" trägt (BGBl I 2010/113).

Jetzt war rasches und entschlossenes Handeln gefragt: Im Nationalrats-Plenum am 7.12.2011 stand zwar eine Änderung des ORF-Gesetzes, die mit Antrag der Abgeordneten Cap und Kopf vom 18.11.2011 initiiert worden war, auf der Tagesordnung. Mit einem Abänderungsantrag in zweiter Lesung, gerade in Rundfunkangelegenheiten nichts Ungewöhnliches, wäre das Redaktionsversehen schnell zu bereinigen gewesen. Aber vielleicht sollten die anderen Fraktionen nicht so überrumpelt werden, immerhin müssen ja gleich drei Paragraphen geändert werden. Also haben sich die Abgeordneten Cap und Kopf hingesetzt und noch am selben Tag einen neuen Abänderungsantrag verfasst, damit das unselige Redaktionsversehen berichtigt werden kann. Das ORF-G soll also wie folgt geändert werden (es folgt der vollständige Text der beantragten Änderungen):
1. In § 20 Abs. 3 Z 6, § 26 Abs. 2 Z 4 und § 28 Abs. 2 Z 5 wird das Wort "Parlamentsmitarbeitergesetzes" durch die Worte "Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetzes" ersetzt.
2. In § 49 wird folgender Abs. 11 angefügt:
"(11) § 20 Abs. 3 Z 6, § 26 Abs. 2 Z 4 und § 28 Abs. 2 Z 5 in der Fassung des Bundesgeetzes BGBl. I. Nr. xxx/2012 treten am 1. Februar 2012 in Kraft."
Das vorgesehene Inkrafttreten ist ein wenig rätselhaft: denn ginge es wirklich nur um ein zu berichtigendes Redaktionsversehen, so wäre es doch naheliegend, dass die Änderung einfach wie üblich am Tag nach der Kundmachung in Kraft treten könnte (abgesehen davon, dass wohl noch niemand Zweifel gehabt hat, dass Verweise auf das Parlamentsmitarbeitergesetz als Verweise auf das selbe Gesetz mit bloß geändertem Titel zu verstehen wären). Aber der Eifer, mit dem hier Qualitätssicherung betrieben wird, ist vorbildlich, und ich erwarte daher demnächst Initiativanträge zur Änderung
  1. des § 46 Abs 4 BMSVG
  2. des § 18 Abs 5 Bezügegesetz
  3. des § 10 Abs 1 Bundesbezügegesetz  und
  4. des § 4 Abs 1 Z 1 KommAustria-Gesetz
In diesen Bestimmungen wird nämlich immer noch das Parlamentsmitarbeitergesetz genannt.

Aber im Ernst: Natürlich geht es nicht um die Berichtigung eines "Redaktionsversehens", das zu keinerlei inhaltlichen Zweifelsfragen Anlass gegeben hat oder auch nur geben könnte. Der Antrag ist ganz offensichtlich nur das, was im parlamentarischen Jargon "Trägerrakete" genannt wird: man ist sich zwar grundsätzlich einig, dass man ein Gesetz ändern möchte, hat sich aber inhaltlich noch nicht so weit verständigt, dass man einen ausformulierten gemeinsamen Antrag einbringen könnte. Also nimmt man nur ein, zwei einfache und unstrittige Punkte, schreibt sie in einen Antrag und dieser kann dann schon einmal den parlamentarischen Prozess durchlaufen, während man noch über die endgültige Regelung verhandelt. Wichtig ist vor allem, dass man ein Zuweisungsplenum erwischt (im vorliegenden Fall gehe ich davon aus, dass noch in der 138. Sitzung am 7.12.2011 die Zuweisung erfolgt ist; update 10.12.: die Parlamentswebsite bestätigt die Annahme), damit kann die Vorlage in den Ausschuss. Dann kann man immer noch in der Ausschusssitzung oder auch in zweiter Lesung im Plenum die wirklich gewollten Änderungen aufpacken (dasselbe geht übrigens auch bei Regierungsvorlagen, auch hier gibt es gelegentlich solche Trägerraketen). It's not rocket science, wie die Amerikaner sagen, sondern einfach Anwendung der parlamentarischen Geschäftsordnung.

Worum es bei der geplanten Änderung des ORF-Gesetzes wirklich gehen dürfte, schreibt Harald Fidler im Standard.
Update (02.04.2012): das ist aus dem Antrag letztlich geworden (BGBl I 2012/15)

Thursday, December 08, 2011

EuGH zu France Télécom: steuerliche Sonderregelung als Beihilfe

Der EuGH hat heute in der Rechtssache C-81/10 P France Télécom das Rechtsmittel der France Télécom gegen das Urteil des EuG vom 30.11.2009, T-427/04 Frankreich / Kommission und T-17/05 France Télécom / Kommission, zurückgewiesen und damit endgültig die Kommissionsentscheidung vom 2.8.2004, C(2004) 3061, bestätigt.

Die Kommission hatte in ihrer Entscheidung eine Gewerbesteuer-Sonderregelung für France Télécom in der Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.2002 als rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe beurteilt und Frankreich verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfe von France Télécom zurückzufordern. Die von France Télécom und Frankreich dagegen erhobene Nichtigkeitsklage war vom EuG abgewiesen worden (siehe dazu näher hier).

In realistischer Einschätzung der Chancen hat Frankreich kein Rechtsmittel gegen das EuG-Urteil erhoben und es allein France Télécom überlassen, sich die Bestätigung abzuholen, dass Kommission und EuG richtig entschieden haben. Denn es stand fest, dass France Télécom von einer bei der Kommission nicht als Beihilfe gemeldeten Sonderregelung bei der Gewerbesteuer in diesem Zeitraum profitiert hatte, die für das Unternehmen immerhin einen Vorteil in der Größenordnung von "zwischen 798 Mio. und 1,14 Mrd. Euro ohne Zinsen" gebracht hatte. France Télécom war aber der Auffassung, dass auch eine das Unternehmen eher belastende Steuerregelung in den drei Jahren vor 1994 hätte berücksichtigt werden müssen und dass die Höhe des Vorteils von variablen Größen und externen Faktoren abhängig war, sodass die Höhe der Steuer nicht im Voraus hätte ermittelt werden können.

Der EuGH verwies darauf, dass die vielleicht belastende Regelung von 1991 bis 1993  nicht untrennbar mit der Sonderregelung in den Jahren danach verbunden war; und auch dass die Sonderreglung ab 1994 jedenfalls zu einem Vorteil für France Télécom führen konnte, stand bereits zum Zeitpunkt des Erlasses fest. Auch die behauptete Komplexität der in Rede stehenden Steuerregelung oder die periodische Natur der Beihilfemaßnahme konnte Frankreich nicht der Anmeldepflicht entheben oder bei France Télécom berechtigtes Vertrauen entstehen lassen.

Zu der von France Télécom behaupteten Verjährung hielt der EuGH fest, dass die zehnjährige Verjährungsfrist nach Art 15 Abs 2 der Verordnung Nr 659/1999 mit dem Tag der Gewährung der Beihilfe an den Empfänger (und nicht mit dem Tag des Erlasses der Beihilfenregelung) beginnt; außerdem beginnt die Verjährungsfrist bei jährlich gewährten Beihilfen jedes Jahr von neuem (hier: an dem Tag, an dem die Gewerbesteuerzahlung von France Télécom jeweils fällig wurde). Und schließlich half es Fracne Télécom auch nichts, dass die Kommission den rückzufordernden Betrag nicht exakt festgelegt hatte, sondern eine "Unschärfe" von immerhin mehr als 300 Mio Euro verblieb: auch nach Ansicht des EuGH enthielt die Kommissionsentscheidung nämlich die geeigneten Angaben, "anhand deren der endgültige Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten bestimmt werden könne".

Damit steht nun zwar endgültig fest, dass Frankreich von France Télécom die Vorteile aus der rechtswidrig gewährten Beihilfe zurückfordern muss. Interessant könnte es aber noch werden, ob das Unternehmen auch tatsächlich alles wird zahlen müssen, denn immerhin hatte Generalanwalt Jääskinen in seinen Schlussanträgen (siehe dazu hier) dargelegt, dass "die für den Mitgliedstaat bestehende unbedingte Pflicht zur Rückforderung nicht automatisch zu einer entsprechenden Rückzahlungsverpflichtung der Einzelnen führen" müsse; in einem allfälligen Gerichtsverfahren komme der Begünstigte "in den Genuss aller Verfahrensgarantien und aller materiell-rechtlichen Garantien, die sich aus der Grundrechtecharta und der EMRK ergeben".