Diese "Mahnung" betrifft Konzepte einer für die TIWAG arbeitenden PR-Agentur für eine Kooperation zwischen der TIWAG und Tiroler Wochenzeitungen. Unter anderem hieß es darin: "Klar ist, dass die Gegner nicht zu Wort kommen und dass die gesamte Berichterstattung in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber erfolgt. Die Themen, Daten und Fakten gibt der Auftraggeber vor." Die Dokumente wurden teilweise im Faksimile zusammen mit einer Darstellung des Ablaufs auf der TIWAG-kritischen Website www.dietiwag.org publiziert. Allzuviel Spielraum lässt diese Dokumentation nicht offen: Sollten die Dokumente echt sein, liegt selbst nach den wunderweichen Kodizes der PR-Ethiker ein Verstoß gegen eine der Kernpflichten für PR-Leute (offene Kommunikation, keine Täuschung Dritter, vgl zB Art 4 Lissabonner Kodex) auf der Hand. [Und wären die veröffentlichten Dokumente falsch, so wäre die TIWAG, die PR-Agentur oder auch ein betroffenes Medium wohl längst gerichtlich dagegen vorgegangen; zumindest die TIWAG war ja bisher nicht eben zurückhaltend, wenn es gegen dietiwag.org gegangen ist.]
So kam denn auch der "PR-Ethik-Rat" zum Schluss, dass die veröffentlichten Dokumente bzw Dokumentteile authentisch sind und sprach "gegen hofherr communikation die Mahnung aus, Konzepte in Zukunft so abzufassen, dass sie nicht in Konflikt mit den anerkannten ethischen und professionellen Standards der Branche kommen."
Zur Klarstellung: eine Mahnung ist - nach der Selbstdarstellung des "PR-Ethik-Rats" - nur "in weniger schweren Fällen" eines Fehlverhaltens auszusprechen, sonst müsste eine Rüge erteilt werden. Der "PR-Ethik-Rat" sieht in der Vorgangsweise der betroffenen PR-Agentur also ein "weniger schweres Fehlverhalten" (siehe auch die Reaktion der PR-Agentur und von dietiwag.org).
Soweit wäre das alles nicht wirklich bemerkenswert, außer eben dass es sich um die erste veröffentlichte Entscheidung des "PR-Ethik-Rats" betreffend eine PR-Agentur handelt (zur eigenwilligen Vorgangsweise bei der ersten öffentlichen "Rüge", die aber nicht gegen die beteiligte PR-Agentur, sondern gegen das veröffentlichende Medium ausgesprochen wurde, siehe hier). Wirklich interessant ist allerdings, dass sich der "PR-Ethik-Rat" - wohl nach dem Motto: shoot the messenger! - bemüßigt fühlt, auch den Betreiber der Website www.dietiwag.org öffentlich zu mahnen. In der Aussendung steht das zwar nicht so deutlich wie auf der Übersichtsseite, aber immerhin wirft der "PR-Ethik-Rat" dem Betreiber von dietiwag.org, dem Publizisten/Blogger Markus Wilhelm, ohne nähere Konkretisierung vor, "dass Dokumente teilweise in manipulativer Weise und mit herabwürdigenden Kommentaren versehen veröffentlicht" worden seien. Und weil der "Rat" dann immerhin doch erkennt, dass er für Markus Wilhelm nicht zuständig ist, leitet er "dieses Vorgehen" (!?) an den evident ebenso unzuständigen Presserat "zur Beurteilung" weiter, nicht ohne auch noch - ebenso öffentlich - auf die "Selbstreinigungskräfte der Medienbranche" zu hoffen.
Was soll man da jetzt erwarten: dass Markus Wilhelm - der sich jahrelang gegen massivste, auch gerichtliche, Angriffe der TIWAG gewehrt hat (und zwar erfolgreich) - jetzt Selbstreinigungsanfälle bekommt und in Zukunft nur mehr schöne Bilder aus den Ötztaler Alpen publiziert? Oder soll er vielleicht ethisch mit der TIWAG gleichziehen und eine PR-Agentur engagieren, die mit ihm Medienkooperationen plant, damit lokale Medien dann "objektiv und damit glaubwürdig" und "in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber" so berichten, "dass Gegner nicht zu Wort kommen"?
Dabei sollte der "PR-Ethik-Rat" wissen, wofür der Presserat zuständig ist - immerhin scheint die Verweisung an den Presserat nämlich das Hauptgeschäft des "PR-Ethik-Rats" zu sein. Seit Anfang 2010 weist die Website des "PR-Ethik-Rats" zehn Beschwerden aus, von denen fünf an den Presserat verwiesen wurden, eine an den Werberat und eine "an Aufsichtsbehörde der Privatradios und Ärztekammer" (dabei ging es allerdings um eine Veröffentlichung auf der Website [!], nicht im Rundfunkprogramm, des Privatradioveranstalters). Insgesamt gab es laut Website des "PR-Ethik-Rats" seit dessen Einrichtung 18 Beschwerden und vier "Eigenaktivitäten".
Was geschah mit den bisher 18 Beschwerden an den "PR-Ethik-Rat"?
- 8 Beschwerden wurden weiterverwiesen
- 4 Beschwerden bezogen sich zwar auf konkrete Fälle, der "PR-Ethik-Rat" hat aber einfach beschlossen, darüber nicht zu entscheiden (und statt dessen ein "Positionspapier" veröffentlicht); mehr dazu hier
- 1 Beschwerde wurde zurückgezogen
- 1 Beschwerde betraf nicht den Zuständigkeitsbereich des "PR-Ethik-Rats" (und konnte offenbar - da es damals auch noch keinen Presserat gab - nicht weiterverwiesen werden)
- 1 Beschwerde (vom 25. März 2010) blieb entweder unerledigt oder führte jedenfalls zu keinem Ergebnis, das auf der Website angemerkt worden wäre
- 1 Beschwerde führte zur Empfehlung an eine ärztliche Standesvertretung, "bei der Wahl der Mittel mehr Sensibilität walten zu lassen" (mehr ist nicht veröffentlicht)
- 1 Beschwerde über "unethische Behandlung/Verunglimpfung eines Journalisten durch einen PR-Berater" führte zu einer - unveröffentlichten - Mahnung (in Artikel 3 der Geschäftsordnung des "PR-Ethik-Rats" heißt es übrigens: "Der Ethik-Rat agiert öffentlich. Seine Entscheidungen ('Rüge', 'Mahnung' oder 'Feststellung, dass ein Verstoß nicht vorliegt') werden auf eine dem Anlassfall angemessene Weise publiziert.")
- 1 Beschwerde schließlich führte zur oben schon erörterten "öffentlichen Mahnung".
In seiner rituellen jährlichen Pressekonferenz hat der "PR-Ethik-Rat" nun laut Presseaussendung auch eine "umfassende Studie über 'Schleichwerbung in Österreich'" präsentiert (untersucht wurden aber nur ausgewählte Printmedien). Leider ist die Studie (zumindest bis heute) nicht publiziert, sodass seriöse Aussagen zu Methodik und Ergebnissen nicht möglich sind. Mich hätte insbesondere interessiert, wie die untersuchten Beiträge ausgewählt wurden und wie in diesen Fällen verifiziert wurde, dass es sich um Schleichwerbung im Sinne des § 26 Mediengesetz handelte. Update 24.05.2011: die Studie wurde nun auf der Website des "PR-Ethik-Rats" veröffentlicht (pdf, 20 MB!); siehe dazu hier.
Natürlich ist Schleichwerbung ein Problem (und auch ich habe den Eindruck, dass sich die Situation in den letzten Jahren eher verschärft haben dürfte), aber ich bin skeptisch, ob die vom "PR-Ethik-Rat" vorgeschlagenen Änderungen des § 26 MedienG wirklich dagegen helfen würden. Denn auch wenn die Kennzeichnung "deutlich und gut sichtbar" sein müsste und wenn der Strafrahmen (derzeit gemäß § 27 MedienG Geldstrafe bis zu € 2.180), wie vom "PR-Ethik-Rat" gewünscht, erhöht würde, bliebe dennoch das wesentliche Problem, dass ein Verstoß erst einmal objektiv festgestellt werden muss. Dafür aber muss - mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit! - insbesondere nachgewiesen sein, dass für die Veröffentlichung der Beiträge ein Entgelt geleistet wurde. Wenn da nicht irgendwer irgendwem (und zwar rechtzeitig innerhalb der kurzen verwaltungsstrafrechtlichen Verjährungsfristen) vertrauliche Dokumente zuspielt, wird eine Strafverfolgung in der Regel schon am Nachweis des objektiven Tatbildes scheitern, egal wie hoch der Strafrahmen ist.
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