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Thursday, March 03, 2011

EuGH (neuerlich) zu belgischen must carry-Regeln

Der EuGH hat heute - erwartungsgemäß - Belgien in der Rechtssache C-134/10 Kommission / Belgien wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung des Art. 31 Universaldienst-RL ("must carry") verurteilt. Das Urteil folgt im Grundsatz dem Urteil vom 13.12.2007 in der Rechtssache C-250/06 UPC Belgium (siehe im Blog dazu hier); dort war die Situation allerdings nur auf der Grundlage des Art 49 EG (nun Art 56 AEUV) zu beurteilen, noch nicht nach der Universaldienst-RL.

Vorweg: Die deutsche Sprachfassung des heutigen Urteils ist irritierend, denn sie verwendet für die aus der must carry-Regelung Begünstigten den Begriff der "Träger der Übertragungspflicht"; als solche "Träger der Übertragungspflicht" würde ich mir eher jene vorstellen, die übertragen müssen, also die zum "must carry" verpflichteten (zB Kabel-)Netzbetreiber, nicht aber die aus der "must carry"-Regelung Berechtigten, also die Fernsehveranstalter, deren Programm von den Netzbetreibern übertragen werden muss; die französische Sprachfassung ist da klarer, sie spricht von "chaînes de télévision bénéficiant de l’obligation de diffuser"; ganz klar auch die englische Fassung: "broadcasters benefiting from ‘must-carry’ status".

Auch heute betonte der EuGH, dass die Bezeichnung bestimmter Fernsehkanäle als "Träger der Übertragungspflicht" ("must carry"-Begünstigte) eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs iSd Art 56 AEUV darstellt, die aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könnte. Auf keinen Fall aber dürfen die "must carry"-Regeln Angehörige anderer Mitgliedstaaten diskriminieren und die Übertragsungspflichten sind streng auf diejenigen Kanäle zu beschränken, deren gesamter Programminhalt geeignet ist, das verfolgte Ziel des Allgemeininteresses zu erreichen.

Die belgische Regelung hatte weder klar die konkreten Kriterien festgelegt, die fürdie Auswahl der "must carry"-Begünstigten verwendet werden, noch war sie ausreichend transparent (für die begünstigten Fernsehveranstalter! Nach der Universaldienst-RL käme es aber wohl vor allem auch auf die Transparenz für die Netzbetreiber an, was freilich de facto die zweite Seite der selben Medaille wäre). Zudem war zumindest nicht auszuschließen, dass die Begünstigung nur Fernsehveranstaltern gewährt würde, die in Belgien niedergelassen sind.

Aus österreichischer Perspektive interessant ist der dritte Klagegrund der Kommission, nämlich dass Belgien die Übertragungspflicht nicht auf Netzbetreiber beschränkt hat, deren Teilnehmer eine erhebliche Zahl von Endnutzern sind. Auch damit drang die Kommission klar durch, auch wenn in Belgien ein Verfahren vorgesehen war, wie sich Betreiber mit weniger Endnutzern der Übertragungspflicht entziehen könnten. In Österreich unterliegen derzeit - insoweit wohl überschießend im Verhältnis zu Art 31 Universaldienst-RL - nach § 20 AMD-Gesetz alle Kabelnetzbetreiber den dort festgelegten Übertragungspflichten.

Update 24.10.2012: die Kommission hat heute angekündigt, wegen der weiterhin nicht erfolgten korrekten Umsetzung der Univeraldienstrichtlinie neuerlich Klage beim EuGH zu erheben und die Festsetzung einss Zwangsgeldes zu beantragen.

4 comments:

  1. Eine Rückfrage hierzu: Sie sprechen im letzten Satz des Beitrag davon, dass Übertragungspflichten in Österreich "überschießend" auferlegt seien. Halten Sie das für zulässig? Ich frage mich schon längere Zeit, ob Art. 31 der Universaldienstrichtlinie die Übertragungspflichten, die auferlegt werden dürfen, abschließend festlegt (d.h. sowohl im räumlichen als auch im sachlichen Anwendungsbereich limitiert). Die Auferlegung von "überschießenden" Must-Carry-Pflichten wäre dann unzulässig.

    Im Wortlaut scheint mir diese Auslegung nicht zwingend angelegt, dort steht "können... auferlegen". Andererseits hätte Art. 31 wohl keinen Anwendungsbereich, würde man ihn nicht als Schutzvorschrift zu Gunsten der Kommunikationsnetzbetreiber interpretieren. Auch die bisherige Rechtsprechung des EuGH scheint in diese Richtung zu gehen.

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  2. @ Simon Möller: Meines Erachtens ist Art 31 UD-RL eindeutig so auszulegen, dass darin die Zulässigkeit von Übertragungspflichten zu Lasten von Netzbetreibern abschließend geregelt ist. Die Bestimmung ist tatsächlich als Schutzvorschrift für die Netzbetreiber gedacht; weitere, über Art 31 UD-RL hinausgehende Pflichten zur Übertragung von Hörfunk- oder Fernsehkanälen dürfen den Netzbetreibern nicht auferlegt werden.

    Hintergrund der Bestimmung ist ja, dass mit dem Rechtsrahmen 2002 alle elektronischen Kommunikationsnetze - und damit erstmals auch Kabel-TV-Netze und andere Rundfunk-Übertragungsnetze - erfasst wurden. Zugleich wollte man sicherstellen, dass die klassischen Telekomnetze, wenn sie - was abzusehen war - zB über xDSL auch zur Übertragung von Rundfunk genutzt würden, nicht gleich wie die alten "Kabel-TV-Netze" mit must carry-Pflichten belegt würden. Daher sollten Netze, die sich erst in Richtung Rundfunkübertragungsnetze entwickelten, zu Beginn verschont werden und erst dann dem must carry-Regime unterliegen, wenn "eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen nutzen".

    "Diese Netze" war eher als Hinweis auf die Art der Netze (Koax-Kabel-TV-Netz, xDSL, Glasfaser, drahtlose Übertragungsarten ...) gedacht, nicht als Abstellen auf die einzelnen Netzbetreiber, was man bei Lektüre des hier erörterten Urteils (und genauso meines diesbezüglich nicht präzisierenden Blogbeitrags) meinen könnte. Es geht nicht darum, ob UPC Belgium eine erhebliche Anzahl von Nutzern erreicht (oder ob kleinere, technisch aber vergleichbare Kabelnetzbetreiber sich allenfalls der Übertragungspflicht entziehen können), sondern ob diese Art der Übertragung einen wesentlichen Teil der Nutzer erreicht.

    Deutlich wurde das etwa in der Rechtssache C-336/07 Kabel Deutschland, wo der EuGH lapidar festhielt, "dass das im Ausgangsverfahren betroffene analoge Kabelnetz die [Voraussetzung, einen eerheblichen Teil der Endnutzer zu erreichen] erfülle, "da in Deutschland diese Art der Übertragung rund 57 % der Haushalte erreiche und damit das meistgenutzte Übertragungsmedium darstelle."

    An einem anderen Beispiel: must carry-Regeln für DVB-H-Netze wären/waren wohl nicht mit Art 31 UD-RL vereinbar, da das nur von einem sehr kleinen Kreis von Kunden benutzt wurde.

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  3. Das heißt, man darf Ihren Hinweis auf "überschießende" Übertragungspflichten als Andeutung verstehen, dass die österreichische Regelung europarechtswidrig ist? ;-)

    Danke für ihr Statement zu Art. 31. Ich sehe das im Prinzip genauso, wollte aber wegen der Verwendung des Wortes "überschießend" noch einmal sichergehen.

    Bezüglich DVB-H ist der deutsche Gesetzgeber dem Problem ja elegant aus dem Weg gegangen, indem er die "must carry"-Pflichten indirekt bereits in die Frequenzzuweisung gepackt hat. Vgl. § 51a Abs. 4 Satz 3; § 52b Abs. 3 Nr. 2 RStV. Berücksichtigt man Ihren Hinweis auf den Sinn und Zweck von Art. 31 UD-RL, kann man sich fragen, ob dieses Unterfangen nicht ebenfalls europarechtswidrig ist.

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  4. @ Simon Möller: ich will da gar nichts andeuten ... Faktisch scheint es immerhin - wohl schon wegen der nicht besonders dichten Übertragungspflichten - in Österreich derzeit keine Probleme zu geben.

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