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Saturday, February 27, 2010

Nun (fast) live: Senderschrott

Die MW-Sender am Bisamberg sind nun Schrott (siehe hier zum Status quo ante)
Der Donauturm - hier im "Fadenkreuz" des Feeders zum ehemalgen
Bisamberg-Südmast - ist damit das höchste Bauwerk Österreichs.
Keine Souvenirs!
Freie Sicht auf die Stadt, über den umgeknickten Südmast hinweg
Reste des Nordmastes

Mehr Informationen zur Sprengung im ORS-Blog und - mit zahlreichen Fotos - auf dem Blog von Alpine-Energie. Natürlich gibt es Videos von der Sprengung auf YouTube, zB hier vom kleinen Sender oder hier vom großen Sender (von TW1 hier und hier). Update 1.3.2010: siehe auch Florian Novak: Die Sender am Bisamberg sind weg 

Thursday, February 25, 2010

Sendestaatskontrolle: Vorlage (und Anfrage)

Das Prinzip der Sendestaatskontrolle ist ein tragendes Element der Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL), auch schon in ihrer früheren Fassung ("Fernsehen ohne Grenzen"); siehe dazu hier in diesem Blog zuletzt auch zur Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs in der Sache E 8/94 und E 9/94 Forbrukerombudet v Mattel Scandinavia A/S und Lego Norge A/S. Die Übereinstimmung eines Fernsehprogramms mit den Anforderungen der RL ist vom Sendestaat - und nur von diesem - zu kontrollieren, eine zweite Kontrolle durch den Empfangsstaat ist nicht erlaubt. Der EuGH hat dazu etwa  in seinem Urteil vom 9. Juli 1997, C-34/95 bis C-36/95, Konsumentenombudsmannen ua, festgehalten, dass die Richtlinie der Anwendung einer nationalen Regelung, die allgemein dem Verbraucherschutz dient, grundsätzlich nicht entgegensteht, vorausgesetzt dass "dabei aber keine zweite Kontrolle der Fernsehsendungen zusätzlich zu der vom Sendestaat durchzuführenden Kontrolle" eingeführt wird.

Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat nun mit Beschlüssen vom 24.02.2010 dem EuGH die Frage vorgelegt, inwieweit das Verbot eines im europäischen Ausland ansässigen Fernsehsenders durch eine deutsche Behörde mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (hier die Presseaussendung, die Beschlüsse selbst sind noch nicht verfügbar, auch nicht die exakte Fragestellungund hier der Vorlagebeschluss). Hintergrund ist eine Verbotsverfügung des deutschen Innenministeriums gegen die Betätigung zweier Aktiengesellschaften dänischen Rechts, die in Dänemark auf der Grundlage einer dänischen Lizenz einen Fernsehsender mit einem Programm vorwiegend in kurdischer Sprache betreiben und dieses Programm über Satellit europaweit und bis in die Siedlungsgebiete der Kurden in der Türkei und im Nahen Osten ausstrahlen, auf der Grundlage des deutschen Vereinsgesetzes. Update: 22. 09.2011: zum Urteil des EuGH siehe hier.

In Österreich gibt es keine vergleichbare Verbotsverfügung. Die rechtliche und faktische Situation wird kompakt in der Beanwortung einer parlamentarischen Anfrage dargestellt (Stand: August 2009, seither hat sich meines Wissens daran nichts geändert).

Wednesday, February 24, 2010

Qualitätskontrolle

Dem Qualitätssicherungssystem widmet die Regierungsvorlage zur ORF-Gesetz-Novelle einen eigenen Paragraphen mit 8 Absätzen (§ 4a des ORF-G). Noch bevor das Gesetz im Parlament beschlossen wird, zeigt  "ORF-Star" Dominic Heinzl nun vor, wie man sich die Qualitätssicherung im ORF auch vorstellen kann (wörtliches Zitat aus einem aktuellen Interview auf oe24.at):
"Wir haben bei Chili ab 1. März unter dem neuen Credo 'Keine Bambis, keine Katzis, keine Spatzis und keine Lugners' eine Qualitätskontrolle installiert, wonach gewisse Personen des öffentlichen Lebens in unserer Sendung nicht mehr vorkommen werden."
Nun könnte man vielleicht darüber nachdenken, welche konkreten journalistischen Kriterien gerade für den Ausschluss "gewisser [welcher?] Personen des öffentlichen Lebens" ausschlaggebend sein könnten (wo doch offenbar andere Personen vergleichbaren "öffentlichen Interesses" weiterhin vorkommen sollen), aber es ist doch ein gutes Zeichen, wenn Qualitätskontrollmaßnahmen des ORF klar und deutlich kommuniziert werden. Wenn diese Tendenz zur Offenheit so weiter geht, könnte man vielleicht sogar einmal erfahren, was Günter Struve - angeblich "Sachverständiger für das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009" - geleistet hat.

Vermischte Lesehinweise (5): von der ORF-G-Novelle bis zu Obama über "Sex on TV"

  • Wichtiger, wenngleich etwas anspruchsvoller Lesestoff ist aktuell natürlich die gestern beschlossene Regierungsvorlage zur Änderung unter anderem des KommAustria-Gesetzes und des ORF-Gesetzes (Text, Erläuterungen, Textgegenüberstellung - übrigens ein kleiner erster Kritikpunkt: es fehlt eine Kurzbezeichnung und offizielle Abkürzung, ich werde das daher jetzt einfach mal "Rundfunkrechtsänderungsgesetz" - RufRÄG - nennen). Da für die Gesetzwerdung dieser Regierungsvorlage im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, wird auch der nun vorliegende Text noch nicht die Endfassung sein, sodass ich zumindest vorerst noch keine weiteren Anmerkungen dazu machen möchte - mit nur einer kleinen, unwesentlichen Ausnahme: ich möchte auf das in Österreich neue Konzept hinweisen, wonach eine Behörde in ihrer Entscheidungspraxis auf die Spruchpraxis einer Selbstregulierungseinrichtung Bedacht zu nehmen hat. In  § 39 Abs 4 KOG in der Fassung der Regierungsvorlage heißt es:
    "Bei der Beurteilung von behaupteten Verletzungen der werberechtlichen Bestimmungen ... ist auf die Spruchpraxis allgemein anerkannter unabhängiger Selbstregulierungseinrichtungen Bedacht zu nehmen."
    Damit kann auch Österreich in eine ähnliche Situation wie Deutschland kommen, wo Entscheidungen von Selbstregulierungseinrichtungen behördliche Aufsichtsmaßnahmen präjudizieren können. So ist vor etwa einem Monat die zuständige Behörde zum Ergebnis gekommen, dass eine Sendung gegen Rechtsvorschriften (Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags) verstoßen hat, konnte diesen Verstoß aber nicht entsprechend sanktionieren, weil die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) "die Sendung vor der Ausstrahlung für das Nachmittagsprogramm freigegeben" hat.
  • Amerikanische Kinder bzw Jugendliche im Alter von 8 bis 18 Jahren verbringen im Schnitt siebeneinhalb Stunden pro Tag mit Unterhaltungsmedien. "And because they spend so much of that time 'media multitasking' (using more than one medium at a time), they actually manage to pack a total of 10 hours and 45 minutes (10:45) worth of media content into those 7½ hours." Das und mehr zum Medienkonsum von Jugendlichen in den USA erfährt man im Bericht GENERATION M2 - Media in the Lives of 8- to 18-Year-Olds der Kaiser Family Foundation (hier weitere Informationen zu dieser Studie). 
  • US-Präsident Obama, damals noch Senator, war im Jahr 2005 Gast eben dieser Foundation, und sprach zum Thema "Sex on TV". Aus dem Transkript seiner Ausführungen erfährt man nicht nur, dass er gerne Sopranos schaute, sondern auch, dass sein Zugang zur Inhaltsregulierung ganz im Zeichen von Newton Minow steht, den er sowohl der Sache nach (broadcasters as trustees of the public airwaves) als auch wörtlich zitiert (mit meinen Minow-Zitaten - zB hier oder hier, bzw im Blog hier - befinde ich mich also nicht in schlechter Gesellschaft). Gesetzgeberischen Lösungen zur Inhaltskontrolle steht Obama skeptisch gegenüber: "it’s very difficult to regulate our way out of this problem. And for those of us who value our First Amendment freedoms – and our freedoms of artistic expression – we wouldn’t want to", sagte er ebenso wie: "Not everything that is important lends itself to legislative solutions." 
  • Heribert Prantl, Leiter der innenpolitischen Redaktion der Süddeutschen Zeitung, wurde am 20.1.2010 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld die Honorarprofessur verliehen (Presseaussendung, Bericht). In seiner Antrittsvorlesung zur Bedeutung der Pressefreiheit (hier auszugsweise veröffentlicht) heißt es - unter der Zwischenüberschrift "Wenn der Staat mit Blaulicht kommt" - zB: "Der Gesetzgeber hat sich angewöhnt, Pressefreiheit gering zu schätzen. Ich frage mich freilich, ob es sich nicht auch der Journalismus angewöhnt hat, sich selber gering zu schätzen. Geht nicht womöglich von der Presse selbst mehr Gefahr für die Pressefreiheit aus als vom Gesetzgeber? Ich glaube: Ja!"
  • Wenn ich schon bei den Vorlesungen bin: auch Alan Rusbridger vom Guardian hat Ende Jänner einen nachlesenswerten Vortrag gehalten: in "Does journalism exist?" schildert Rusbridger, wie die Guardian-Gruppe mit den aktuellen Herausforderungen umgeht. Nach dem Grundatz "be of the web, not simply on the web" lehnt Rusbridger paywalls ab und zeigt, wie der Guardian Enthusiasmus, Fähigkeiten und Kenntnisse seiner Leser nützt, "how - so long as it is open to the rest of the web – a mainstream news organisation can harness something of the web's power. It is not about replacing the skills and knowledge of journalists with (that ugly phrase) user generated content. It is about experimenting with the balance of what we know, what we can do, with what they know, what they can do. ... There is a mutualised interest here. We are reaching towards the idea of a mutualised news organisation." Ein Nachrichtenverein auf Gegenseitigkeit, sozusagen.
    Ein von Rusbridger nochmals erzähltes und für Medienrechtler und PR-Leute besonders lehrreiches Beispiel ist natürlich der Fall Trafigura, der die Möglichkeiten des Zusammenwirkens von klassischem Journalismus und social media zeigt.
    "Again, this started as a piece of conventional reporting ... They uncovered a truly shocking story about a company which had hitherto been comfortably anonymous and which wanted to keep it that way.
    After dumping toxic waste in the Ivory Coast Trafigura was hit with a class action by 30,000 Africans who claimed to have been injured as a result. The company employed Carter-Ruck to chivvy journalists into obedient silence and then, having secured the mother of all super-injunctions, made the mistake of warning journalists that they could not even report mentions of Trafigura in parliament.One tweet and that legal edifice crumbled."

Sunday, February 21, 2010

Demnächst zu sehen: zwei österreichische Schrottsender

Das ist keine Programmkritik, sondern wörtlich gemeint: am kommenden Mittwoch werden die beiden schon längere Zeit nicht mehr genutzten (Mittelwellen-) Sendemasten der ORS am Wiener Bisamberg gesprengt. Vom Nordmast - dem mit 265 m höchsten Bauwerk Österreichs - wird ebenso wie vom 120 m hohen Südmast damit wohl nur Schrott übrigbleiben (im Bild nebenan scheinen die Masten nur aufgrund der Perspektive ähnlich hoch; einen eindrucksvollen Höhenvergleich sieht man hier, weitere Fotos und Berichte von Mastbesteigungen hier und hier; genauere Informationen und schöne Fotos auch in der Wikipedia). Im ORS-Blog ist zur Sprengung noch nichts zu finden [update 22.2.2010: siehe nun hier], nur in der Diskussion zu einem älteren Beitrag über die Ende 2008 erfolgte endgültige Abschaltung des Mittelwellen-Sendebetriebs (wie auch des  DAB-Probebetriebs, der auch vom Bisamberg, aber nicht vom MW-Sendemast aus, erfolgte). Auch wenn die Sender Schrott sein werden, das Sendegebäude bleibt stehen, und auch die Zufahrtsstraße wird wohl weiterhin Senderstraße heißen. Gewissermaßen zum Abschied hier noch ein paar Fotos:
  
Update 24.02.2010: die Sprengung ist erfolgt, Berichte und Fotos ua im ORS-Blog, Standard, Presse.
Update 27.02.2010: Bilder vom Schrott nun hier.

Tuesday, February 16, 2010

Déjà vu: ORF-Defizit "geringer als prognostiziert"

"Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit wird im Jahr 2009 -29 Millionen Euro betragen." - so war es im Finanzplan des ORF für 2009 vorgesehen (siehe zB hier).

Heute kam dann eine positive Nachricht: "ORF-Minus 2009 deutlich geringer als prognostiziert", schreibt z.B. die Presse. Wie hoch wird also das Defizit 2009 sein? Ganz einfach: 44,5 Mio Euro, also rund 50 % höher als im Finanzplan 2009 vorgesehen, wie der Standard vorrechnet.

Rätselhaft? Ganz und gar nicht, denn die Verbesserung der Situation ist eben nicht gegenüber dem Finanzplan, sondern gegenüber der letzten Prognose eingetreten, und die gab es offenbar irgendwann im Herbst, mit einem befürchteten Defizit von fast 54 Mio Euro.

Das Muster ist aus dem Vorjahr bekannt: auch damals vermeldete der ORF stolz, dass das Jahresergebnis (2008) deutlich besser als prognostiziert ausgefallen war: nämlich mit einem Defizit vom 79 Mio Euro, statt wie im November 2008 "prognostiziert" minus 100 Mio Euro (der Finanzplan hatte ein Minus von ca. 28 Mio Euro vorgesehen; siehe dazu in diesem Blog hier). Fazit: Je dramatischer die - kurz vor Jahresende abgegebene - Prognose, desto erfreuter kann man sein, wenn das Ergebnis dann "besser als prognostiziert" ist.

(Update 17.2.201, 9 Uhr: in der ersten online gegangenen Version fehlte im zweiten Absatz versehentlich der größte Teil des zweiten Satzes, das habe ich nun korrigiert).

Monday, February 15, 2010

Der Presserat kommt, eine Stiftungsrätin geht (und der Werberat geht weiter)

Drei kurze und nicht weiter zusammenhängende Notizen:

1. Alles mit der Zeit: seit heute gibt es tatsächlich den Trägerverein für den neuen Presserat: wie aus diesem Vereinsregister-Auszug hervorgeht, ist der "Verein zur Selbstkontrolle der österreichischen Presse - Österreichischer Presserat" mit heutigem Tag entstanden; als Gründer sind der Verband Österreichischer Zeitungen und der Österreichische Gewerkschaftsbund angegeben, Organe wurden noch nicht bestellt (aber, in Österreich wichtig, einen Präsidenten oder eine Präsidentin wird es jedenfalls geben). Die vom VÖZ registrierte Domain www.presserat.eu ist derzeit noch nicht aktiv (bei der naheliegenderen Domain www.presserat.at ist dem neuen Verein schon jemand zuvorgekommen).

2. Helga Rabl-Stadler, derzeit noch Mitglied des ORF-Stiftungsrates, will dieses Gremium laut Meldung im Standard verlassen, mit einer bemerkenswerten Begründung: "Ich sehe keine Perspektive, vom Stiftungsrat aus im ORF Positives zu bewirken". Das ist erstaunlich konsequent, war es doch Rabl-Stadler selbst, die sich über das Fehlen fachlicher Kompetenz im Stiftungsrat beschwerte (dazu hier), die nach eigener Auffassung "dem ORF untragbare finanzielle Lasten gebracht" hat (dazu hier), und die im Hinblick auf die ORF-Tochtergesellschaften eingestanden hat, von nichts zu wissen (dazu hier). Irgendwie verständlich, dass sie angesichts dieses bisherigen Erfolgs ihrer Stiftungsrats-Tätigkeit für die Zukunft offenbar auch keine positiven Perspektiven gesehen hat.

3. Der Werberat hat seine Website neu designt, seinen Selbstbeschränkungskodex, insbesondere die Regeln betreffend sexistische Werbung, adaptiert und den Geschäftsbericht 2009 vorgestellt. Das alles wirkt nun etwas moderner, inhaltlich muss ich es mir aber bei Gelegenheit (die wohl so schnell nicht kommen wird) erst einmal in Ruhe näher anschauen. Das ganze Redesign ändert freilich nichts daran, dass Hademar Bankhofer (im Ernst!) weiterhin Mitglied im Entscheidungsgremium des Werberats ist. Mutig, wenn der Werberat angesichts dessen noch selbst auf die Bedeutung der "Reputation jedes einzelnen Mitglieds" hinweist ...

Sunday, February 14, 2010

Barbie und der (Fernseh-)Binnenmarkt - in memoriam Kjersti Graver

Gewissermaßen im Schatten des EuGH residiert in Luxemburg noch ein weiterer Gerichtshof, dessen Aufgabe de facto ebenfalls die Auslegung von Gemeinschaftsrecht ist: der EFTA-Gerichtshof (de jure geht es um die Auslegung von EWR-Recht, das freilich weitgehend in der Übernahme des Gemeinschaftsrechts besteht). Auch der EFTA-Gerichtshof entscheidet daher zB über die Auslegung der Fernsehrichtlinie oder der Richtlinien betreffend elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, und zwar wenn EFTA-Staaten, die EWR-Mitglied sind (derzeit Island, Liechtenstein und Norwegen), betroffen sind. Auch vor dem EFTA-Gerichtshof gibt es Vertragsverletzungsverfahren (die von der EFTA-Überwachungsbehörde eingeleitet werden) und Vorabentscheidungsverfahren (hier nennt man sie "advisory opinions"), genauso wie Untätigkeitsklagen (siehe auch den Jahresbericht 2008).

Ich habe daher meine EuGH/EuG-Übersicht zu anhängigen und abgeschlossenen Telekom- bzw. Rundfunksachen auch um den EFTA-Gerichtshof ergänzt. Derzeit ist freilich nur ein für dieses Blog interessanter Fall anhängig: die Untätigkeitsklage des norwegischen Zeitschriftenverbands gegen die EFTA-Überwachungsbehörde wegen staatlicher Beihilfen für Zeitungen (E-6/09; Veröffentlichung im Amtsblatt, Report for the Hearing [nur zur Frage der Zulässigkeit]).

Und auch die einschlägigen abgeschlossenen Verfahren sind nicht gerade zahlreich: so gab es eine Verurteilung Liechtensteins wegen nicht zeitgerechter Umsetzung des Telekom-Rechtsrahmens (E-5/05 bis E-9/05; hier das Urteil), schon vor rund 12 Jahren eine wichtige Entscheidung zum Minderjährigenschutz nach Art 22 der "Fernsehen ohne Grenzen"-Richtlinie (E-8/97 - TV 1000 Sverige AB) und schon vor 15 Jahren das legendäre Urteil - ebenfalls zur Fernseh-RL - in der Rechtssache E 8/94 und E 9/94 Forbrukerombudet v Mattel Scandinavia A/S und Lego Norge A/S (Urteil; Bericht).

Forbrukerombudet v. Mattel und Lego
In dieser Sache ging es um ein Thema, das den nordischen Verbraucherschützern traditionell besonders wichtig war: um den Schutz der Kinder vor Fernsehwerbung. Wie ernst die Angelegenheit bis in die neunziger Jahre verfolgt wurde, zeigen beispielhaft die Joint standards for television advertising, auf die sich die Konsumentenombudsleute aus Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen sowie die isländische Konsumentenschutzbehörde 1991 geeinigt haben: demnach sollte zB - zum Schutz der Kinder - Fernsehwerbung (nicht nur an Kinder gerichtete Fernsehwerbung!) vor 20 Uhr generell verboten sein.

Im Binnenmarkt (auch im EWR) konnte sich diese Position bekanntlich auf Dauer nicht halten, denn mit der Fernseh-RL wurde das Prinzip der Rechtsaufsicht durch den Sendestaat festgelegt. Und auch wenn zB Norwegen an Kinder gerichtete Werbung untersagte, war damit nicht mehr zu verhindern, dass Fernsehprogramme aus anderen Mitgliedstaaten mit weniger strengen Werbebeschränkungen auch in Norwegen verbreitet wurden - samt der an Kinder gerichteten Werbung.

Kjersti Graver (norwegischer und englischer Eintrag in Wikipedia), von 1987 bis 1995 "Forbrukerombudet" in Norwegen, wollte das allerdings nicht so kampflos hinnehmen. Rechtlich setzte sie bei Unternehmen an, die in Norwegen ansässig waren: sie stellte den Antrag an das zuständige Marktgericht, den norwegischen Tochtergesellschaften der Spielzeugkonzerne Mattel und Lego zu untersagen, Werbung in einem auf Norwegen ausgerichteten, aber der Rechtshoheit des Vereinigten Königreichts unterliegenden Satelliten-Fernsehprorgamm zu schalten. Der juristische Umweg nützte nichts, und der EFTA-Gerichtshof kam in seinem Urteil vom 16.6.1995 zum Ergebnis, dass die Fernsehrichtlinie enem derartigen Verbot entgegensteht.

Kjersti Graver (8. Oktober 1945 – 14. Februar 2009)
Am 14. Februar 2009 - heute vor einem Jahr - starb Kjersti Graver. Ich hatte sie Ende der achtziger Jahre kennen gelernt, als wir beide im Rahmen des sogenannten Oslo-Brüssel-Prozesses der Annäherung von EFTA und EG auf EFTA-Seite in Verbraucherschutzangelegenheiten mitwirkten. Konsequenz und Durchsetzungskraft in der Verfolgung ihrer Anliegen hatte sie schon gut zehn Jahre zuvor bewiesen: als Verbraucher-Aktivistin, noch vor ihrer Ernennung zum Forbrukerombudet, hatte sie erreicht, dass in Norwegen von 1978 bis 1989 Skateboards aus Sicherheitsgründen gänzlich verboten waren - heute fast nicht mehr vorstellbar (der Film "Brettkontroll" berichtet aus dieser Zeit, in der die Polizei Jagd auf illegale Skater machte, die auf versteckten Rampen im Wald übten; im YouTube-Clip und auch in einem Ausschnitt auf der Dagbladet-Website ist auch Kjersti Graver kurz zu sehen und zu hören).

Mit ähnlicher Konsequenz hatte sie bei ihrem Amtsantritt als Forbrukerombudet die geschlechtsneutrale Stellenbezeichnung durchgesetzt: während die vergleichbaren Funktionen bzw Behörden in den anderen nordischen Ländern als "Ombudsman" bezeichnet wurden, suchte sie nicht lange nach einer weiblichen Endung, sondern ließ einfach das "man" weg (mit "Verbraucher-Ombud" ist diese Funktion übrigens nur unzureichend übersetzt, denn eigentlich handelt es sich um eine unabhängige staatliche Behörde, deren Aufgabe die Durchsetzung von Verbraucherschutzvorschriften ist).

So war es auch nicht wirklich überraschend, dass Kjersti sich bald nach ihrer Ernennung gerade mit Mattel und Lego anlegte. Denn beide Konzerne waren ihr nicht nur wegen der Werbung an sich, sondern besonders wegen ihrer sehr geschlechtsspezifischen Werbung ein Dorn im Auge (Barbie-Puppen von Mattel; strikt nach Mädchen- oder Buben-Spielzeug unterscheidende Werbespots von Lego). Dass der EFTA-Gerichtshof ihre Position nicht teilen würde, damit hat sie als erfahrene Juristin durchaus gerechnet - aber aufzugeben, bevor sie es nicht zumindest versucht hatte, war für sie keine Option.

Später ist Kjersti übrigens selbst Richterin geworden, am Borgarting, dem größten norwegischen Berufungsgericht. Mein Kontakt zu ihr riss bald danach ab, und erst vor wenigen Wochen habe ich zufällig von Ihrem Tod erfahren. Dieser Blog-Beitrag ist ihrem Andenken gewidmet.

Tuesday, February 09, 2010

Jetzt kommt KoZIG: das "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft"

Politik lebt auch davon, immer wieder mal eine neue Initiative durchs - gerne auch virtuelle - Dorf zu treiben. Zum Zauberwort IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) hatten wir schon Masterplan, Task Force und Breitband-Initiative, dann gab es die unheimliche (bzw über lange Strecken doch eher heimliche) Kraftanstrengung einer Internetoffensive (im Blog dazu hier), und nun kommt das "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft" - kurz KoZIG.

Was das KoZIG genau sein soll, kann man gegenwärtig noch nicht sagen, im Web (das ja für ein "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft" zur Kommunikaton interessant sein könnte), ist außer drei Presseaussendungen (Bundesregierung bündelt Kräfte in der IKT-Politik, WKÖ-Pollirer begrüßt Einrichtung eines Kompetenzzentrums Internetgesellschaft, Bures zu IKT-Kompetenzzentrum: Österreich in Pole-Position bringen) und einem knappen Absatz im Ministerratskommuniqué noch nichts zu finden. Am verhältnismäßig konkretesten ist die Aussendung von Kanzleramt und BMF:
"Um den Herausforderungen der Wissens- und Informationsgesellschaft gerecht zu werden, hat die Bundesregierung die unbürokratische und umsetzungsorientierte Einrichtung des 'Kompetenzzentrum Internetgesellschaft' auf bundespolitischer Ebene vereinbart. Dabei verfolgt das Kompetenzzentrum folgende übergeordneten Ziele:
- Österreich in der Spitze der IKT-Nationen zu positionieren
- Die Breitbandnutzung zu erhöhen
- Internet als Chance für alle Mensche zu begreifen
- Eine koordinierte und auch forschungsorientierte IKT-Politik zu forcieren
Zur Zielerreichung erarbeitet das Kompetenzzentrum gemeinsam mit allen Stakeholdern eine klare Priorisierung der notwendigen Schritte und definiert für die jeweilige Umsetzung eine koordinierende Stelle. Über seine Arbeit und den aktuellen Stand der IKT in Österreich legt das Kompetenzzentrum der Bundesregierung einen jährlichen Bericht vor.
Neben der Priorisierung der notwendigen Schritte und der Anführung der für die Umsetzung zuständigen Stelle kümmert sich das Kompetenzzentrum darüber hinaus um eine laufende Öffentlichkeitsarbeit und die Erstellung von Studien.
Der Vorstand des 'Kompetenzzentrums Internetgesellschaft' setzt sich aus je einem Vertreter des BKA, BMF, BMVIT und BMWFJ zusammen. Daneben gehören ein Vertreter der RTR und der Vorstand der 'Internetoffensive Österreich' mit beratender Stimme dem Vorstand des Kompetenzzentrums an." (Links hinzugefügt)
Bevor ich darauf vergesse: die schon totgeblaubte sogenannte Internetoffensive hat heute (nein, keinen USB-Stick, sondern) eine schön layoutierte und gedruckte Internetdeklaration an die Bundesregierung übergeben, die, man glaubt es kaum, tatsächlich auch im Internet verfügbar ist (als pdf-Datei und sogar als html-Text - auf Verlinkungen im Text hat man freilich verzichtet, das wäre wohl zuviel des "Internet" gewesen).

PS: Erinnert sich eigentlich noch wer an die IKT Task Force?

Mumpitz aus der Nähe: Der Programmflüchtling als Publikumsrat

Gerhard Tötschinger, Sieger der ORF-Publikumsratswahl für den Bereich "Ältere Menschen", bezeichnete laut Meldung im Standard das aktuelle ORF-Programm als Mumpitz und sich selbst - in einer Presseaussendung - als Programm-Flüchtling. Verständlich, denn seine Qualitätsmaßstäbe sind Sendungen wie das "Quiz in Rot-Weiß-Rot" (1978-1988, moderiert von einem gewissen Gerhard Tötschinger) und "Schatzhaus Österreich" (1985 bis 1994 präsentiert von Elisabeth Orth, Schwester von "ORF-Star" Christiane Hörbiger, die wiederum laut ORF-Biografie Gerhard Tötschingers Lebensgefährtin ist).

Ab wann genau nach Ansicht des neuen Publikumsrates die Mumpitz-Zeit im ORF-Programm begonnen hat, ist weder der Standard-Meldung noch den Seniorenbund-Presseunterlagen zu entnehmen. Vielleicht schon im Herbst 2008? Damals jedenfalls zeigte der ORF eine Dokumentation, in der ein gewisser Gerhard Tötschinger als Autor und Regisseur "Christiane Hörbigers großartige Karriere vom Wiener Burgtheater über Hollywood und die großen Kino- und Serienerfolge bis zu den aktuellen, vielbeachteten Fernsehfilmen hin" nachzeichnete. Immerhin war der Titel nicht irreführend: "Christiane Hörbiger - ein Porträt aus der Nähe". In einem Programm, in dem bei Gelegenheit schon einmal ein Krone-Kolumnist eine Dokumentation über seinen Chef machen kann, sind solche Sendungen aber wohl ganz in Ordnung (laut Programmrichtlinien dürfen "persönliche Interessen die Gestaltung von Programmelementen nicht beeinflussen" - das Hörbiger-Porträt war aber keine ORF-Eigenproduktion).

Kein Mumpitz war nach Ansicht Tötschingers offenbar die Sendereihe "Schöner Leben", deren Abschaffung er laut Presseunterlagen beklagt. Ich habe "Schöner Leben" einmal gesehen (siehe dazu hier; der Link auf die TVthek funktioniert natürlich nicht mehr) und finde es daher beruhigend, dass Tötschinger nicht für eine Wiederaufnahme der Sendereihe eintritt, sondern - ganz im Gegenteil - "für einen qualitätsvollen Ersatz" (Hervorhebung hinzugefügt). 

PS. Ich habe weder Herrn Tötschinger noch andere KandidatInnen für den Publikumsrat gewählt, da ich - obwohl Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs 1 iVm Abs 2 Z 2 RGG) - nicht wählen durfte. Dabei habe ich sogar noch ein Fax zu Hause stehen ;-)

Monday, February 08, 2010

"Unter der Fuchtel von Frau Kroes" - Doris Pack, MEP, verteidigt die Kultur

Doris Pack ist Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung im Europaparlament und Mitglied im Fernsehrat des ZDF (staatsfern wie alle*). Von Neelie Kroes, bisher Wettbewerbskommissarin, demnächst Kommissarin für die digitale Agenda, dürfte sie nicht allzuviel halten, das hat sie bei ihrer Rede anlässlich der Konferenz "Future or Funeral - Dual System at a Crossroads" in Warschau am 23. Jänner 2010 (zu dieser Veranstaltung schon hier) deutlich gemacht. Schon im vorbereiteten Redemanuskript ihres Vortrags "Das duale System im Rundfunk: Was kann/soll Europa tun?" kritisierte sie, dass die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission "oft ungeschickt bis arrogant und auch ideologisch argumentiert" habe. In ihren tatsächlichen Ausführungen - es gilt das gesprochene Wort - war sie noch eine Spur schärfer und erzählte voller Stolz, wie sie "Frau Kroes, die in den letzten fünf Jahren den Wettbewerb unter ihrer Fuchtel gehabt hat" im ersten Hearing im Parlament ausgebremst hat: "Meine Fragen und die Fragen der Kollegin Trautmann haben dazu geführt, dass sie noch länger Kandidatin blieb. Als sie [Kroes] dann zum zweiten Mal zu uns kam, hatten wir das Gefühl, sie hat verstanden."

Nun kann man das natürlich als politischen Schlagabtausch zwischen der konservativen Abgeordneten Pack und der liberalen Kommissarin Kroes sehen, aber wenn man das Video des Hearings von Neelie Kroes ansieht, dann muss man einräumen, dass die Kommissarin dabei tatsächlich nicht gut ausgesehen hat. Hier ein möglichst wortgetreues Transkript (Sprachen original) der zwei Fragen von Frau Pack und der Antworten der Kommissarin (im Video ab 18:04:24):
Doris Pack: Liebe Frau Kroes, der Kulturausschuss tritt seit Jahren für das spezifische europäische Regulierungsmodell des dualen Rundfunksystems ein, weil er der Ansicht ist, dass das die beste Garantie für Meinungsvielfalt und Meinungsbildung ist. Zu diesem System gehört ein starker staatsferner und entwicklungsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der den Bürgern technologieneutral seine Dienste anbietet. Was ist denn ihre Definition eines ausgeglichenen dualen Systems und welche Rolle spielt denn da Ihrer Meinung da drin die Public Service Media?
Herbert Reul (Vorsitzender): Frau Kroes - klare Frage, klare Antwort!
Neelie Kroes: It is a very clear question and we are aware that depending on the public broadcasting services we try to deal with principles all over the place the same, and tailor-made approaches; but in itself we should be quite clear, the definition has to be as clear as crystal, for otherwise we are not getting a real result out of our discussions. And what we did in the past in competition, in competition issues, was, I imagine, quite acceptable also for you, to find a way in which the diversity is still there and that is a big issue, that is one of those issues that we are fond of in Europe and that is still a competitive market in which at the end of the day the consumer is able to pick out what he or she is preferring.
Doris Pack: War nicht sehr befriedigend, aber ich komme noch zu einer zweiten Frage: Ich möchte gerne zur Konvention, der UNO-Konvention, zur UNESCO-Konvention [gemeint ist wohl das Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen] kommen. Ich entsinne mich, dass Sie in dieser Frage eine andere Meinung vertreten haben als die Mehrheit der Barroso-Kommission. Sie waren gegen eine innere Verbindlichkeit dieser Konvention. Haben Sie sich inzwischen bekehrt und glauben Sie nicht auch, dass dieses Instrument etwas ist, womit wir also grade die Kultur- und Medienpolitik in der Europäischen Union unterstützen und vorantreiben können?
Neelie Kroes: I am aware that ... I am not aware that there was such a split, but perhaps we can discuss that later. If you were asking with this portfolio and the culture past in which there is a close connection with the whole issue that is dealt with here, I think it is absolutely a must to keep that bridged for otherwise we are losing opportunities for also in the culture and the media field there are a lot of opportunities with this new digital agenda where we can take advantage of.
Alles klar? Wenn Kroes schon nichts sagen wollte, dann hätte es sie auch eleganter machen können, etwa so wie bei Sir Humphrey aus der legendären BBC-Serie "Yes Minister" (in diesem Video, von ca. 2:40 bis 3:30)

Jim Hacker: "When you give your evidence to the Think Tank, are you going to support my view that the Civil Service is over manned and feather-bedded, or not? Yes or no? Straight answer."
Sir Humphrey: "Well Minister, if you ask me for a straight answer, then I shall say that, as far as we can see, looking at it by and large, taking one thing with another in terms of the average of departments, then in the final analysis it is probably true to say, that at the end of the day, in general terms, you would probably find that, not to put too fine a point on it, there probably wasn't very much in it one way or the other. As far as one can see, at this stage."
Jim Hacker: "Is that Yes or No?"
Sir Humphrey: "Yes and no."
Jim Hacker: "Supposed you weren’t asked for a straight answer?"
Sir Humphrey: "Then I should play for time, Minister." [Textquelle hier]
*) An die Abgeordnete Pack dürfte Kommissarin Reding bei ihrer Rede über die "6 Mythen vom medienpolitischen Stammtisch" im Dezember 2008 ganz besonders gedacht haben, als sie nicht nur das Saarland (aus dem Pack stammt) als Epizentrum des Mythos von der geplanten Abschaffung der Rundfunkräte durch Brüssel ausgemacht, sondern auch darauf hingewiesen hat, dass einige Rundfunkräte "als hauptberufliche Mitglieder des Europäischen Parlaments regelmäßig die als Rundfunkräte erworbenen Kenntnisseaktiv in die europäische medienpolitische Debatte einbringen" (zu meiner "Übersetzung" dieser Rede siehe hier).

Friday, February 05, 2010

Linke Bergsteiger, rechte Taucher, liberale Hundeschlittenfahrer: wenn "falsche Zivilisten" den Rundfunk kontrollieren

Vor knapp zwei Wochen, am 23. Jänner 2010, fand im polnischen Parlament ein internationales Expertenhearing unter dem Titel "Future or Funeral - Dual System at a Crossroads" statt. Das erste Panel war dem Verhältnis der Medien - insbesondere öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter - zur Politik gewidmet und wurde mit einer Grundsatzrede des Chefs der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Martin Stadelmaier, eingeleitet (Zusammenfasung hier). In der klassischen Rolle "Staatssekretär erklärt Staatsferne" versuchte Stadelmaier das deutsche Rundfunksystem zu erklären (ich habe dabei gelernt, dass in Deutschland die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Voraussetzung ist, dass privater Rundfunk überhaupt veranstaltet werden kann - das dürfte ernsthaft die Lesart der diversen Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts durch die Landesmedienpolitik sein) und betonte die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Anstalten vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit Finanzinvestoren im privaten Rundfunk. Dass Staatsferne in the books und Staatsferne in action nicht immer ganz übereinstimmen, sprach Stadelmaier durch recht vorsichtige Anmerkungen zur Kontroverse um Nikolaus Brender an.

Von direktem politischen Einfluss auf die (öffentlich-rechtlichen und sonstigen) Medien konnten nicht nur polnische Journalisten berichten, sondern am Podium auch der frühere (zweimalige) RAI-Generaldirektor Claudio Cappon und der ehemalige Vorsitzende des ungarischen Radio- und Fernsehrates ORTT, Dr. László Majtényi (im Bild oben links). In Österreich, so konnte ich erzählen, ist eine direkte politische Einflussnahme auf Personalentscheidungen im Rundfunk natürlich nicht möglich, schon gar nicht - wie zB aus Polen berichtet - in der Form, dass staatliche Zuwendungen an bestimmte Personalwünsche gebunden würden. Also blieb mir nur, von Zufälligkeiten zu berichten.

László Majtényi wurde übrigens fast als Held begrüßt, da er in seiner Funktion im ORTT nachdrücklich gegen Korruption und direkte politische Einflussnahme aufgetreten ist, was schließlich auch zu seinem Rücktritt geführt hat: bei der Vergabe von zwei nationalen Radiolizenzen kamen - nach wohl begründeter Ansicht Majtényis unter Verletzung den Ausschreibungsbedingungen - zwei den Großparteien nahestende Unternehmen zum Zug (siehe die Berichte dazu hier und hier; mittlerweile gibt es ein erstes - nicht rechtskräftiges - Gerichtsurteil gegen die Vergabeentscheidung). Die Ausführungen Majtényis über die ungarische Situation waren auch vor diesem Hintergrund nicht wirklich ermutigend. Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk berichtete er, dass die Gremien rein parteipolitisch dominiert seien, auch wenn nach dem Gesetz viele Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen beteiligt seien. Aber die politischen Parteien hätten sich auch dieser zivilen Kontrolle bemächtigt: "the presence of the so-called 'fake-civilians' has become the pattern (left wing mountaineers compete with right wing scuba divers and liberal dog sled riders)." Auch solche Zuordnungen sind in Österreich natürlich ausgeschlossen, denn Taucher oder Hundeschlittenfahrer sind in den Gremien nicht vertreten (bleiben also nur "linke Bergsteiger", die zB über den Bereich Umweltschutz in den Publikumsrat kommen).

Thursday, February 04, 2010

US-Gericht: Freiheit der Meinungsäußerung impliziert kein "right to party"

Studenten der University of Rhode Island haben sich im Nachbarstädtchen Narragansett offenbar nicht besonders beliebt gemacht. Jedenfalls sah sich die Stadt aufgrund von wüsten Parties der Studenten veranlasst, eine Verordnung zu erlassen, um "unruly gatherings" zu verbieten - und dabei auch zu recht drastischen Mitteln zu greifen: so wird an einem Haus, in dem eine verbotene Party stattfand, ein auffallendes oranges Plakat an der Haustür angebracht, mit der Warnung, dass im Fall eines neuerlich erforderlichen polizeilichen Einschreitens auch eine gemeinsaem Haftung der Einladenden, der Bewohner und der Gäste der Party zum Tragen kommt.

Natürlich wird dagegen prozessiert, aber bislang mit wenig Erfolg. Das Bundesgericht für Rhode Island hat in seinem Urteil vom 22.01.2010 den Studenten kein "right to party" zugestanden, mit folgender Begründung (Seite 15): 
"Anyone who has college-aged children knows that 'hanging out' is an important, even vital social experience. But just as the Constitution does not 'recognize[] a generalized right of ‘social association’' of the type that includes 'chance encounters in dance halls,' City of Dallas v. Stanglin, 490 U.S. 19, 25 (1989), it does not protect college house parties, no matter how many problems of the world may be solved at them. Under Stanglin, Plaintiffs cannot claim constitutional protection for get-togethers that do not serve political or
expressive ends."

Und vielleicht um es den Studierenden noch etwas deutlicher zu machen, gibt es im Urteil auch folgende Fußnote zu diesem Absatz:
"In other words, while the Beastie Boys might disagree, the First Amendment does not imply a 'right to party' dissociated from expression."

Monday, February 01, 2010

Vermischte Lesehinweise (4)

  • "Net neutrality, towards a co-regulatory solution", das neue Buch von "Net Neutrailty in Europe"-Blogger Chris Marsden ist erschienen. Das ganze Buch kann in einem Creative Commons-Download gelesen werden. Lesenswert ist das nicht nur für Spezialisten in Sachen Netzneutralität, sondern auch für alle, die die an grundsätzlichen Fragen von Selbst- und Ko-Regulierung interessiert sind. An den guten Absichten der Politik hat Chris Marsden seine Zweifel:
    "The regulation of the Internet that is rapidly taking place is being driven – unquestionably – in Europe by politicians for public safety reasons. They are erecting entry barriers with the connivance of the incumbent players, with potentially enormous consequences for free speech, free competition and individual expression. ...  Claims by the European Commissioner that regulating the Internet is not the intention do not flatter the intelligence of the audience."
  • US-Präsident Obama hat übrigens in einem aktuellen Interview seine Position zur Netzneutralität bekräftigt, zu sehen hier auf YouTube, transkribiert im Blog von Susan Crawford.  
  • Die deutsche Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat ihren 17. Bericht veröffentlicht (Übersichtsseite, Bericht als pdf). Deutsche Gründlichkeit, an der sich wohl - falls die Novelle zum ORF-Gesetz in nächster Zeit den Weg ins Parlament finden und dort beschlossen werden sollte - auch die österreichische Praxis orientieren dürfte (auch wenn keine KEF, sondern die in Hinkunft von der Regulierungsbehörde zu bestellende Prüfungskommission den Finanzbedarf ermitteln soll). 
  • Die Kommission hat übrigens auch das Beihilfenverfahren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Niederlanden abgeschlossen; die Presseaussendung dazu hier, die Entscheidung selbst ist noch nicht veröffentlicht, sie wird in einiger Zeit hier zu finden sein.
  • Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat in ihrer Sitzung am 27.1.2010 die Empfehlung 1897/2010 "Respect for media freedom" angenommen; im Bericht von Andrew McIntosh (nicht aber in der Empfehlung selbst) kommt auch Österreich vor:
    "In Germany and Austria, the established system whereby the senior management and editorial appointments in public broadcasting reflect the strength of rival political parties can be criticised for undermining journalistic independence by taking account openly of political affiliations. In Austria some broadcasting journalists have questioned the guidelines on news coverage which take account of political factors in deciding on coverage and running orders on news bulletins."
  • Und noch ein offline-Lesehinweis in eigener Sache: im aktuellen Heft von Medien und Recht repliziere ich auf einen Beitrag von Michael Potacs, der im vorangegangenen Heft im Wesentlichen die Auffassung vertreten hat, das Kartellgesetz sei auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht im Sinne des TKG 2003 nicht anwendbar (mein Fazit: "Insgesamt ist der Beitrag von Potacs ein durchaus origineller, aber meines Erachtens untauglicher Fluchtversuch aus dem Kartellrecht.").