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Wednesday, May 27, 2009

Mayer statt Metternich: Selbstkontrolle, Schiedsstelle, sonstwas?

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) ist, laut Selbstdarstellung, ein "gemeinnütziger, parteiunabhängiger und bundesweiter Kommunikations- und Serviceclub für in- und ausländische Journalisten und andere Medienmitarbeiter", zu dessen satzungsgemäßen Tätigkeiten unter anderem der Handel mit Waren aller Art, der Betrieb von Radio- und Fernsehsendern und die Vermittlung von Geschäften aller Art zählen.

Seit heute betreibt der ÖJC auch einen "Medienrat" - eine Einrichtung, die in der ersten Presseaussendung als "unabhängiges Organ der nichtstaatlichen, freiwilligen Selbstkontrolle des österreichischen Journalismus" bezeichnet wurde, in der zweiten Presseaussendung als "zeitgemäße, moderne Schiedsstelle", und von der es in der heutigen Presseaussendung heißt, sie werde die Kontrahenten im jeweiligen Streitfall zu einer Verhandlung laden und im Anschluss daran werde "eine Meinung zum jeweiligen Fall publiziert, die Gesichtspunkte des Rechts, der Ethik und der praktischen Sachzwänge des jeweiligen Mediums berücksichtigt."

Viel mehr ist den bislang veröffentlichten Informationen nicht wirklich zu entnehmen. Von einer Schiedsstelle (also auf Grundlage einer Schiedsvereinbarung) ist wohl keine Rede mehr, zumal darauf hingewiesen wird, dass die publizierte "Rechtsmeinung" auch "als Anhaltspunkt in eventuellen Gerichtsverfahren dienen" könne. Ganz klar ist mir allerdings noch nicht, wie das Konzept einer "Rechtsmeinung" mit dem Anspruch zusammenpasst, auch "Ethik" und "praktische Sachzwänge" zu berücksichtigen, vor allem da der Vorsitzende des Medienrats laut Presseaussendung auch betonte, dass nicht alles, was Recht ist, ethisch in Ordnung ist.

Eine Website ist in Vorbereitung (derzeit kann man sich dort nur ein Bild der Mitglieder ansehen und deren Namen nachlesen), Verfahrensordnungen oder Entscheidungskriterien sind jedenfalls derzeit nicht zugänglich. Laut Presseberichten will sich der Medienrat "an den vorhandenen internationalen Pressekodizes sowie dem Ehrenkodex der österreichischen Presse" orientieren. Laut pressetext.austria muss, wer Beschwerde beim Medienrat einbringt, "eine Gebühr von 700 Euro bezahlen". Eine Garantie, dass sich die betroffenen Verleger und/oder Journalisten dann auch am Verfahren beteiligen oder sich irgendwie an den veröffentlichten Rechtsmeinungen orientieren, bekommt man dafür aber offenbar nicht.

Mitglieder des Medienrats sind DI Gerald Bäck, Geschäftsführer von public.webwatch [und Web 2.0 Evangelist - hoffentlich lässt man ihn an die Website des Medienrats!]; Mag. Dr. Silvia Ettl-Huber, Leiterin des Internationales Journalismus Zentrums an der Donau-Uni Krems; Rüdiger Landgraf, Chefredakteur KRONEHIT [und Privatradio-Pionier]; Albert Malli, stellvertretender Senderchef Ö 3; Marius Perger, Chefredakteur und Herausgeber Börsen-Kurier, sowie - als Vorsitzender - o.Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

Ob der Medienrat (anders als zB die Leseranwaltschaft, siehe dazu zB auch hier) funktionieren wird? Dazu ein Zitat aus der Presseaussendung des ÖJC:
ÖJC-Präsident Fred Turnheim: "Wenn es die Journalisten wollen, wird es funktionieren. Alternative wären 'metternichsche Artikel'." Das waren jene Bestimmungen zur Pressezensur, die letztlich zur Revolution von 1848 geführt haben.
Wenn ich das richtig verstanden habe, soll das heißen: wenn der "Medienrat" nicht funktioniert, kommt die Pressezensur (und ein paar Jahre später die Revolution?). Und so sehr ich die Mitglieder des Medienrats (soweit sie mir persönlich bekannt sind) auch schätze, so meine ich doch, dass zwischen der gegenwärtigen Situation in Österreich und der Pressezensur des Vormärz noch ein wenig mehr steht als der "Medienrat".

1 comment:

  1. Großartiger Kommentar, danke dafür - der Metternich-Vergleich ist wohl in der Tat weit hergeholt, wobei angesichts der .at Oligopole die Metapher der Banenenrepublik aber wohl gar nicht so fern liegt.

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