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Tuesday, March 20, 2007

Wettbewerbsvorsprung Amtsblatt?

"Der Name weckt Assoziationen an Gemütlichkeit und Traditionalität" schreibt die Wiener Zeitung auf ihrer Website über das Amtsblatt.
Tradition ist jedenfalls, dass bestimmte Informationen zwingend in diesem Amtsblatt zu veröffentlichen sind - so etwa Stellenausschreibungen nach dem Stellenbesetzungsgesetz oder dem Ausschreibungsgesetz.

Gar nicht gemütlich aber ist die Wiener Zeitung, wenn es darum geht, die bei ihr zwingend zu veröffentlichenden Ausschreibungen auch gleich (= in der selben Ausgabe) redaktionell zu verwerten - was immerhin voraussetzt, dass die Ausschreibungsinformation vor dem Erscheinen an die nicht damit befasste Redaktion weitergeleitet wird.

So kann dann am selben Tag, an dem die künstlerische Geschäftsführung der Wiener Staatsoper ausgeschrieben wird, im redaktionellen Teil schon ein Kommentator unter dem sinnigen Titel "Ministerin quält Katze" die Ausschreibung als "nebulos" abqualifizieren (10.3.2007). Und wenn die Funktion des Generaldirektors / der Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde ausgeschrieben wird, so lässt sich im redaktionellen Teil der selben Ausgabe schon über einen damit verbundenen nächsten Koalitionskrach spekulieren (17.3.2007).

Ist das mit dem Wesen einer amtlichen Ausschreibung vereinbar? Sinn jeder Ausschreibung ist schließlich auch die gleichmäßige Information aller Interessierten; niemand soll durch umfangreichere oder frühere Informationen einen Vorteil gegenüber anderen haben - die Ausschreibung gibt sozusagen den Startschuss für das Bewerbungsrennen. Damit verbunden ist aber auch, dass die Ausschreibungsinhalte nicht bereits vor der amtlichen Veröffentlichung weitergeleitet werden, und sei es "bloß" vom Amtsblatt zur Redaktion. Schließlich könnte sich ja selbst ein Kulturredakteur der Wiener Zeitung als Operndirektor bewerben (zumal gerade dieser Redakteur ohnehin - damit ist er allerdings in Wien nicht allein - der Meinung sein dürfte, oberster Auskenner in Sachen Oper zu sein).

Qualitätszeitungen haben aus guten Gründen "Chinese Walls" zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion. Wollte die Wiener Zeitung eine Qualitätszeitung sein - und solange sie zu 100% im Eigentum der Republik steht, sollte sie das wohl anstreben -, so würde es ihr nicht schaden, sich an solchen Standards zu orientieren.

So aber scheint es, als ob nicht bloß das Entgelt für die Pflichtveröffentlichungen - aus dem sich die Wiener Zeitung laut Medienministerin Bures "hauptsächlich finanziert" (Quelle: Interview mit Harald Fidler auf derStandard.at) -, sondern auch noch deren Informationsgehalt dazu verwendet wird, im Wettbewerb mit anderen Zeitungen einen kleinen Vorsprung zu erzielen, und sei es nur durch das (die Kulturredaktion der Wiener Zeitung auszeichnende) Alleinstellungsmerkmal allgemein missmutiger Kommentare zu gleichzeitig veröffentlichten amtlichen Ausschreibungen.

Aber - auch hier zitiere ich Medienministerin Bures auf derStandard.at - die "Wiener Zeitung ... hat das Problem eines Verfahrens über die Veröffentlichungspflicht von Ausschreibungen dort. ... Die Zukunft und finanzielle Basis der Wiener Zeitung wird von diesem Verfahren abhängig sein. Das ist abzuwarten, und dann sind die nächsten Schritte zu diskutieren, also die Finanzierung und der weitere Fortbestand der Wiener Zeitung."
Dieser Diskussion - zu der ich hier, hier und hier schon einen kleinen Beitrag geleistet habe - sehe ich mit Interesse entgegen.

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