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Friday, April 11, 2014

Vorratsdatenspeicherung: anhängige Verfahren bei EuGH und EuG

Mit Urteil vom 08.04.2014, C-293/12 und C-593/12, hat der EuGH bekanntlich die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten zur Gänze als ungültig erklärt (im Blog dazu hier und hier; im EUR-Lex ist die Ungültigkeit der RL mit heutigem Tag übrigens noch nicht dokumentiert). Damit sind aber nicht alle Verfahren vor dem Gerichtshof, in denen diese Richtlinie eine Rolle spielt, erledigt.

Vertragsverletzungsverfahren Kommission / Deutschland
Anhängig ist zunächst noch das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, C-329/12; hier ist nur spannend, ob die Kommission die Klage so rechtzeitig zurückzieht, dass sie einem Urteil (oder wohl eher Beschluss) des EuGH zur Zurückweisung zuvorkommt. (Update: nach Medienberichten hat die Kommission angekündigt, die Klage zurückzuziehen, aber den Kostenersatzantrag aufrecht zu halten; weiteres Update: mit Beschluss vom 05.06.2014 hat der EuGH die Rechtssache aus dem Register gestrichen und angeordnet, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt - eine salomonische Lösung, die freilich Art 141 der Verfahrensordnung nicht für sich hat: nach dieser Bestimmung ist nämlich eine Anordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, nur dann vorgesehen, wenn keine Kostenanträge gestellt werden).

Vorabentscheidungsersuchen der österreichischen Datenschutzkommission
Dann ist aber auch noch das Verfahren C-46/13 H gegen E anhängig (siehe im Blog dazu hier). In diesem Vorabentscheidungsersuchen der österreichischen Datenschutzkommission geht es einerseits um die Frage der Gültigkeit der RL über die Vorratsspeicherung von Daten - was mit dem Urteil vom 08.04.2014 nun hinfällig ist (ebenso wie die in diesem Verfahren gestellten Auslegungsfragen zur RL 2006/24). Andererseits fragt die Datenschutzkommission den EuGH auch zur Auswirkung der Vorratsdaten-RL auf das Auskunftsrecht nach der allgemeinen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG (Frage 2):
Ist Artikel 13 Abs 1 lit c) und d) der Richtlinie 95/46/EG dahin auszulegen, dass das Recht einer von der Vorratsspeicherung von Daten im Sinne der Richtlinie 2006/24/EG betroffenen natürlichen Person auf Auskunft über eigene Daten nach Art 12 lit a dieser Richtlinie gegenüber dem Anbieter eines öffentlich zugänglichen Kommunikationsdienstes oder dem Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes ausgeschlossen oder beschränkt werden kann?
Da die Vorratsdaten-RL nun keine Rechtfertigung für eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs mehr liefern kann, stellt sich diese Frage natürlich neu und anders, vor allem aber auf nationaler Ebene (etwa im Hinblick auf die Beschränkung datenschutzrechtlicher Auskunftsansprüche durch die - eigentlich dem Schutz der Vorratsdaten vor Missbrauch dienenden - Bestimmungen im TKG 2003, zB nach § 102b Abs 1:"Eine Auskunft über Vorratsdaten ist ausschließlich aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, deren Schwere eine Anordnung nach § 135 Abs 2a StPO rechtfertigt, zulässig."). Die Betreiber selbst lehnen Auskünfte, mit denen Kunden die über sie gespeicherten Vorratsdaten in Erfahrung bringen wollen, einheitlich ab; eine typische Antwort auf ein Auskunftsersuchen hat eine Kundin eines Mobilnetzbetreibers hier online gestellt (Zitat: "Die Daten werden verschlüsselt und gesondert unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen aufbewahrt. Ein Zugriff ist technisch für uns nicht möglich, ausgenommen in den Fällen, die die Datensicherheitsverordnung vorsieht.").

Es wäre also durchaus spannend, wie solche Beschränkungen im Lichte (nunmehr: nur) der allgemeinen Datenschutz-RL gesehen werden (die Netzbetreiber bestreiten für die Vorratsdaten übrigens auch die Auftraggebereigenschaft nach dem Datenschutzgesetz). In diese Richtung konnten aber die Fragen der Datenschutzkommisison zum Zeitpunkt der Vorlage natürlich nicht gehen, und es ist daher eher zu erwarten, dass der EuGH zu dieser Frage keine Antwort mehr als erforderlich ansehen wird, sofern nicht ohnehin die Datenschutzbehörde (als Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Datenschutzkommission) das Vorabentscheidungsersuchen von sich aus zurückzieht. (Update 23.05.2014: die DSB hat das Vorabentscheidungsersuchen nun zurückgezogen, siehe im Blog hier; Update 26.06.2014: mit Beschluss vom 27.05.2014 wurde die Rechtssache im Register des EuGH gestrichen)

Zugang zu Dokumenten aus Vertragsverletzungsverfahren
Schließlich ist beim EuG noch unerledigt die von Patrick Breyer erhobene Klage gegen eine Entscheidung der  Kommission, mit der ihm (ua) der Zugang zu Schriftstätzen der österreichischen Regierung im Vertragsverletzungsverfahren betreffend die Vorratsdaten-RL (C-189/09) verweigert wurde (T-188/12 Breyer / Kommission; siehe im Blog dazu hier). Auf dieses Verfahren - das ja nur mittelbar mit der Vorratsdaten-RL zusammenhängt - hat das Urteil vom 08.04.2014 keine Auswirkungen.

PS: zum Urteil vom 08.04.2014 gibt es eine Reihe interessanter Beiträge auf verschiedenen Blogs - ich habe eine Auswahl davon bei meinem ersten Beitrag (am Ende) verlinkt.

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