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Monday, September 16, 2013

EuG: französisches Projekt zur Breitbandversorgung (THD 92) erfüllte die Altmark-Kriterien

Mit dem Projekt "THD 92" wollten die französichen Behörden den flächendeckenden Ausbau und Betrieb eines Breitbandnetzes im Département des Hauts-de-Seine erreichen ("THD 92" steht für "très haut débit", sehr hohe Bandbreite, und die Postleitzahl des Bezirks). Dazu wurden - nach Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession - einem Unternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt (délégation de service public, DSP) und dafür Ausgleichszahlungen von 59 Mio € geleistet. Das Projekt wurde der Kommission notifiziert; diese entschied am 30.09.2009, dass es sich um keine staatliche Beihilfe handle (Case N 331/2008; Pressemitteilung). Entscheidend war, dass der betraute Betreiber durch eine Ausschreibung ermittelt wurde und keine Überkompensation erfolgte; zudem bietet der Betreiber technologieneutral an (Vermietung von dark fibre, also unbeschalteter Glasfaser) und steht nur mit anderen Betreibern, nicht aber direkt mit Endkunden in Verbindung.

Diese Entscheidung der Kommission wurde von drei Telekommunikationsunternehmen beim EuG angefochten. Mit seinen heutigen Urteilen in den Rechtssachen T-79/10 Colt Télécommunications France / Kommission, T-258/10 Orange / Kommission und T-325/10 Iliad ua / Kommission hat das EuG alle Klagen abgewiesen und die Rechtsansicht der Kommission bestätigt (siehe auch die Pressemitteilung des EuG).
[Update 09.02.2014: gegen die Urteile in den Rechtssachen T-258/10 und T-325/10 wurden Rechtsmittel erhoben, die beim EuGH unter C-621/13 P Orange / Kommission bzw C-624/13 P Iliad ua / Kommission anhängig sind.
Update 01.05.2015: Der EuGH hat die Rechtsmittel mit Beschlüssen vom 11.02.2015 (Orange, Iliad) zurückgewiesen.]

Nach prozeduralen Fragen (insbesondere zur Frist für die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens) prüft das EuG vor allem das Vorliegen der "Altmark-Kriterien", nach denen eine Ausgleichszahlung für die Übernahme gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen dann nicht als staatliche Beihilfe eingestuft wird, wenn vier kumulative Kriterien erfüllt sind (1. Beauftragung mit klar definierten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen; 2. Im vorhinein aufgestellte objektive und transparente Parameter zur Berechnung des Ausgleichs; 3. Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was zur Deckung der Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erforderlich ist; 4. Wenn das Unternehmenen nicht in einem Vergabeverfahren ausgewählt wurde, muss der Ausgleich auf Grundlage der Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens berechnet werden).

Zum ersten Kriterium kommt das EuG zum Ergebnis, dass es um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse geht. Es liegt Marktversagen vor, weil kein anderer Betreiber ein derartiges Hochleistungsnetz errichtet habe; der Zugang zu Hochleistungsdiensten deckt einen allegemeinen Bedarf, der besonders dem Gemeinwohl dient. Die Mitgliedstaaten haben zudem einen weiten Wertungsspielraum bei der Feststellung, was sie als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ansehen, solange diese gewissen Mindestkriterien entsprechen müsse, darunter dem Kriterium, dass diese Aufgabe universal und obligatorisch sein muss, was im Fall des "THD 92"-Projekts gegeben war.

Das Gericht kann auch keine Überkompensation entdecken; es hält fest, dass der Mitgliedstaat über Ermessen zur Einschätzung der Mehrkosten verfügt. Da diese Einschätzung von komplexen wirtschaftlichen Umständen abhängt, beschränkt sich die von der Kommission ausgeübte Kontrolle betreffend das Vorliegen einer Überkompensation darauf, ob ein offenkundiger Fehler vorliegt.

Das EuG zitiert mehrfach die "Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau" aus 2009, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Notifikation noch nicht veröffentlicht waren; dabei geht es aber nicht um die Heranziehung als Rechtsquelle, sondern weil die Leitlinien die Praxis der Kommission bei der Anwendung insbesondere auch der Altmark-Kriterien auf diesem Gebiet darlegen (mittlerweile gibt es dazu übrigens neuere Leitlinien aus dem Jahr 2013).

Natürlich betreffen diese Urteile das konkrete französische Projekt, aber es lässt sich doch zusammenfassen, dass das EuG dem von der Kommission in ihren Leitlinien dargelegten Zugang hinsichtlich der Förderung von Breitbandprojekten folgt. Das EuG zweifelt insbesondere nicht daran, dass es sich bei einem derartigen Projekt zum Ausbau und Betrieb von Hochleistungsnetzen um eine Dienstleistung im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse handelt, und dies auch in einer Region wie dem Département des Hauts-de-Seine, die ja keineswegs ein vernachlässigtes ländliches Randgebiet Frankreichs ist, sondern direkt an die Hauptstadt angrenzt. Wenn selbst dort die Feststellung von Marktversagen so problemlos akzeptiert wird, dann sollte dies jedenfalls bei Breitbandausbau-Projekte in ländlichen Gegenden - wenn sie entsprechend neutral ausgestaltet sind und ordnungsgemäß ausgeschrieben werden - noch weniger Schwierigkeiten machen.

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Das EuG traf heute noch eine weitere Entscheidung in einer Beihilfenstreitigkeit: Mit seinem Urteil in den verbundenen Rechtssachen T-226/09, British Telecommunications plc, und T-230/09, BT Pension Scheme Trustees Ltd, bestätigte das EuG die Entscheidung der Kommission, dass die teilweise Ausnahme von der Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags zum Pension Protection Fund eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellt.

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