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Sunday, March 04, 2012

Google gegen spanische Datenschutzbehörde vor dem EuGH - oder: C.G. will vergessen werden und bleibt dennoch unvergessen

Herr C.G. aus El Escorial in Spanien möchte nicht, dass jemand, der seinen vollen Namen in Google sucht, einen Link auf die Website der katalanischen Zeitung "La Vanguardia" findet, genauer: einen Link auf die Seite 23 der Ausgabe vom 19. Jänner 1998. Denn dort ist zu lesen, dass wegen rückständiger Sozialabgaben eine im Miteigentum von C.G. stehende Wohnung versteigert werden sollte (wozu es in der Folge nicht gekommen ist). Also widersprach C.G. der Verarbeitung seiner persönlichen Daten: Google solle sicherstellen, dass bei einer Suche kein Link mehr auf die alte Geschichte ausgeworfen wird.

Die spanische Datenschutzbehörde hatte Google schon in anderen Fällen aufgefordert, Links zu Zeitungsmeldungen zu entfernen (siehe einen Bericht des Guardian hier), und auch im Fall von C.G. wurde Google Spanien und Google Inc. aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, um die Daten aus dem Index zu entfernen und sicherzustellen, dass kein Zugang mehr möglich ist. Google setzte sich dagegen zur Wehr, und über das Rechtsmittel hat nun die Audiencia Nacional, das oberste spanische Gericht (ua) in Verwaltungssachen, zu entscheiden. In diesem Verfahren "Google Spain S.L. und Google Inc. gegen die Datenschutzbehörde und C.G." hat die Audiencia Nacional beschlossen, den EuGH mit Fragen zur Auslegung der Datenschutzrichtlinie zu befassen (siehe dazu den Beschluss und die Pressemitteilung des Gerichts, jeweils in spanischer Sprache; den Beitrag von Miquel Peguera in englischer Sprache mit Übersetzung der Vorlagefragen und einen Bericht im Guardian; Update 31.03.2012: beim EuGH anhängig unter C-131/12).

Das "Recht auf Vergessenwerden" (so ausdrücklich Art 17 des Vorschlags der Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung) ist derzeit wegen der anstehenden Reform des EU-Datenschutzrechts natürlich ein besonders spannendes Thema, bei dem sich nicht nur eine Konfliktlinie mit den USA, sondern auch ein Spannungsverhältnis zum Recht auf Informationsfreiheit auftut (siehe zB Joris van Hoboken, 9 Reasons Why a ‘Right to be Forgotten’ is Really Wrong oder Jeffrey Rosen, The Right to Be Forgotten, der die Auffassung vertritt, das "Recht auf Vergessenwerden" sei "the biggest threat to free speech on the Internet in the coming decade"; dazu auch Robert Krulwich auf seinem NPR-Blog).

Wie schwer es aber ist, im Internet vergessen zu werden, zeigt ausgerechnet der Beschluss der Audiencia Nacional selbst: denn das Gericht hat in der pdf-Veröffentlichung des Beschlusses auf seiner Website Namen und Wohnort des Betroffenen (Mitbeklagten) C.G. zwar "geschwärzt" - allerdings einfach mit der "Hervorheben"-Funktion im pdf-Dokument, sodass der volle  Name mit zwei Mausclicks von jedermann leicht sichtbar gemacht werden kann. Vor allem aber findet auch Google natürlich insbesondere dieses pdf, wenn man den vollständigen Namen von C.G. als Suchbegriff eingibt! Und sozusagen als Draufgabe wurde beim "Schwärzen" offenbar nur der vollständige Name von C.G. (mit den Spanien-typischen zwei Familiennamen) gesucht, sodass die Erwähnung des Betroffenen bloß mit einem Familiennamen in der Aufzählung der Beilagen (Anexo III.- Contestación a la demanda) gänzlich ungeschwärzt bleibt.

So wird es wohl nichts mit dem Vergessenwerden für Herrn C.G. (vollständiger Name, wie erwähnt, bekannt, und zB auch in diesem aktuellen Zeitungsbeitrag ausgeschrieben; Update 10.09.2012: wie ich bei einem Aufruf heute feststellen konnte, wurde das mittlerweile geändert).
Update 30.05.2013: die Schlussanträge des Generalanwalts werden am 25.06.2013 vorgelegt. Einen Bericht über die mündliche Verhandlung gibt es auf dem Blog von Jef Ausloos (demnach haben Österreich, Spanien und die Kommission den Kläger im Ausgangsverfahren gegen Google unterstützt).

Update 25.07.2013: zu den Schlussanträgen des Generalanwalts siehe hier.
Update 20.05.2014: zum Urteil des EuGH siehe hier.

PS: ich befasse mich in diesem Blog nur sehr am Rande mit Datenschutz; wer an einer laufenden Beobachtung von Datenschutzfragen aus österreichischer Perspektive interessiert ist, sollte das Blog von Markus Kastelitz verfolgen.

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