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Thursday, March 10, 2011

Interessenabwägung bei der Bekanntgabe von Umweltinformationen (Standorte von Handymasten) - Schlussanträge

In der Rechtssache C-71/10 Ofcom wurden heute die Schlussanträge von Generalwältin Kokott veröffentlicht. Dabei geht es zwar nicht um eine telekomrechtliche Streitigkeit im engeren Sinn, sondern um die Auslegung der UmweltinformationsRL 2003/4/EG, dies allerdings im Zusammenhang mit Daten über die Standorte von Mobilfunk-Basisstationen.

Die RL 2003/4/EG sieht ein grundsätzliches Recht auf Zugang zu Umweltinformationen vor, erlaubt den Mitgliedstaaten aber Ausnahmen, unter anderem wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf internationale Beziehungen, die öffentliche Sicherheit oder die Landesverteidigung (Art 4 Abs 2 lit b der RL) oder auf Rechte an geistigem Eigentum (Art 4 Abs. 2 lit e der RL).

Die Bekanntgabe der genauen Standortdaten von Mobilfunk-Basisstationen könnte, so jedenfalls der Ausgangspunkt der Vorlagefrage, negative Auswirkungen sowohl auf die öffentliche Sicherheit (wegen möglicher "Übergriffe auf Basisstationen") als auch auf Rechte an geistigem Eigentum (insbesondere Datenbankrechte) haben. Dem EuGH stellt sich die Frage, ob eine "doppelte Abwägung" der berührten negativen Interessen erfolgen muss: wenn weder der Schutz der öffentlichen Sicherheit noch der Schutz des geistigen Eigentums je für sich ausreichen würde, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu überwiegen, könnte es dann sein, dass beide Interessen kumuliert doch die Verweigerung des Zugangs begründen könnten?

Generalanwältin Kokott bejaht die Verpflichtung, nicht nur die einzelnen Interessen je für sich abzuwägen, sondern auch die kumulierten Interessen; sie greift dabei einerseits auf eine grammatikalisch-systematische Auslegung des Art 4 Abs 2 zweiter und dritter Satz der RL zurück und andererseits auf die unionsrechtliche Allzweckwaffe schlechthin, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Ein interessanter Hinweis findet sich in Rnr. 59: auch auf der "anderen Seite" der Interessenabwägung - auf Seiten des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe - kann demnach eine Kumulierung von Interessen erfolgen: "Der erste Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie nennt bereits drei Teilinteressen, nämlich erstens die Schärfung des Umweltbewusstseins, zweitens einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen sowie drittens die Verbesserung des Umweltschutzes."

Für nähere Informationen zur Vorgeschichte und zur österreichischen Situation siehe im Blog schon hier.

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