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Wednesday, September 15, 2010

Generation Print: der Österreichische Presserat, falls es ihn gibt, setzt auf Altersweisheit

Ob es den österreichischen Presserat nun gibt oder nicht, ist gar nicht so leicht auszumachen. Nach mehrfach verkündeter - aber jeweils folgenlos gebliebener - Einigung (siehe dazu etwa in diesem Blog zuletzt im August 2009: "Jährlich grüßt der Presserat") wurde im vergangenen Februar tatsächlich ein "Verein zur Selbstkontrolle der österreichischen Presse - Österreichischer Presserat" gegründet (dazu hier) und im März wurden auch Vereinsorgane gewählt. Im Frühjahr wurde dann ein/e Geschäftsführer/in gesucht und laut Interview mit dem Vorsitzenden des Presserats-Vereins (und Präsidenten der Journalistengewerkschaft) vom Juni 2010 wurden offenbar schon vor dem Sommer "drei erfahrene Kolleginnen und Kollegen" für die "Ombudsstelle" gewonnen (siehe auch hier). Außerdem wurden - laut Wiener Zeitung, in deren Gebäude der Presserat "ab Herbst" als Mieter einziehen soll - auch die Vorsitzenden der zwei Senate bestimmt (Ex EuGH-Richter Peter Jann und GPA-djp Juristin Andrea Komar [Kurz-CV hier]). Im August schließlich hieß es, dass die ersten Beschwerden eingelangt seien, das Gremium sich aber noch nicht konstituiert habe. Immerhin wurde vor kurzem auch die Domain presserat.at an den Verband Österreichischer Zeitungen übertragen ("demnächst online ..." steht derzeit auf der Website). Angeblich steht der Presserat also "in den Startlöchern".

Wie der Presserat konkret funktionieren soll (Verfahrensordnung!), ist - soweit ich das überblicken kann - noch nirgends veröffentlicht worden [Update 12.10.2010: Danke für einen Leserhinweis auf die auf der VÖZ-Website nun verfügbaren Statuten und die Verfahrensordnung]. Aus den wenigen verfügbaren Informationen kann man sich etwa zusammenreimen, dass zunächst die Ombudsstelle eine Schlichtung versuchen soll; erst wenn dies nicht gelingt, wird das formelle Beschwerdeverfahren vor einem der beiden Senate eingeleitet. Der Beschwerdeführer muss allerdings - laut Wiener Zeitung - "zuvor schriftlich festhalten, dass er auf eine Klage vor Gericht verzichten wird"; laut Vorsitzendem des Presserats-Vereins wird der Presserat "die Rechtsposition eines Schiedsgerichts" haben, was den Abschluss eines Schiedsvertrags voraussetzt, der auch das betroffene Medium bindet. Wenn allerdings - was wohl anzunehmen ist - diese Schiedsvereinbarung dem Presserat nicht auch die Entscheidung über Ansprüche zB wegen Kreditschädigung nach § 1330 ABGB überträgt, werden die Streitfälle vor dem Presserat wohl auf echte Bagatellsachen beschränkt bleiben. Vielleicht wird man sich dann doch bald die Frage stellen, ob der recht beträchtliche Aufwand für diese "Selbstkontrolleinrichtung" in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Bedeutung steht.

Der Presserat befasst sich - so geht jedenfalls aus dem Interview mit dem Vorsitzenden hervor - mit den "Mitgliedsmedien". Da etwa die Zeitung "Österreich" nicht VÖZ-Mitglied ist, wird die in den Medien vielzitierte Beschwerde von Rechnungshofpräsident Moser daher kaum inhaltlich behandelt werden können. Dass elektronische Medien nicht erfasst sind, ergibt sich ebenfalls schon aus der Mitgliederstruktur - und auch die Besetzung der Funktionen zeigt, dass man schwerpunktmäßig auf die "Generation Print" setzt: Die drei Mitglieder der Ombudsstelle sind nämlich
Damit ist zwar für Kontinuität zum alten Presserat und zur missglückten Leseranwaltschaft ebenso gesorgt wie für einen großen Reichtum an Lebens- und Berufserfahrung - ein Signal für einen Aufbruch in neue Zeiten ist aber bei einem Durchschnittsalter der Ombudsleute von etwa* 74 Jahren nicht wirklich zu erkennen.

*) "etwa", weil mir ein Geburtsdatum nicht exakt bekannt ist, und ich es nur nach diesem Artikel näherungsweise ("wurde im Krieg geboren") eingrenzen kann.

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