Pages

Thursday, August 05, 2010

De facto auf dem spanisch/französischen Weg? Mehr öffentliche Mittel, weniger Werbeerlöse für den ORF

Vor zehn Jahren lagen beim ORF die Werbeeinnahmen und die Erlöse aus dem Programmentgelt  noch fast gleichauf: Werbeinnahmen von 5,03 Mrd ATS (ca. 365 Mio €) standen im Jahr 2000 Programmentgelte in der Höhe von 5,09 Mrd ATS (ca. 370 Mio €) gegenüber, ein Verhältnis von ca. 1 : 1,01. Seither gingen die Werbeerlöse sowohl in absoluten Zahlen als auch als Anteil an den Gesamterlösen zurück. Im Ende Juli veröffentlichten Jahresabschluss des ORF für 2009 sind Werbeerlöse von 223 Mio € ausgewiesen, die Einnahmen aus Programmentgelten (in der GuV "Teilnehmerentgelte" genannt) betrugen 526,4 Mio € - ein Verhältnis von 1 : 2,55. Werbeeinahmen machten damit im Jahr 2009 nur mehr rund ein Viertel der Einnahmen des ORF aus ("sonstige Erlöse" sorgen für knapp 14 % der ORF-Erlöse bzw rund 17% der Konzernerlöse).

Im laufenden Jahr 2010 wird sich der Abstand zwischen öffentlichen Mitteln (Programmentgelt und finanzielle Zuwendung des Bundes nach § 31 Abs 11 Z 1 ORF-G in der Fassung der jüngsten Novelle BGBl I 2010/50) und Werbeeinnahmen noch weiter vergrößern: nach dem Finanzplan 2010, beschlossen im Dezember 2009, wurden Einnahmen aus Programmentgelten von 530 Mio € und aus Werbung von 208 Mio € erwartet (siehe zB Bericht im Standard; auf der ORF-Website finden sich solche Informationen traditionell nicht bzw nur für kurze Zeit). Rechnet man die nun durch die ORF-G-Novelle in Aussicht gestellte Zuwendung des Bundes von 50 Mio € dazu, ergibt sich bereits ein Verhältnis von 1 : 2,79 zwischen Werbung und Erlösen aus Programmentgelten und Subventionen.*)

Aber auch wenn sich das Verhältnis von Programmentgelt- und Werbeerlösen damit doch signifikant zu Lasten der Werbeeinnahmen verändert hat, unterscheidet sich die österreichische Situation wesentlich von jener in Frankreich oder Spanien: dort gingen die Werbeerlöse nicht nur faktisch zurück, sondern die Werbemöglichkeiten der öffentlich-rechtlichen Sender wurden auch gesetzlich drastisch (fast zur Gänze) eingeschränkt, wofür wiederum eine Kompensation aus Budgetmitteln vorgesehen ist (siehe dazu schon hier und hier). Die ORF-G-Novelle in Österreich lässt hingegen die Werbemöglichkeiten des ORF strukturell praktisch unangetastet; einzelnen Einschränkungen im Onlinebereich (§ 18 ORF-G) stehen zB auch Erweiterungen der regionalen Werbemöglichkeiten (§ 14 Abs 5a ORF-G) gegenüber. Zugleich ist, anders als in Frankreich oder Spanien, auch die direkte steuerliche Finanzierung des ORF nicht auf Dauer angelegt: die Zuwendungen nach § 31 Abs 11 ORF-G von insgesamt 160 Mio € verteilen sich auf die Jahre 2010 bis 2013, zumindest nach  derzeitiger Rechtslage muss der ORF danach wieder mit Programmentgelten und Werbeerlösen ohne weitere staatliche Subventionen auskommen.

Die spanischen und französischen Beihilfen wurden mittlerweile von der Kommission geprüft und als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar akzeptiert (Presseaussendungen für Spanien und Frankreich; die Entscheidungen werden hier für Spanien und hier für Frankreich veröffentlicht werden). Zumindest die Entscheidung im Hinblick auf Frankreich wird mit größter Wahrscheinlichkeit vor dem EuG bekämpft werden (die üblichen Verdächtigen heißen M6 und TF1, siehe zu bisherigen Verfahren zB hier, hier und hier). Zudem ist mit der beihilfenrechtlichen Genehmigung die Sache für Frankreich und Spanien noch keineswegs ausgestanden: im Beihilfenverfahren ging es nämlich nicht um die Frage, ob die Telekom-Steuern, die in Frankreich und Spanien zur Finanzierung der Beihilfen eingeführt wurden, mit der Genehmigungsrichtlinie vereinbar sind, sondern im Wesentlichen nur um die Verwendung dieser Mittel. Es scheint nicht unrealistisch, dass im Ergebnis Spanien und Frankreich zwar ihre öffentlich-rechtlichen Veranstalter aus öffentlichen Mitteln finanzieren dürfen, dass sie sich aber einnahmenseitig nach neuen Möglichkeiten umschauen müssen, um das Geld dafür aufzubringen, wenn die Telekom-Steuer an Art 12 der GenehmigungsRL scheitert (siehe dazu schon hier).

-----------
PS: Das schon im letzten Jahr erstellte Google Doc-Spreadsheet mit Zeitreihen zu den Erlösen des ORF aus Programmentgelt, Werbung und sonstigen Einnahmen sowie der Entwicklung von Teilnehmerzahlen und Gebührenbefreiungen (siehe dazu zuletzt hier) habe ich um die Daten aus dem ORF-Jahresabschluss 2009 ergänzt, es ist weiterhin hier abrufbar. Der Jahresabschluss 2009 des ORF wurde am 27. Juli 2010 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht (und ist dort nur mehr für Abonnenten online zugänglich); auf der Website des ORF ist er auch dieses Jahr nicht zugänglich (bis 1.10.2010 muss das allerdings noch nachgeholt werden, denn ab diesem Zeitpunkt muss der ORF
Jahresabschluss und der Konzernabschluss "auf seiner Website jeweils bis zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses des Folgejahres leicht, ständig und unmittelbar zugänglich" machen (§ 7 Abs 4 ORF-G idF BGBl I 2010/50).

*) Laut Pressemeldungen wurde der Finanzplan mittlerweile angepasst; außerdem entwickeln sich die Werbeieinnahmen angeblich besser als geplant; auf der ORF-Website gibt es dazu keine Informationen, sodass ich die Planzahlen 2010 nicht aktualisieren konnte.

No comments:

Post a Comment

Note: Only a member of this blog may post a comment.