Mediendiensteanbieter im Sinne der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) ist, wer "die redaktionelle Verantwortung für die Auswahl der audiovisuellen Inhalte des audiovisuellen Mediendienstes trägt und bestimmt, wie diese gestaltet werden". Und redaktionelle Verantworung wiederum ist "die Ausübung einer wirksamen Kontrolle sowohl hinsichtlich der Zusammenstellung der Sendungen als auch hinsichtlich ihrer Bereitstellung entweder anhand eines chronologischen Sendeplans im Falle von Fernsehsendungen oder mittels eines Katalogs im Falle von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf. Die redaktionelle Verantwortung begründet nicht zwangsläufig eine rechtliche Haftung nach innerstaatlichem Recht für die bereitgestellten Inhalte oder Dienste" (Art 1 c der AVMD-RL).
Für die Rundfunk-Regulierungsbehörde der französischen Gemeinschaft Belgiens, den Conseil Superieur de l'audiovisuel (CSA), stellt sich in einem Beschwerdeverfahren gegen einen Fernsehveranstalter nun die Frage, wann man noch von einer wirksamen Kontrolle im Sinne des Art 1 c AVMD-RL ausgehen kann. Kann ein in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Luxemburg) niedergelassener Fernsehveranstalter als Mediendiensteanbieter mit "wirksamer Kontrolle" angesehen werden, wenn er - gegen pauschale Überlassung der Werbeeinnahmen - die Herstellung und Produktion aller seiner eigenen Programme, die Kommunikation nach außen und alle finanziellen, rechtlichen, personellen und infrastrukturellen Angelegenheiten an eine Subfirma delegiert und dieser auch das Recht zur weiteren Delegation an eine Drittfirma eingeräumt hat, sodass es letztlich den Anschein hat, als würde diese Drittfirma alle programmlichen Entscheidungen treffen, etwa auch zur Unterbrechung des Sendeplans im Falle von wichtigen Nachrichten?
Der CSA hat in seiner Entscheidung vom 3.12.2009 beschlossen, diese Frage dem EuGH vorzulegen (Update 18.2.2010: das Verfahren beim EuGH läuft unter Rs C-517/09 RTL Belgium SA). Spannender noch als die inhaltliche Frage scheint mir, ob der EuGH die Vorlage als zulässig ansieht. Beim CSA (bzw seinem in diesem Fall entscheidenden Senat, dem Collège d'autorisation et de contrôle) handelt es sich nämlich um eine erstinstanzliche Verwaltungsbehörde, die allerdings als unabhängiges Kollegialorgan eingerichtet ist - ob das wirklich schon ausreicht, dass Gerichtsqualität im Sinne des Art 267 AEUV (ex-Art 234 EGV) vorliegt? Der CSA, der in seiner nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages getroffenen Entscheidung immer noch vom "Cour de Justice des Communautés européennes" statt "Cour de justice de l’Union européenne" spricht und sich auch noch auf Art 234 EGV bezieht, verweist diesbezüglich ausdrücklich auf das EuGH-Urteil in der ORF-Quiz-Express-Sache (Rechtssache C-196/05 Österreichischer Rundfunk/KommAustria). Tatsächlich war der Bundeskommunikationssenat in dieser Angelegenheit ebenfalls als erstinstanzliche Behörde tätig, wenngleich dies im Verfahren vor dem EuGH insoweit etwas unscharf blieb, als offenbar von einem streitigen Verfahren zwischen der KommAustria (als anzeigender Behörde nach § 11a KOG) und dem ORF ausgegangen wurde, wie dies auch aus der Bezeichnung der Rechtssache hervorgeht. Nach österreichischem Recht kam der KommAustria in diesem Verfahren vor dem BKS allerdings keine Parteistellung, sondern nur ein Anzeigerecht zu.
Ob der EuGH daher im Fall des CSA, der auf Grund einer Zuseherbeschwerde als erstinstanzliche Behörde tätig wurde, bereits ein streitiges Verfahren im Sinne seiner einschlägigen Rechtsprechung (vgl zB den Beschluss C-256/05 Telekom Austria) annimmt, scheint mir keineswegs sicher zu sein.
Im Hinblick auf die materiellrechtliche Frage erlaube ich mir einen Literaturhinweis:
ReplyDeletehttp://www.obs.coe.int/oea_publ/iris_special/2008_01_details.html