Wesentlicher Bestandteil der deutschen rundfunkrechtlichen Folklore ist der Grundsatz der Staatsfreiheit (oder auch Staatsferne). Das mag für einen Außenstehenden oft schwer nachvollziehbar sein, insbesondere wenn man einen Blick auf die Organisationsstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wirft, aber das Bundesverfassungsgericht wird nicht müde, diesen Grundsatz zu betonen (fast möchte man anmerken: wider manche Evidenz), zB im Urteil vom 12. März 2008, 2 BvF 4/03, so:
"Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fordert ... die Staatsfreiheit des Rundfunks. Es ist dem Gesetzgeber daher versagt, Regelungen zu treffen, die zulassen, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar ein Unternehmen beherrscht, das Rundfunksendungen veranstaltet. ... Die Parteien weisen verglichen mit anderen gesellschaftlichen Kräften eine besondere Staatsnähe auf. Sie sind ihrem Wesen nach auf die Erlangung staatlicher Macht ausgerichtet und üben entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der obersten Staatsämter aus. ... Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ist vom Gesetzgeber daher grundsätzlich auch bei der Beteiligung von politischen Parteien an der Veranstaltung und Überwachung von Rundfunk zu beachten." [Ein Grundsatz also, der grundsätzlich zu beachten ist!]
Wie schon - etwas versteckt - in diesem Blog vermerkt (hier, zweiter Bulletpoint), spitzt sich in Deutschland derzeit der Streit um die Weiterbestellung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zu. Roland Koch, hessischer Ministerpräsident und zugleich stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, will die Vertragsverlängerung verhindern; dagegen gibt es juristisch wohlbegründete offene Briefe (u.a. hier und hier) und viele weitere Stellungnahmen; herauszuheben ist wieder einmal ein Kommentar von Stefan Niggemeier. Ausgehend von einem Satz im offenen Brief der Staatsrechtler ("Was geschieht, wenn es die Garantie der Staatsfreiheit nicht gibt, wird uns derzeit am Beispiel anderer europäischer Staaten vor Augen geführt.") hier eine juristische Anmerkung zur österreichischen Situation:
Das österreichische Rundfunkrecht kennt die besondere Ausprägung des Grundsatzes der Staatsfreiheit, wie er in Deutschland - zumindest auf dem Papier - zelebriert wird, tatsächlich nicht. Zwar ist die österreichische Verfassungsrechtslage vielleicht noch deutlicher ist als jene in Deutschland, denn immerhin haben wir ein Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, nach dem "die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe" zu gewährleisten ist, während sich die deutschen rundfunkrechtlichen Theoriegebilde aus dem einfachen Satz in Art 5 Grundgesetz ableiten, wonach die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gewährleistet werden. Dennoch hat die "Staatsfreiheit" in Österreich in der Rechtsprechung nicht einmal annähernd ein vergleichbares Gewicht erhalten wie in Deutschland. Der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere auch ausgesprochen, dass Art I Abs 2 BVG-Rundfunk kein spezifisches Grundrecht schafft, sondern nur den Bundesgesetzgeber zur gesetzlichen Sicherstellung der Unabhängigkeit [damals nur:] des ORF verpflichtet (VfSlg 12.344/1990).
Für die Organe des ORF gilt ein "Politikerverbot", das in § 20 Abs 3 ORF-G für den Stiftungsrat, § 28 Abs 2 ORF-G für den Publikumsrat und § 26 Abs 2 ORF-G für den Generaldirektor, die Direktoren und die Landesdirektoren näher ausgeführt wird.
Über die Bestellung von Direktoren entscheidet gemäß § 21 Abs 1 Z 5 ORF-G - auf Vorschlag des Generaldirektors - der Stiftungsrat, dessen Mitglieder dabei (wie bei ihrer gesamten Tätigkeit) "dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft" haben (§ 20 Abs 2 ORF-G; siehe zur dabei geforderten "intelligenzmäßigen Kapazität" schon hier). Die Mitglieder des Stiftungsrates sind dabei an keine Weisungen und Aufträge gebunden (§ 19 Abs 2 ORF-G).
Wie sieht die Unabhängigkeit und Politikferne nun an einem konkreten Beispiel aus?
Nehmen wir an, dass sich - vollkommen überraschend - eine Direktorin des ORF beruflich verändern will und daher ihren Direktoren-Job aufgibt. In diesem Fall muss der Generaldirektor die Funktion mit einer Bewerbungsfrist von vier Wochen ausschreiben (§ 27 Abs 1 ORF-G) und dann dem Stiftungsrat einen Vorschlag für die Besetzung dieser Funktion vorlegen (§ 24 Abs 1 ORF-G). Grundvoraussetzung für die Bestellung zum Direktor ist nach § 26 Abs 1 ORF-G die volle Geschäftsfähigkeit (dh ein Mindestalter von 18 Jahren und kein Sachwalter) und "eine entsprechende Vorbildung oder eine fünfjährige einschlägige oder verwandte Berufserfahrung". Zu beachten ist dabei freilich, dass nach § 27 Abs 2 ORF-G bei der Auswahl von Bewerbern "in erster Linie die fachliche Eignung zu berücksichtigen" ist (dabei hat der Stiftungsrat nach der Rechtsprechung - VwGH 14.1.2009, 2006/04/0201 - einen "personal- und unternehmenspolitischen Spielraum"). Eine staatliche Einflussnahme bzw. Einflussnahme von Parteien wäre demnach rechtlich nicht möglich.
Glaubt man nun den Zeitungsberichten, hat der ORF-Generaldirektor offenbar am Abend des 16. November 2009, ohne jeglichen Bezug zu der kurz zuvor erzielten politischen Einigung über die sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung", vom überraschenden beruflichen Veränderungswunsch seiner kaufmännischen Direktorin erfahren. Obwohl es schon spät war, schaffte er es großartiger Weise, schon am nächsten Morgen die Ausschreibung dieser so kurzfristig freigewordenen Funktion in der Wiener Zeitung veröffentlichen zu lassen und setzte eine Frist bis 15. Dezember 2009 für die Bewerbung. Nur wenig später wusste ein ORF-Journalist vom Wunsch des Generaldirektors, ihn für diese Funktion vorzuschlagen und kündigte seine Bewerbung an.
Nach der Ausschreibung müssen Bewerber nun ein Exposé der vorgeschlagenen Maßnahmen im Aufgabenbereich der zu besetzenden Funktion erstellen, was - angesichts der Zurückhaltung des ORF, unternehmensrelevante Daten öffentlich zugänglich zu machen - wohl umso leichter möglich sein wird, je mehr man sich schon vor Ende der Bewerbungsfrist mit konkreten Projekten im ausgeschriebenen Aufgabenbereich beschäftigen kann (wie machen das bloß die externen InteressentInnen, die sich bei einer derart offenen Ausschreibung mit vollkommen ungewissem Ausgang sicher zahlreich bewerben werden?).
Der Generaldirektor hat dann am 16. Dezember 2009 Zeit, die eingelangten Bewerbungen und Exposés zu studieren, gründlich zu überlegen und dem am 17. Dezember 2009 tagenden Stiftungsrat einen Vorschlag zu machen. Mit der Sorgfalt ordentlicher Aufsichtsräte werden die unabhängigen Stiftungsräte den Vorschlag prüfen und gegebenenfalls die vorgeschlagene Person bestellen. Angesichts der bekannten Unabhängigkeit und Politikferne aller Beteiligten kann daher derzeit niemand vorhersagen, wer kaufmännische(r) Direktor(in) des ORF werden wird.
So staats- und politikfern wie in Deutschland ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich also allemal.
Blog zum österreichischen und europäischen Recht der elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste
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Wednesday, November 25, 2009
Warum sich Kommissarin Reding für Netzneutralität ausspricht
Fragen der Netzneutralität könnte man zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit betrachten - aber es geht auch einfacher. Kommissarin Viviane Reding zum Beispiel hat am 9. November 2009 bei einer Rede unter dem Titel "Creating impact for an eUnion 2015" klargemacht, weshalb sie sich für Offenheit und Neutralität des Internet einsetzt:
"we have to remember that a fundamental merit of the Internet is the fact that it allows new providers of online services and goods to enter the market with a very limited amount of resources.Solange also ein "neutrales Internet" auch den einfachen Marktzutritt für Waren- und Dienstleistungsanbieter gewährleistet, braucht man sich um die Neutralität keine Sorgen machen. Wenn es aber nur um die Kommunikationsgrundrechte ginge ... ?
It is for this reason that I am defending the fundamental principles that underlie the Internet architecture, including its openness and neutrality."
Tuesday, November 24, 2009
Reding und die Rückkehr der Super-Agency - Telekom-Paket angenommen
Das "Telekom-Paket" der EU ist heute auch im Europäischen Parlament angenommen worden. Nach der Pressemitteilung der Kommission soll morgen die förmliche Unterzeichnung erfolgen und am 18.12.2009 die Veröffentlichung im Amtsblatt. Für die Umsetzung in nationales Recht bleibt 18 Monate Zeit (allerdings steht in der "Bessere Rechtsetzung"-RL "18 Monate nach dem Datum der Annahme dieser Richtlinie", also nicht erst ab Kundmachung im Amtsblatt - demnach wäre das Umsetzungsdatum also Ende Mai, nicht erst Ende Juni 2011. Keine Umsetzung braucht natürlich die Verordnung zur Einrichtung des "GEREK"). Hier wieder einmal die direkten Links zu den Letztfassungen:
Kommisarin Reding spricht dennoch vom "sogenannten" GEREK als neuer Europäischer Telekom-Regulierungsbehörde ("The new European Telecoms Authority, the so-called Body of European Regulators", Rede vom 23.11.2009): "a single, authoritative voice at the heart of the decision making process". Das ist nicht einmal falsch, denn das GEREK mag zwar nah am Entscheidungsprozess sein, getroffen werden die Entscheidungen freilich von der wirklichen Superagency: der Kommission.
PS: Die Presseaussendung besteht aus den üblichen Versatzstücken (zB "mehr Wettbewerb", "größeres Angebot", "besser versorgt", "stärker verankert", etc.), und sie kündigt wieder einmal an, dass ein "echter Binnenmarkt für Europas Telekommunikationsbetreiber und Verbraucher .. jetzt in greifbarer Nähe" sei. Wahrscheinlich hat dieNonsense Presse-Abteilung vergessen, dass sie schon im April 2007 den Fall der letzten Grenze im EU-Binnenmarkt als unmittelbar bevorstehend angekündigt hatte (damals wegen der Roaming-Verordnung).Solange Reding Kommissarin ist, kann man freilich sicher sein, dass die letzten Grenzen im Binnenmarkt wieder und wieder fallen werden.
- RICHTLINIE 2009/…/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom ... zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste
- RICHTLINIE 2009/…/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom ... zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz
- VERORDNUNG (EG) Nr. …/2009 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom ... zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros
Kommisarin Reding spricht dennoch vom "sogenannten" GEREK als neuer Europäischer Telekom-Regulierungsbehörde ("The new European Telecoms Authority, the so-called Body of European Regulators", Rede vom 23.11.2009): "a single, authoritative voice at the heart of the decision making process". Das ist nicht einmal falsch, denn das GEREK mag zwar nah am Entscheidungsprozess sein, getroffen werden die Entscheidungen freilich von der wirklichen Superagency: der Kommission.
PS: Die Presseaussendung besteht aus den üblichen Versatzstücken (zB "mehr Wettbewerb", "größeres Angebot", "besser versorgt", "stärker verankert", etc.), und sie kündigt wieder einmal an, dass ein "echter Binnenmarkt für Europas Telekommunikationsbetreiber und Verbraucher .. jetzt in greifbarer Nähe" sei. Wahrscheinlich hat die
Vermischte Lesehinweise (2)
1. Rundfunkrechtliches aus Deutschland:
- Wer sich mit dem deutschen Rundfunkrecht beschäftigen will (oder realistischer: muss, denn wer will das schon freiwillig tun), kann nun auf der Website des Münchner Instituts für Urheber- und Medienrecht sämtliche Fassungen des Rundfunkstaatsvertrags samt der Materialien dazu abrufen (nur Juristen, und hier besonders deutschen Rundfunkjuristen, kann es übrigens einfallen, in vollem Ernst ein Wort wie "Rundfunkänderungsstaatvertrag" zu verwenden und das noch als Abkürzung - für "Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge" - zu verstehen).
- Die Diskussion um die Ablöse des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender hat mit einem offenen Brief von 35 Staatsrechtlern (siehe dazu auch den Bericht in der FAS und den Beitrag bei Telemedicus) eine neue Dimension bekommen. Aus österreichischer Sicht ist vor allem ein Satz in diesem offenen Brief interessant: "Was geschieht, wenn es die Garantie der Staatsfreiheit nicht gibt, wird uns derzeit am Beispiel anderer europäischer Staaten vor Augen geführt." Da unter den Unterzeichnern auch einige gute Kenner österreichischer Verhältnisse sind, würde ich nicht ausschließen, dass damit auch auf die aktuelle österreichische Situation hingewiesen werden sollte.
Update 24.11.2009: siehe nun auch den offenen Brief von telemedicus.info, carta.info und netzpolitik.org mit zahlreichen weiteren Unterstützern
- Dass auch der Drei-Stufen-Test zur Ausweitung des Staatseinflusses bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten führt, meint Heiko Hilker auf carta.info.
- Wer sich über eine zu detaillierte Rundfunkaufsicht in Österreich aufregt, kennt die britische Situation nicht: in den regelmäßig alle zwei Wochen erscheinenden Broadcast Bulletins werden auf vielen - oft über hundert - Seiten die Verfehlungen der Rundfunkveranstalter (oder Feststellungen, dass keine Verfehlungen vorlagen) ausgeführt. Das kann manchmal amüsant sein, manchmal aber auch recht grundsätzlich. Die jüngste Nummer (146) beschäftigt sich mit der (unzulässigen) werblichen Gestaltung von sponsorship credits. Die diesbezüglichen Regeln sind in Österreich aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sehr ähnlich ("Patronanzsendungen", zB § 17 ORF-Gesetz).
- In Nummer 146 des Broadcast Bulletins fndet sich eine interessante Entscheidung zu den Pflichten von Rundfunkveranstaltern, die Minderjährige in ihren Programmen (hier: "Boys and Girls Alone") einsetzen.
- Weißbuch "Modernisierung der IKT-Normung in der EU: der Weg in die Zukunft" vom 3.7.2009, KOM(2009) 324 endgültig.
- Konsultation zum Thema "Online Inhalte"; siehe dazu auch die Presseaussendung und das Diskussionspapier "Creative Content in a European Digital Single Market: Challenges for the Future Urheberrechts-Dokumente"
- Mitteilung vom 22.10.2009 über grenzüberschreitenden elektronischen Handelsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern in der EU, KOM(2009) 557 endgültig; weitere Dokumente dazu hier;
- Arbeitsdokument vom 18.11.2009 "Broadband access in the EU: situation at 1 July 2010" (Presseaussendung).
- Das WIK hat für den Industrieausschuss des Europäische Parlaments einen Bericht zu regulatorischen und politischen Aspekten von Next Generation Networks vorgelegt. beauftragt; das Ergebnis ist hier abrufbar
- Eine "Analyse zum Zustand und zur Zukunft des Journalismus in Deutschland" unter dem Titel "Begrenzter Journalismus - Was beeinflusst die Entfaltung des Qualitätsjournalismus" wurde von einem Forschungsteam der Hochschule Darmstadt für den Mainzer Mediendisput 2009 vorgelegt;
- "Warum die Qualität im Journalismus abnimmt", dieser Frage ging auch das Deutschalndradio nach, hier nachzulesen (und hier zu hören);
- Ein Lehrbuchbeispiel dazu (und auch dazu, wie ahnungslos und hilflos auch - oder gerade - ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter wie die ARD mit der Sache umgehen kann) bietet die Regidiverm-Geschichte, hier zusammenfassend in einem FAZ-Bericht, in allen erschreckenden Details bei Stationäre Aufnahme (trotz des Umfangs sollte das zur Pflichtlektüre in jeder Journalisten-Ausbildung sein);
- Zum Abschluss noch eine schöne Geschichte, wie mit Twitter einer versuchten Einschränkung des investigativen Journalismus entgegengetreten wurde: mit diesem Tweet von Guardian-Editor Alan Rusbridger setzte er eine Bewegung in Gang, die schließlich zur Rücknahme einer "Superinjunction" gegen den Guardian führte; mehr dazu in diesem NYT-Bericht und hier direkt beim Guardian.
Monday, November 23, 2009
Postmarkt und Parlament, eine Anmerkung
Das Postmarktgesetz wurde am Mittwoch vergangener Woche - unverändert gegenüber der Regierungsvorlage (zum Entwurf siehe hier) - im Plenum des Nationalrats beschlossen. Am Donnerstag wurde es im Bundesrat dem Verkehrsausschuss zugewiesen und schon heute, am dritten Arbeitstag nach dem Nationalratsbeschluss, kam es zur Beschlussfassung im Ausschuss und gleich darauf im Plenum des Bundesrates (Parlamentskorrespondenz).
Angesichts der Streitigkeiten, die der Regierungsvorlage vorausgegangen waren, ist die rasche und zwischen den Koalitionsparteien letztlich unstrittige Beschlussfassung durchaus bemerkenswert - auch wenn der Infrastruktursprecher der ÖVP offenbar ein spannendes Match mit sich selbst ausgetragen haben dürfte, wie aus seinen Presseaussendungen vom 11.11.2009 und vom 18.11.2009 hervorgeht.
Zunächst stimmte er am 10.11.2009 im Verkehrsausschuss der Regierungsvorlage zu (Ausschussbericht 459 BlgNR 24. GP) - und stellte damit "den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (319 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen."
Am nächsten Tag appellierte er an die Verkehrsministerin, eine Bestimmung (§ 3 Abs 2 lit b des Entwurfs) "noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend abzuändern." Das ist nicht nur deshalb interessant, weil er auch Mitglied der Geschäftsführung der MEDICUR-Holding ist und damit beruflich in einem gewissen Nahebezug zu einem Unternehmen steht, das von § 3 Abs 2 lit b des Entwurfs durchaus profitieren dürfte, und weil er tags zuvor noch überzeugt war, dass die Regierungsvorlage unverändert angenommen werden sollte, sondern weil die Verkehrsministerin eine Regierungsvorlage, die schon dem Nationalratsplenunm vorliegt, ja schlecht abändern kann.
Aber vielleicht war das auch gar nicht so ernst gemeint, denn im Plenum des Nationalrats hat der zwischendurch offenbar unsicher gewordene Infrastuktursprecher ohnehin wieder der (unveränderten) Regierungsvorlage zugestimmt, um noch am selben Tag in einer Pressaussendung verlauten zu lassen, dass die Entstehungsgeschichte des Postmarktgesetzes "von einer gewissen Orientierungslosigkeit und einem defizitären politischen Management geprägt" gewesen sei (er zielte mit diesem Vorwurf allerdings auf die Verkehrsministerin).
Abgesehen von dieser Anmerkung zum parlamentarischen Prozess noch ein legistisches Detail:
Das Postmarktgesetz wird am 1. Jänner 2011 in Kraft treten (§ 64 Abs 1). Von diesem Grundsatz gibt es ganz wenige Ausnahmen, darunter auch die Bestimmungen des § 59 Abs. 2 bis 5, die schon am Tag nach der Kundmachung in Kraft treten. § 59 Abs 2 und 4 (betrifft Aufgaben der Regulierungsbehörden) treten dann mit Ablauf des 31. Dezember 2010 - also noch vor Inkrafttreten des gesamten Postmarktgesetzes - schon wieder außer Kraft; für eine gewisse Verwirrung dürfte damit gesorgt sein, zumal damit im Jahr 2010 neben dem Postgesetz auch schon (teilweise vorübergehend) einzelne Bestimmungen des Postmarktgesetzes gelten.
Und schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das KommAustria-Gesetz (KOG) mit dem Postmarktgesetz mit Wirksamkeit ab 1.1.2011 geändert wird - schon mit 1.1.2010 soll das KOG durch die letzte Woche dem Parlament zugeleitete Regierungsvorlage 471 BlgNR 24. GP geändert werden (und natürlich auch mit dem derzeit in Begutachtung befindlichen Entwurf zur Änderung vor allem des ORF-Gesetzes).
PS: Der Ausschussbericht zum Postmarktgesetz (laut Parlamentswebsite, sowohl in der pdf- als auch der html-Version) zählt übrigens die "wesentlichen Punkte des neuen Postmarktgesetzes" so auf :
"- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes"
Angesichts der Streitigkeiten, die der Regierungsvorlage vorausgegangen waren, ist die rasche und zwischen den Koalitionsparteien letztlich unstrittige Beschlussfassung durchaus bemerkenswert - auch wenn der Infrastruktursprecher der ÖVP offenbar ein spannendes Match mit sich selbst ausgetragen haben dürfte, wie aus seinen Presseaussendungen vom 11.11.2009 und vom 18.11.2009 hervorgeht.
Zunächst stimmte er am 10.11.2009 im Verkehrsausschuss der Regierungsvorlage zu (Ausschussbericht 459 BlgNR 24. GP) - und stellte damit "den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (319 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen."
Am nächsten Tag appellierte er an die Verkehrsministerin, eine Bestimmung (§ 3 Abs 2 lit b des Entwurfs) "noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend abzuändern." Das ist nicht nur deshalb interessant, weil er auch Mitglied der Geschäftsführung der MEDICUR-Holding ist und damit beruflich in einem gewissen Nahebezug zu einem Unternehmen steht, das von § 3 Abs 2 lit b des Entwurfs durchaus profitieren dürfte, und weil er tags zuvor noch überzeugt war, dass die Regierungsvorlage unverändert angenommen werden sollte, sondern weil die Verkehrsministerin eine Regierungsvorlage, die schon dem Nationalratsplenunm vorliegt, ja schlecht abändern kann.
Aber vielleicht war das auch gar nicht so ernst gemeint, denn im Plenum des Nationalrats hat der zwischendurch offenbar unsicher gewordene Infrastuktursprecher ohnehin wieder der (unveränderten) Regierungsvorlage zugestimmt, um noch am selben Tag in einer Pressaussendung verlauten zu lassen, dass die Entstehungsgeschichte des Postmarktgesetzes "von einer gewissen Orientierungslosigkeit und einem defizitären politischen Management geprägt" gewesen sei (er zielte mit diesem Vorwurf allerdings auf die Verkehrsministerin).
Abgesehen von dieser Anmerkung zum parlamentarischen Prozess noch ein legistisches Detail:
Das Postmarktgesetz wird am 1. Jänner 2011 in Kraft treten (§ 64 Abs 1). Von diesem Grundsatz gibt es ganz wenige Ausnahmen, darunter auch die Bestimmungen des § 59 Abs. 2 bis 5, die schon am Tag nach der Kundmachung in Kraft treten. § 59 Abs 2 und 4 (betrifft Aufgaben der Regulierungsbehörden) treten dann mit Ablauf des 31. Dezember 2010 - also noch vor Inkrafttreten des gesamten Postmarktgesetzes - schon wieder außer Kraft; für eine gewisse Verwirrung dürfte damit gesorgt sein, zumal damit im Jahr 2010 neben dem Postgesetz auch schon (teilweise vorübergehend) einzelne Bestimmungen des Postmarktgesetzes gelten.
Und schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das KommAustria-Gesetz (KOG) mit dem Postmarktgesetz mit Wirksamkeit ab 1.1.2011 geändert wird - schon mit 1.1.2010 soll das KOG durch die letzte Woche dem Parlament zugeleitete Regierungsvorlage 471 BlgNR 24. GP geändert werden (und natürlich auch mit dem derzeit in Begutachtung befindlichen Entwurf zur Änderung vor allem des ORF-Gesetzes).
PS: Der Ausschussbericht zum Postmarktgesetz (laut Parlamentswebsite, sowohl in der pdf- als auch der html-Version) zählt übrigens die "wesentlichen Punkte des neuen Postmarktgesetzes" so auf :
"- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes
- Definition des Universaldienstes"
Friday, November 20, 2009
"thy just and lawful aid"*: Volltext der Beihilfenentscheidung zur ORF-Finanzierung
Die Ende Oktober ergangene Entscheidung der Kommission, das Verfahren betreffend die "Staatliche Beihilfe E 2/2008 (ex CP 163/2004 und CP 227/2005) – Finanzierung des ORF" nach Zusicherungen durch Österreich einzustellen, ist nun auch im Volltext veröffentlicht; als Geschäftsgeheimnisse wurden, soweit ich das gesehen habe, nur die (Schätz-)Werte für das Jahr 2009 unkenntlich gemacht.
Die beabsichtigte sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung" (siehe § 31 Abs 10a bis 10g ORF-G in der Fassung des Begutachtungsentwurfs) wurde von der Kommission in der Entscheidung schon berücksichtigt und - wenn sie nicht mehr als 10% der Einnahmen des ORF aus den Programmentgelten beträgt - als "nicht wesentliche Änderung" der bestehenden Beihilfe beurteilt (Randnummer 242 der Entscheidung).
Bemerkenswert ist aber, dass die Kommission nicht nur für die Zukunft von einem in der Regel fünf Jahre betragenden "Finanzierungszeitraum" (siehe § 31 Abs 2 ORF-G idF des Begutachtungsentwurfs) ausgeht, sondern offenbar auch die bestehende Rechtslage dahin verstanden hat, dass der ORF nach der Programmentgelterhöhung 2008 nun bis 2012 keine Erhöhung mehr vornehmen könnte. In RNr. 255 der Entscheidung heißt es:
Erhöhung Anpassung des Programmentgelts beschließen kann. Rechtlich wäre der ORF daher keineswegs gehindert gewesen, das Programmentgelt nach Eintritt der Krise zu erhöhen (politisch ist die Sache natürlich anders, da ist eine Subvention aus dem Bundesbudget leichter durchsetzbar als eine direkte Erhöhung des Programmentgelts).
*) Shakespeare, King Henry VI, Part iii, Act III, Scene 3
Die beabsichtigte sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung" (siehe § 31 Abs 10a bis 10g ORF-G in der Fassung des Begutachtungsentwurfs) wurde von der Kommission in der Entscheidung schon berücksichtigt und - wenn sie nicht mehr als 10% der Einnahmen des ORF aus den Programmentgelten beträgt - als "nicht wesentliche Änderung" der bestehenden Beihilfe beurteilt (Randnummer 242 der Entscheidung).
Bemerkenswert ist aber, dass die Kommission nicht nur für die Zukunft von einem in der Regel fünf Jahre betragenden "Finanzierungszeitraum" (siehe § 31 Abs 2 ORF-G idF des Begutachtungsentwurfs) ausgeht, sondern offenbar auch die bestehende Rechtslage dahin verstanden hat, dass der ORF nach der Programmentgelterhöhung 2008 nun bis 2012 keine Erhöhung mehr vornehmen könnte. In RNr. 255 der Entscheidung heißt es:
"Im vorliegenden Fall wurde der dem ORF für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu zahlende Ausgleich kurz vor Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 bis zum Jahr 2012 festgesetzt, so dass dem allgemeinen Rückgang der Werbeeinnahmen auf dem Rundfunkmarkt nicht Rechnung getragen wurde. Ferner hat sich die Finanz- und Wirtschaftskrise durch die Abwertung der Vermögenswerte des ORF nachteilig auf dessen Bilanz ausgewirkt. Da der ORF trotz des gesunkenen Eigenkapitals bis 2012 das Programmentgelt nicht erhöhen kann, stimmt die Kommission mit Österreich darin überein, dass der ORF die Möglichkeit haben muss, sein Eigenkapital selbst zu erhöhen, wenn er im nächsten Finanzierungszeitraum schwarze Zahlen schreiben sollte." [Hervorhebung hinzugefügt]Nach der geltenden Rechtslage ist das unrichtig, denn § 31 ORF-G sieht keine Bechränkungen vor, wann oder wie oft der ORF eine
*) Shakespeare, King Henry VI, Part iii, Act III, Scene 3
Thursday, November 19, 2009
ORF-G-Novelle: Qualitätssicherung im ORF (und: wo ist Struve?)
Der Entwurf für ein "Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das Telekommunikationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Exklusivrechtegesetz geändert werden" (im Folgenden, der Einfachkeit halber: Entwurf für eine Novelle zum ORF-G) enthält auch detailliertere Regelungen zur Qualitätssicherung. Schon bisher gab es ja - eher indirekt formuliert über die Aufgaben des Stiftungsrates in § 21 ORF-G und des Publikumsrates in § 30 ORF-G - den Auftrag zur Einführung von Qualitätsssicherungssystemen.
Wie der ORF damit umgegangen ist, kann man teilweise dem letzten Rechnungshofbericht entnehmen: demnach war die Erarbeitung eines Qualitätssicherungssystems im Jahr 2002 eine von vier Voraussetzungen für die Auszahlung von Bonifikationen an die Generaldirektorin und die Direktoren. Die Generaldirektorin legte auch tatsächlich "einen drei Seiten umfassenden Vorschlag zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems für Programme vor. Dieser Vorschlag basierte auf einem seit mehreren Jahren im ORF bestehenden Qualitätsmonitoring, das nunmehr auf das gesamte Programmangebot ausgeweitet und um Maßnahmen zum Jugendschutz erweitert wurde. Für diesen Vorschlag wurden der Generaldirektorin und den sechs Direktoren Bonifikationen von insgesamt rd. 63.600 EUR ausgezahlt." (Zitat aus dem Rechnungshofbericht, Hervorhebung hinzugefügt; mehr dazu schon hier).
Diese drei teuren Seiten (auf ein Honorar von € 21.200 pro Seite kommen wohl nicht viele Autoren) werden vom ORF als Geheimnis gehütet, ebenso wie die in der Folge (weiterhin) erstellten Bretschneider-Gutachten, "ob im jeweiligen Geschäftsjahr den Qualitätskriterien im Wesentlichen entsprochen wurde" (Antwort laut Rechnungshof war: ja, "insgesamt in den wesentlichen Belangen"; Preis dafür "jährlich zwischen 225.000 EUR und 279.000 EUR").
Seit Juni 2008 wacht angeblich ex-ARD Programmdirektor Günter Struve, bekannter Mitten im Achten-Fan und Verteidiger des Marienhofs, über das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009 (ORF-Aussendung); siehe dazu auch schon hier und hier. Was dabei genau herausgekommen ist, kann ich nicht beurteilen, veröffentlicht hat der ORF dazu bislang nichts.
Offenbar waren aber manche nicht so recht zufrieden mit der bisherigen Qualitätssicherung im ORF, denn der Entwurf für eine Novelle zum ORF-G widment dem Qualitätssicherungssystem nun einen eigenen, ziemlich langen Paragraphen (nachzulesen hier im Entwurf, § 4a ORF-G, ab Seite 17, Erläuterungen dazu ab Seite 102; wenn die Erläuterungen von externen Gutachten schreiben, setzen sie den Begriff "Gutachten" übrigens unter Anführungszeichen). Neu ist insbesondere auch eine Transparenzverpflichtung (§ 4a Abs 7 des Entwurfs):
Und dann hätte ich noch drei Fragen: Was hat Günter Struve bis jetzt konkret für den ORF gemacht? Was hat das gekostet? Wo kann man das Ergebnis nachlesen?
Bonusfrage: wann werden die drei Seiten veröffentlicht, auf denen die früherer Generaldirektorin das (offenbar derzeit noch aktuelle) Qualitätssicherungssystem des ORF skizziert hat?
PS: Die SRG hat vor kurzem ihr "Qualitätssymposium 2009" abgehalten, Details (mit Videos und weiteren Dokumenten) dazu hier.
Wie der ORF damit umgegangen ist, kann man teilweise dem letzten Rechnungshofbericht entnehmen: demnach war die Erarbeitung eines Qualitätssicherungssystems im Jahr 2002 eine von vier Voraussetzungen für die Auszahlung von Bonifikationen an die Generaldirektorin und die Direktoren. Die Generaldirektorin legte auch tatsächlich "einen drei Seiten umfassenden Vorschlag zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems für Programme vor. Dieser Vorschlag basierte auf einem seit mehreren Jahren im ORF bestehenden Qualitätsmonitoring, das nunmehr auf das gesamte Programmangebot ausgeweitet und um Maßnahmen zum Jugendschutz erweitert wurde. Für diesen Vorschlag wurden der Generaldirektorin und den sechs Direktoren Bonifikationen von insgesamt rd. 63.600 EUR ausgezahlt." (Zitat aus dem Rechnungshofbericht, Hervorhebung hinzugefügt; mehr dazu schon hier).
Diese drei teuren Seiten (auf ein Honorar von € 21.200 pro Seite kommen wohl nicht viele Autoren) werden vom ORF als Geheimnis gehütet, ebenso wie die in der Folge (weiterhin) erstellten Bretschneider-Gutachten, "ob im jeweiligen Geschäftsjahr den Qualitätskriterien im Wesentlichen entsprochen wurde" (Antwort laut Rechnungshof war: ja, "insgesamt in den wesentlichen Belangen"; Preis dafür "jährlich zwischen 225.000 EUR und 279.000 EUR").
Seit Juni 2008 wacht angeblich ex-ARD Programmdirektor Günter Struve, bekannter Mitten im Achten-Fan und Verteidiger des Marienhofs, über das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009 (ORF-Aussendung); siehe dazu auch schon hier und hier. Was dabei genau herausgekommen ist, kann ich nicht beurteilen, veröffentlicht hat der ORF dazu bislang nichts.
Offenbar waren aber manche nicht so recht zufrieden mit der bisherigen Qualitätssicherung im ORF, denn der Entwurf für eine Novelle zum ORF-G widment dem Qualitätssicherungssystem nun einen eigenen, ziemlich langen Paragraphen (nachzulesen hier im Entwurf, § 4a ORF-G, ab Seite 17, Erläuterungen dazu ab Seite 102; wenn die Erläuterungen von externen Gutachten schreiben, setzen sie den Begriff "Gutachten" übrigens unter Anführungszeichen). Neu ist insbesondere auch eine Transparenzverpflichtung (§ 4a Abs 7 des Entwurfs):
"Das nach den Grundsätzen dieser Bestimmung eingeführte Qualitätssicherungssystem sowie die dazu erstellten Studien und Teilnehmerbefragungen und die diesbezüglichen Beschlüsse des Stiftungsrates und des Publikumsrates sind auf der Website des ORF leicht, unmittelbar und ständig zugänglich zu machen, soweit dies rechtlich möglich ist und damit nicht berechtigte Unternehmensinteressen des ORF beeinträchtigt werden."Bemerkenswert ist ja, dass dem ORF offenbar alle Schritte zu mehr Transparenz gesetzlich abgerungen werden müssen (ich bin auch schon gespannt auf die Stellungnahme des ORF zu den ohnehin nicht radikalen Transparenzverpflichtungen im Gesetzesentwurf). Ich hätte vorerst nur die Anmerkung, dass anstelle der Worte "berechtigte Unternehemnsinteressen des ORF" schlicht die Worte "öffentliche Interessen" gesetzt werden: für den Träger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollte wohl das öffentliche Interesse der Maßstab sein.
Und dann hätte ich noch drei Fragen: Was hat Günter Struve bis jetzt konkret für den ORF gemacht? Was hat das gekostet? Wo kann man das Ergebnis nachlesen?
Bonusfrage: wann werden die drei Seiten veröffentlicht, auf denen die früherer Generaldirektorin das (offenbar derzeit noch aktuelle) Qualitätssicherungssystem des ORF skizziert hat?
PS: Die SRG hat vor kurzem ihr "Qualitätssymposium 2009" abgehalten, Details (mit Videos und weiteren Dokumenten) dazu hier.
EuGH-Generalanwältin: obligatorischer Streitbeilegungsversuch vor Klage keine Verletzung des effektiven Rechtsschutzes
Der Friedensrichter von Ischia hat seine Vorlagefragen in den Rechtssachen C-317/08 bis C-320/08, Alassini ua (siehe dazu schon hier) zwar nicht sehr präzise formuliert und auch hinsichtlich der angesprochenen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften eher einmal grob auf den Busch geklopft - Generalwältin Kokott konnte in ihren heute dazu erstatteten Schlussanträgen aber doch eine wichtige Frage aufgreifen, deren Bedeutung weit über den Anlassfall und das Telekomrecht hinausgeht.
Ausgangspunkt des Vorabentscheidungsverfahrens sind Streitigkeiten zwischen italienischen Verbrauchern und Telekomunternehmen, für die nach italienischem Recht vor Klagserhebung zunächst ein außergerichtlicher Streitbeilegungsversuch unternommen werden muss (siehe dazu schon näher hier, mit Hinweisen auf die konkreten italienischen Rechtsvorschriften).
Die eher obskure Bezugnahme des vorlegenden Gerichts auf die Verbrauchsgüterkauf-RL und zwei Kommissions-Empfehlungen (1, 2) wird von Generalanwältin Kokott in RNr 26 und 27 der Schlussanträge in geboten knappen Worten abgehandelt. Danach prüft die Generalanwältin die Vereinbarkeit eines obligatorischen Streitbeilegungsverfahrens mit Art 34 der UniversaldienstRL. Dort steht zwar, dass die Mitgliedstaaten sicher stellen, "dass transparente, einfache und kostengünstige außergerichtliche Verfahren zur Beilegung von Streitfällen zur Verfügung stehen", und dass sie Maßnahmen ergreifen, "um sicherzustellen, dass diese Verfahren eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen". Die RL enthält aber keine
Aussage über die Zulässigkeit eines obligatorischen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens. "Diese Frage", so die Generalanwältin, "ist daher allein am Maßstab des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zu beurteilen."
PS: Die Mediationsrichtlinie 2008/52/EG ist im konkreten Fall zwar nicht anwendbar, aber die Schlussanwältin weist auf die in dieser RL zum Ausdruck kommende Wertung hin, die auf den vorliegenden Fall übertragbar ist: nach der MediationsRL bleibt eine in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Verpflichtung zur Inanspruchnahme der Mediation vor oder nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens von unberührt, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen.
Ausgangspunkt des Vorabentscheidungsverfahrens sind Streitigkeiten zwischen italienischen Verbrauchern und Telekomunternehmen, für die nach italienischem Recht vor Klagserhebung zunächst ein außergerichtlicher Streitbeilegungsversuch unternommen werden muss (siehe dazu schon näher hier, mit Hinweisen auf die konkreten italienischen Rechtsvorschriften).
Die eher obskure Bezugnahme des vorlegenden Gerichts auf die Verbrauchsgüterkauf-RL und zwei Kommissions-Empfehlungen (1, 2) wird von Generalanwältin Kokott in RNr 26 und 27 der Schlussanträge in geboten knappen Worten abgehandelt. Danach prüft die Generalanwältin die Vereinbarkeit eines obligatorischen Streitbeilegungsverfahrens mit Art 34 der UniversaldienstRL. Dort steht zwar, dass die Mitgliedstaaten sicher stellen, "dass transparente, einfache und kostengünstige außergerichtliche Verfahren zur Beilegung von Streitfällen zur Verfügung stehen", und dass sie Maßnahmen ergreifen, "um sicherzustellen, dass diese Verfahren eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen". Die RL enthält aber keine
Aussage über die Zulässigkeit eines obligatorischen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens. "Diese Frage", so die Generalanwältin, "ist daher allein am Maßstab des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zu beurteilen."
Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts; nationale Regelungen sind aber nur dann daran zu messen, wenn sie in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen. Dies ist bei einem obligatorischen Streitschlichtungsverfahren, das die Durchsetzung der in der UniversaldienstRL gewährten materiellen Rechte betrifft, der Fall.
Der obligatorische Streitbeilegungsversuch stellt eine zusätzliche Hürde für den Zugang zu Gericht auf und es liegt daher ein Eingriff in den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vor (RNr. 43). Er dient jedoch einer schnelleren und kostengünstigeren Beilegung von Streitigkeiten und verfolgt somit legitime Ziele des Allgemeininteresses, zu deren Erreichung er auch geeignet ist (RNr. 45-46).
Der obligatorische Streitbeilegungsversuch stellt eine zusätzliche Hürde für den Zugang zu Gericht auf und es liegt daher ein Eingriff in den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vor (RNr. 43). Er dient jedoch einer schnelleren und kostengünstigeren Beilegung von Streitigkeiten und verfolgt somit legitime Ziele des Allgemeininteresses, zu deren Erreichung er auch geeignet ist (RNr. 45-46).
Durch das vorgeschaltete Streitbeilegungsverfahren wird die Erhebung einer gerichtlichen Klage nur unwesentlich verzögert, die Durchführung der Streitbeilegung ist kostengünstig und die Verjährung der Ansprüche ist während des Schlichtungsversuchs gehemmt, sodass im Ergebnis der Eingriff in den gerichtlichen Rechtsschutz nicht unverhältnismäßig ist (RNr.48 bis 51). Ein unverhältnismäßiger Eingriff läge allerdings vor, wenn (wie das vorlegende Gericht behauptet), der Schlichtungsversuch zwingend auf Formblättern beantragt werden muss, die auf der Internetseite der Aufsichtsbehörde zu finden sind; die Generalanwältin äußert allerdings auf Grund der italienischen Rechtsvorschriften Zweifel, ob tatsächlich nur die elektronische Antragstellung möglich ist (RNr. 52-53).
Zusammenfassend kommt Generalwältin Kokott zum Ergebnis, "dass ein vor ein Gerichtsverfahren geschaltetes obligatorisches Streitbeilegungsverfahren grundsätzlich keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz darstellt. Bestimmungen wie die streitgegenständlichen stellen einen geringfügigen Eingriff in das Recht auf gerichtliche Rechtsdurchsetzung dar, der ausgeglichen wird durch die Chance, auf kostengünstigem und schnellem Weg zu einer Beendigung des Rechtstreits zu gelangen."
Zusammenfassend kommt Generalwältin Kokott zum Ergebnis, "dass ein vor ein Gerichtsverfahren geschaltetes obligatorisches Streitbeilegungsverfahren grundsätzlich keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz darstellt. Bestimmungen wie die streitgegenständlichen stellen einen geringfügigen Eingriff in das Recht auf gerichtliche Rechtsdurchsetzung dar, der ausgeglichen wird durch die Chance, auf kostengünstigem und schnellem Weg zu einer Beendigung des Rechtstreits zu gelangen."
PS: Die Mediationsrichtlinie 2008/52/EG ist im konkreten Fall zwar nicht anwendbar, aber die Schlussanwältin weist auf die in dieser RL zum Ausdruck kommende Wertung hin, die auf den vorliegenden Fall übertragbar ist: nach der MediationsRL bleibt eine in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Verpflichtung zur Inanspruchnahme der Mediation vor oder nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens von unberührt, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen.
Wednesday, November 18, 2009
TKG-Änderungen mit der "ORF-Gesetz-Novelle": Regeln für Großverfahren
Auch wenn in der öffentlichen Diskussion vor allem die Neuregelungen für den ORF im Vordergrund standen, soll der angeblich heute in Begutachtung gehende Gesetzesentwurf* (update: hier der Entwurf mit Erläuterungen, hier die Textgegenüberstellung) u. a. auch Änderungen im Telekommunikationsgesetz 2003 bringen. Diese dienen vor allem der "Aufarbeitung" der verfahrenstechnischen Nachwehen EuGH-Urteils in der Sache C-426/05 - Tele2UTA (siehe dazu hier und hier, sowie das in der Folge ergangene Erkenntnis des VwGH vom 26.3.2008, 2008/03/0020).
Zunächst sollen im KommAustria-Gesetz eigene Regelungen für Großverfahren geschaffen werden (§ 40 KOG idF des Entwurfs), die für alle Verfahren vor den Regulierungsbehörden im Sinne dieses Gesetzes (KommAustria, Telekom-Control-Kommission, RTR-GmbH und Bundeskommunikationssenat) gelten, an denen voraussichtlich mehr als 100 Personen beteiligt sind. Die Regelung ist angelehnt an die Bestimmungen für Großverfahren im AVG (§ 44a AVG), allerdings mit einigen wesentlichen Unterschieden. So kommt eine Kundmachung der Verfahrenseinleitung mittels Edikt nicht nur - wie nach dem AVG - für antragsgebundene Verfahren in Betracht, sondern auch für amtswegige Verfahren wie insbesondere Marktanalyseverfahren.Wer nicht innerhalb von sechs Wochen "seine Betroffenheit schriftlich glaubhaft macht", verliert seine Stellung als Partei im Verfahren ("Betroffenheit", so stellen die Erläuterungen klar, ist natürlich im Sinne des Gemeinschaftsrechts auszulegen, eben insbesondere im Sinne des Urteils C-426/05 - Tele2UTA).
Das Edikt zur Verfahrenseinleitung (und auch zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die grundsätzlich öffentlich ist, wobei allerdings unter den Voraussetzungen des § 67e AVG die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann) ist nur auf der Website der Regulierungsbehörde kundzumachen, die nach dem AVG gegebene Veröffentlichungspflicht in Tageszeitungen und dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung besteht nicht. Und schließlich kann das Verfahren "unter Zuhilfenahme von elektronischen Kommunikationswegen geführt" und auch Akteneinsicht elektronisch gewährt werden.
Im TKG sollen dementsprechend die Regeln über das Marktanalyseverfahren in § 37 adaptiert werden; in diesem Verfahren soll jedenfalls das Unternehmen, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen beibehalten, auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden, Partei sein, zusätzlich jene, die gemäß § 40 Abs 2 KOG (idF des Entwurfs**) ihre Betroffenheit glaubhaft gemacht haben.
Weiters soll ein Marktanalyseverfahren, wenn die Regulierungsbehörde zum Ergebnis kommt, dass wirksamer Wettbewerb besteht, in Hinkunft nicht mehr "mit Beschluss formlos eingestellt" werden (§ 37 Abs 3 TKG 2003), sondern eine bescheidmäßige Feststellung erfolgen. Auch die Bestimmungen über das Aufsichtsverfahren nach § 91 TKG 2003 sollen nach dem Entwurf ergänzt werden, um die Parteistellung in diesem Verfahren zu regeln und außerdem die bescheidmäßige Feststellung, dass Mängel nicht mehr bestehen, ausdrücklich vorzusehen.
-----
*) Ich habe diesen Beitrag auf der Grundlage eines Entwurfs verfasst, der gestern auf DerStandard.at verfügbar war (heute früh habe ich den Text nicht mehr gefunden).Ich kann daher nicht garantieren, dass es sich dabei um den Entwurf handelt, der tatsächlich in Begutachtung geht. Update 18.11.2009 abends: der Begutachtungsentwurf und eine Textgegenüberstellung sind nun auf der Website des Bundeskanzleramts online.
**) In § 37 Abs 9 TKG 2003 idF des Entwurfs wird "§ 14a KOG" zitiert; ich habe dieses Redaktionsversehen berücksichtigt und auf den offenkundig gemeinten §39 40 KOG verwiesen.
Update 1.12.2009: Durch einen Kommentar zu diesem Post wurde ich dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass auch ich mich vergriffen habe: meine "Berichtigung" verwies zunächst auf § 39, statt richtig auf § 40 KOG.Der Kommentar ist aber irgendwo - wohl in der Spam-Abwehr - verlorengegangen - sorry!
Zunächst sollen im KommAustria-Gesetz eigene Regelungen für Großverfahren geschaffen werden (§ 40 KOG idF des Entwurfs), die für alle Verfahren vor den Regulierungsbehörden im Sinne dieses Gesetzes (KommAustria, Telekom-Control-Kommission, RTR-GmbH und Bundeskommunikationssenat) gelten, an denen voraussichtlich mehr als 100 Personen beteiligt sind. Die Regelung ist angelehnt an die Bestimmungen für Großverfahren im AVG (§ 44a AVG), allerdings mit einigen wesentlichen Unterschieden. So kommt eine Kundmachung der Verfahrenseinleitung mittels Edikt nicht nur - wie nach dem AVG - für antragsgebundene Verfahren in Betracht, sondern auch für amtswegige Verfahren wie insbesondere Marktanalyseverfahren.Wer nicht innerhalb von sechs Wochen "seine Betroffenheit schriftlich glaubhaft macht", verliert seine Stellung als Partei im Verfahren ("Betroffenheit", so stellen die Erläuterungen klar, ist natürlich im Sinne des Gemeinschaftsrechts auszulegen, eben insbesondere im Sinne des Urteils C-426/05 - Tele2UTA).
Das Edikt zur Verfahrenseinleitung (und auch zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die grundsätzlich öffentlich ist, wobei allerdings unter den Voraussetzungen des § 67e AVG die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann) ist nur auf der Website der Regulierungsbehörde kundzumachen, die nach dem AVG gegebene Veröffentlichungspflicht in Tageszeitungen und dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung besteht nicht. Und schließlich kann das Verfahren "unter Zuhilfenahme von elektronischen Kommunikationswegen geführt" und auch Akteneinsicht elektronisch gewährt werden.
Im TKG sollen dementsprechend die Regeln über das Marktanalyseverfahren in § 37 adaptiert werden; in diesem Verfahren soll jedenfalls das Unternehmen, dem gegenüber spezifische Verpflichtungen beibehalten, auferlegt, abgeändert oder aufgehoben werden, Partei sein, zusätzlich jene, die gemäß § 40 Abs 2 KOG (idF des Entwurfs**) ihre Betroffenheit glaubhaft gemacht haben.
Weiters soll ein Marktanalyseverfahren, wenn die Regulierungsbehörde zum Ergebnis kommt, dass wirksamer Wettbewerb besteht, in Hinkunft nicht mehr "mit Beschluss formlos eingestellt" werden (§ 37 Abs 3 TKG 2003), sondern eine bescheidmäßige Feststellung erfolgen. Auch die Bestimmungen über das Aufsichtsverfahren nach § 91 TKG 2003 sollen nach dem Entwurf ergänzt werden, um die Parteistellung in diesem Verfahren zu regeln und außerdem die bescheidmäßige Feststellung, dass Mängel nicht mehr bestehen, ausdrücklich vorzusehen.
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*) Ich habe diesen Beitrag auf der Grundlage eines Entwurfs verfasst, der gestern auf DerStandard.at verfügbar war (heute früh habe ich den Text nicht mehr gefunden).
**) In § 37 Abs 9 TKG 2003 idF des Entwurfs wird "§ 14a KOG" zitiert; ich habe dieses Redaktionsversehen berücksichtigt und auf den offenkundig gemeinten §
Update 1.12.2009: Durch einen Kommentar zu diesem Post wurde ich dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass auch ich mich vergriffen habe: meine "Berichtigung" verwies zunächst auf § 39, statt richtig auf § 40 KOG.
Tuesday, November 17, 2009
ORF-TVThek: Kreuzfahrten verkaufen für die "Zielgruppe der reiferen ORF-GebührenzahlerInnen"
Der Pensionistenverband hat heute nicht nur seinen Kandidaten für die Publikumsratswahl bekannt gegeben, sondern bei dieser Gelegenheit auch gleich protestiert - und zwar "gegen die kolportierten Pläne des ORF, 'Schöner leben', die einzige Sendung, die direkt für die Zielgruppe der reiferen ORF-GebührenzahlerInnen abzielt, einzustellen."
Glücklicherweise gibt es mittlerweile die "TVThek" des ORF, auf der man gleich nachsehen kann, welches televisionäre Wunderwerk hier in Gefahr sein könnte. Also habe ich mir einen Teil der letzten Sendung angesehen und bin angemessen beeindruckt. Zum Beispiel von einem Beitrag, der so einmoderiert wird:
Glücklicherweise gibt es mittlerweile die "TVThek" des ORF, auf der man gleich nachsehen kann, welches televisionäre Wunderwerk hier in Gefahr sein könnte. Also habe ich mir einen Teil der letzten Sendung angesehen und bin angemessen beeindruckt. Zum Beispiel von einem Beitrag, der so einmoderiert wird:
"Ein wirklicher Jungbrunnen ist sicherlich auch eine gelungene Urlaubsreise. Und eine Reise, die Ihnen sicher lange Zeit in guter Erinnerung bleiben wird, ist unsere Ostseekreuzfahrt. Die reizstoffarme Seeluft wirkt sich zum Beispiel positiv auf Haut, Lunge und Immunsystem aus und auf dieser Reise erleben Sie auch die Höhepunkte des Nordens, und zwar von Kiel bis Kopenhagen."Dazwischen liegen etwa acht Minuten Reisebericht (mehr will ich dazu gar nicht sagen). Die "Reisehotline" verweist übrigens (wie auch die ORF-Kundendienst-Seite) weiter auf eine Website, die von einem Reisebüro betrieben wird. Auf dieser Reisebüro-Website wird man so empfangen:
und endet so:
"Wenn auch Sie die außergewöhnlichen Genüsse der Schöner-Leben Kreuzfahrt in den Norden genießen wollen, kommen Sie im Mai 2010 an Bord. Informationen unter der kostenfreien Reisehotline 0800 800 303 und auf unserer Homepage tv.ORF.at/schoenerleben".
"Es freut uns, dass wir Ihnen mit den Reiseberichten im Lifestyle-Magazin 'Schöner leben' Gusto aufs Reisen machen! ...Unterzeichnet ist das von jemandem mit dem Etikett "Redaktionelle Leitung 'Schöner Leben' / ORF"
Da [xy] Reisen die 'Schöner leben' Reisen maßschneidert, können wir für jeden Typ und für verschiedene Reisebudgets die richtige Reise bieten."
Monday, November 16, 2009
"Mach dir ein eigenes Gesetz": neues "Fernsehgesetz" auf Parlamentswebsite
In den Verhandlungen zur geplanten Änderung des ORF-Gesetzes ist nun offenbar zwischen SPÖ und ÖVP Einigung erzielt worden (Standard, Presse, Kurier, Kleine Zeitung, OÖ Nachrichten). Dass auch zumindest eine der drei Oppositionsparteien schon Teil dieser Einigung wäre, habe ich allerdings nirgends gelesen - insoweit wird man auch den kommenden Begutachtungsentwurf noch nicht als abgeschlossenes Werk ansehen können. Zumindest hinsichtlich der Medienbehörde, für die es wohl eine Verfassungsmehrheit braucht, kann man also noch auf interessante Auseinandersetzungen gespannt sein. [update 17.11.2009: heute ist schon der/die neue kaufmännische Direktor(in) ausgeschrieben, gefordert sind wie üblich entweder "Vorbildung" oder einschlägige / verwandte Berufserfahrung; mit der Einigung über das Gesetz hat das sicher keinen Zusammenhang]
Viel einfacher ginge es, würde man vom "Gesetzesgenerator" (hier im Bild) Gebrauch machen, den eine Website der Parlamentsdirektion großzügigerweise bereit stellt."Entwirf [...] dein eigenes Gesetz. Das macht Spaß", heißt es dort (fairerweise muss man anmerken, dass es sich um eine an Kinder gerichtete Website handelt, mit dem Ziel der "spielerischen Vermittlung von Demokratie und Parlamentarismus"). Ganz trivial ist die Sache aber doch wieder nicht:
PS, ganz im Ernst: Ein wirkliches Ärgernis auf dieser Kinder-Website des Parlaments sind die Nutzungsbedingungen. Nett finde ich, dass sich die Parlamentsdirektion offenbar nicht ganz sicher ist, ob man diese Seite überhaupt anschauen darf, denn zunächst heißt es zwar: "Jeder Benutzer / Jede Benutzerin ist berechtigt, die auf der Webseite www.demokratiewebstatt.at angebotenen Informationen abzurufen und die angebotenen Leistungen zu nutzen." Doch gleich im nächsten Punkt steht dann: "Jede auch nur auszugsweise, gewerbliche oder private Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung." Aber vielleicht wurden die Nutzungsbedingungen auch in einem AGB-Generator erstellt ("Entwirf deine eigenen Nutzungsbedingungen - das macht Spaß!"). Den Hinweis, dass die Nutzungsbedingungen nur pädagogischen Zwecken dienen, habe ich allerdings bis jetzt nicht entdeckt. Ein lehrreiches Beispiel dafür, wie man AGB für Online-Angebote nicht gestalten sollte, sind diese Nutzungsbedingungen aber jedenfalls.
Viel einfacher ginge es, würde man vom "Gesetzesgenerator" (hier im Bild) Gebrauch machen, den eine Website der Parlamentsdirektion großzügigerweise bereit stellt."Entwirf [...] dein eigenes Gesetz. Das macht Spaß", heißt es dort (fairerweise muss man anmerken, dass es sich um eine an Kinder gerichtete Website handelt, mit dem Ziel der "spielerischen Vermittlung von Demokratie und Parlamentarismus"). Ganz trivial ist die Sache aber doch wieder nicht:
"Ein Gesetz entsteht nicht einfach so. Da müssen jede Menge Überlegungen und Entscheidungen getroffen werden: Zuerst braucht dein Gesetz einen Namen."Das wäre das geringste Problem, "Fernsehgesetz" könnte man es zum Beispiel nennen - aber dummerweise gibt es das schon: hier. Das Gesetzblatt enthält allerdings noch folgenden kleingedruckten Hinweis: "Dieses mit dem Gesetzesgenerator erstelle Dokument dient ausschließlich pädagogischen Zwecken." (als ich studierte, hieß es übrigens noch "lex imperat, non docet", und auch die legistischen Richtlinien des BKA sagen: "Gesetze und Verordnungen sind grundsätzlich zur Erzeugung von Rechtsnormen bestimmt. Daher sind ... belehrende Ausführungen ... zu vermeiden.").
PS, ganz im Ernst: Ein wirkliches Ärgernis auf dieser Kinder-Website des Parlaments sind die Nutzungsbedingungen. Nett finde ich, dass sich die Parlamentsdirektion offenbar nicht ganz sicher ist, ob man diese Seite überhaupt anschauen darf, denn zunächst heißt es zwar: "Jeder Benutzer / Jede Benutzerin ist berechtigt, die auf der Webseite www.demokratiewebstatt.at angebotenen Informationen abzurufen und die angebotenen Leistungen zu nutzen." Doch gleich im nächsten Punkt steht dann: "Jede auch nur auszugsweise, gewerbliche oder private Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung." Aber vielleicht wurden die Nutzungsbedingungen auch in einem AGB-Generator erstellt ("Entwirf deine eigenen Nutzungsbedingungen - das macht Spaß!"). Den Hinweis, dass die Nutzungsbedingungen nur pädagogischen Zwecken dienen, habe ich allerdings bis jetzt nicht entdeckt. Ein lehrreiches Beispiel dafür, wie man AGB für Online-Angebote nicht gestalten sollte, sind diese Nutzungsbedingungen aber jedenfalls.
Sunday, November 15, 2009
Repräsentative Räte (Teil 1): der Publikumsrat (oder: was der Kameradschaftsbund mit Bildung zu tun hat)
"Das Rätewesen als Zusammenarbeit von Ratgebern und Ratholern auf Gegenseitigkeit ist über die Bestimmung der Interessenvertretung in sich verbundener Menschengruppen hinaus die natürliche Organisationsform jeder Gesellschaft überhaupt", heißt es in Erich Mühsams anarchistischer Streitschrift "Alle Macht den Räten". Nun soll der Publikumsrat des ORF zwar in einer gewissen Weise Abbild der Gesellschaft sein, die Gefahr (oder neutral: Perspektive), dass ihm allzu viel Macht zukommt, besteht freilich nicht, denn de facto besteht die einzig wirksame Macht des Publikumsrats in der Entscheidung darüber, welche sechs seiner Mitglieder er in den Stiftungsrat entsendet (§ 30 Abs 1 Z 2 ORF-G).
Von diesen sechs Mitgliedern, die der Publikumsrat in den Stiftungsrat entsendet, müssen wiederum drei aus jenen Publikumsratsmitgliedern stammen, die "mittels Wahl durch die Rundfunkteilnehmer" (§ 28 Abs 4 bis 11 ORF-G) bestellt werden. Aus aktuellem Anlass (Ausschreibung vom 6.11.2009) ein paar Worte zum Wahlmodus:
Vorschläge: Der Bundeskanzler hat gemäß § 28 Abs 4 ORF-G Vorschläge einzuholen, und zwar (für die Direktwahl) von Einrichtungen bzw. Organisationen, die für folgende "Bereiche bzw. Gruppen" repräsentativ sind: die Bildung, der Sport, die Jugend, die älteren Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Konsumenten. Wer als repräsentativ anzusehen ist, dafür gibt es im Gesetz keinen Hinweis (zum alten Rundfunkgesetz gab es - nur vorübergehend 1974/75 - eine einschlägige Verordnung). Kogler/Traimer/Truppe schreiben, dass "aufgrund des statutengemäßen Zwecks in Zusammenahlt mit dem tatsächlichen Wirkungsbereich und der Mitgliederzahl" zu beurteilen sein werde, ob eine Organisation oder einrichtung repräsentativ ist. Daher hier ein kleiner "reality check", welche Einrichtungen sich bei der letzten Publikumsratswahl als repräsentativ angesehen haben (und vom BKA auch als repräsentativ genug beurteilt wurden, dass sich die von ihnen genannten Kandidaten der Direktwahl stellen konnten; Details auch hier):
Wahlberechtigt sind nach dem Gesetz die "Rundfunkteilnehmer", wobei dieser Begriff durch einen Verweis auf § 2 Rundfunkgebührengesetz (RGG) definiert wird (allerdings mit der Abweichung, dass nur natürliche Personen wahlberechtigt sind). Nach dieser Bestimmung ist Rundfunkteilnehmer, "wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt". De facto konnten bei der letzten Publikumsratswahl nur "die bei der GIS erfassten" Rundfunkteilnehmer wählen (also jene, die entweder Gebühren zahlten oder von der Entrichtung der Gebühren befreit waren; nicht "erfasst" waren jene Rundfunkteilnehmer, die nach § 2 Abs 2 Z 2 RGG nicht der Gebührenpflicht unterlagen, weil für den jeweiligen Standort bereits jemand anderer die Gebühren entrichtete).
Wer bei der Publikumswahl durchfällt, kann noch immer darauf hoffen, dass er als eines der 17 vom Bundeskanzler zu bestellenden Mitglieder doch noch in den Publikumsrat einzieht. Auch dabei muss der Bundeskanzler aber aus den Vorschlägen auswählen, die ihm von "repräsentativen Einrichtungen bzw. Organisationen" gemacht werden (neben den schon genannten Bereichen auch für die Bereiche Hochschulen, Kunst, Schüler, behinderte Menschen, Volksgruppen, Touristik, Kraftfahrer und Umweltschutz).
So wurde etwa auch Helmut Pechlaner, der in der Publikumswahl unterlag, vom Bundeskanzler für den Bereich Bildung zum Mitglied des Publikumsrates bestellt. Pechlaner selbst war der Auffassung, er habe einen "ÖVP-Sitz im Publikumsrat", von dem er im Dezember 2008 aus Protest wegen einer - in keinem Zusammenhang mit dem ORF stehenden - politischen Auseinandersetzung mit dem damaligen (ÖVP-)Finanzminister Pröll zurücktrat.
Persönliche Anforderungen an Publikumsratsmitglieder bestehen - abgesehen von Unvereinbarkeitsregeln nach § 28 Abs 2 ORF-G - nur indirekt: da sechs Publikumsratsmitglieder (darunter drei der direkt gewählten) in den Stiftungsrat zu entsenden sind, hat schon der Bundeskanzler in der Ausschreibung angemerkt, dass bei den Wahlvorschlägen darauf zu achten ist, "dass die vorgeschlagenen Personen die gemäß § 20 Abs. 1 letzter Satz ORF-G für den Stiftungsrat erforderlichen Qualifikationen aufweisen." Allzu hart sind diese Kriterien allerdings auch nicht: erstens müssen die "Mitglieder die persönliche und fachliche Eignung durch eine entsprechende Vorbildung oder einschlägige Berufserfahrung in den vom Stiftungsrat zu besorgenden Angelegenheiten aufweisen" und zweitens "über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben." Zusammengefasst also: Vorbildung oder Berufserfahrung und (einfache) Kenntnisse oder hohes Ansehen.
PS: Details zu den Mitgliedern des Publikumsrates bei der letzten konstituierenden Sitzung am am 3.2.2006 hier und bei der ersten konstituierenden Sitzung am 16.10.2001 hier.
Von diesen sechs Mitgliedern, die der Publikumsrat in den Stiftungsrat entsendet, müssen wiederum drei aus jenen Publikumsratsmitgliedern stammen, die "mittels Wahl durch die Rundfunkteilnehmer" (§ 28 Abs 4 bis 11 ORF-G) bestellt werden. Aus aktuellem Anlass (Ausschreibung vom 6.11.2009) ein paar Worte zum Wahlmodus:
Vorschläge: Der Bundeskanzler hat gemäß § 28 Abs 4 ORF-G Vorschläge einzuholen, und zwar (für die Direktwahl) von Einrichtungen bzw. Organisationen, die für folgende "Bereiche bzw. Gruppen" repräsentativ sind: die Bildung, der Sport, die Jugend, die älteren Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Konsumenten. Wer als repräsentativ anzusehen ist, dafür gibt es im Gesetz keinen Hinweis (zum alten Rundfunkgesetz gab es - nur vorübergehend 1974/75 - eine einschlägige Verordnung). Kogler/Traimer/Truppe schreiben, dass "aufgrund des statutengemäßen Zwecks in Zusammenahlt mit dem tatsächlichen Wirkungsbereich und der Mitgliederzahl" zu beurteilen sein werde, ob eine Organisation oder einrichtung repräsentativ ist. Daher hier ein kleiner "reality check", welche Einrichtungen sich bei der letzten Publikumsratswahl als repräsentativ angesehen haben (und vom BKA auch als repräsentativ genug beurteilt wurden, dass sich die von ihnen genannten Kandidaten der Direktwahl stellen konnten; Details auch hier):
- Für den Bereich Bildung: Umweltdachverband, Verband Wiener Volksbildung, Wirtschaftsförderungsinstitut, Österreichischer Kameradschaftsbund
- für den Bereich Jugend: Österreichische HochschülerInnenschaft, Umweltdachverband, Kinderwelt Österreichs
- für den Bereich ältere Menschen: Österreichischer Seniorenbund, Steirischer Seniorenbund, Pensionistenverband Österreichs
- für den Bereich Eltern bzw. Familie: Österreichischer Familienbund, Katholischer Familienverband Österreichs, Die Kinderfreunde, Österreichischer Verband der Elternvereine an den öffentl. Pflichtschulen
- für den Bereich Sport: Österreichische Bundes-Sportorganisation
- für den Bereich Konsumenten: Bundesarbeitskammer, Umweltdachverband, Österreichisches Rotes Kreuz
Wahlberechtigt sind nach dem Gesetz die "Rundfunkteilnehmer", wobei dieser Begriff durch einen Verweis auf § 2 Rundfunkgebührengesetz (RGG) definiert wird (allerdings mit der Abweichung, dass nur natürliche Personen wahlberechtigt sind). Nach dieser Bestimmung ist Rundfunkteilnehmer, "wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt". De facto konnten bei der letzten Publikumsratswahl nur "die bei der GIS erfassten" Rundfunkteilnehmer wählen (also jene, die entweder Gebühren zahlten oder von der Entrichtung der Gebühren befreit waren; nicht "erfasst" waren jene Rundfunkteilnehmer, die nach § 2 Abs 2 Z 2 RGG nicht der Gebührenpflicht unterlagen, weil für den jeweiligen Standort bereits jemand anderer die Gebühren entrichtete).
Wer bei der Publikumswahl durchfällt, kann noch immer darauf hoffen, dass er als eines der 17 vom Bundeskanzler zu bestellenden Mitglieder doch noch in den Publikumsrat einzieht. Auch dabei muss der Bundeskanzler aber aus den Vorschlägen auswählen, die ihm von "repräsentativen Einrichtungen bzw. Organisationen" gemacht werden (neben den schon genannten Bereichen auch für die Bereiche Hochschulen, Kunst, Schüler, behinderte Menschen, Volksgruppen, Touristik, Kraftfahrer und Umweltschutz).
So wurde etwa auch Helmut Pechlaner, der in der Publikumswahl unterlag, vom Bundeskanzler für den Bereich Bildung zum Mitglied des Publikumsrates bestellt. Pechlaner selbst war der Auffassung, er habe einen "ÖVP-Sitz im Publikumsrat", von dem er im Dezember 2008 aus Protest wegen einer - in keinem Zusammenhang mit dem ORF stehenden - politischen Auseinandersetzung mit dem damaligen (ÖVP-)Finanzminister Pröll zurücktrat.
Persönliche Anforderungen an Publikumsratsmitglieder bestehen - abgesehen von Unvereinbarkeitsregeln nach § 28 Abs 2 ORF-G - nur indirekt: da sechs Publikumsratsmitglieder (darunter drei der direkt gewählten) in den Stiftungsrat zu entsenden sind, hat schon der Bundeskanzler in der Ausschreibung angemerkt, dass bei den Wahlvorschlägen darauf zu achten ist, "dass die vorgeschlagenen Personen die gemäß § 20 Abs. 1 letzter Satz ORF-G für den Stiftungsrat erforderlichen Qualifikationen aufweisen." Allzu hart sind diese Kriterien allerdings auch nicht: erstens müssen die "Mitglieder die persönliche und fachliche Eignung durch eine entsprechende Vorbildung oder einschlägige Berufserfahrung in den vom Stiftungsrat zu besorgenden Angelegenheiten aufweisen" und zweitens "über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben." Zusammengefasst also: Vorbildung oder Berufserfahrung und (einfache) Kenntnisse oder hohes Ansehen.
PS: Details zu den Mitgliedern des Publikumsrates bei der letzten konstituierenden Sitzung am am 3.2.2006 hier und bei der ersten konstituierenden Sitzung am 16.10.2001 hier.
Thursday, November 12, 2009
"Our court, you know, is haunted with a refined traveller of Spain": zum Tod von Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer
Vor wenigen Stunden erst habe ich mir die Schlussanträge von Generalanwalt M. Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer in der heute vom EuGH entschiedenen Rechtssache C-192/08 TeliaSonera (dazu hier) noch einmal angeschaut, die mich ja in Detailaspekten etwas ratlos zurückgelassen hatten (siehe dazu hier) - und nun muss ich lesen, dass er überraschend - im Alter von erst 60 Jahren - verstorben ist.
Seine Schlussanträge waren legendär: oft weit ausholend, mit blumigen Expositionen und einem reichen Zitatenschatz aus Literatur und Geschichte - und mit Vergleichen, die sich im Gedächtnis eingeprägt haben, wie etwa der Vergleich der Deutschen Telekom mit einem eingebildeten Kranken (C-152/07 bis C-154/07 Arcor, Tele2 und 01051 Telekom, dazu hier) oder die Gleichstellung des Fernsehens mit den Zirkusspielen in Juvenals "panem et circenses" (C-337/06 Bayerischer Rundfunk ua, dazu hier). Dem Fernsehen schien er überhaupt mit einer gewissen Grundskepsis gegenüberzustehen: In der Rechtssache C-195/06 KommAustria ("ORF Quiz-Express") verglich er Fernsehwerbekampagnen mit dem "Geschwätz der Scharlatane, Hausierer, Schwindler, Entdecker von Elixieren, Schmerzbalsamika oder Wunderkräutern, Zahnklempner, Verkäufer von Haarwuchs‑ oder Allheilmitteln, Bauchladenverkäufer und Krämer zur Lobpreisung ihrer Ware auf den Börsen und Messen der Vergangenheit".
Und wohl nur Ruiz-Jarabo Colomer konnte es schaffen, in einer auf den ersten Blick trockenen Angelegenheit wie dem Streit Deutschlands und Dänemarks gegen die Kommission um die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1829/2002 (betreffend Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse) mit der Bibel zu beginnen ("der erste Hinweis auf eine Ursprungsbezeichnung findet sich in der Bibel, und zwar in der Schilderung der Errichtung des Tempels von Jerusalem, ... für den Hiram, der König von Tyrus und Sidon, Zedern im Libanon im Auftrag von Salomon fällen ließ, ..." ) und dann in nur einem Absatz Cervantes, Lope de Vega, Shakespeare, Proust und Carpentier zu zitieren.
Die Tätigkeit des Generalanwalts hat Ruiz-Jarabo Colomer nicht nur wissenschaftlich aufgearbeitet (The institution of Advocate General at the Court of Justice of the European Communities), sondern in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-296/06 Telecom Italia in einer Fußnote so umrissen:
Im Gedenken an Generalanwalt M. Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer, diesen "refined traveller of Spain", einen kultivierten Reisenden aus Spanien, habe ich an die Spitze dieses Beitrags daher auch ein Zitat gestellt; es stammt von Shakespeare, aus Love's Labour Lost.
Seine Schlussanträge waren legendär: oft weit ausholend, mit blumigen Expositionen und einem reichen Zitatenschatz aus Literatur und Geschichte - und mit Vergleichen, die sich im Gedächtnis eingeprägt haben, wie etwa der Vergleich der Deutschen Telekom mit einem eingebildeten Kranken (C-152/07 bis C-154/07 Arcor, Tele2 und 01051 Telekom, dazu hier) oder die Gleichstellung des Fernsehens mit den Zirkusspielen in Juvenals "panem et circenses" (C-337/06 Bayerischer Rundfunk ua, dazu hier). Dem Fernsehen schien er überhaupt mit einer gewissen Grundskepsis gegenüberzustehen: In der Rechtssache C-195/06 KommAustria ("ORF Quiz-Express") verglich er Fernsehwerbekampagnen mit dem "Geschwätz der Scharlatane, Hausierer, Schwindler, Entdecker von Elixieren, Schmerzbalsamika oder Wunderkräutern, Zahnklempner, Verkäufer von Haarwuchs‑ oder Allheilmitteln, Bauchladenverkäufer und Krämer zur Lobpreisung ihrer Ware auf den Börsen und Messen der Vergangenheit".
Und wohl nur Ruiz-Jarabo Colomer konnte es schaffen, in einer auf den ersten Blick trockenen Angelegenheit wie dem Streit Deutschlands und Dänemarks gegen die Kommission um die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1829/2002 (betreffend Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse) mit der Bibel zu beginnen ("der erste Hinweis auf eine Ursprungsbezeichnung findet sich in der Bibel, und zwar in der Schilderung der Errichtung des Tempels von Jerusalem, ... für den Hiram, der König von Tyrus und Sidon, Zedern im Libanon im Auftrag von Salomon fällen ließ, ..." ) und dann in nur einem Absatz Cervantes, Lope de Vega, Shakespeare, Proust und Carpentier zu zitieren.
Die Tätigkeit des Generalanwalts hat Ruiz-Jarabo Colomer nicht nur wissenschaftlich aufgearbeitet (The institution of Advocate General at the Court of Justice of the European Communities), sondern in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-296/06 Telecom Italia in einer Fußnote so umrissen:
"Über die Jahre aufgrund von Vorabentscheidungsersuchen, deren Herkunft und Sachverhalte sehr unterschiedlich sind, mit der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift konfrontiert, ähnelt der Generalanwalt einem Maler, der ein Motiv, nachdem er es auf der Leinwand festgehalten hat, mit anderen Umrissen und Farbtönen erneut einfängt, da sich das Licht, die Umgebung oder sein Gemütszustand verändert haben."Wie schon die IPKat-Blogger geschrieben haben: man muss nicht allem zustimmen, was er geschrieben hat - aber wir werden ihn vermissen. Descanse en paz.
Im Gedenken an Generalanwalt M. Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer, diesen "refined traveller of Spain", einen kultivierten Reisenden aus Spanien, habe ich an die Spitze dieses Beitrags daher auch ein Zitat gestellt; es stammt von Shakespeare, aus Love's Labour Lost.
EuGH: Zusammenschaltungsverpflichtung nur für Netzbetreiber, nicht auch Diensteanbieter
In der Rechtssache C-192/08 TeliaSonera hat der EuGH heute die schon in den Schlussanträgen des Generalanwalts (siehe zu diesen und zum näheren Hintergrund des Verfahrens hier) vertretene Position bestätigt, dass die in Art. 4 der Zugangsrichtlinie vorgesehene Verpflichtung, "über die Zusammenschaltung zwecks Erbringung der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste zu verhandeln, um die gemeinschaftsweite Bereitstellung von Diensten sowie deren Interoperabilität zu gewährleisten", nur zwischen Betreibern von Kommunikationsnetzen besteht - reine Diensteanbieter können sich darauf nicht berufen.
Die Mitgliedstaaten dürfen solche Verhandlungsverpflichtungen, die über jene nach der ZugangsRL hinausgehen, auch nicht im nationalen Recht vorsehen, da Art 3 Abs a der RL den Unternehmen die Freiheit gewährt, zu verhandeln und Verträge abzuschließen und die in Art 4 Abs 1 der RL vorgesehene Verhandlungsverpflichtung daher eine Ausnahme darstellt, die eng auszulegen ist. Ob die Unternehmen im konkreten Streitfall Netzbetreiber sind, ist vom nationalen Gericht anhand der Begriffsbestimmungen in Art 2 der ZugangsRL und Art 2 der RahmenRL zu beurteilen.
Der EuGH weist auch darauf hin, dass die Verhandlungen nach Treu und Glauben zu führen sind - ein Netzbetreiber kann daher auch dann, wenn er keine beträchtliche Marktmacht hat, nicht ganz einseitige Bedingungen verlangen. Der EuGH: "Eine nationale Regulierungsbehörde kann es als einen Verstoß gegen die Verpflichtung, über eine Zusammenschaltung zu verhandeln, ansehen, wenn ein Unternehmen, das über keine beträchtliche Marktmacht verfügt, einem anderen Unternehmen die Zusammenschaltung zu einseitigen Bedingungen anbietet, die geeignet sind, die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes auf Endverbraucherebene zu behindern, weil diese Bedingungen die Kunden dieses anderen Unternehmens daran hindern, dessen Dienste zu nutzen."
Die Mitgliedstaaten dürfen solche Verhandlungsverpflichtungen, die über jene nach der ZugangsRL hinausgehen, auch nicht im nationalen Recht vorsehen, da Art 3 Abs a der RL den Unternehmen die Freiheit gewährt, zu verhandeln und Verträge abzuschließen und die in Art 4 Abs 1 der RL vorgesehene Verhandlungsverpflichtung daher eine Ausnahme darstellt, die eng auszulegen ist. Ob die Unternehmen im konkreten Streitfall Netzbetreiber sind, ist vom nationalen Gericht anhand der Begriffsbestimmungen in Art 2 der ZugangsRL und Art 2 der RahmenRL zu beurteilen.
Der EuGH weist auch darauf hin, dass die Verhandlungen nach Treu und Glauben zu führen sind - ein Netzbetreiber kann daher auch dann, wenn er keine beträchtliche Marktmacht hat, nicht ganz einseitige Bedingungen verlangen. Der EuGH: "Eine nationale Regulierungsbehörde kann es als einen Verstoß gegen die Verpflichtung, über eine Zusammenschaltung zu verhandeln, ansehen, wenn ein Unternehmen, das über keine beträchtliche Marktmacht verfügt, einem anderen Unternehmen die Zusammenschaltung zu einseitigen Bedingungen anbietet, die geeignet sind, die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes auf Endverbraucherebene zu behindern, weil diese Bedingungen die Kunden dieses anderen Unternehmens daran hindern, dessen Dienste zu nutzen."
Wednesday, November 11, 2009
Terminhinweis: Verleihung des "Wolfgang Lorenz Gedenkpreises für internetfreie Minuten"
Der ORF berichtet von so mancher Verleihung verschiedenster Awards, und die eine oder andere Preisverleihungs-Gala überträgt er sogar, wie etwa vor kurzem (zeitversetzt) die sogenannte "Austria 09", organisiert von der Tageszeitung "Die Presse", moderiert von Nicht-Journalistin und AMA-Testimonial Claudia Reiterer und gesponsert zB von Pioneer Investments (diese Kapitalanlagegesellschaft verwaltet zB auch Fonds, in denen der ORF laut Bilanz 2008 noch etwa 180 Mio € angelegt hat) und von den Österreichischen Lotterien (an diesen hält der ORF eine - mittlerweile indirekte - Beteiligung). Ähnliche Preisverleihungs-Galas im Zusammenwirken mit Printmedien gibt es auch bei der "Kurier-Romy-Gala" oder gab es zumindest früher bei der Krone-Fußball-Gala.
Nun steht eine andere Preisverleihungsgala ins Haus, und obwohl der zu vergebende Preis nach dem derzeit amtierenden ORF-Programmdirektor benannt ist, erwarte ich keine besondere Resonanz im ORF-Programm - schließlich geht es um den "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten", gestiftet vom Wiener KünstlerInnen-Kollektiv monochrom. Aus der Presseaussendung:
Nun steht eine andere Preisverleihungsgala ins Haus, und obwohl der zu vergebende Preis nach dem derzeit amtierenden ORF-Programmdirektor benannt ist, erwarte ich keine besondere Resonanz im ORF-Programm - schließlich geht es um den "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten", gestiftet vom Wiener KünstlerInnen-Kollektiv monochrom. Aus der Presseaussendung:
"In einer großen Verleihgala am 14. November im Wiener Figurentheater Lilarum werden jene Menschen ausgezeichnet, die im letzten Jahr durch Wort und Tat völlig unqualifizierte Statements gegen das Informationszeitalter abgeliefert haben. Ein Lobesschwanengesang auf die kommunikationstechnologiefeindlichsten und kulturpessimistischsten Distinktionsgewinnler! Und -innen!"Wie sagte ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz im Rahmen einer anderen Preisverleihung: "Die eigentliche Auszeichnung besteht nicht in der Höhe des Preisgeldes, sondern in der Würdigung des gesellschaftlichen Engagements". In diesem Sinne: wäre ich am Samstag in Wien, würde ich hingehen. 14.11.2009, 20 Uhr, Figurentheater Lilarum (Details hier).
Friday, November 06, 2009
Nochmals: zur neuen "Internet-Freiheit"
Gestern habe ich ad hoc und recht knapp über die im Vermittlungsausschuss zwischen Europäischem Parlament und Rat erzielte Einigung zur sogenannten "Internet-Freiheit" - Art 1 Abs 3a der geänderten RahmenRL - berichtet (hier). Entgegen den Medienmitteilungen (Kommission, Parlament) habe ich mich dabei von der Bedeutung dieser neuen "Freiheit" nicht überzeugt gezeigt. Mittlerweile habe ich dazu auch zwei Mail-Anfragen erhalten und einen Kommentar, der - über den Hinweis auf einen Beitrag des Parlamentsabgeordneten Engström - wohl meinen Ausführungen auch skeptisch gegenübersteht (zur Diskussion siehe auch im Beck-Blog; weiters bei RA Thomas Stadler, Chris Marsden und LaQuadrature). Daher hier ein kurzer Versuch der Erklärung:
1. Politische Bedeutung vs. juristische Bedeutung
Die "neue Freiheit" war heiß umkämpft, sie stand im Brennpunkt zivilgesellschaftlichen Erwachens gegen einen zu recht als intransparent empfundenen Gesetzgebungsprozess in einer Zeit, in der in verschiedenster Form Einschränkungen des freien Zugangs zum Internet zur Debatte standen und zu erwarten waren. In wohl beispielloser Weise gelang es dabei, die trotz aller Konflikte zwischen Parlament und Rat de facto meist gut geölte Kompromisserzeugungsmaschine zumindest vorübergehend außer Betrieb zu setzen: die Abweichung des Parlaments in zweiter Lesung vom informell in kleinerer Verhandlungsgruppe mit dem Rat schon akkordierten Text war ein Meilenstein des europäischen Parlamentarismus und ein in dieser Form höchst ungewöhnliches Signal für den Rat. Dass nun auch noch im Vermittlungsausschuss wesentliche Parlamentspositionen aufrecht erhalten werden konnten, zeigte dem Rat (und indirekt auch der Kommission) die "Gefahren" wirklicher parlamentarischer Mitentscheidung. Zusammengefasst: die politische Bedeutung dieses Gesetzgebungsprozesses kann man wohl gar nicht hoch genug einschätzen.
Das muss aber nicht zwangsläufig auch bedeuten, dass der dabei akkordierte Richtlinientext auch juristisch gelungen oder bedeutend ist. Meine Einschätzung bezog sich nur auf diesen Aspekt: was heißt der neue Text für die Rechtsanwendung - und diesbezüglich bleibe ich im Wesentlichen bei meiner ersten Einschätzung: der normative Neuigkeitswert ist zumindest sehr gering (siehe aber unten Punkt 3.)
2. Jeder Richtlinientext ist wichtig - oft in schwer vorhersehbarer Form
Eine Zwischenbemerkung vor der Inhaltsanalyse: wir werden nun in absehbarer Zeit eine Richtlinienbestimmung haben, die nicht nur (wie das "Amendment 138") mit zweifelhafter Bedeutung in den Zielbestimmungen bzw regulatorischen Grundsätzen angeordnet ist, sondern die tatsächlich auf die Harmonisierung materieller mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften abzielt. Allein das Vorhandensein eines solchen ausdrücklichen Texts wird dazu führen, dass sich die Mitgliedstaaten damit auseinandersetzen müssen, ob sie allenfalls konkrete Umsetzungsmaßnahmen vornehmen sollen, und die Kommission wird auch diese Bestimmung in ihre Listen (zur Überprüfung der Umsetzung) eintragen und in den Implementation Reports darüber berichten. Allein das wird zu gewisser legistischer Bewegung oder zumindest zu entsprechenden Debatten führen.
Und man sollte auch nie unterschätzen, dass solche Texte auch in anderen oder etwas entfernteren Zusammenhängen wieder auftauchen können - beispielsweise wenn ein Generalanwalt einmal etwas weiter ausholen möchte ...
3. Die Verletzung EMRK-verbürgter Rechte kann zugleich mangelhafte Umsetzung von sekundärem Gemeinschaftsrecht sein
Das ist wohl der normative Mehrwert des Art 1 Abs 3a neu, sodass ich meine apodiktische Behauptung ("normativer Gehalt: null") etwas revidieren bzw klarstellen muss. Natürlich ist die nun proklamierte "Internet-Freiheit" bereits jetzt durch die EMRK - die alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben - verbürgt. In Österreich bedeutet das durch die besondere Form der Inkorporation der EMRK in nationales Verfassungsrecht sogar, dass man sich vor dem Verfassungsgerichtshof darauf berufen kann, denn die EMRK-Rechte sind verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte.
Mit Art 1 Abs 3a neu werden nun auch in der RahmenRL bestimmte Anforderungen an Grundrechtseingriffe statuiert, die sich sonst aus der EMRK ergeben - und damit kann die Kommission bei Nichteinhaltung dieser Anforderungen Vertragsverletzungsverfahren einleiten; überhaupt stehen Betroffenen dann die Möglichkeiten der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsdurchsetzung offen. Es ist sicher wirksamer, wenn die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen unziemlich in die "Internet-Freiheit" eingreifenden Mitgliedstaat führt und dazu den EuGH anruft, als wenn einzelne Betroffene nach Ausschöpfung aller innerstaatlicher Rechtsschutzmöglichkeiten sich mit einer Beschwerde an den EGMR wenden und dort in aller Regel einmal fünf Jahren auf eine Entscheidung warten müssen.
4. Was ist mit dem Vertragsrecht?
Art 1 Abs 3a neu der RahmenRL wendet sich gegen Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Christian Engström meint, durch die Formulierung des zweiten Absatzes werde auch sichergestellt, dass die Mitgliedstaaten nicht die Internet Service Provider zwingen können, ihre Kunden abzuschalten, statt diese unangenehme Arbeit selbst (durch Behörden) zu erledigen. Das mag sein: aber nichts in diesem Text hindert ISPs, die sich vielleicht mit der Unterhaltungsindustrie - zB nach einer Klage - einigen und gut vertragen wollen, solche Abschaltungen aus eigenem vorzunehmen. Das muss auch nicht vertragswidrig sein - entsprechende Vertragsbestimmungen lassen sich durchaus formulieren. Die "neue Internet-Freiheit" bleibt vom Goodwill der ISPs abhängig (nicht zu vergessen: auch nach der geänderten Universaldienst-RL gibt es keinen aus dem Unviersaldienst ableitbaren Anspruch auf einen Breitband-Internetzugang, sondern bloß auf einen Festnetz-Telefonanschluss, der "Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglichen [muss], die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen").
5. Show, don't tell
Was mich am Text des Art 1 Abs 3a neu RahmenRL überdies irritiert, ist die gleich dreimalige Anrufung der EMRK innerhalb von nur zwei Unterabsätzen. Das erweckt den Eindruck, als habe man diese Hinweise auf die EMRK besonders nötig, als wäre es nicht möglich, selbst einen Text zu formulieren, der inhaltlich diesen Ansprüchen genügen würde, oder als würde es einem ohnehin niemand abnehmen, dass man mit den in der EMRK verbürgten Rechten besonders viel am Hut habe und müsse deshalb so nachdrücklich darauf hinweisen. Ich weiß, das ist ein eher ästhetischer Einwand - aber irgendwie wäre ich beruhigter, hätte man den Text gleich so konkret gefasst, dass es nicht mehr notwendig wäre, die EMRK gleich dreimal in der Art eines Schutzheiligen anzurufen.
1. Politische Bedeutung vs. juristische Bedeutung
Die "neue Freiheit" war heiß umkämpft, sie stand im Brennpunkt zivilgesellschaftlichen Erwachens gegen einen zu recht als intransparent empfundenen Gesetzgebungsprozess in einer Zeit, in der in verschiedenster Form Einschränkungen des freien Zugangs zum Internet zur Debatte standen und zu erwarten waren. In wohl beispielloser Weise gelang es dabei, die trotz aller Konflikte zwischen Parlament und Rat de facto meist gut geölte Kompromisserzeugungsmaschine zumindest vorübergehend außer Betrieb zu setzen: die Abweichung des Parlaments in zweiter Lesung vom informell in kleinerer Verhandlungsgruppe mit dem Rat schon akkordierten Text war ein Meilenstein des europäischen Parlamentarismus und ein in dieser Form höchst ungewöhnliches Signal für den Rat. Dass nun auch noch im Vermittlungsausschuss wesentliche Parlamentspositionen aufrecht erhalten werden konnten, zeigte dem Rat (und indirekt auch der Kommission) die "Gefahren" wirklicher parlamentarischer Mitentscheidung. Zusammengefasst: die politische Bedeutung dieses Gesetzgebungsprozesses kann man wohl gar nicht hoch genug einschätzen.
Das muss aber nicht zwangsläufig auch bedeuten, dass der dabei akkordierte Richtlinientext auch juristisch gelungen oder bedeutend ist. Meine Einschätzung bezog sich nur auf diesen Aspekt: was heißt der neue Text für die Rechtsanwendung - und diesbezüglich bleibe ich im Wesentlichen bei meiner ersten Einschätzung: der normative Neuigkeitswert ist zumindest sehr gering (siehe aber unten Punkt 3.)
2. Jeder Richtlinientext ist wichtig - oft in schwer vorhersehbarer Form
Eine Zwischenbemerkung vor der Inhaltsanalyse: wir werden nun in absehbarer Zeit eine Richtlinienbestimmung haben, die nicht nur (wie das "Amendment 138") mit zweifelhafter Bedeutung in den Zielbestimmungen bzw regulatorischen Grundsätzen angeordnet ist, sondern die tatsächlich auf die Harmonisierung materieller mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften abzielt. Allein das Vorhandensein eines solchen ausdrücklichen Texts wird dazu führen, dass sich die Mitgliedstaaten damit auseinandersetzen müssen, ob sie allenfalls konkrete Umsetzungsmaßnahmen vornehmen sollen, und die Kommission wird auch diese Bestimmung in ihre Listen (zur Überprüfung der Umsetzung) eintragen und in den Implementation Reports darüber berichten. Allein das wird zu gewisser legistischer Bewegung oder zumindest zu entsprechenden Debatten führen.
Und man sollte auch nie unterschätzen, dass solche Texte auch in anderen oder etwas entfernteren Zusammenhängen wieder auftauchen können - beispielsweise wenn ein Generalanwalt einmal etwas weiter ausholen möchte ...
3. Die Verletzung EMRK-verbürgter Rechte kann zugleich mangelhafte Umsetzung von sekundärem Gemeinschaftsrecht sein
Das ist wohl der normative Mehrwert des Art 1 Abs 3a neu, sodass ich meine apodiktische Behauptung ("normativer Gehalt: null") etwas revidieren bzw klarstellen muss. Natürlich ist die nun proklamierte "Internet-Freiheit" bereits jetzt durch die EMRK - die alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben - verbürgt. In Österreich bedeutet das durch die besondere Form der Inkorporation der EMRK in nationales Verfassungsrecht sogar, dass man sich vor dem Verfassungsgerichtshof darauf berufen kann, denn die EMRK-Rechte sind verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte.
Mit Art 1 Abs 3a neu werden nun auch in der RahmenRL bestimmte Anforderungen an Grundrechtseingriffe statuiert, die sich sonst aus der EMRK ergeben - und damit kann die Kommission bei Nichteinhaltung dieser Anforderungen Vertragsverletzungsverfahren einleiten; überhaupt stehen Betroffenen dann die Möglichkeiten der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsdurchsetzung offen. Es ist sicher wirksamer, wenn die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen unziemlich in die "Internet-Freiheit" eingreifenden Mitgliedstaat führt und dazu den EuGH anruft, als wenn einzelne Betroffene nach Ausschöpfung aller innerstaatlicher Rechtsschutzmöglichkeiten sich mit einer Beschwerde an den EGMR wenden und dort in aller Regel einmal fünf Jahren auf eine Entscheidung warten müssen.
4. Was ist mit dem Vertragsrecht?
Art 1 Abs 3a neu der RahmenRL wendet sich gegen Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Christian Engström meint, durch die Formulierung des zweiten Absatzes werde auch sichergestellt, dass die Mitgliedstaaten nicht die Internet Service Provider zwingen können, ihre Kunden abzuschalten, statt diese unangenehme Arbeit selbst (durch Behörden) zu erledigen. Das mag sein: aber nichts in diesem Text hindert ISPs, die sich vielleicht mit der Unterhaltungsindustrie - zB nach einer Klage - einigen und gut vertragen wollen, solche Abschaltungen aus eigenem vorzunehmen. Das muss auch nicht vertragswidrig sein - entsprechende Vertragsbestimmungen lassen sich durchaus formulieren. Die "neue Internet-Freiheit" bleibt vom Goodwill der ISPs abhängig (nicht zu vergessen: auch nach der geänderten Universaldienst-RL gibt es keinen aus dem Unviersaldienst ableitbaren Anspruch auf einen Breitband-Internetzugang, sondern bloß auf einen Festnetz-Telefonanschluss, der "Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglichen [muss], die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen").
5. Show, don't tell
Was mich am Text des Art 1 Abs 3a neu RahmenRL überdies irritiert, ist die gleich dreimalige Anrufung der EMRK innerhalb von nur zwei Unterabsätzen. Das erweckt den Eindruck, als habe man diese Hinweise auf die EMRK besonders nötig, als wäre es nicht möglich, selbst einen Text zu formulieren, der inhaltlich diesen Ansprüchen genügen würde, oder als würde es einem ohnehin niemand abnehmen, dass man mit den in der EMRK verbürgten Rechten besonders viel am Hut habe und müsse deshalb so nachdrücklich darauf hinweisen. Ich weiß, das ist ein eher ästhetischer Einwand - aber irgendwie wäre ich beruhigter, hätte man den Text gleich so konkret gefasst, dass es nicht mehr notwendig wäre, die EMRK gleich dreimal in der Art eines Schutzheiligen anzurufen.
Wenn sich der EuGH mit "Winkeladvokaten-Argumenten" befassen muss: Regulierungsferien-Urteil am 3. Dezember
In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-424/07 Kommission / Deutschland (bekannt unter dem Schlagwort "Regulierungsferien") bedauerte Generalanwalt Poiares Maduro zwar das "ungestüme Vorgehen" der Kommission gegen Deutschland, stimmte aber in der Sache selbst der Argumentation der Kommission zu (siehe dazu in diesem Blog hier). Nun hat der EuGH angekündigt, dass das Urteil in diesem Vertragsverletzungsverfahren am 3. Dezember 2009 ergehen wird.
Über die Auseinandersetzung habe ich auch hier und hier schon geschrieben. Dass die Sache für Deutschland zu gewinnen ist, scheint kaum vorstellbar, auch wenn Kommissarin Reding mit ihren Winkeladvokaten-Vorwürfe gegen die deutsche Argumentation ihrem Anliegen wohl mehr geschadet als genützt hat: schon der Generalanwalt sah sich veranlasst, nachdrücklich auf die Verpflichtung der Kommission zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten hinzuweisen; ich würde nicht ausschließen, dass der EuGH auch das eine oder andere vorsichtig beruhigende Wort für Deutschland finden wird. Aber im Kern wäre alles andere als eine Bestätigung der Kommission wohl eine wirkliche Sensation.
Das heißt nicht, dass Deutschland mit seinem "Regulierungsferien"-Vorstoß nicht auch Erfolge - in anderem Zusammenhang - erzielen konnte (abgesehen davon, dass die deutschen Regelungen seit Februar 2007 in Kraft stehen). Denn im geänderten Rechtsrahmen werden zumindest die regulatorischen Grundsätze in Art 8 der RahmenRL den deutschen Vorstellungen angenähert. Im neuen Art 8 Abs 5 RahmenRL (Fassung der 2. Lesung im Parlament, diesbezüglich unverändert im Vermittlungsverfahren) wird es (unter anderem) heißen, dass die nationalen Regulierungsbehörden
Nun kann man zwar darüber streiten, ob nicht bereits nach dem geltenden Art 8 Abs 2 lit c RahmenRL, wonach die Regulierungsbehörden "effiziente Infrastrukturinvestitionen fördern und die Innovation unterstützen", im Ergebnis genauso auch dem Investitionsrisiko Rechnung zu tragen war, deutlicher undDeutsche-Telekom , Deutschland-, Investitions-freundlicher ist die neue Fassung jedenfalls.
Über die Auseinandersetzung habe ich auch hier und hier schon geschrieben. Dass die Sache für Deutschland zu gewinnen ist, scheint kaum vorstellbar, auch wenn Kommissarin Reding mit ihren Winkeladvokaten-Vorwürfe gegen die deutsche Argumentation ihrem Anliegen wohl mehr geschadet als genützt hat: schon der Generalanwalt sah sich veranlasst, nachdrücklich auf die Verpflichtung der Kommission zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten hinzuweisen; ich würde nicht ausschließen, dass der EuGH auch das eine oder andere vorsichtig beruhigende Wort für Deutschland finden wird. Aber im Kern wäre alles andere als eine Bestätigung der Kommission wohl eine wirkliche Sensation.
Das heißt nicht, dass Deutschland mit seinem "Regulierungsferien"-Vorstoß nicht auch Erfolge - in anderem Zusammenhang - erzielen konnte (abgesehen davon, dass die deutschen Regelungen seit Februar 2007 in Kraft stehen). Denn im geänderten Rechtsrahmen werden zumindest die regulatorischen Grundsätze in Art 8 der RahmenRL den deutschen Vorstellungen angenähert. Im neuen Art 8 Abs 5 RahmenRL (Fassung der 2. Lesung im Parlament, diesbezüglich unverändert im Vermittlungsverfahren) wird es (unter anderem) heißen, dass die nationalen Regulierungsbehörden
"d) effiziente Investitionen und Innovationen im Bereich neuer und verbesserter Infrastrukturen, auch dadurch fördern, dass sie dafür sorgen, dass bei jeglicher Zugangsverpflichtung dem Risiko der investierenden Unternehmen gebührend Rechnung getragen wird, und dass sie verschiedene Vereinbarungen zur Diversifizierung des Investitionsrisikos zwischen Investoren und Zugangswerbern zulassen, während sie gleichzeitig gewährleisten, dass der Wettbewerb auf dem Markt und der Grundsatz der Nichtdiskriminierung gewahrt werden;"
Nun kann man zwar darüber streiten, ob nicht bereits nach dem geltenden Art 8 Abs 2 lit c RahmenRL, wonach die Regulierungsbehörden "effiziente Infrastrukturinvestitionen fördern und die Innovation unterstützen", im Ergebnis genauso auch dem Investitionsrisiko Rechnung zu tragen war, deutlicher und
Thursday, November 05, 2009
Eine neue Internet-Freiheit? Einigung zum Telekom-Paket
Als "neue Bestimmung zur Internet-Freiheit" verkauft die Europäische Kommission den Kompromisstext, auf den sich Rat und Parlament letzte Nacht im Vermittlungsausschuss zur Reform des Telekom-Rechtsrahmens geeinigt haben (Presseaussendung, aktuell nur in englischer Sprache; siehe auchdie Pressemitteilung des Parlaments, Berichte bei Telemedicus, orf-futurezone). Mit der Einigung ist nun die inhaltlich letzte Hürde für das neue Telekom-Paket genommen, formell sind natürlich noch Beschlüsse in Parlament und Rat erforderlich. Mit einer Veröffentlichung im Amtsblatt ist Anfang 2010 zu rechnen, sodass die nationalen Umsetzungsgesetze etwa Mitte 2012 in Kraft treten müssen (wie schon bei der letzten Reform können die Mitgliedstaaten die Anwendung des neuen Rechtsrahmens nicht vorziehen, sondern müssen die Bestimmungen einheitlich [erst] nach 18 Monaten nach dem Inkrafttreten der Richtline anwenden).
Das Paket besteht aus drei Rechtsakten:
Nun aber wurde das zahnlose Amendment 138 ersetzt durch eine meines Erachtens ebenso zahnlose neue Bestimmung in Art 1 der RahmenRL (Text weiter unten). Grundsatz ist, dass Maßnahmen von Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen mittels elektronischer Kommunikationsnetze die in der Europäischen Menschenrechskonvention (EMRK) garantierten Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts respektieren müssen. Neuigkeitswert und normativer Gehalt dieser Bestimmung: null. [Update 6.11.2009: siehe für eine Ergänzung und kleine Relativierung hier]
Im zweiten Unterabsatz wird dann noch auf die Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft sowie angemessene Verfahrensgarantien verwiesen und noch zweimal die EMRK sowie einmal die Grundfreiheiten und allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts erwähnt. All das geht meines Erachtens - bei einer ersten schnellen Durchsicht - nicht über das hinaus, was sich eben aus der EMRK und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts schon ergibt, schränkt aber diese Freiheiten auch nicht ein. Nationalen Regeln, die Zugangsmöglichkeiten einschränken (Stichwort: HADOPI oder "three strikes out") steht die neue Bestimmung dann nicht entgegen, wenn die Vorgaben der EMRK eingehalten werden - aber diese Vorgaben müsste auch ohne den neuen Art 1 Abs 3a RahmenRL eingehalten werden.
Eine neue Internet-Freiheit ist die neue Bestimmung jedenfalls nicht, aber eine solche "neue Freiheit" hätte auch Amendment 138 nicht gebracht, und sie war auch im Telekom-Paket dem Grundsatz nach nicht angelegt.
Hier der Text des neuen Art 1 Abs 3a der RahmenRL laut Presseaussendung (Derzeit nur in englischer Sprache):
“Measures taken by Member States regarding end-users’ access to or use of services and applications through electronic communications networks shall respect the fundamental rights and freedoms of natural persons, as guaranteed by the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms and general principles of Community law.
Any of these measures regarding end-users’ access to or use of services and applications through electronic communications networks liable to restrict those fundamental rights or freedoms may only be imposed if they are appropriate, proportionate and necessary within a democratic society, and their implementation shall be subject to adequate procedural safeguards in conformity with the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms and general principles of Community law, including effective judicial review and due process. Accordingly, these measures may only be taken with due respect for the principle of presumption of innocence and the right to privacy. A prior fair and impartial procedure shall be guaranteed, including the right to be heard of the person or persons concerned, subject to the need for appropriate conditions and procedural arrangements in duly substantiated cases of urgency in conformity with the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms . The right to an effective and timely judicial review shall be guaranteed.”
Update 15.11.2009: hier nun der offizielle Text in deutscher Sprache:
"Maßnahmen der Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen über elektronische Kommunikationsnetze durch die Endnutzer wahren die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts verankerten Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen.
Alle diese Maßnahmen betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen über elektronische Kommunikationsnetze durch die Endnutzer, die diese Grundrechte und ‑freiheiten einschränken können, dürfen nur dann auferlegt werden, wenn sie im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft angemessen, verhältnismäßig und notwendig sind, und ihre Anwendung ist angemessenen Verfahrensgarantien im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu unterwerfen, einschließlich des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren. Dementsprechend dürfen diese Maßnahmen nur unter gebührender Beachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Schutz der Privatsphäre ergriffen werden. Ein vorheriges, faires und unparteiisches Verfahren, einschließlich des Rechts der betroffenen Person(en) auf Anhörung, wird gewährleistet, unbeschadet des Umstandes, dass in gebührend begründeten Dringlichkeitsfällen geeignete Bedingungen und Verfahrensvorkehrungen im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten notwendig sind. Das Recht auf eine effektive und rechtzeitige gerichtliche Prüfung wird gewährleistet."
Das Paket besteht aus drei Rechtsakten:
- "Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros";
- "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz"
- "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste" (der Link führt zur vom Parlament in zweiter Lesung angenommenen Fassung)
Nun aber wurde das zahnlose Amendment 138 ersetzt durch eine meines Erachtens ebenso zahnlose neue Bestimmung in Art 1 der RahmenRL (Text weiter unten). Grundsatz ist, dass Maßnahmen von Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen mittels elektronischer Kommunikationsnetze die in der Europäischen Menschenrechskonvention (EMRK) garantierten Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts respektieren müssen. Neuigkeitswert und normativer Gehalt dieser Bestimmung: null. [Update 6.11.2009: siehe für eine Ergänzung und kleine Relativierung hier]
Im zweiten Unterabsatz wird dann noch auf die Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft sowie angemessene Verfahrensgarantien verwiesen und noch zweimal die EMRK sowie einmal die Grundfreiheiten und allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts erwähnt. All das geht meines Erachtens - bei einer ersten schnellen Durchsicht - nicht über das hinaus, was sich eben aus der EMRK und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts schon ergibt, schränkt aber diese Freiheiten auch nicht ein. Nationalen Regeln, die Zugangsmöglichkeiten einschränken (Stichwort: HADOPI oder "three strikes out") steht die neue Bestimmung dann nicht entgegen, wenn die Vorgaben der EMRK eingehalten werden - aber diese Vorgaben müsste auch ohne den neuen Art 1 Abs 3a RahmenRL eingehalten werden.
Eine neue Internet-Freiheit ist die neue Bestimmung jedenfalls nicht, aber eine solche "neue Freiheit" hätte auch Amendment 138 nicht gebracht, und sie war auch im Telekom-Paket dem Grundsatz nach nicht angelegt.
Hier der Text des neuen Art 1 Abs 3a der RahmenRL laut Presseaussendung (Derzeit nur in englischer Sprache):
“Measures taken by Member States regarding end-users’ access to or use of services and applications through electronic communications networks shall respect the fundamental rights and freedoms of natural persons, as guaranteed by the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms and general principles of Community law.
Any of these measures regarding end-users’ access to or use of services and applications through electronic communications networks liable to restrict those fundamental rights or freedoms may only be imposed if they are appropriate, proportionate and necessary within a democratic society, and their implementation shall be subject to adequate procedural safeguards in conformity with the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms and general principles of Community law, including effective judicial review and due process. Accordingly, these measures may only be taken with due respect for the principle of presumption of innocence and the right to privacy. A prior fair and impartial procedure shall be guaranteed, including the right to be heard of the person or persons concerned, subject to the need for appropriate conditions and procedural arrangements in duly substantiated cases of urgency in conformity with the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms . The right to an effective and timely judicial review shall be guaranteed.”
Update 15.11.2009: hier nun der offizielle Text in deutscher Sprache:
"Maßnahmen der Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen über elektronische Kommunikationsnetze durch die Endnutzer wahren die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts verankerten Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen.
Alle diese Maßnahmen betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen über elektronische Kommunikationsnetze durch die Endnutzer, die diese Grundrechte und ‑freiheiten einschränken können, dürfen nur dann auferlegt werden, wenn sie im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft angemessen, verhältnismäßig und notwendig sind, und ihre Anwendung ist angemessenen Verfahrensgarantien im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu unterwerfen, einschließlich des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren. Dementsprechend dürfen diese Maßnahmen nur unter gebührender Beachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Schutz der Privatsphäre ergriffen werden. Ein vorheriges, faires und unparteiisches Verfahren, einschließlich des Rechts der betroffenen Person(en) auf Anhörung, wird gewährleistet, unbeschadet des Umstandes, dass in gebührend begründeten Dringlichkeitsfällen geeignete Bedingungen und Verfahrensvorkehrungen im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten notwendig sind. Das Recht auf eine effektive und rechtzeitige gerichtliche Prüfung wird gewährleistet."