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Monday, August 31, 2009

Aus der "Heiße Luft-Abteilung": Kommissionsempfehlung zur Medienkompetenz

Passend zum Sommer hat die Kommission am vergangenen Samstag ihre neue "Empfehlung zur Medienkompetenz in der digitalen Welt als Voraussetzung für eine wettbewerbsfähigere audiovisuelle und Inhalte-Industrie und für eine integrative Wissensgesellschaft" im Amtsblatt veröffentlicht: ein Schönwetter-Dokument mit viel heißer Luft.

Abgesehen von den üblichen Allgemeinplätzen (zB "In der Tat eröffnen Informations- und Kommunikationsnetze den Nutzern neue Möglichkeiten. Allerdings können sie auch neue Gefahren für den Einzelnen mit sich bringen") und Bezugnahmen auf andere EU-Dokumente (zB mit der interessanten Behauptung, dass auch die RL über audiovisuelle Mediendienste "der Medienkompetenz förderlich sein" dürfte) enthält das kurze Dokument ein paar weiche Empfehlungen, die sich an die Mitgliedstaaten und an die Medienwirtschaft richten.

Und da ist alles dabei, was in der Welt diplomatisch formulierter Beliebigkeit nicht weh tut: Ermutigung, Förderung, Sensibilisierung, bewährte Praktiken, beste Praktiken, In-Gang-Setzen von Debatten, systematische Forschungsarbeiten, Verhaltenskodizes, Informationspakete, Informationstage, Bewusstsein, das europäische audiovisuelle Erbe, Koregulierungsinitiativen, Selbstregulierungsinitiativen, zentrale Akteure, Leitlinien, Schlüsselkompetenzen, verstärkte Anstrengungen usw. usf. (hier nachzulesen; in englischer Sprache klingt es wenigstens ein bisschen besser).

Interessant an der Empfehlung ist eigentlich nur, dass die Kommission meint, eine Vorbedingung für Medienpluralismus und -unabhängigkeit sei in Europa derzeit nicht erfüllt; wörtlich heißt es im Erwägungsgrund 16:
"Eine medienkompetente Gesellschaft wäre gleichermaßen Triebkraft und Vorbedingung für Medienpluralismus und Medienunabhängigkeit. Die Äußerung unterschiedlicher Meinungen und Ideen in unterschiedlichen Sprachen und im Namen unterschiedlicher Gruppen innerhalb einer Gesellschaft und zwischen verschiedenen Gesellschaften wirkt sich positiv im Sinne einer Stärkung der Werte Vielfalt, Toleranz, Transparenz, Fairness und Dialog aus. Die Entwicklung von Medienkompetenz in allen Gesellschaftsschichten sollte daher gefördert werden, und die dabei erzielten Fortschritte sollten genau verfolgt werden"
Das oben (von mir) hervorgehobene Wort "wäre" deutet an, dass die gegenwärtige Gesellschaft nach Ansicht der Kommission offenbar nicht medienkompetent ist, sodass Medienpluralismus und -unabhängigkeit - wegen nicht erfüllter Vorbedingungen - in Europa aktuell gar nicht möglich seien. Aber die Empfehlung will ja schließlich etwas weiterbringen, also heißt es auch: "Das Thema Medienkompetenz sollte auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich angegangen werden." Alles klar - machen wir uns also gefasst zB auf Sensibilisierungskampagnen der Medienwirtschaft (!), die es uns Bürgern erleichtern, die Grenzen zwischen Marketing und Inhalten zu erkennen (Punkt II.2.), oder - noch etwas mehr auf der Meta-Ebene - auf die Überwachung und Messung der Fortschritte bei der Anhebung des Kompetenzniveaus (Punkt I.2).

PS: Was die Kommission unter Medienkompetenz (englisch: "media literacy") versteht, ist in Erwägungsgrund 11 zu lesen: "die Fähigkeit, die Medien zu nutzen, die verschiedenen Aspekte der Medien und Medieninhalte zu verstehen und kritisch zu bewerten sowie selbst in vielfältigen Kontexten zu kommunizieren."

Von Law-Designern und Behörden-Clustern: 10. Salzburger Telekom-Forum

Sonnenschein statt Salzburger Schnürlregen, die Edmundsburg (Pfeil im Bild links) als Tagungsort und der "Jedermann" im Programm integriert - das waren die Neuerungen, mit denen das 10. Salzburger Telekom-Forum am 27. und 28. August 2009 aufwarten konnte. Eine weitere Neuerung - das angekündigte Referat von EU-Kommissarin Viviane Reding - kam wegen kurzfristiger Verhinderung der Kommissarin doch nicht zustande; an ihrer Stelle verwies eben ihr Kabinettschef Rudolf Strohmeier auf die aktuelle post-i2010-Konsultation und nannte die üblichen Milliarden-Beträge, die diese oder jene Initiative für das Wirtschaftswachstum bringen würden (zB 20 Mrd € aus dem Telekom-Paket, 150 bis 200 oder auch 50 Mrd € aus der digitalen Dividende usw [in der deutschsprachigen Pressemitteilung zur digitalen Dividende steht übrigens auch heute noch "50 Millionen" statt "50 Milliarden" - da die Zahlen ohnehin niemand ernst nimmt, fällt das wahrscheinlich auch niemandem auf]). Zur Frage des Amendment 138 blieb Strohmeier ebenfalls bei der bekannten Linie: es wäre falsch, "diese Leute" (gemeint Filesharer) zu kriminalisieren, "wie man das in einem großen Mitgliedstaat westlich des Rheins gemacht hat"; andererseits müsse man sich für eine EU-weit vereinheitlichte Regelung für den Urheberrechtsschutz für Online-Inhalte einsetzen (siehe zuletzt diese Presseaussendung).

Staatssekretär Josef Ostermayer verwies in seinem Vortrag auf die Vorhaben im Regierungsprogramm, u.a. zur Breitband-Versorgung, die bis 2013 mit "zumindest 25 Mb/s" erreicht sein soll - gemeint offenbar: flächendeckend (aus dem Text des Regierungsprogramms geht das nicht ganz klar hervor). Das - im Regierungsprogramm ohne Zeitvorgabe angekündigte - IKT-Kompetenzzentrum soll im Herbst (2009?) seine Arbeit aufnehmen (hoffentlich wird das nicht bloß eine "IKT-Taskforce reloaded"). Zur digitalen Dividende kündigte Ostermayer an, dass Anfang 2010 die politischen Entscheidungen getroffen würden, zuvor soll eine Studie die Bedarfslage klären.

Was den Vortrag von Alcatel Österreich-Generaldirektor und Bundesratsvizepräsident Harald Himmer betrifft, habe ich meine zuletzt in diesem Blog angebotene Wette teilweise verloren: die Internet-Offensive wurde nicht einmal mehr erwähnt (vielleicht beginnt die Sache auch den Proponenten mittlerweile schon peinlich zu werden). Nicht ganz klar war mir bei seinem Vortrag, wie man zugleich inhaltlich gegen Netzneutralität sein kann, um sich ein paar Folien weiter dann ausdrücklich für diese auszusprechen.

Am Nachmittag des 27.08.2009 zeigte der Richter des deutschen Bundesverwaltungsgerichts Dr. Wolfgang Bier anschaulich, wie sich die Rechtsprechung des BVerwG zum "Regulierungsermessen" im Telekomrecht unter Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht entwickelt hat; Josef Azizi, Richter am EuG, legte die Rechtsprechung des EuG zum Ermessen (der Kommission) in Marktmissbrauchsverfahren dar.

Der zweite Tag war dem Ausblick auf aktuelle Rechtssetzungsvorhaben gewidmet: Wolf-Dietrich Grussmann von der Europäischen Kommission ging auf den nun ins Vermittlungsverfahren gehenden "Review" des Rechtsrahmens (dazu in diesem Blog zuletzt hier) ein. Er hofft, dass die - eigentlich nicht in den Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste gehörende - Debatte um den Schutz von Urheberrechten (Stichwort "Amendment 138"), die die Verabschiedung in zweiter Lesung verhindert hat, rasch abgeschlossen werden kann. Zuversichtlich zeigte er sich, dass das Vermittlungsverfahren nur auf das Amendment 138 fokussiert bleibt und nicht die in den anderen Bereichen schon gefundene Übereinstimmung wieder in Frage gestellt wird.

Chrstian Singer vom BMVIT stellte - neben der für den Herbst vorgesehenen Novelle zum TKG zur Umsetzung der RL über die Vorratsspeicherung von Daten - in Aussicht, dass in einer weiteren TKG-Novelle besondere Regelungen für ein Ediktalverfahren in Marktanalyseangelegenheiten getroffen werden sollten, um die "Parteistellungs-Problematik" zu entschärfen. Die ohnehin schwierige Novelle zur Vorratsdatenspeicherung - die er grundsätzlich auch lieber in der StPO als im TKG sähe - solle aber nicht mit anderen TKG-Änderungen zusätzlich belastet werden.

Michael Kogler vom BKA berichtete von geplanten Novellen zu den Rundfunkgesetzen, u.a. zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für digitalen terrestrischen Hörfunk. Was das ORF-Gesetz betrifft, sprach er von mehreren Entwürfen, die im BKA schon vorbereitet worden seien, konnte aber ohne politische Einigung und vor Vorliegen einer definitiven Einigung mit der Kommisison im Beihilfeverfahren (die es im September geben könnte) dazu inhaltlich keine näheren Details bekanntgeben.

In der Diskussion wurde zur angekündigten Studie betreffend die digitale Dividende mitgeteilt, dass der genaue Studienauftrag noch zwischen BMVIT und BKA abgestimmt wird, realistisch wird es dabei aber (nur) um das 790-862 MHz Band gehen, andere Frequenzbereiche oder Refarming-Fragen werden auch wegen der knappen zur Verfügung stehenden Zeit nicht angesprochen werden. Die Studie soll die politische Entscheidungsfindung unterstützen und Anfang 2010 vorliegen. Was die im Regierungsprogamm wieder einmal angekündigte "KommAustria Neu" - mit Zuständigkeiten auch für den Telekommunikationsbereich - betrifft, konnte Michael Kogler festhalten, dass die gegenwärtigen Aufträge an die Legisten (Kogler verwies dafür auch auf den neudeutschen - ironisch gemeinten - Begriff: "Law-Designer") jedenfalls keine Änderungen bei den Telekom-Regulierungsbehörden umfassten. Dies bestätigte auch Christian Singer, der darauf hinwies, dass man TKK, RTR und KommAustria ohnehin schon als eine Art "Behörden-Cluster" sehen kann.

PS: Medienberichte zum Telekom-Forum hier, hier, hier und hier.
Update 3.9.2009: auf der Website der RTR sind nun die Folien bzw. Referate von Azizi, Bier, Grussmann und Strohmeier verfügbar

Sunday, August 30, 2009

Murdoch lobt "regulatory professionalism of Germany" (und den Darwinismus im Mediengeschäft)

Dass James Murdoch, Chairman and Chief Executive Europe and Asia der News Corporation (und natürlich Sohn von Rupert Murdoch), weder für die BBC noch für die britische Regulierungsbehörde Ofcom besondere Sympathien hat, ist nicht wirklich überraschend. Schließlich ist die BBC ein wesentlicher Konkurrent von News Corp-Unternehmen (zB BSkyB oder - im Online-Bereich - auch der Sun oder Times). Und so finden sich in seiner MacTaggart Lecture vom vergangenen Freitag (hier als pdf) massive Breitseiten sowohl gegen die BBC (insbesondere auch gegen den BBC Trust: "You need deep pockets, sheer bloody-mindedness and an army of lawyers just to make the BBC Trust sit up and pay attention") als auch gegen Ofcom ("a regulator armed with a set of prejudices and a spreadsheet"). Nicht ganz unrecht hat Murdoch vielleicht mit seinem Hinweis auf die überbordende Produktion von Konsultationsdokumenten und Berichten durch Ofcom, die er mit Zahlen unterlegt:
"In the past five years Ofcom launched nearly 450 consultations – nearly two every week. It has produced three Public Service Broadcasting annual reports, and two Public Service Broadcasting reviews in five phases. These alone have in total - including appendices, special reports and other related material - amounted to over five thousand pages and spawned another 18,000 pages of responses."
Freilich: dass eine der jüngsten Konsultationen Maßnahmen betrifft, mit der BSkyB verpflichtet werden soll, Premiumkanäle anderen Anbietern auf Vorleistungsbasis zur Verfügung zu stellen, hat James Murdoch dabei nicht erwähnt (siehe dazu die Ofcom-Presseaussendung vom 26.06.2009, das Konsultationsdokument und die Konsultationswebsite).

Auf den ersten Blick überraschend fand ich das ausdrückliche Lob Murdochs für den "regulatory professionalism of Germany": meint er damit die Landesmedienanstalten? Wohl nicht: der Dank an die deutsche Regulierung gilt sicher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin)
, die zugunsten der News Corporation eine "Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung und zur Abgabe eines Pflichtangebots für Aktien der Premiere AG" aussprach (siehe dazu auch hier und hier).

Und ebenfalls nur auf den ersten Blick überraschend ist, dass von einem Vertreter der erzkonservativen News Corp (die zu Murdoch gehördenden Fox News in den USA strahlen immerhin auch Werbung des Creation-Museums aus) massive Einwände gegen den Kreationismus vorgebracht werden: denn er sieht Vertreter des Kreationismus dort, wo sie bisher außer ihm wohl noch niemand vermutet hat - in der britischen Fernsehindustrie. "The consensus appears to be that creationism – the belief in a managed process with an omniscient authority - is the only way to achieve successful outcomes." Nach Murdoch folgerichtig wäre der medienwirtschaftliche Darwinismus daher auch Garant für die (journalistische) Unabhängigkeit. "The only reliable, durable, and perpetual guarantor of independence is profit." Einige Mitarbeiter der News Corp sehen das vielleicht anders - siehe dazu auch den Bericht des House of Lords: "Why ownership matters" (dazu auch hier und hier).

PS: die MacTaggart Lecture wird jährlich beim Edinburgh International Television Festival gehalten, auch vergangenes Jahr gab es dabei übrigens Angriffe auf Ofcom, allerdings von einem Vertreter der BBC. Umfangreiche Berichterstattung zum EITV-Festival und insbesondere auch zur MacTaggart Lecture (einschließlich zB der Reaktion des BBC Trust) findet sich hier beim MediaGuardian.
[update 30.08.2009: weitere Reaktionen: Will Hutton im Observer, Robert Peston von der BBC - siehe auch dessen Dunn Lecture -; Bericht im Guardian, Peter Preston im Guardian]
[update 05.09.2009: laut Umfragen wird die Position Murdochs von der Mehrheit der britischen Bevölkerung nicht geteilt - das Vertrauen in die BBC hat seit dem vergangenen Jahr sogar zugenommen, siehe diesen Bericht]

Wednesday, August 26, 2009

Jährlich grüßt der Presserat

A) "Sozialpartner wollen gemeinsam einen neuen Presserat"

B) "VÖZ für Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle: Bessere Effizienz, Rechtsverbindlichkeit und mehr Biss",

C) Der Journalistengewerkschafts-Chef ist optimistisch, dass es bald eine funktionierende Selbstkontrolle geben wird. In den Verhandlungen über die Wiederbelebung des Presserates stehe man relativ knapp vor einer Einigung.

D) Der Presserat kehrt zurück - Verleger und Journalisten einigen sich

E) "Neuer Presserat ist Chance für echte Selbstkontrolle statt Zahnlosigkeit"

Meinen Sie nicht auch, dass die oben zitierten Pressemeldungen eine schöne chronologische Abfolge ergeben? Sozusagen vom Wunsch über die unsicheren Verhandlungen bis hin zur Wirklichkeit. Das einzige Problem: die Abfolge stimmt nicht. Die chronologisch richtige Reihenfolge wäre nämlich B (28.12.2001), E (29.12.2001), A (29.10.2002), D (3.7.2008) und schließlich C (26.8.2009). Immerhin wurde heute also bestätigt, dass Verleger und Journalistengewerkschaft knapp vor einer Einigung stehen, die sie im Vorjahr schon erreicht hatten.

Aber vielleicht hilft die gesetzlich gesicherte Förderung der Selbstkontrolle der Presse (§ 12a Presseförderungsgesetz) nun wirklich zu einer Einigung. In meinem Referat beim Österreichischen Juristentag im vergangenen Mai (die Druckfassung erscheint, gemeinsam mit den Referaten von Bernd Raschauer und Wolfgang Urbantschitsch, demnächst im Verlag Manz) habe ich zu dieser Finanzierungszusage Folgendes gesagt:
"ein interessantes Modell: der Staat bezahlt dafür, dass sich zwei Parteien (Verleger und Journalistengewerkschaft), die seit nunmehr sieben Jahren bewiesen haben, dass sie sich nicht auf ein funktionierendes Modell der Selbstregulierung einigen können, vielleicht doch noch irgendwie zusammenraufen und den Anschein einer Presseselbstkontrolle einrichten: eine gesicherte Fremdfinanzierung für eine noch unsichere Selbstregulierung."

Don't talk back this way: Ofcom auf den Spuren der FCC

Von der FCC in Zeiten der Bush-Präsidentschaft war man einen harten Kurs gegen sogenannte "fleeting expletives" gewohnt (siehe zur zentralen Auseinandersetzung zwischen FCC und Fox, u.a. zum Paris Hilton-Sager: "Have you ever tried to get cow shit out of a Prada purse? It’s not so fucking simple." hier, hier, hier und hier).

Bemerkenswert ist aber, dass in jüngster Zeit auch die britische Regulierungsbehörde Ofcom - eine geradezu paradigmatische New Labour-Erfindung (siehe näher dazu zB hier auf theregister) - bei der Verwendung des "f word" während der Tageszeit kein Pardon kennt. Jüngst hat Ofcom eine Rechtsverletzung durch die BBC festgestellt, weil Tony Curtis in einem Live-Interview in der Radiosendung Talkback die Worte "bastards", "bullshit" und - das schlimmste Wort - "fuck off" verwendet hat.

Die Ofcom-Entscheidung ist hier (S. 25/26) nachzulesen. Bemerkenswert ist, dass sich der Interviewer gleich während des Interviews zweimal bei den Hörern für die schlimmen Worte entschuldigt und den Interviewpartner darauf aufmerksam gemacht hat, dass er solche Wörter nicht verwenden soll. Und auch Tony Curtis hat sich, nachdem ihm bewusst wurde, dass es sich nicht um eine Aufzeichnung sondern um ein Live-Interview handelte, ausdrücklich bei jedermann entschuldigt (im Wortlaut in der Ofcom-Entscheidung nachlesbar). Ofcom zeigte sich davon nicht beeindruckt:
"Ofcom took into account the nature of the programme, the fact that it was a live broadcast, and also the apologies offered to listeners by both the presenter and Mr Curtis.
Ofcom considers that during live interviews it is important for the broadcaster to properly brief interviewees of the need to avoid offensive language (where appropriate) and also to be particularly vigilant during the broadcast itself for any potential breaches of the Code and where necessary take action to prevent them.
While Ofcom acknowledged that the apologies to listeners went some way in mitigating the potential offence of the language used, Ofcom considered that the language, in particular the use of the word 'fuck' was likely to have gone beyond the expectations of the audience for a programme of this type and at this time."
Ist es aber einem Radio- oder Fernsehreporter wirklich zuzumuten, jeden Interviewpartner vor dem Interview (in der Entscheidung heißt es eigentlich "during the interview") ausdrücklich darüber aufzuklären, welche Worte er (nicht) verwenden darf?

Im konkreten Fall hat der Interviewer sogar fast mustergültig versucht, den Interviewpartner einzubremsen (Zitat: "Oh no, now come on. We really, really can't use that kind of language"). Was hätte er tun sollen: das Interview abbrechen, das Aufnahmegerät abschalten? Muss man als Reporter/Rundfunkveranstalter nun nicht nur, wie die FCC meint, von Leuten wie Paris Hilton eine etwas zu herbe Sprache erwarten, sondern auch von großen alten Hollywoood-Stars? Und kann eine solche Policy, konsequent zu Ende gedacht, überhaupt noch zu einem anderen Ergebnis führen als zum Vermeiden von Live-Interviews?

"Fucking hell ... it's fucking Great Britain"
, sagte Jamie Oliver einmal im Fernsehen (allerdings nicht im Tagesprogramm)

Tuesday, August 25, 2009

"Tatsachen, nach denen im Sozialleben in der Regel nicht gefragt zu werden pflegt ...

... und die gewöhnlich nicht spontan mitgeteilt werden", sollen in Hinkunft auch nicht mehr straffrei durch Paparazzi-Fotos oder Videos an die Öffentlichkeit gebracht werden, um die Abgebildeten bloßzustellen. Das will der vor kurzem in Begutachtung geschickte Ministerialentwurf zur Änderung des Medienrechts (Gesetzestext, Erläuterungen, Textgegenüberstellung) durch die Einführung eines neuen gerichtlichen strafbaren Tatbestandes erreichen: nach § 120a StGB soll die "Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen durch Bildaufnahmen" mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht sein. Strafbar soll sein, wer "von einem anderen in der Absicht, diesen bloßzustellen, eine Bildaufnahme herstellt, einem Dritten zugänglich macht oder veröffentlicht, die Umstände des persönlichen Lebens oder Geheimnisbereichs betrifft, an denen der Abgebildete ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (§§ 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) hat".

Der Entwurf sieht im Übrigen vor,
  • dass der Identitätsschutz (Schutz vor der Veröffentlichungen, die zum Bekanntwerden der Identität führen) auf Angehörige von Opfern sowie von Verdächtigen und Verurteilten und weiters auch auf Zeugen von Straftaten ausgedehnt wird,
  • dass für Entschädigungsansprüche wegen Identitätsbekanntgabe von Opfern von Straftaten keine gesonderte Prüfung schutzwürdiger Interessen vorzunehmen ist,
  • dass eine Entschädigungsuntergrenze von 100 Euro eingezogen wird und eine einheitliche Obergrenze von 100.000 Euro (statt derzeit je nach Verletzung 20.000, 50.000 oder 100.000 Euro); eine Überschreiten der Höchstgrenze "auf Grund besonders schwerwiegender Auswirkungen der Veröffentlichung und eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die gebotene journalistische Sorgfalt" ist möglich;
  • dass die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen von bisher sechs Monaten auf neun Monate "nach der erstmaligen, dem Anspruch zu Grunde liegenden
    Verbreitung, Ausstrahlung oder Abrufbarkeit" verlängert wird;
  • und dass schließlich die Befugnisse von Dienststellenleitern und Verhandlungsleitern bei den Gerichten und den unabhängigen Verwaltungssenaten, die Berichterstattung durch Bild- und Tonaufnahmen und -übertragungen in Amtsgebäuden zu beschränken oder auszuschließen, konkretisiert werden.
Damit sollen die entsprechenden Ankündigungen des Regierungsprogramms (siehe dazu hier) umgesetzt werden; für die im Regierungsprogramm ebenfalls noch vorgesehene "Erstreckung der Prozessbegleitung nach der StPO auf medienrechtliche Verfahren" fehlt derzeit das Geld. Die - wie meist bei Entwürfen des Justizministeriums - ausführlichen und instruktiven Erläuterungen nehmen ausdrücklich Bezug auf die im vergangenen Jahr durchgeführte Medienrechts-Enquete im Parlament (siehe dazu hier und hier) und die insbesondere im Zusammenhang mit zwei spektakulären Kriminalfällen geführte breite Debatte. Wörtlich heißt es in den Erläuterungen:
"Im Rahmen dieser intensiven medienethischen wie medienrechtlichen Debatte wurde insbesondere einerseits eine Stärkung des medienrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, andererseits auch eine wirksame Selbstregulierung der Medien (Stichwort Presserat) gefordert. ... Trotz dieser breiten Debatte kann jedoch auch in jüngster Zeit nicht beobachtet werden, dass die persönlichkeitsverletzende Berichterstattung abgenommen hätte."
Trotz der mittlerweile auch gesetzlich vorgesehenen staatlichen Förderung der Selbstkontrolle der Presse (§ 12a Presseförderungsgesetz) fehlt ein Presserat allerdings nach wie vor in unserer Räte-Republik (bei Gelegenheit werde ich, wie schon angekündigt, auch noch auf diesen Rat zurückkommen).

Monday, August 24, 2009

Zweierlei Maß beim Amtsblatt: Republik spart, Unternehmen zahlen weiter

Die Republik Österreich verweist in der offziellen Regierungsrhetorik - etwa im aktuellen Regierungsprogramm - gerne auf die Initiative "Verwaltungskosten senken für Unternehmen". Solche Verwaltungslasten ergeben sich zum Beispiel auch aus Veröffentlichungspflichten im gedruckten "Amtsblatt zur Wiener Zeitung", zumal die dafür zu leistenden Entgelte nicht nur die Druckkosten des Amtsblatts finanzieren, sondern auch die Herausgabe einer Tageszeitung, die sich aus den spärlichen Verkaufs- und Werbeerlösen nicht einmal annähernd finanzieren ließe.

In diesem Finanzierungsmodell mag man eine gewisse Form der selektiven Medienförderung sehen, die anders als die reguläre Presseförderung (von der die Wiener Zeitung nicht profitiert) nicht aus dem allgemeinen Budget finanziert wird, sondern (vor allem) durch Zahlungen von Unternehmen, die für verschiedene Pflichtveröffentlichungen aufkommen müssen (daneben gibt es zahlreiche Veröffentlichungspflichten für verschiedenste Organisationen und auch Behörden). Ich habe mich dazu schon einige Male eher kritisch geäußert (siehe zB hier oder hier bzw einige frühere Einträge in diesem Blog) und erachte die Sache damit für mich als im Wesentlichen abgeschlossen; vor allem habe ich mir auch vorgenommen, eher nichts mehr zu den diversen inhaltlichen Merkwürdigkeiten der Wiener Zeitung zu schreiben.

Aber zurück zur Regierungsinitiative zur Senkung der Verwaltungskosten für Unternehmen: Der aktuelle Maßnahmenplan (offenbar seit März 2008 nicht überarbeitet) enthält unter Punkt 43 auch das Vorhaben "Wegfall von Veröffentlichungspflichten in bestimmten Publikationsmedien", wie sie in mehreren Rechtsvorschriften (AktG, GmbHG, UGB, GenG) vorgesehen sind; Entlastungspotential für Unternehmen: 10 bis 20 Mio Euro. Der dafür vorgesehene Zeitrahmen ist allerdings etwas unbestimmt: "Nach Maßgabe einer politischen Einigung".

Offenbar ist diese politische Einigung bislang nicht gelungen, denn bei der jüngst erfolgten umfassenden Novellierung des Aktiengesetzes (Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/71, kundgemacht am 31.07.2009) wurde die grundsätzliche Veröffentlichungspflicht im Amtsblatt nicht angetastet.

Umso interessanter ist freilich, dass der Bund in anderem Zusammenhang durchaus entdeckt hat, dass die Veröffentlichung im gedruckten Amtsblatt a) teuer ist und b) den dauerhaften Zugang nicht optimal gewährleistet - und dass er diese Erkenntnis auch umsetzt und gesetzliche Veröffentlichungspflichten im Amtsblatt zurücknimmt: nämlich dann, wenn der Bund selbst veröffentlichen (und zahlen) muss. Nur drei Tage nach dem Aktienrechts-Änderungsgesetz wurde die Novelle zum Heimarbeitsgesetz und Arbeitsverfassungsgesetz im BGBl kundgemacht, mit der einige Veröffentlichungspflichten, die bisher von Bundesbehörden im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu erfüllen waren, dahingehend abgeändert wurden, dass in Hinkunft eine elektronische Veröffentlichung (im BGBl II) erfolgt. Laut Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist das nicht nur wesentlich billiger, sondern es ist damit "auch der dauerhafte Zugang zu diesen Rechtsakten und die Nachvollziehbarkeit von Änderungen dazu besser gewährleistet."

Nun vertritt der Chefredakteur der Wiener Zeitung die Auffassung, dass "alle jene, die meinen, wichtige Staats- und Wirtschaftsdaten sollten in Zukunft nur noch elektronisch veröffentlicht und gespeichert werden", grob fahrlässig handeln und unter dem Verdacht stehen, "bewusst die Hintertür zu einem Staatschaos öffnen" (siehe dazu hier). Er müsste daher einerseits beunruhigt sein, wenn nun schon alle Parlamentsparteien einhellig "die Hintertür zu einem Staatschaos öffnen" wollen (die Novelle zum Heimarbeitsgesetz und Arbeitsverfassungsgesetz wurde im Parlament mit den Stimmen aller Parteien angenommen); andererseits aber darf er durchaus zufrieden sein, wurde doch die Haupteinnahmequelle des Amtsblattes, die von Unternehmen finanzierten Pflichteinschaltungen, nicht geändert. Für diese nimmt der Bund offenbar weiterhin in Kauf, dass die Amtsblatt-Veröffentlichung im Verhältnis zu einer Publikation im Internet teurer und der dauerhafte Zugang schlechter ist.

Sunday, August 16, 2009

Transparenz: ORF-Programmentgelte, Werbung, Befreiungen im Lauf der Zeit

"Transparenz ist die nächste Killerapplikation", heißt es heute in einem Beitrag auf der ORF-futurezone.*) Leider hat der ORF selbst diese Killerapplikation für sein Unternehmen noch nicht entdeckt, und stellt nur sehr wenige Unternehmensdaten öffentlich zur Verfügung; soweit abseits der zwingend zu veröffentlichenden Jahresabschlüsse (und natürlich der Teletest-Werte) überhaupt Daten bekanntgegeben werden, erfolgt dies meist in Pressemitteilungen, aus denen sich natürlich kaum konsistente Datenreihen entwickeln lassen.

Die Entwicklung der Erlöse aus Programmentgelten und Werbung wurde zuletzt im Standard unter dem Titel "Der ORF auf dem Weg zu einem reinen Gebührensender" dargestellt. Ich habe die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Erlösen aus Programmentgelten auf der einen Seite und aus Werbung und sonstigen Erlösen auf der anderen Seite im obigen Diagramm (für eine lesbare größere Fassung bitte anklicken!) zusammengestellt. Die zugrundeliegenden Werte und Quellen sind hier in einem Google Doc Spreadsheet zugänglich.

Anders als in der Standard-Grafik sind in meinem obigen Diagramm Werbe- und sonstige Erlöse zusammengefasst. Aus der bis 1968 zurückreichenden (allerdings 1995-1997 unterbrochenen) Zeitreihe sieht man auch, dass 2009 ziemlich genau wieder der Status von 1969 erreicht wird. Dazu passend: "ORF feiert im August den Summer of 69", hieß es vor kurzem in einer Presseaussendung.

Die Entwicklung der absoluten Werte, getrennt nach Programmentgelten, Werbung und sonstigen Erlösen, ist im Diagramm links dargestellt; zum Vergleich ist auch die Entwicklung des VPI 66 in diesem Zeitraum eingefügt. Eine "VPI-bereinigte" Version (dh die um die Inflation bereinigte Entwicklung) ist darunter abgebildet (jeweils anklicken für ein lesbares Bild!); sinnvoll wäre wohl auch eine an den Tariflohnindex angepasste Darstellung.
Der Wert solcher Zahlenreihen ist freilich ohne ergänzende Informationen äußerst begrenzt, denn die Rundfunkwelt 1968 ist mit jener 2009 kaum zu vergleichen - weder in programmlicher oder technischer Hinsicht, noch im Hinblick auf den medienpolitischen und rechtlichen Rahmen und das Konkurrenzumfeld - bis hin zum "Scheiß-Internet" (copyright ORF-Programmdirektor Lorenz). Umso spannender wäre es daher, anhand öffentlich zugänglicher umfassender Basisdaten eine Debatte über den Einfluss solcher Faktoren führen zu können.

Interessant ist natürlich auch die Entwicklung der Rundfunkteilnehmer, die im Diagramm links gezeigt wird. Und im Hinblick darauf, dass etwa Herbert Lackner vom profil, den ich einmal für einen auf Qualität bedachten Journalisten gehalten habe, wiederholt behauptet, die Befreiung sozial Schwacher von Rundfunkgebühr und Programmentgelt wäre 1999 eingeführt worden (oder alternativ auch 1998), habe ich auch die Entwicklung des Anteils der gebührenbefreiten Rundfunkteilnehmer, soweit die Daten leicht verfügbar waren, dargestellt. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der gebührenbefreiten Teilnehmer in einer Zeit, in der es laut Lackner diese Befreiung gar nicht gegeben hat, deutlich höher war als 2007 oder 2008, nämlich von 1977 bis 1999 immer über 10% mit Spitzen 1987 und 1988 von 13,41%).

Alle den Diagrammen zu Grunde liegenden Daten und die jeweiligen Quellen sind dem Google Doc Spreadsheet zu entnehmen (es handelt sich jeweils um für mich aktuell leicht verfügbare Zahlen, ohne vertiefende Recherche; wer verlässliche ergänzende Daten hat, darf sie mir natürlich gerne mailen).

PS: Generaldirektor Wrabetz hat im Dezember 2008 für Anfang 2009 die Veröffentlichung eines "Finanzierungshandbuchs" angekündigt; bislang ist mir dieses Dokument noch nicht untergekommen. Geht man allerdings vom letzten "ORF-Finanzierungsbuch" aus dem Jahr 2000 aus ("Chefredaktion: Gerhard Weis, Alexander Wrabetz, Thomas Prantner"), so wird man sich davon aber wohl nicht allzuviel Konkretes erwarten dürfen.

[Aktualisierungshinweis 17.08.2009: ein Blog-Leser hat micht dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass eine vollständige Zahlenreihe zu den Teilnehmerzahlen und Befreiungen in den Jahren 1996 bis 2007 der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zu entnehmen ist; ich habe daher die zuvor unvollständigen Daten dazu ergänzt und die beiden Diagramme neu gemacht (Wer unbedingt die alten Versionen sehen will: hier und hier). Auch das Google Doc Spreadsheet ist nun neu).]

*) [am 24.08.2009 ergänzt] Weil die futurezone ihn nicht zitiert/verlinkt hat, weise ich hier darauf hin: "Transparency is the new objectivity" schreibt David Weinberger in einem lesenswerten Blogbeitrag.

Saturday, August 15, 2009

Follow-up zu EuGH C-557/07 LSG: das "Tauschbörsen-Urteil" des OGH

Muss ein Internet-Provider - über Verlangen einer Verwertungsgesellschaft - Auskunft darüber geben, wem zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte IP-Adresse zugeordnet war? Nach derzeitiger Rechtslage nicht, entschied der Oberste Gerichtshof nun in einem von der LSG gegen Tele2 angestrengten Verfahren, das zwischenzeitig auch den EuGH beschäftigt hatte (siehe dazu hier). Das Urteil des OGH ist noch nicht im Rechtsinformationssystem verfügbar, aber hier bei internet4jurists (mit dem Bonus, dass dort auch gleich die zitierten Rechtsvorschriften und Entscheidungen verlinkt sind).

Für die Details zum Verfahren und eine überzeugende inhaltliche Analyse kann ich ebenfalls auf Franz Schmidbauers internet4jurists verweisen, der sich mit der zugrundeliegenden Frage schon bisher eingehend auseinandergesetzt hat (siehe zB seine kommentierte Übersicht über die einschlägigen Entscheidungen, seinen Aufsatz "Konsument oder Urheberrechtsverbrecher?", und seinen auch vom OGH zitierten Beitrag zur "Metamorphose der Auskunftspflicht"; natürlich wurde Schmidbauer auch in der Berichterstattung über das Urteil zitiert).

Ich will nur zwei Anmerkungen ergänzen:

1. Dass dynamische IP-Adressen Verkehrsdaten (und nicht Stammdaten) sind, hat auch der Verwaltungsgerichtshof schon festgehalten (27.05.2009, 2007/05/0280); Verkehrsdaten unterliegen dem Fernmeldegeheimnis und damit dem Richtervorbehalt (Art 10a StGG).

2. Eine Hervorhebung verdient auch der kleine Seitenhieb des OGH auf den Gesetzgeber des österreichischen Urheberrechtsgesetzes. Zitat aus dem Urteil: "den Materialien der UrhG-Novellen 2003 und 2006 [lässt sich] nicht entnehmen, dass dem Gesetzgeber die gemeinschaftsrechtliche Problematik der Verarbeitung von Verkehrsdaten überhaupt bewusst war."

PS: In der Überschrift habe ich vom "Tauschbörsen-Urteil" geschrieben: das ist natürlich (zu) plakativ (und von der medialen Berichterstattung abgeleitet), denn obgleich das Verfahren im Zusammenhang mit der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke in Tauschbörsen seinen Ausgang genommen hat, geht es um sehr grundsätzliche Fragen insbesondere zum Verhältnis bzw der Abwägung zwischen Grundrechten. Die Bedeutung des Urteils beschränkt sich also nicht Tauschbörsennutzer (Franz Schmidbauer hält die Entscheidung für "eine der wichtigsten bisher zum Internet ergangenen").
Und schon gar nicht geht es nur um "Piraten", wie das oben verwendete Foto vielleicht suggerieren könnte. Aber es lag einfach nahe, ein Foto aus Schweden mit Piratenflagge zur Illustration zu verwenden, weil "illegale Downloads" und "schwedische Piraten(partei)" offenbar regelmäßig - aber nicht berechtigt - assoziiert werden. Das Foto links zeigt (aus anderer Perspektive), dass diese Piraten mit dem Internet wohl nichts zu tun haben.

Wednesday, August 12, 2009

Rundfunkforum 2009 und Dokumentation des Rundfunkforums 2008

Das nächste Rundfunkforum - dieses Jahr zum Thema "Public Value" - findet, wie schon angekündigt, am 17. und 18. September 2009 in Wien statt (Achtung neuer Veranstaltungsort: Kommunalkredit, Türkenstraße 9, 1090 Wien) - hier der Link zur Einladung mit dem endgültigen Programm und zum Anmeldeformular. Zusätzlich zu den schon in der ersten Ankündigung genannten ReferentInnen wird auch Dr. Susanne Pfab, Geschäftsführerin der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz, einen Vortrag halten, der sich mit dem (deutschen) Drei-Stufen-Test befasst. Eine spannende Diskussion ist garantiert, insbesondere auch zur Frage, welche Form eines Public Value-Tests in Österreich zu erwarten ist.

Im vergangenen Jahr stand das Rundfunkforum unter dem Generalthema "Medien im Web" (siehe dazu hier und hier). Die dort gehaltenen Referate sind nun im Manz-Verlag erschienen (Bestellformular); hier das Inhaltsverzeichnis:
[Disclosure: ich bin Vorstandsmitglied des Veranstalters]

In der Krise lieber kommunizieren als dinieren: Ofcom Report (und anderer Lesestoff)

"Consumers prefer communications over celebrations in recession", so fasst die britische Regulierungsbehörde Ofcom wesentliche Ergebnisse ihres aktuellen Communications Market Report 2009 (pdf) zusammen (Presseaussendung; siehe auch die Übersicht über die Daten): "When asked which items consumers were likely to cut back on in the recession, 47 per cent would choose to cut back on going out for dinner ... only a fifth (19 per cent) who would cut back on mobile phone spend, 16 per cent on TV subscriptions and 10 per cent on their broadband services."

Wenig überraschend ist, dass die Ofcom-Leute wieder ganz beeindruckt davon sind, wie gut es den Menschen dank ihrer Arbeit geht ("People taking control and getting good deals in downturn"), auch wenn es für sie sonst manchmal weniger zu lachen gibt (siehe zB "Tories would cut Ofcom powers", Maggie Bown: Why I have sympathy for Cameron's view on Ofcom's policy role", "Ofcom hits back at David Cameron", "Ofcom is out of date", "Does Ofcom deserve it?", "Ofcom trims pay at top", usw).

In diesem Zusammenhang gleich noch Hinweise auf weiteren Lesestoff:

Tuesday, August 11, 2009

10. Salzburger Telekom-Forum mit Reding, Ostermayer (und überhaupt Jedermann)

Schon zum zehnten Mal findet heuer das Salzburger Telekom-Forum statt, diesmal aber nicht wie üblich im September, sondern bereits am 27. und 28. August (Programm, Online-Anmeldeformular). Veranstaltet wird das Telekom-Forum von der Universität Salzburg gemeinsam mit der Europäischen Kommission - GD Informationsgesellschaft und der RTR.

Zur Jubiläumsveranstaltung wird auch Kommissarin Reding selbst dabei sein und zu "i2010: Stand und Ausblick" sprechen (zu "post i2010" läuft noch bis 9. Oktober eine Konsultation; allzuviel Konkretes kann man daher wohl kaum erwarten, aber für ein paar starke Worte ist die Kommissarin immer gut, auch wenn sie nicht immer zutreffend sind, siehe zB hier oder hier). Daran anschließend referiert Staatssekretär Ostermayer zu "Auswirkungen elektronischer Kommunikation auf die Mediennutzung und den Medienstandort", und schließlich wird Harald Himmer, Vorstand von Alcatel-Lucent Austria und zugleich Vizepräsident des Bundesrats "Erwartungen der Industrie an eine IKT-Politik" (also irgendwie wohl auch an ihn selbst) formulieren (jede Wette, dass dabei wieder einmal "die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Koordinierung aller österreichischen IKT-Maßnahmen" gefordert und auf die tolle Internetoffensive verwiesen werden wird).

Aus rechtlicher Sicht besonders spannend sind die beiden Vorträge am frühen Nachmittag des 27. August: zunächst wird Wolfgang Bier (Richter am deutschen Bundesverwaltungsgericht) über "Regulierungsrecht und Ermessensspielraum" sprechen (siehe dazu auch seine Ausführungen beim Seminar der Kommission für nationale Richter am 1.12.2008); im Anschluss daran Josef Azizi (Richter am EuG) über "Die Grenzen richterlicher Kontrolle im Marktmissbrauchsverfahren".

Der zweite Tag des Telekom-Forums ist dann der zukünftigen Rechtsentwicklung gewidmet: Wolf-Dietrich Grussmann von der Europäischen Kommission spricht zum Stand des "Review",
Christian Singer vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie über
Rechtsetzungsvorhaben im Telekommunikationsrecht und Patrick Segalla vom Bundeskanzleramt über Rechtsetzungsvorhaben im Rundfunkrecht.

Und wenn sozusagen jedermann zum Telekom-Forum kommt, so kommt diesmal auch das Telekom-Forum zum Jedermann: Die Veranstalter haben den Termin nämlich so angesetzt, dass am 27. August auch eine Aufführung des Jedermann bei den Salzburger Festspielen besucht werden kann.

Monday, August 10, 2009

Weiterentwicklung in "abermals verschärftem Umfeld": ORF-Geschäftsbericht 2008

Irgendwann hat auch die beständigste "erfolgreiche Weiterentwicklung" ein Ende: das Einleitungsstatement des Generaldirektors im ORF-Geschäftsbericht für das Jahr 2008 spricht von einem "umfassenden Überblick über die Weiterentwicklung des Unternehmens" - in den Jahren zuvor war stets von einer "erfolgreichen Weiterentwicklung" die Rede gewesen (siehe dazu schon hier). Nicht verändert hat sich freilich die fortschreitende Verschärfung, und so kann man neuerlich von "verschärfte[n] Rahmenbedingungen" (S. 5), "einem abermals verschärften Konkurrenzumfeld" (S. 9) und einer "verschärften Wettbewerbssituation" (S. 14) lesen (siehe auch dazu den Vergleich mit den Vorjahren hier). Daneben finden sich, wenn auch etwas sparsamer als letztes Jahr, die üblichen Hinweise auf "Highlights" und "Höhepunkte" des Programms und eine Übersichtsdarstellung sonstiger Leistungen und Aktivitäten.

Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens wird - wie ebenfalls üblich - nur sehr knapp abgehandelt; nicht einmal der Jahresabschluss wird vollständig wiedergegeben. "Dank konsequenter Sparmaßnahmen und Strukturverbesserungen liegt der Jahresabschluss über den Prognosen", heißt es im Geschäftsbericht auf Seite 14 (gemeint ist wohl, dass das Ergebnis besser als prognostiziert ausfiel). Ein Hinweis auf Urheber und Zeitpunkt der Prognosen wäre hilfreich gewesen: denn noch im Februar 2008 erwartete der ORF selbst, dass der Bilanzgewinn "am Jahresende 2008 15,6 Millionen Euro betragen" werde - erst gegen Ende des Geschäftsjahres gab es dann Prognosen von "minus 100 Mio Euro" und im Februar 2009 ein vorläufiges Ergebnis, das wundersamer Weise "deutlich besser als erwartet" war (siehe dazu hier). Und dass diese sozusagen in letzter Sekunde erfolgte Verbesserung auf konsequente Sparmaßnahmen und Strukturverbesserungen zurückzuführen ist, stimmt immerhin unter der Annahme, dass auch "Stukturverbesserungen" in den Beteiligungen damit gemeint sind - schließlich ist die "Ergebnisverbesserung" im Wesentlichen Folge einer Neustrukturierung und damit verbunden Neubewertung der Beteiligung des ORF an den Österreichischen Lotterien (siehe dazu hier).

Über diese Beteiligung an den Lotterien verliert der Geschäftsbericht allerdings kein Wort (die Hinweise auf eine "Kreuzfahrt ins Glück" [S. 39] und "Wege zum Glück" [S. 40] beziehen sich auf Programmangebote, nicht auf die Beteiligung am Glücksspielunternehmen und die glückliche Bilanzverbesserung). Auch wer analog zu Geschäftsberichten börsenotierter Unternehmen einen Lagebericht oder einen Bericht über wesentliche Entwicklungen seit dem Ende des Geschäftsjahres 2008 sucht, wird im ORF Geschäftsbericht 2008 nicht fündig (siehe dazu auch schon hier).

Wer gerne vergleichen möchte, wie es andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mit ihren Jahresberichten halten:

Wednesday, August 05, 2009

Update zu den Telekom-Richtlinien: Reformpaket und GSM-RL

Das Reformpaket zum Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste konnte bekanntlich vor dem Sommer nicht mehr beschlossen werden, weil das Plenum des Parlaments den in informellen Verhandlungen zwischen Vertretern des Rats, des Parlaments und der Kommission erzielten Kompromiss in einem einzigen Punkt - der allerdings von hoher Symbolkraft ist - nicht mitgetragen hat (siehe dazu hier). Die legislativen Entschließungen des Parlaments (1, 2, 3) wurden dem Rat dann auch formell nicht mehr so rechtzeitig vorgelegt, dass eine offizielle Befassung im Rat "Verkehr, Telekommunikation und Energie" am 11. und 12. Juni möglich gewesen wäre. Die Minister haben sich allerdings auch so darauf verständigt, die vom Parlament gewünschte Änderung nicht so ohne weiteres anzunehmen und das Verfahren in den Vermittlungsausschuss zu bringen. Wie Kommissarin Reding sagte: "It's a question of institutional pride".

Um die damit berühmt gewordene "Abänderung 138" ist eine auf beiden Seiten recht emotional geführte Auseinandersetzung entstanden, die mit dem tatsächlichen normativen Gehalt dieser Änderung oft kaum etwas zu tun hat (es geht um eine Ergänzung der Regulierungsziele des Art 8 RahmenRL; siehe zum Text schon hier). Selbst reguläre bürokratische Vorgänge wie die nach der zweiten Lesung im Parlament vorgesehenen Stellungnahmen der Kommission, die letzte Woche veröffentlicht wurden (1, 2, 3), geben da verschiedenen Verschwörungstheorien neue Nahrung. Monica Horten von iptegrity etwa schreibt: "DG Information Society has quietly released its position on the Telecoms Package Second Reading, just as everyone is heading off for the summer holidays. No doubt Commissioner Viviane Reding was hoping no-one would see it." Was die Kommission in dieser Stellungnahme wirklich gesagt hat, war:
"Nach der ersten Lesung im Europäischen Parlament übernahm die Kommission die Abänderung 138 in ihren geänderten Vorschlag, befürwortete dann aber den zwischen Europäischem Parlament und Rat anschließend ausgehandelten Kompromisstext als ausgewogene Lösung. Die Kommission könnte die Abänderung daher übernehmen, wird aber alles tun, um in dieser Frage die Herbeiführung eines Kompromisses zwischen beiden Gesetzgebern zu erleichtern."
Man könnte das auch anders formulieren - etwa: "uns ist das herzlich egal".
Neuer Zielzeitpunkt für den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist übrigens das Jahresende; das Europäische Parlament hat als vorläufiges Datum für eine dritte Lesung den 15. Dezember 2009 vorgesehen.

GSM-Richtlinie:
Immerhin eine Richtlinie wird aber schon früher zustandekommen: die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind wurde am 27. Juli 2009 auch vom Rat angenommen und soll im September formell unterzeichnet und dann im Amtsblatt veröffentlicht werden (Vorschlag der Kommission, Legislative Entschließung des Parlaments vom 06.05.2009, Presseaussendung des Rates über die Annahme am 27.07.2009, Presseaussendung der Kommission; siehe in diesem Blog auch schon hier, sowie zu einem ersten Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2007, mit dem die GSM-RL ganz aufgehoben werden sollte, auch hier).

Nach dieser Richtlinie machen die Mitgliedstaaten das bisher ausschließlich für GSM gewidmete 900 MHz-Band (880–915 MHz und 925–960 MHz) auch für UMTS-Dienste "sowie für andere terrestrische Systeme verfügbar, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste erbringen und im Einklang mit den technischen Umsetzungsmaßnahmen, die gemäß der Entscheidung Nr. 676/2002/EG erlassen werden, störungsfrei neben GSM-Systemen betrieben werden können" (die Kommission will solche Entscheidungen in Richtung LTE demnächst in Angriff nehmen). Für die Umsetzung bleiben den Mitgliedstaaten nur sechs Monate ab dem Inkrafttreten, sodass etwa ab April 2010 die Öffnung bewirkt sein sollte. Freilich müssen die Mitgliedstaaten auch untersuchen, "ob aufgrund der bestehenden Zuteilung des 900-MHz-Bands an die in ihrem Gebiet im Wettbewerb stehenden Mobilfunkbetreiber Wettbewerbsverzerrungen auf den betreffenden Mobilfunkmärkten wahrscheinlich sind"; solche Verzerrungen müssen, "soweit dies gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, in Übereinstimmung mit Artikel 14 der Richtlinie 2002/20/EG" behoben werden.

Tuesday, August 04, 2009

Zauberwort "demnächst": die zielstrebige Internetoffensive

Nur eine kleine Merkpost: im Oktober 2008 wollte die mit großem Brimborium gestartete sogenannte "Internetoffensive" ihre "Internetdeklaration" (ich verzichte hier auf die penetrante durchgängige Großschreibung, wie sie auf der Website der "Internetoffensive" üblich ist) als "Basis für eine längst überfällige IKT-Strategie für Österreich" an die Bundesregierung übergeben. Anfang November 2008 wollte man dann auf die neue Bundesregierung warten (die am 2. Dezember 2008 ganz offiziell stand). Im April 2009 fragte ich einmal nach, und bekam die Antwort, dass "in den nächsten Wochen" der Termin zur Übergabe der natürlich längst fertigen Deklaration stehen werde. Und vor etwa einem Monat war in einer Presseaussendung der Verkehrsministerin (siehe auch Bericht in der futurezone) Folgendes zu lesen:
"Internetoffensive Österreich
Weiters kam bei der Unterredung die Notwendigkeit einer zentralen Koordinierungsstelle für IKT-Fragen auf Bundesebene zur Sprache, um eine einheitliche IKT-Strategie für Österreich zielstrebig voranzubringen. Dazu haben sich im Vorjahr 170 Unternehmen, Organisationen und Institutionen zur 'Internetoffensive Österreich' zusammengetan; in sieben Arbeitskreisen wurden die Grundlagen für eine solche Strategie entwickelt, die in einer 'Österreichischen INTERNETDEKLARATION' festgehalten und demnächst an die Bundesregierung übergeben werden." [Hervorhebung hinzugefügt]
Demnächst ist ein dehnbarer Begriff: bis heute ist noch immer keine "Internetdeklaration" auf der seit Monaten ziemlich verwaisten Website der "Internetoffensive" zu finden, und von einem Präsentationstermin ist auch nichts mehr zu hören. Ob die für die Koordination verantwortlichen Lobbyisten das Projekt schon abgerechnet haben?
[Zur Geheimsache Internetdeklaration in diesem Blog bisher zB hier, hier und hier]

Monday, August 03, 2009

Auf dem Weg zur Nutzung der "digitalen Dividende": FZBV und FNV-Novellen

Die Nutzung der digitalen Dividende bedarf nicht nur großer Worte, sondern auch kleiner (und größerer) rechtlicher Voraussetzungen. Die nun kundgemachten Novellen zur Frequenzbereichszuweisungsverordnung 2005 (FBZV 2005) und zur Frequenznutzungsverordnung 2005 (FNV 2005) sind dazu ein erster Schritt auf nationaler Ebene. Entsprechend den Ergebnissen der letzten Weltfunkkonferenz wird damit die Nutzung des Frequenzbandes von 790 bis 862 MHz durch Mobilfunkdienste (außer dem mobilen Flugfunkdienst) auf ko-primärer Basis - dh gleichrangig mit Rundfunkdiensten - ab 17. Juni 2015 ermöglicht.

Wer an meiner Lehrveranstaltung zur Frequenzverwaltung teilgenommen hat, sollte wissen, was primäre und sekundäre Funkdienste sind, für die anderen muss hier ein Hinweis auf § 5 FBZV 2005 (insb. Abs 3) genügen. Das obige Bild zeigt die neue Frequenzbereichszuweisung für den 790 bis 862 MHz-Bereich: in der rechten Spalte steht die Frequenzbereichszuweisung im österreichischen Bundesgebiet, in der mittleren Spalte jene gemäß Artikel 5 VO Funk. Die kryptischen Zahlenkombinationen verweisen auf die Fußnoten gemäß VO Funk; die neuen Fußnoten sind in der aktuellen Novelle zu finden (die FBZV ist rechtstechnisch insofern bemerkenswert, als sie zu einem wesentlichen Teil in englischer Sprache erlassen wird!)

Die Frequenznutzung ergibt sich aus der ebenfalls geänderten FNV 2005. Darin wird in den Nutzungsbedingungen zum 790 bis 862 MHz-Bereich festgelegt, dass es - ausgenommen befristete Zuteilungen im Zuge von Simulcastphasen in der Dauer bis zu 18 Monaten - keine Neuzuteilungen mehr für Rundfunkdienste mehr geben soll. Für die Nutzung durch den Mobilfunkdienste heißt es wörtlich:
"Bemerkung zum Datum 17. Juni 2015: Abhängig von der endgültigen Analog-Digital Umstellung des Fernsehens, vom Spektrumsbedarf für die Nutzung durch terrestrisches Fernsehen, vom Spektrumsbedarf für Rundfunkhilfsdienste, von den Entscheidungen zur Nutzung der Digitalen Dividende auf österreichischer und europäischer Ebene und vom Ergebnis der Frequenzkoordinierung mit den Nachbarverwaltungen und deren Umstellungsplänen auf digitalen Rundfunk wird angestrebt, das Datum des Inkrafttretens der Frequenzzuweisung vorzuverlegen."
Vorerst aber ist - bis zum 17. Juni 2015 - die Nutzung (auf sekundärer Basis) durch Rundfunkhilfsdienste (insbesondere drahtlose Mikrofone) weiter möglich. Was mit diesen Mikrofonen geschehen soll, ist eine der kritischen Fragen bei der Nutzung der digitalen Dividende. Die Europäische Kommission, die vor kurzem eine Konsultation zur Digitalen Dividende gestartet hat (siehe auch die Presseaussendung dazu, mit weiteren Links auch zu den von der Kommission beauftragten Studien), denkt diesbezüglich an "spezifische Maßnahmen zur Frequenzharmonisierung, innerhalb oder außerhalb der digitalen Dividende", was nicht gerade sehr konkret klingt. Im Wesentlichen dürfte die Diskussion aber nur mehr darum gehen, wie teuer die Absiedlung dieser Mikrofonsysteme aus dem 790 bnis 862 MHz-Bereich ist und ob diese Kosten aus dem Erlös der zu erwartenden Frequenzversteigerung gedeckt werden (vergleiche dazu etwas den Beschluss des Deutschen Bundesrats bei der Zustimmung zur "Zweiten Verordnung zur Änderung der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung".

Zur innerösterreichischen Debatte verweise ich auf die unterschiedlichen Positionen der Geschäftsführer der RTR (siehe hier, hier und hier) - was wieder einmal zeigt, dass wir in Österreich von einer konvergenten Regulierungsbehörde noch weit entfernt sind. Die Telekom-Sprecher der Regierungsparteien haben sich demgegenüber vor kurzem bei der Debatte zur TKG-Novelle klar positioniert (siehe dazu hier).

PS: an der Konsultation der Europäischen Kommission ist wieder einmal der liberale Umgang mit den angenommenen wirtschaftlichen Vorteilen beeindruckend: "opening up the digital dividend to wireless broadband services creates a value of anywhere between EUR 3 billion and EUR 97 billion", heißt es im Konsultationsdokument. Diese Zahlen aus dem Traumbuch einer Studie (siehe die Folie 31 dieser Zusammenfassung) beruhen auf unterschiedlichen Szenarien, die allerdings nicht nur das 790 bis 862 MHz-Band - sondern teilweise das gesamte 470-862 MHz-Band - betreffen. Die Überschrift der Presseaussendung sieht aber ohnehin "Vorteile für die Verbraucher und Wirtschaftswachstum im Volumen von bis zu 50 Mio. EUR" (und auch wenn im Text deutlich wird, dass nicht Millionen, sondern Milliarden gemeint sind, sind die 50 Mrd. EUR immerhin um 3 Mrd. mehr als in derStudie für alle Szenarien genannt wird, in denen nur das 790-862 MHz-Band freigegeben wird).

Unterhaltsame Urlaubslektüre: Nationalratsprotokolle zur TKG-Novelle

Im Urlaub ist bei der Lektüre eher fiction als non-fiction angesagt. Ein gelegentlicher Blick in die stenographischen Protokolle des Nationalrats passt da aber durchaus dazu. Zur jüngsten TKG-Novelle (siehe dazu hier und hier), die in der 27. Sitzung des Nationalrats am 17.06.2009 beschlossen wurde, ist zwar erst das vorläufige Protokoll verfügbar, aber die Lektüre lohnt sich allemal. Hier einfach einmal ein paar unkommentierte Auszüge aus dem Debattenbeitrag der Abg. Mag. Karin Hakl, die gemeinsam mit Abg. Ing. Kurt Gartlehner den Initiativantrag zu dieser TKG-Novelle eingebracht hat:
"In diesem Gesetz sehen wir vor, dass in Zukunft sämtliche Telekommunikationsleitungen von allen Telekommunikationsdiensteanbietern mitbenutzt werden können, dass Leitungsrechte gewährt werden, die es möglich machen, dass ein Telekom-Unternehmen in jedem privaten Haus, über öffentlichem Grund, überall in Österreich seine Leitungen verlegen kann. ...
Jene Elektrizitätsunternehmen oder kleinen Telekom-Anbieter, die bis jetzt keine große Flächendeckung erreicht haben, können auf die Netze derer gehen, die eine große Flächendeckung haben, und ihre Produkte anbieten. ...
Es ist gesetzlich festgeschrieben worden, wie Märkte neu definiert werden können, weil es klar ist, dass sich bei der Telefonie der Wettbewerb nicht mehr nur im Festnetzbereich abspielt. Wenn ich bei 10 Prozent Festnetzkunden irgendwann immer noch der Marktführer bin, weil alle anderen längst mobil telefonieren, dann heißt das, dass Märkte längst neu zu definieren sind. Das wurde in der Vergangenheit bereits gemacht, die gesetzlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen schaffen wir mehr oder weniger im Nachhinein."
Eine kleine Empfehlung dazu: Bevor Sie auf Basis dieser Ausführungen ein Geschäftsmodell entwickeln, sollten Sie doch besser in das Gesetz schauen. Und: Auf vielen Redemanuskripten findet sich der Hinweis "Es gilt das gesprochene Wort" - in diesem Fall sollte der Hinweis lauten: "Es gilt das beschlossene Gesetz".
[Aus der ständigen Rechtsprechung: "Die in Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Absicht des historischen Gesetzgebers ist weder das einzige noch das wichtigste Mittel der Gesetzesauslegung. Stehen die Materialien in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos" zB VwGH 23.02.2001, 98/06/0240]

Ich will nicht die ganze Debatte exzerpieren, nur noch zwei kleine Zitate:
Ganz im Ernst ist an der Debatte noch interessant, dass sich beide Abgeordnete, die den VP/SP-Initiativantrag eingebracht haben, für die Nutzung der digitalen Dividende durch den Mobilfunk aussprechen (was allerdings insofern wenig überraschend ist, als es sich um die jeweiligen Telekomsprecher der Parteien handelt, die gewiss einschlägig gut gebrieft wurden - ob das die für Rundfunkfragen zuständigen Mediensprecher ebenso sehen, ist nicht bekannt) :
  • Abg Hakl: "Da wäre es zum Beispiel volkswirtschaftlich wichtig und sinnvoll, die sogenannte Digitale Dividende dem Mobilfunk zuzuteilen."
  • Abg. Gartlehner: "Ich möchte darüber hinaus darauf verweisen, dass die Digitale Dividende natürlich eine kosteneffiziente Möglichkeit wäre, in entlegenen Regionen eine leistungsfähige Infrastruktur herzustellen."
    [zur digitalen Dividende siehe auch hier, hier und hier]
Neu war für mich, dass schon in diesem Herbst eine weitere TKG-Novelle kommen soll, "mit der neue Rahmenbedingungen für den Wettbewerb geschaffen werden", wie dies Abg. Hakl ankündigte. Bekannt ist, dass die - verspätete - Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten im Herbst erfolgen soll. Wirklich neue Rahmenbedingungen für den Wettbewerb wird diese Novelle allerdings kaum bringen. Dass aber die Änderungen des EU-Rechtsrahmens schon umgesetzt werden sollen, noch bevor es auf EU-Ebene zu einer endgültigen Einigung gekommen ist, kann ich mir kaum vorstellen.