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Wednesday, June 24, 2009

Falsches Signal, wohlüberlegt gesetzt (und sechs Tage später zurückgenommen)

"Krammer hat mit Journalisten 'kein Problem'". Das war natürlich schon eine Schlagzeile wert: immerhin ein Mitglied des ORF-Stiftungsrates, also des Aufsichtsgremiums von Österreichs größtem Kommunikationsunternehmen, hat kein Problem mit Journalisten, wie die APA recherchiert hat.

Die Aussage Krammers stand auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur tags zuvor verkündeten geplanten Verbannung der JournalistInnen aus der Umgebung des Stiftungsrats-Sitzungszimmers, wo die BerichterstatterInnen traditionellerweise auf das Ende (oder auf Unterbrechungen) der Sitzungen warten - und dabei natürlich auch Stimmungsbilder einfangen, etwa wenn einzelne Stiftungsratsmitglieder den Saal (vorübergehend) verlassen, manchmal auch um Telefonate mit jenen Menschen zu führen, von denen sie unabhängig sind.

Stiftungsratsvorsitzender Pekarek, der die "Verbannung" laut Medienberichten noch ausdrücklich verteidigte, gab auch bekannt, dass diese Maßnahme auf einhellige Zustimmung des Stiftungsrats gestoßen sei. Besonders bemerkenswert ist, dass laut Pekarek über das Thema "organisatorische Rahmenbedingungen für Aufsichtsratssitzungen ebenso lange diskutiert [wurde], wie über den finanziellen Zustand des Hauses" (dabei musste ich an Bert Brecht denken, Buckower Elegien, Nr. 15: Bei der Lektüre eines spätgriechischen Dichters).

Heute, sechs Tage später, ist wieder alles anders - Zitat:
"Das Informationsbedürfnis der Gebührenzahler und eine größtmögliche Transparenz rund um die ORF-Entscheidungen sind ein hohes Gut. Deshalb soll sich an den organisatorischen Rahmenbedingungen nichts ändern - alles abwägend und berücksichtigend ist das der einzig vernünftige Weg", erklärte Stiftungsratsvorsitzender Pekarek. "Jede - wenn auch gut gemeinte - Veränderung, die als Versuch wahrgenommen wird, den Informationsfluss einzuschränken, wäre darüber hinaus in der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Situation des ORF und vor dem Hintergrund der Planungen für ein neues ORF-Gesetz ein falsches Signal."
Zunächst hat also der der Stiftungsrat lange ("ebenso lange wie über den finanziellen Zustand des Hauses") über organisatorische Änderungen, die als Versuch zur Einschränkung des Informationsflusses wahrgenommen werden können, beraten und diese Änderungen auch "einhellig" beschlossen. Sechs Tage später bemerkt man, dass die Erhöhung der Intransparenz "ein falsches Signal" ist, wenn man vom Gesetzgeber etwas will (insbesondere sehr viel Geld); würde es dem ORF wirtschaftlich gut gehen, so schließe ich daraus, wäre ein solches Signal für den Stiftungsrat offenbar ganz ok.

Fazit: Das oberste Organ des größten österreichischen Kommunikationsunternehmens wurde - trotz eingehender Diskussion über die geplanten Maßnahmen - davon überrascht, dass JournalistInnen auf die Einschränkung ihrer Möglichkeiten zum Informationszugang kritisch reagieren - und braucht sechs Tage, ein falsches Signal wieder umzustellen.

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