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Wednesday, December 31, 2008

Jahresende: Zeit, einfach abzuschalten (zB den MW-Sender Bisamberg)

Am 31. Dezember 2008 wird der Sender Bisamberg, der letzte österreichische Mittelwellensender, abgeschaltet. Auch das DAB-Pilotprojekt, ebenfalls mit Sender am Bisamberg, wird zum Jahresende eingestellt. Weitere Informationen dazu gibt es im ORS-Blog; zur Sendeanlage Bisamberg gibt es zudem umfassende Informationen auf der Seite von Harald Chmela. Das zuletzt auf der Mittelwelle täglich von 18:00 bis 00:08 Uhr ausgestrahlte Mischprogramm mit Sendungen von Ö1, Volksgruppensendungen, Regionalprogrammen sowie "Eigenprogrammen in einer Experimentalzone, die von eigenständigen Redaktionen mit verschiedensten Interessen genutzt wird" (zB Schülerradio-Projekte), soll auch weiterhin - und zwar rund um die Uhr - im Streaming verfügbar sein (mehr dazu siehe 1476.orf.at, ab 1.1.2009 unter oe1.orf.at/campus).

Die Kurzwellen-Sendeanlage in Moosbrunn bleibt laut ORS übrigens weiterhin in Betrieb, mit reduziertem internationalen Programm (im Wesentlichen Sendungen von Ö1, ergänzt um einige Informationssendungen in englischer, spanischer und französischer Sprache (Details hier). Allerdings wird die Kuzrwellen-Sendeanlage schon derzeit überwiegend nicht zur Abstrahlung von ORF-Programmen genutzt, sondern für Sendungen anderer internationaler Rundfunkveranstalter. Im ORS-Blog heißt es dazu:

"Derzeit nutzen schon Anbieter wie RCI-Montreal (Sendungsaustausch), VoVietnam, BBC, DW, TWR, AWR und FEBA die Sendeanlagen von Moosbrunn. Weitere Anbieter sind dazu im Gespräch."

Tuesday, December 23, 2008

Offene Rundfunk- und Telekom-Sachen vor EuGH und EuG

Nach den noch kurz vor Weihnachten getroffenen Entscheidungen in den Causen Régie Networks und Kabel Deutschland kann man nun einen Blick auf die aktuell noch offenen Rundfunk- und Telekom-Fälle vor dem EuGH bzw. dem EuG werfen. Hier wieder (zuletzt hier) eine aktualisierte Aufstellung, wie immer ohne Vollständigkeitsgewähr - zunächst der EuGH:
Beim Gericht erster Instanz ist anhängig:
Update 04.04.2009: diese Liste wird nicht mehr aktualisiert; ab sofort ist die aktuelle Liste der Verfahren hier zu finden!

EuGH: französische Beihilfe für lokale Radiosender ungültig

Mit dem gestern verkündeten Urteil des EuGH (Große Kammer) in der Rechtssache C-333/07 Régie Networks wurde die Entscheidung der Kommission, keine Einwendungen gegen ein französisches Beihilfensystem zur Unterstützung lokaler Radiosender zu erheben, für ungültig erklärt. Die Wirkungen dieser Feststellung wurden jedoch bis zum Erlass einer neuen Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt.

Nach dem streitgegenständlichen Beihilfensystem erhalten lokale Radiostationen unter bestimmten Voraussetzungen (insbesondere dürfen sie nicht mehr als 20% des Gesamtumsatzes aus Werbung und Sponsoring erlösen) staatliche Beihilfen (Einrichtungs-, Ausrüstungs- und Betriebsbehilfen). Finanziert werden diese Beihilfen aus parafiskalischen Abgaben auf im Hörfunk und im Fernsehen ausgestrahlte Werbung. Im Verfahren vor dem EuGH war allerdings nicht das derzeitige, sondern ein früheres Beihilfensystem strittig, da die Vorlagefrage von einem Verwaltungsgericht gestellt wurde, dass über einen Rückzahlungsantrag für diese Werbeabgaben zu entscheiden hatte; das aktuelle Beihilfensystem unterscheidet sich aber nur geringfügig.

Der EuGH hält fest, dass eine Beihilfe nicht getrennt von den Auswirkungen ihrer Finanzierungsweise untersucht werden darf. Die Kommission meinte zwar, dass eine Abgabe, mit der eine Beihilfemaßnahme finanziert werde, von der Kommission nur geprüft werden müsse, wenn ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Abgabepflichtigen und den Empfängern der fraglichen Beihilfen bestehe; diese Ansicht wurde vom EuGH jedoch zurückgewiesen.

Es bestand demnach eine enge Verbindung zwischen der Abgabe auf die Vermarktung von Werbezeiten und den mit ihr finanzierten Beihilfen: das Nettoaufkommen aus der Abgabe ist ausschließlich und vollständig für die Finanzierung der Beihilfen für den Hörfunk bestimmt und beeinflusst daher unmittelbar deren Umfang. Wörtlich heißt es in RNr. 112-116 des Urteils:

"Daraus folgt, dass die Abgabe auf die Vermarktung von Werbezeiten Bestandteil der Beihilferegelung für den Hörfunk ist, deren Finanzierung diese Abgabe dient.

Die Kommission musste diese Abgabe daher zwingend bei der Prüfung der betreffenden Beihilferegelung berücksichtigen, und zwar im Anschluss an die Anmeldung dieser Regelung im Rahmen der Vorprüfungsphase für die Beihilfen gemäß Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag. ...

Da die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen Beihilferegelung mit den Bestimmungen des Vertrags betreffend staatliche Beihilfen die Finanzierungsweise dieser Beihilfen nicht berücksichtigt hat, obwohl sie Bestandteil der Regelung war, ist die Beurteilung der Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Gemeinsamen Markt zwangsläufig fehlerhaft."

PS: Da ich zum Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2008 in der Rechtssache C-52/07 Kanal 5 und TV 4 keinen eigenen Beitrag in diesem Blog verfasst habe, verweise ich dazu auf content and carrier.

Monday, December 22, 2008

Weihnachtsfrieden zwischen Kommission und Deutschland zum 3 Stufen-Test

Kurz vor Weihnachten ist Zeit für den Friedensschluss: nachdem die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer letzte Woche den "12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag" (eigentlich: "Zwölfter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge") unterzeichnet haben, gibt es nun auch eine gemeinsame Presseerklärung von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes einerseits und den Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg) andererseits.

Das Wording der Aussendung ist, wie bei solchen Waffenstillstandserklärungen üblich, fein abgestimmt. Die Rede ist von den nun erfolgreich zum Abschluss gebrachten "Bemühungen der 16 Länder ..., die Aktivitäten von ARD und ZDF unter Einbeziehung der Interessen kommerzieller Medien auf eine gemeinschaftsrechtlich verlässliche Grundlage zu stellen" (Was ist eigentlich mit den Interessen der Zuschauer/Gebührenzahler/Pay-TV-Abonnenten etc.?)

Für das laufende österreichische Beihilfeverfahren ist sicher von Interesse, dass das deutsche Modell des Drei-Stufen-Tests von Kroes als "ein wichtiges Beispiel für die Art von Verfahren, die zur Sicherstellung effektiver Kontrolle auf nationaler Ebene erforderlich sind", bezeichnet wird; mit anderen Worten: wenn es so wie in Deutschland gemacht wird (unter der Verantwortung der Rundfunkräte, also von Organen der Rundfunkanstalten) wäre die Kommission schon zufrieden; auch die Modelle in Belgien, in Irland und im UK sind aus der Sicht der Wettbewerbskommissarin in Ordnung. Ausdrücklich betont Kroes zudem, dass auch eine neue Rundfunkmitteilung (zum Entwurf siehe hier) keine weiteren Anpassungen der Rechtslage in Deutschland notwendig machen werde (nachdem sich die deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten (zB WDR) und in alter Tradition der Staatsferne auch die Vertreter der Staatskanzleien und sonstige Politiker schon präventiv einmal ordentlich über den Entwurf aufgeregt haben).

[update 23.12.2008: die richtigen Links zu der auf der Website der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei eher versteckten aktuellen Fassung des 12. RFÄStV und zur Begründung fand ich bei Alexander Svensson, der die wesentlichen Punkte auch übersichtlich zusammenfasst)]

EuGH: must carry für Teleshopping?

Der EuGH hat heute in seinem Urteil in der Rechtssache C-336/07 Kabel Deutschland den Mitgliedstaaten im Ergebnis sehr weitreichende Möglichkeiten zur Ausgestaltung von must carry-Verpflichtungen in Kabel-TV-Netzen eingeräumt.

Ausgangspunkt war ein Verfahren über die Belegung der analogen Kabelkanäle im Netz der Kabel Deutschland im Bundesland Niedersachsen. Nach den dort geltenden Rechtsvorschriften wurden von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) 18 der 32 verfügbaren Kanäle Rundfunkveranstaltern zugeteilt, die bereits über DVB-T terrestrisch verbreitet wurden (wenn auch nicht im gesamten Bundesland), ein Kanal wurde für das "Bürgerfernsehen" vorgesehen und für die übrigen 13 Kanäle legte die NLM die Rangfolge fest. Kabel Deutschland vertrat die Auffassung, dass die Bestimmungen des Niedersächsischen Mediengesetzes (NMedienG) nicht mit Art 31 Abs 1 der Universaldienst-RL vereinbar seien.

Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten "zur Übertragung bestimmter Hör- und Fernsehrundfunkkanäle und -dienste den unter ihre Gerichtsbarkeit fallenden Unternehmen, die für die öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkdiensten genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, zumutbare Übertragungspflichten auferlegen, wenn eine erhebliche Zahl von Endnutzern diese Netze als Hauptmittel zum Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen nutzen. Solche Verpflichtungen dürfen jedoch nur auferlegt werden, soweit sie zur Erreichung klar umrissener Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich sind; sie müssen verhältnismäßig und transparent sein. Sie werden regelmäßig überprüft."

Da der Empfang über Kabel in Deutschland 57% der Haushalte erreicht, ist das Kriterium der "erheblichen Zahl von Endnutzern" erfüllt; auch das Erfordernis einer "bestimmten" Festlegung der zu übertragenden Kanäle ist auf Grund der gesetzlichen Regelung, die auf alle zur terrestrischen Verbeitung zugelassenen Kanäle abstellt, erfüllt.

Besonders betont der EuGH die Abgrenzung zwischen dem Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der keine Regulierung der Inhalte vorsieht, einerseits und den im Allgemeininteresse gelegenen Regeln insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Rundfunkinhalten (RNr. 32-34 des Urteils); er verweist auch ausdrücklich auf die Bedeutung von Art 10 EMRK (RNr 33 und 37). Wörtlich heißt es in RNr. 34:
"Daraus folgt, dass die Auslegung von Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie nicht die nationalen Regelungen beeinträchtigen darf, die unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts Ziele von allgemeinem Interesse verfolgen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik. Entsprechend dieser Aufteilung der Zuständigkeiten begründet Art. 31 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie, der sich in deren Kapitel IV („Interessen und Rechte der Endnutzer“) einfügt, kein Recht des Kabelnetzbetreibers, die auszustrahlenden Kanäle zu wählen, sondern schränkt dieses Recht ein, soweit es nach dem anwendbaren nationalen Recht besteht."
Die Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens, die das NMedienG gewährleisten soll, steht - so der EuGH - im Zusammenhang steht mit der durch Art. 10 EMRK garantierten Meinungsfreiheit, die zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört. Die betreffende Regelung im NMedienG verfolgt demnach ein Ziel des Allgemeininteresses, da sie den pluralistischen Charakter des Fernsehkanalangebots im Land Niedersachsen erhalten soll und damit Teil einer Kulturpolitik ist, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen und sprachlichen Strömungen im audiovisuellen Bereich in diesem Land schützen soll.

Eine Grenze finden die Übertragungspflichten dort, wo sie sich für den Kabelnetzbetreiber als unzumutbar erweisen, "weil sie solcher Art sind, dass der Betreiber sie – gegebenenfalls im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Tätigkeiten – nicht unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen erfüllen kann." Dies zu beurteilen, ist allerdings Sache des nationalen Gerichts, das dabei auch zu berücksichtigen hat, ob die auferlegten Pflichten die Gewährung eines Entgelts im Sinne des Art 31 Abs 2 Universaldienst-RL erforderlich machen. Grundsätzlich ist aber auch die vollständige Belegung aller verfügbaren Kanäle durch die Behörde "im Rahmen eines transparenten, die Rechte des Kabelnetzbetreibers wahrenden Verfahrens" zulässig, um der größtmöglichen Zahl von Nachfragern, die dies aufgrund der ausgestrahlten Kanäle verdienen, den Zugang zum analogen Kabelnetz zu ermöglichen.

Auch bei der Frage, ob unter Fernsehdiensten im Sinne des Art 31 Universaldienst-RL auch Anbeiter von "Mediendiensten bzw. Telemedien, z.B. Teleshopping" zu verstehen seien, verweist der EuGH auf die Trennung zwischen der den Betreibern von Kommunikationsnetzen und -diensten auferlegten Übertragungspflicht und der inhaltlichen Beurteilung, die nicht Gegenstand des Art 31 der Universaldienst-RL sind; diese Vorschrift "bezieht sich nämlich nicht auf den Inhalt der Fernsehkanäle und ‑dienste, sondern regelt ihre Übertragung mit Hilfe von Telekommunikationsnetzen." (RNr. 60) Auch Telemedien wie zB Teleshopping sind aber nach der Fernseh-RL Fernsehdienste (und dieses Verständnis ist auf die Universaldienst-RL übertragbar), sodass im Ergebnis die Mitgliedstaaten sogar Übertragungspflichten für Teleshopping-Programme festlegen könnten. Wie weit aber must carry-Regeln für Teleshopping noch mit Zielen des Allgemeininteresses begründet werden können, dies zu prüfen ist wiederum Sache des nationalen Gerichts.

Der EuGH ist in diesem Urteil erkennbar bemüht, bei der Entscheidung über Übertragungspflichten nach der Universaldienst-RL auf keinen Fall der mitgliedstaatlichen Beurteilung im Hinblick auf die Regulierung von Rundfunkinhalten vorzugreifen, selbst wenn die konkrete Regulierung noch so überbordend ist wie nach dem NMedienG. Die Befürchtung mancher Rundfunkjuristen, dass der "Telekom-Rechtsrahmen" zum Einfallstor für einen "Eingriff Brüssels" in nationale Traditionen der Inhalteregulierung wird, scheint sich damit jedenfalls für die must carry-Regeln nicht zu bewahrheiten.

Fidlers Feinstes: Von Abzockfernsehen bis Zeitungssterben

Seit der Präsentation des neuesten Buchs von Der Standard-Medienredakteur Harald Fidler, "Österreichs Medienwelt von A bis Z", (hier ein Link zur Bestellmöglichkeit beim Verlag) sind schon gut vier Wochen vergangen. Eigentlich wollte ich eine kurze Notiz dazu in diesem Blog gleich am Wochenende nach der Präsentation schreiben, aber Fidlers Buch (das dritte nach "Sendepause" und "Im Vorhof der Schlacht") ist kein Werk, das man an einem Wochenenede schnell einmal überfliegt oder einfach zwischendurch liest und damit "erledigt" hat.

In den gut 600 Seiten dichter Information kann man sich schon einige Zeit lang verlieren, folgt der lexikalisch aufbereiteten Informationsfülle von einem Verweis zum nächsten und erfährt vieles, das manche Betroffene wohl lieber geheim gehalten hätten. Liest man etwa den umfassenden Abschnitt über den ORF, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fidler umfassender informiert ist als so manches Mitglied des Stiftungs- oder Publikumsrates. Das Buch ist nicht nur eine Quelle für alle möglichen Marktdaten und historischen Informationen, es ist auch reich an farbigen Details - an "G'schichtln", die nur auf den ersten Blick vielleicht trivial wirken, insgesamt aber ein sehr lebendiges Bild der österreichischen Medienlandschaft zeichnen. Und natürlich ist "Österreichs Medienwelt von A-Z" auch eine wahre Fundgrube für Zitate (zB von Styria-Chef Horst Pirker, der den Fellner-Brüdern [News, dann Österreich] im Zusammenhang mit ihrem Geschäftsmodell für News den Gedankengang unterstellt: "Wenn ich dem Trottel Leser eine goldene Uhr schenke, wird er mein Scheißblatt schon kaufen").

Bei der Präsentation des Buches am 20. November 2008 war der Andrang so groß, dass viele Gäste keinen Sitzplatz mehr bekamen - auch ORF-Stiftungsratsmitglied Karl Krammer ("Freundeskreis"-Leiter der SP-nahen Stiftungsräte), oben im Bild, hörte sich stehend an, was Anneliese Rohrer, Armin Thurnher und Buchautor Harald Fidler am Podium zu sagen hatten (siehe dazu hier, hier oder hier). Thurnher bezeichnete das Podium übrigens als "die drei Kassandras", und zwischenzeitig hat er zumindest seinen Ruf als altmodischer Prophet des Untergangs - der sich weigert, "das Internet als Medium ernst zu nehmen" - eindrucksvoll bestätigt (mehr dazu hier oder hier).

Die Präsentation von Fidlers Buch fand im Galaxy Tower (von Falter-Architekturkritiker Jan Tabor als "eines der plumpsten Bürohäuser in Wien" bezeichnet) stand, was schon insofern bemerkenswert ist, als dort vor einigen Jahren noch die Verlagsgruppe NEWS ihren Sitz hatte - nun residiert dort (allerdings einige Stockwerke tiefer) die Bundeswettbewerbsbehörde, die auch die Räumlichkeiten für die Präsentation zur Verfügung stellte. Der "Hausherr", Generaldirektor für Wettbewerb Dr. Theodor Thanner, wies in seinen Begrüßungsworten ausdrücklich darauf hin, dass es diese Behörde erst seit 2002 gibt - und dass daher die wesentlichsten Medienfusionen, die in Fidlers Buch kritisch beschrieben werden, nicht mit dem Segen der Bundeswettbewerbsbehörde zustandegekommen sind.

PS: Aktualisierungen und Ergänzungen zum Buch gibt es auf der Website diemedien.at.
Disclaimer: Ja, dieser Text kann und soll als Kaufempfehlung verstanden werden; nein, es ist trotzdem keine Werbung, weil von Harald Fidler oder dem Verlag weder bestellt noch bezahlt noch beeinflusst.

Friday, December 19, 2008

Mediendienste-RL: Nur Rumänien hat bisher umgesetzt

Ein Jahr ist vergangen seit dem Inkrafttreten der Änderung zur Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen, die seither "Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste" heißt (hier die konsolidierte Fassung). Und in genau einem Jahr, am 19. Dezember 2009, müssen alle Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Zur Halbzeit des Umsetzunsgzeitraums hat die Europäische Kommission nun in einer Aussendung mitgeteilt, wie es bisher um die Umsetzung steht: nur Rumänien hat die Richtlinie bereits umgesetzt. Sonst gibt es fertige Entwürfe nur in Frankreich und im flämischen Teil Belgiens, sowie Entwürfe für einen ersten Teil der Umsetzung auch in Irland und Österreich. Der parlamentarische Prozess (für die gesamte Umsetzung) wurde noch nirgends gestartet, für besonders "schleppendes Tempo" ausdrücklich gerügt werden von der Kommission Dänemark, Deutschland, Italien, Slowakei, Slowenien und Spanien, weil in diesen Mitgliedstaaten noch keine öffentlichen Anhörungen stattgefunden haben.

In Österreich, wie von der Kommission erwähnt, gibt es eine erste Regierungsvorlage für eine Novelle zum PrTV-G- und zum PrR-G (Gesetzestext, Erläuterungen) mit der die bestehenden Beschränkungen für Fernsehwerbung und Teleshopping im Privatfernsehbereich zurückgenommen und an die neue Richtlinie angepasst werden sollen (die Regelung im Privatradiobereich wäre auf Grund der RL nicht notwendig, erfolgt aber aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen). Ein fast wortgleicher Entwurf war bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingebracht worden (674 Blg NR 23. GP), konnte aber wegen der vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr behandelt werden.

Ähnliches gilt übrigesn für die Mediengesetz-Novelle, mit der die Sammlungstätigkeit der Nationalbibliothek für Online-Medien geregelt wird: auch hier wurde nach dem durch die Neuwahlen gestoppten ersten Anlauf nun neuerlich eine Regierungsvorlage eingebracht (ohne wesentliche Änderungen gegenüber dem bereits hier vorgestellten ersten Entwurf).

Thursday, December 18, 2008

Eine Frage der Bildung: weiß Helmut Pechlaner, wen oder was er im ORF-Publikumsrat vertritt?

Hon.Prof. Dr. Helmut Pechlaner, Präsident des WWF Österreich, hat heute erklärt,
"mit sofortiger Wirkung von seinem ÖVP-Sitz im ORF-Publikumsrat" zurückzutreten (siehe ots-Aussendung des WWF).

Blöd nur, dass es einen solchen Sitz gar nicht gibt. Helmut Pechlaner wurde nämlich weder von der ÖVP vorgeschlagen noch von ihr bestellt (und natürlich ist er, wie alle Mitglieder der Kollegialorgane des Österreichischen Rundfunks kraft Gesetzes in Ausübung dieser Funktion auch an keine Weisungen und Aufträge gebunden). Ein Vorschlagsrecht der politischen Parteien besteht nämlich nur für sechs Mitglieder des Stiftungsrats (§ 20 Abs 1 Z 1 ORF-G), nicht aber für Mitglieder des Publikumsrats. Für den Publikumsrat - er soll die Interessen der Hörer und Seher wahren - gibt es einen recht komplizierten Bestellmodus (im Detail in § 28 ORF-G geregelt), der sich so zusammenfassen lässt:
  • 12 Mitglieder werden von bestimmten Organisationen bestellt, nämlich von den vier Sozialpartnern (WKÖ, BAK, PräKo und ÖGB), von den Kammer der freien Berufe, der römisch-katholischen sowie der evangelischen Kirche, der Akademie der Wissenschaften und schließlich je ein Mitglied von den "Parteiakademien" (korrekt: "Rechtsträger der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien (BGBl Nr. 369/1984)" - das ist der einzige Bereich, in dem die Bestellung im formellen Einflussbereich der politischen Parteien liegt);
  • die weiteren Mitglieder sollen bestimmte "Bereiche bzw Gruppen" repräsentieren, und zwar: "die Hochschulen, die Bildung, die Kunst, der Sport, die Jugend, die Schüler, die älteren Menschen, die behinderten Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Volksgruppen, die Touristik, die Kraftfahrer, die Konsumenten und der Umweltschutz."
  • von letzteren werden 6 vom Publikum gewählt und 17 vom Bundeskanzler bestellt, und zwar aus Vorschlägen, die von Organisationen erstattet wurde, die für die genannten Gruppen bzw. Bereiche repräsentativ sind, "wobei für jeden Bereich ein Mitglied zu bestellen ist."
Helmut Pechlaner wurde für den Bereich Bildung bestellt (eine Begründung, warum eine Bestellung für einen bestimmten Bereich erfolgt, braucht der Bundeskanzler nicht zu geben). Ganz egal, welche politische Position Helmut Pechlaner auch vertritt, sein Sitz im Publikumsrat ist nicht deswegen schon ein "ÖVP-Sitz" - einem Vertreter des Bereichs Bildung hätte ich dieses Wissen schon zugetraut.

PS: Pechlaners Rücktritt soll ein Protest sein "gegen die Abqualifizierung und Verunglimpfung der Umweltorganisationen als 'Aktivisten und Demonstranten' durch Vizekanzler Josef Pröll." Pechlaners Protest sei ihm unbenommen - aber was hat eigentlich seine Funktion im Publikumsrat mit dieser konkreten politischen Frage zu tun? Warum tritt er nicht aus einer seiner (laut Publikumsrats-Website) "zahlreichen Funktionen im Tierhaltungs-, Tierschutz- und Umweltbereich" zurück, was näher am Thema wäre?

Tuesday, December 16, 2008

(Werbe)Fenster zu - es zieht (Geld ab)?

100 Millionen Euro sind in einer Diskussion über den ORF offenbar kein Geld - und ich meine jetzt nicht den vom Generaldirektor in dieser Größenordnung prognostizierten Jahresverlust 2008. Um gerade einmal 100 Millionen Euro unterscheiden sich nämlich auch jene Beträge, die innerhalb der letzten paar Tage von Ex-ORF-Generalintendant Gerhard Weis (im profil) einerseits und von ORF-Redakteur Armin Wolf (im Standard) andererseits über die Ausgaben für "österreichische" Werbung in "Werbefenstern" deutscher Privatsender genannt wurden.

Weis: "Rund 300 Millionen Euro (!) fließen jährlich (!) aus dem österreichischen Werbetopf zu ausländischen Privatsendern, die kaum nennenswerte Gegenleistungen für Österreich erbringen." (Rufzeichen im Original) Er führt das auf das ORF-Gesetz 2001 zurück und meint, dass die "Reparatur dieser und vieler anderer Bestimmungen dieses Gesetzes ... im Interesse aller österreichischen Medien dringend notwendig" scheint.

Armin Wolf schreibt: "Ähnlich unbeteiligt schaut man dabei zu, wie weitere 200 Millionen jährlich in den Werbefenstern deutscher Kommerz-Programme versendet werden, ohne dass dafür auch nur zehn Minuten Österreich-relevantes Programm entstehen. Eine Menge Themen also, für die Politiker durchaus zuständig wären."

Das Interview mit Gerhard Weis ordnete ich zunächst einmal gedanklich der Rubrik "News from the Nonsense Department" zu (als ich vor vielen Jahren noch regelmäßig den New Yorker las, gab es dort unter dieser Überschrift gelegentlich Notizen mit skurrilen Meldungen anderer Medien). Zwar ist es eigentlich bestürzend, welche Vorstellungen sich ein Ex-ORF-GD (der das Unternehmen in Zeiten der Mitgliedschaft Österreichs in der EU geführt hat!) über die gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen des Fernsehens macht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Weis bei einer Änderung des ORF-Gesetzes eine wesentliche Rolle spielen wird, dürfte doch eher gering sein.

Der Beitrag von Armin Wolf zeigt aber, dass die Weis'schen Fehlvorstellungen auch bei einer jüngeren, kritischen ORF-Generation verankert sind. Zwar sind es bei ihm hundert Millionen weniger, die an deutsche Kommerz-Programme fließen*), aber der Ansatz ist gleich: Politiker (also wohl Regierung und/oder Abgeordnete) sollen etwas dagegen tun. Unklar bleibt, wie sich Armin Wolf das vorstellt: soll das seit Jahrzehnten geltende Sendestaatsprinzip (nunmehr Art 2 der Mediendienste-RL, früher der Fernseh-RL) aufgegeben werden? Davon müsste erst einmal die Kommission und dann eine qualifizierte Mehrheit im Rat und das Parlament überzeugt werden. Da scheint die zweite Möglichkeit fast schon ähnlich realistisch: Austritt aus der EU, oder zumindest Abschaffung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit.

Auch bei den Hinweisen auf die Landeshauptleute und die Bundesregierung ist Armin Wolf nicht ganz bei den Fakten (aber vielleicht hält er es mit seinem TV-Chefredakteur Amon, der eine "tatsachennahe" Berichterstattung einforderte): einerseits gehen natürlich keine 34% der "ORF-Gebühren" (die es gar nicht gibt) an Land und Bund, sondern es werden gemeinsam mit dem Programmentgelt, und von der einhebenden ORF-Tochtergesellschaft klar ausgewiesen, die Rundfunkgebühren und (teilweise) Landesabgaben eingehoben, und andererseits zeigt sich auch "die Bundesregierung" nicht großzügig bei der Befreiung sozial Schwacher, schon gar nicht auf Kosten des ORF (siehe dazu schon näher hier). Der ORF - auch hier der Stiftungsrat - hat es in der Hand, die Programmentgelte anzupassen, ein Ausreden auf die gesetzlich (also nicht von der Regierung) vorgesehenen, seit langem im Wesentlichen unveränderten Befreiungen schiebt die Verantwortung gerade den "Politikern" zu, deren Einmischung sich Wolf sonst (zurecht) verbietet.

*) Fraglich scheint, ob die 300 oder 200 Millionen stimmen, oder ob es nicht um andere Beträge geht. Harald Fidler schreibt in seinem Buch von brutto(!) 180 Millionen; Walter Zinggl von der ORF-Enterprise wurde Anfang September dazu so zitiert: "Es sei den Vermarktungsagenturen der deutschen Werbefenster vergönnt, sich an ihrem Bruttoumsatz zu erfreuen. Nichtsdestotrotz, wer den Werbemarkt und seine Usancen kennt, weiß auch um seine Messgrößen". Schließlich wäre auch zu prüfen, was es mit dem angeblich völlig fehlenden Österreich-relevanten Programm auf sich hat.

EuGH: SMS-Mitteilungen können journalistische Tätigkeit sein

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme auch von gewinnorientierten Medienunternehmen musste es vielleicht einmal gesagt werden: grundsätzlich schließt Gewinnerzielungsabsicht nicht aus, dass das entstehende Produkt journalistische Zwecke verfolgt. Wörtlich sagte der EuGH in seiner heutigen Entscheidung der Rechtssache C-73/07 Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia:
"die Tatsache, dass eine Veröffentlichung ... mit der Absicht verbunden ist, Gewinn zu erzielen, [schließt] nicht von vorneherein aus, dass sie als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die 'allein zu journalistischen Zwecken erfolgt'. ... Ein gewisser kommerzieller Erfolg kann sogar die unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand eines professionellen Journalismus sein."
Das Verfahren betraf die Auslegung der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, nach deren Artikel 9 die Mitgliedstaaten "für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen" vorsehen können, allerdings nur insofern, "als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen."
In Finnland erscheint im Verlag von Satamedia eine Zeitung, deren "Hauptzweck die Veröffentlichung persönlicher Steuerdaten" ist. In dieser Zeitung werden jährlich "Namen und Vornamen von etwa 1,2 Millionen natürlichen Personen, deren Einkommen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, sowie auf 100 Euro genau deren Einkommen aus Kapital und Erwerbstätigkeit und Angaben zur Besteuerung ihres Vermögens" veröffentlicht. Die Daten werden legal von den Steuerbehörden bezogen. Strittig war nun die Weiterverarbeitung der Daten, denn Satamedia bietet auch einen SMS-Dienst an, "der es Nutzern von Mobiltelefonen ermöglicht, sich gegen Zahlung von etwa zwei Euro die in der Zeitschrift Veropörssi veröffentlichten Daten auf ihr Telefon senden zu lassen." Die Datenschutzbehörden wollten diesen Dienst untersagen. Der Oberste Verwaltungsgerichtshof ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung.

Der EuGH kommt zusammengefasst zum Ergebnis, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der RL 95/46/EG vorliegt, dass aber der SMS-Infodienst, wenn er "ausschließlich zum Ziel [hat], Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten," zulässig ist, weil er in diesem Fall "allein zu journalistischen Zwecken erfolgt". Bemerkenswert - gerade auch für Veröffentlichungen im Internet (zB in Blogs!) - sind die Ausführungen zur journalistischen Tätigkeit; der EuGH weist ausdrücklich (RNr. 60) darauf hin, dass "die Entwicklung und die Vervielfältigung der Mittel zur Kommunikation und zur Verbreitung von Informationen berücksichtigt werden" muss. Der Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – "ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt" –, ist daher nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich um eine Tätigkeit "allein zu journalistischen Zwecken" handelt. Ausdrücklich sagt der EuGH auch (RNr. 61): "Journalistische Tätigkeiten sind nicht Medienunternehmen vorbehalten".

Update 23.06.2010: Laut EMR-Newsletter 6/2010 hat das vorlegende finnische Gericht schließlich eine journalistische Tätigkeit im Ergebnis verneint und den Rechtsstreit zur Entscheidung an die Datenschutzkommission zurückverwiesen. Die Europäische Kommission hat in diesem Zusammenhang ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Finnland wegen mangelhafter Umsetzung der RL 95/46/EG eingeleitet (siehe die Presseaussendung der Kommission, die allerdings den Inhalt des EuGH-Urteils unrichtig referiert).

Update 13.02.2011: Die Sache geht vor dem EGMR weiter: der finnische Verwaltungsgerichtshof hat im fortgesetzten Verfahren nach der Vorabentscheidung durch den EuGH die Entscheidungen der Unterinstanzen behoben und dem Datenschutzrat aufgetragen, die Verarbeitung von Steuerdaten, wie sie 2002 durch die betroffenen Medieninhaber erfolgt ist, zu untersagen. Die Veröffentlichung der gesamten Steuerdatenbank sei keine journalistische Aktivität und nicht im öffentlichen Interesse geboten. Der Chefredakteur von Veropörssi wandte sich daraufhin an den EGMR, bei dem der Fall als Anttila gegen Finnland, Appl. no. 16248/10, anhängig ist. Er macht geltend, dass die Entscheidung des finnischen Verwaltungsgerichtshofes eine Vorzensur und damit eine Verletzung des Art 10 EMRK darstelle. Am 13.02.2012 teilte der EGMR mit, dass die Beschwerde dem Mitgliedstaat kommuniziert wurde (Statement of Facts).
Udpate 13.12.2013: Der EGMR hat die Beschwerde mit Entscheidung vom 19. November 2013, Anttila gegen Finnland (Appl. no. 16248/10) ratione personae zurückgewiesen, weil die Entscheidung der Datenschutzbehörde gegenüber den Unternehmen, die den SMS-Dienst betrieben, erlassen wurde, nicht aber gegenüber dem Beschwerdeführer selbst, und diesem daher kein Opferstatus im Sinne des Art 34 EMRK zukam.

Verschärfte Verschärfung: ORF-Geschäftsbericht 2007

Am 15. Dezember 2008 ist nun doch noch der ORF-Geschäftsbericht 2007 (pdf-download 7,69 MB!) erschienen. Wie jedes Jahr soll damit "die erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens" (Lindner im Bericht 2005, gleichlautend Wrabetz in den Berichten 2006 und 2007, jeweils im ersten Satz) dargestellt werden (ob dieser Textbaustein auch im kommenden Jahr verwendet wird?). Im Bericht geht es daher im Wesentlichen um eine Darstellung der "Highlights" (allein dieser Begriff kommt 22 mal vor) bzw. der "Höhepunkte" (dreizehn Nennungen), wobei etwa die "Dancing Stars" gleich an zehn verschiedenen Stellen hervorgehoben werden, zB schon im Vorwort des Generaldirektors, dann im Abschnitt Unternehmenspolitik einmal unter dem Stichwort Programmreform, und gleich darauf unter "Weitere (?) TV-Highlights", aber genauso auch im Abschnitt Technik ("herausragende Events im Studiobereich") oder bei den Onlineangeboten und beim Multitext.

Bei so vielen Highlights und Höhepunkten aus dem Programm bleibt die Information zum Unternehmen selbst sehr dünn. So wird lediglich der nackte Jahresabschluss ohne Anhang und ohne Lagebericht abgedruckt, und die wenigen ergänzenden Angaben in diesem Zusammenhang sind merkwürdig unvollständig. Zum Beispiel werden zwar die Tochtergesellschaften aufgezählt, darunter auch die Tourismusfernsehen GmbH (richtig: TW1 Tourismus Fernsehen GmbH) mit dem stolzen Hinweis auf eine Ergebnisverbesserung auf ein EGT von € 108.000, verschwiegen wird aber die TW1 Betriebsführungs GmbH (mit einem negativen Jahresergebnis von € -88.300). Hinweise auf Entwicklungen seit dem Ende des Geschäftsjahres 2007, die angesichts der seither vergangenen immerhin elfeinhalb Monate zu erwarten gewesen wären, fehlen gänzlich.

Für nähere Informationen zur Finanzlage des ORF wird die Öffentlichkeit wohl auf das zuletzt von Generaldirektor Wrabetz versprochene "Finanzierungshandbuch" warten müssen. Zu hoffen bleibt, dass es etwas konkreter wird als das "ORF-Finanzierungsbuch" aus dem Jahr 2000 (soweit ich weiß, war das nie online). Freilich enthält auch dieses alte "Finanzierungsbuch" einige Passagen, auf deren Wiederkehr im neuen Handbuch man fast wetten könnte - so hieß es zum Beispiel im Vorwort:
"Attraktives Programm, die Fortsetzung des Sparkurses und die optimale Nutzung des bestehenden Finanzierungspotentials sind die Eckwerte einer Strategie, die dem ORF auch in Zukunft eine starke Position im Wettbewerb sichern soll."
Unterzeichnet ist dieses Vorwort vom damaligen Generalintendant Gerhard Weis - und von Dr. Alexander Wrabetz, damals kaufmännischer Direktor des ORF.

In den Geschäftsberichten lässt sich inzwischen immerhin eines nachvollziehen: die verschärfte Wettbewerbssituation hat sich weiter verschärft und verschärft - ein paar Zitate aus den Berichten 2005 bis 2007 (ältere Berichte sind online nicht auffindbar):
  • "Wiederum verschärft hat sich für den ORF die Konkurrenzsituation mit in- und ausländischen elektronischen Medien." (2005, S. 8)
  • "Wiederum verschärft hat sich für den ORF die Konkurrenz mit in- und ausländischen Medien." (2006, S. 9)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF im Jahr 2007 weiter verschärft." (2007, S. 10)
  • "... hat sich die Wettbewerbssituation für den ORF in den vergangenen Jahren weiter verschärft." (2005, S. 38)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschärft." (2006, S. 24)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF im Jahr 2007 in besonderem Maße verschärft." (2007, S. 24)
In unsicheren Zeiten wie diesen ist es aber tröstlich, dass man sich auf manche Prognosen verlassen kann. So hat Generaldirektor Wrabetz im Vorwort zum Geschäftsbericht 2006 Folgendes angekündigt: "Auf Grund der fortschreitenden Digitalisierung wird sich der Konkurrenzdruck aber weiterhin dramatisch verschärfen, was sich auch bei den Marktanteilen auswirken wird." Und tatsächlich, schon im Vorwort zum Geschäftsbericht 2007 kann er festhalten, dass die Vorhersage eingetroffen ist: "Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung hat sich der Konkurrenzdruck verschärft, was sich auch auf die Marktanteile auswirkt."

PS: Das Sport-Spartenprogramm SPORT PLUS hat im Jahr 2007 angeblich 2.573 Stunden öffentlich-rechtliche Programmleistung erbracht: ich habe zufällig gestern und auch vor einigen Tagen kurz nach halb elf Uhr abends hineingeschaut und dabei jeweils mehrere Minuten lange vollkommen unmotivierte und unkommentierte Aneinanderreihungen von (oft technisch miserablen) Ausschnitten aus Sportereignissen im weiteren Sinn (einschließlich irgendwelcher Auto-Crash-Veranstaltungen) gesehen, fast ausschließlich Unfälle oder Unglücksfälle - brennende Autos, stürzende Skifahrer oder Motorradfahrer, abstürzende Skispringer etc. Öffentlich-rechtliches Sportfernsehen hätte ich mir irgendwie anders vorgestellt - aber so passt es wenigstens zu TW1.

Thursday, December 11, 2008

EGMR: gänzliches Verbot politischer Werbung im Fernsehen verstößt gegen Art 10 EMRK

In den meisten westeuropäischen Ländern, darunter zB Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich (nicht aber in Österreich), ist bezahlte politische Werbung im Fernsehen verboten. In einem heute verkündeten Urteil ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jedoch zum Ergebnis gekommen, dass ein generelles Verbot politischer Fernsehwerbung, wie es in Norwegen besteht, mit Art 10 EMRK nicht vereinbar ist (TV Vest und Rogaland Pensjonistparti gegen Norwegen, Appl. No. 21132/05).

Die Pensionistenpartei von Rogaland, einer Region im Südwesten Norwegens, die bei Wahlen nicht über 2,3% hinausgekommen war und in der redaktionellen Berichterstattung im Fernsehen praktisch nicht vorkam, hatte bei TV Vest drei politische Spots a 15 Sekunden geschaltet, die sieben Mal täglich während acht Tagen kurz vor den Regionalwahlen gesendet wurden. Die Spots sollten die Werte der Pensionistenpartei darstellen und enthielten auch eine Einladung, diese Partei zu wählen. Wie der EGMR ausdrücklich - in Abgrenzung zum Fall Murphy - festhält, enthielten die Spots keinen Inhalt, durch den die moralischen oder religiösen Überzeugungen der Seher verletzt werden konnten (wörtlich heißt es: "there is nothing to suggest that the adverts included any contents that might be liable to offend intimate personal convictions within the sphere of morals or religion."). Der Rundfunkveranstalter wurde wegen der Ausstrahlung von der Medienbehörde mit einer Geldstrafe (umgerechnet etwa 3800 €) belegt. Die angerufenen nationalen Gerichte hielten die Strafe aufrecht; der Oberste Gerichtshof (der auch Verfassungsgericht ist) setzte sich in seinem Urteil ausführlich mit der Judikatur des EGMR, insbesondere den Fällen VgT und Murphy, auseinander; auch im abweichenden Sondervotum, das vom EGMR noch umfassender als das Urteil zitiert wird, erfolgt eine differenzierte Auseinandersetzung mit Art 10 EMRK.

Der EGMR schlägt sich im Ergebnis auf die Seite der dissenting opinion im nationalen Verfassungsgericht. Außer Streit steht, dass das Verbot politischer Werbung ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit ist, der auch im Gesetz vorgesehen ist und ein legitimes Ziel verfolgt, nämlich den Schutz der Rechte anderer. Strittig war damit nur, ob der Eingriff auch "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" ist. Dabei beziehen sich alle Verfahrensparteien wie auch der EGMR ausführlich auf ein Hintergrundpapier über politische Werbung der EPRA (Europäische Plattform der Regulierungsbehörden), in dem die Situation in 30 europäischen Ländern dargestellt wird. Demnach gibt es in 13 Staaten ein gesetzliches Verbot bezahlter politischer Werbung, in zehn Staaten ist sie erlaubt, in 11 Staaten bestehen auch Regelungen über die Zurverfügungstellung von "airtime" für politische Parteien und Kandidaten während des Wahlkampfs (darunter auch in Staaten, in denen bezahlte politische Werbung verboten ist).

Der EGMR schließt aus dieser Übersicht, dass die Unterschiedlichkeit der Regelungen dafür spricht, einen etwas größeren Beurteilungsspielraum zuzulassen, als er üblicherweise bei Eingriffen in die Freiheit politischer Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK anerkannt wird. Der EGMR anerkennt auch die Ziele des Verbots, insbesondere dass nur Fernsehwerbung - wegen des "powerful and pervasive impact" dieses Mediums - verboten ist, dass damit auch die Wahlkampfkosten und die Abhängigkeit der Kandidaten von Spenden begrenzt würden, und dass schließlich auch ein "level playing field" und der Schutz der Integrität des demokratischen Prozesses erreicht werden sollte. Wohlhabende Parteien bzw Kandidaten sollten nicht dadurch einen Vorteil haben, dass sie sich Werbung im wirkungsmächtige Fernsehen leisten können, und außerdem sollte die politische Objektivität des Fernsehens gewahrt werden. Der EGMR dazu: "These are undoubtedly relevant reasons ... However, the Court is not convinced that these objectives were sufficient to justify the interference".

Zunächst war gerade die Pensionistenpartei keine der besonders finanzstarken Parteien, die einen besonderen Vorteil aus der Fernsehwerbung ziehen hätten können - im Gegenteil. Anders als die großen politischen Parteien, die in der redaktionellen Berichterstattung breit vorkamen, war über die Pensionistenpartei fast überhaupt nicht berichtet worden (und wenn, dann überwiegend nur wegen des Verfahrens gerade über die gegenständliche politische Werbung). Auch waren die konkreten Spots nicht geeignet, die Qualität der politischen Debatte zu schmälern, und insbesondere - im Unterschied zum Fall Murphy - "it does not appear that the advertising could give rise to sensitivities as to divisiveness or offensiveness making a relaxation of the prohibition difficult."

Der norwegischen Regierung gelang es damit nicht aufzuzeigen, dass es keine gangbare Alternative zu einem vollständigen Verbot politischer Fernsehwerbung gegeben hätte, sodass ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vorliegt.

In zumindest 13 europäischen Staaten wird man sich nun Gedanken machen müssen, ob die jeweiligen Verbotsregelungen den strengen Verhältnismäßigkeitstest durch den EGMR bestehen können.

PS: Die Hintergrundpapiere der EPRA sind nicht nur für den EGMR ein guterAusgangspunkt, wenn man eine Übersicht über aktuelle Medienregulierungsthemen in Europa will; zuletzt etwa ein kurzes Übersichtsdokument über die Rolle von Regulierungsbehörden bei der Aufsicht über öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter.
PPS (update 12.12.2008): besonders hinweisen muss ich natürlich auf den Beitrag von Klaus Kassai, Politische Werbung im Fernsehen (hier zu lesen), mit einer umfassenden Analyse der österreichischen Situation.
Noch ein update (14.12.2008): Daithí Mac Síthigh auf Lex Ferenda stellt die Entscheidung im Kontext auch jüngster Entscheidungen von Ofcom (1, 2) und des House of Lords dar, sowie der irischen Situation dar, auch mit Links auf weitere Blogs, die sich mit dem Urteil befassen (OfcomWatch, MediaPal@LSE, Adrian Monck).

Und noch ein update (9.2.2012): Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 12.12.2011, B 1672/10, unter anderem unter Bezugnahme auf das hier besprochene Urteil,  ausgesprochen, dass § 13 Abs 3 ORF-G (wo von kommerzieller Werbung die Rede ist) verfassungskonform dahin zu verstehen ist, dass er auch nicht-kommerzielle, ideelle Werbung erfasst.

Wednesday, December 10, 2008

Beispielhafte Praxis: EU-Kommission lobt Österreich für DVB-H

Mobiles Fernsehen hat bislang europaweit noch nicht ganz so abgehoben wie sich das die Europäische Kommission gewünscht hat. Nachdem die Kommission sich im März dieses Jahres auf den DVB-H-Standard festgelegt hat (basierend auf Art 17 der RahmenRL), hat sie heute "Leitlinien für die Genehmigung von Mobilfernsehdiensten" beschlossen (so heißt es in der Presseaussendung; formal ist es eine Mitteilung mit dem Titel: "Rechtsrahmen für Mobilfernsehnetze und -dienste: Beispielhafte Genehmigungspraxis – das EU-Modell"). Die Kommission will damit "ihr starkes Engagement für den Ausbau neuer Dienste für die europäischen Verbraucher" demonstrieren; aber die knapp elf Seiten der Mitteilung umfassen eigentlich nur eine eher luftige Zusammenfassung von "best practices", von denen sich die Kommission wünscht, dass sie von den Mitgliedstaaten beachtet werden.

Österreich gehört zu den nur vier Mitgliedstaaten (neben Italien, Finnland und den Niederlanden), in denen - nach Ansicht der Kommission - eine "erfolgreiche kommerzielle Einführung des Mobilfernsehens" stattgefunden hat. Gesonderte Rechtsvorschriften für Mobilfernsehen gibt es nur in Österreich, Finnland, Frankreich und Deutschland. Bei der Beurteilung der drei Hauptregulierungsmodelle, die von der Kommission in Europa ausgemacht werden, schneidet Österreich mit seinem "integrierten Ansatz" am besten ab (Seite 5 der Mitteilung); die Kommission sieht diesen Zugang als "beispielhafte Praxis", nach dem sich nationale Genehmigungsregelungen für das Mobilfernsehen richten sollten.

Und weil sich die Kommission offenbar gar so freut, dass Österreich hier vorangeht, ist sie auch in der sonstigen Beurteilung milde: so weist sie zwar (auf Seite 9 der Mitteilung) darauf hin, dass "keine Übertragungspflichten im Mobilfernsehen auferlegt werden dürfen", verzichtet aber darauf, die österreichische Regelung in § 25a Abs. 5 Z 6 PrTV-G, die genau solche must carry-Bestimmungen (allerdings befristet bis Ende 2009) enthält, besonders hervorzuheben.