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Sunday, July 13, 2008

116123: Telefonseelsorge vom ORF (oder vom Roten Kreuz?)

Wahrscheinlich konnte man sich in der EU-Kommission nicht recht vorstellen, weshalb ein Rundfunkveranstalter Telefonseelsorge anbieten sollte: in einer aktuellen Presseaussendung der Kommission wird daher der ORF, der die neue Nummer für die Telefonseelsorge 116123 reserviert hat - als "Austrian Red Cross" übersetzt (auch in der deutschen Fassung).

Es ist aber tatsächlich der österreichische öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter, der sich diese Nummer gesichert hat (siehe RTR-Nummernabfrage). Der ORF will also in Österreich das tun, was die lutherische Kirche in Finnland oder die schwedische Kirche in Schweden tut: einen Dienst anbieten, der "dem Anrufer einen menschlichen Ansprechpartner [bietet], der ihm vorurteilsfrei zuhört. Er leistet seelischen Beistand für Anrufer, die unter Einsamkeit leiden, eine Lebenskrise durchmachen oder Suizidgedanken hegen." Und auch wenn der Unternehmensgegenstand des ORF neben der Veranstaltung von Rundfunk und der Veranstaltung von Online-Diensten und Teletext sowie dem Betrieb der notwendigen technischen Einrichtungen nur "Geschäfte und Maßnahmen" umfasst, die für die genannten Tätigkeiten oder deren Vermarktung geboten sind, darf die Beratung natürlich nicht nur für Lebenskrisen angeboten werden, die mit dem Radio- oder Fernsehprogramm zusammenhängen (die Nutzungsbedingungen für die Rufnummer 116123 ergeben sich aus den §§ 24a bis 24g KEM-V).

Die Motivation des ORF, in Hinkunft Telefonseelsorge anzubieten, ist mir nicht ganz klar: ich hätte mir erwartet, dass sich der ORF die Nummer 116111 (Hotline für Hilfe suchende Kinder) sichert. Unter dieser Nummer hätte im Wesentlichen der schon jetzt vom ORF unter der nationalen Notrufnummer 147 ("Rat auf Draht") erbrachte Dienst angeboten werden können (sogar mit dem Vorteil, dass die Auflagen für die Nutzung dieser Nummer weniger streng wären als jene für die Nutzung der Notrufnummer - die vom ORF nach eigenem Eingeständnis ohnehin nicht eingehalten werden können). Aber Telefonseelsorge? Auch das "Elterntelefon", das vom ORF gewissermaßen als Komplementärangebot zu "Rat auf Draht" beworben wird, passt ja nicht auf die Beschreibung des unter 116123 zu erbringenden Telefonseelsorge-Dienstes. Aber vielleicht steht auch einfach eine Kooperation mit den Kirchen bevor, die derzeit Träger der nationalen Telefonseelsorge-Notrufnummer 142 sind (diese Nummer ist derzeit bundesländerweise den jeweiligen Dözesen der katholischen Kirche zugeteilt).
Update 15.7.2008: Mag. Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, hat darauf hingewiesen, dass die "Ö3-Kummernummer" des ORF, die vom Roten Kreuz betreut wird, unter der neuen Rufnummer angeboten werden soll!

Die Presseaussendung der Kommission ist übrigens wieder ein Beispiel für die einigermaßen merkwürdige Kommunikationspolitik von Kommissarin Reding. Zunächst hat sie die Einführung der 116er-Rufnummern als populistische Aktion trotz Bedenken über die Rechtsgrundlage (dazu schon hier) durchgesetzt und als großen Schritt gefeiert. Die Entscheidung (Änderung) sah freilich keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, tatsächlich für entsprechende Dienste zu sorgen - was die Kommissarin freilich nicht hinderte, in einem "Factsheet" (die Anführungszeichen sind hier wichtig) die EU-BürgerInnen aufzurufen, eine 116er-Nummer zu wählen, wenn sie Hilfe brauchen - und dies zu einem Zeitpunkt, in dem in ganz Europa noch keine einzige 116er-Nummer erreichbar war! Und nun, nachdem sie bemerkt hat, dass die Begeisterung für die neuen Nummern eher gering ist, wirft sie in ihrer Presseaussendung den Mitgliedstaaten "Verspätung" vor. Mit den Fakten nimmt sie es - wie üblich (siehe auch hier) - nicht besonders genau: so steht etwa bei Österreich, dass die Vorbereitungsarbeiten für die Nummer 116000 und 116111 noch nicht abgeschlossen wären. Tatsächlich sind diese Nummern aber längst in der KEM-V festgelegt, die RTR hat auch schon zur Beantragung aufgerufen - und mehr ist eben nicht notwendig.

5 comments:

  1. Nicht übersetzt, sondern ergänzt.

    Lieber Herr Lehofer,

    unter der Rufnummer 116123 wird der ORF gemeinsam mit dem Österreichischen Roten Kreuz die bekannte und bewährte Ö3-Kummernummer anbieten, die seit vielen Jahren unter 0800/600 603 erreichbar ist und gemeinsam vom Hitradio Ö3 und dem Österreichischem Roten Kreuz angeboten wird und tausenden Menschen genau jene Hilfestellung gibt, die unter der Leistungsbeschreibung der Rufnummer angegeben ist.

    Keine Mystifikation also, sondern gutes Engagement aus Liebe zum Menschen.

    LG Gerry Foitik
    Österreichisches Rotes Kreuz

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  2. Danke für den Hinweis, auf diese Idee - dass aus der ö3-Kummernummer eine auch international ausgerichtete Lebenshilfe-Hotline werden soll - wäre ich tatsächlich nicht gekommen. Dennoch halte ich die Erwähnung des Roten Kreuzes in der Presseaussendung für unzutreffend, da die Rufnummernzuteilung an den ORF erfolgte, den damit natürlich auch alle damit zusammenhängenden Verpflichtungen treffen. Nach der Website des ORF ist die ö3-Kummernummer derzeit übrigens unter 0800 600 607 erreichbar, die Nummer 0800 600 603 kenne ich nur als ö3 Ticketservice (aber vielleicht helfen auch gute Tickets gegen eine Lebenskrise).

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  3. Ja, die Erwähnung ist unzutreffend, da haben sie recht.
    Eine internationale Ausrichtung kann ich nicht erkennen, nur weil der Rufnummernplan international harmonisiert ist, aber eine viel internationalere Organisation als das Rote Kreuz werden Sie vermutlich nicht finden :-)
    und: ja, ich hab mich leider vertippt: 0800 600 607 natürlich.

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  4. Mit der "internationalen Ausrichtung" meinte ich einerseits, dass Zuteilungsvoraussetzung für diese Nummer ja auch war, dass der ORF nach § 24e KEM-V den Nachweis zu erbringen hatte, Mitglied in einer internationalen Organisation im Bereich der Lebenshilfe zu sein, und andererseits dass es nach der Art 2 der Kommissionsentscheidung um einen Dienst geht, der für Besucher aus anderen Mitgliedstaaten von Wert ist. Die Kommission wünscht sich - ohne dass dies allerdings in der Entscheidung rechtlich verbindlich so festgelegt wäre - dass der Dienst auch in anderen Sprachen der Gemeinschaft verfügbar sein sollte. Ich zweifle freilich nicht daran, dass das ÖRK als Dienstleister für den ORF in der Lage ist, diesen Dienst zu erbringen.

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  5. Auch wenn der Post ziemlich alt ist: Ihre Aussage "... der ORF, der die neue Nummer für die Telefonseelsorge 116123 reserviert hat - als "Austrian Red Cross" übersetzt..." ist falsch, immerhin steht bei den Tschechen auch "Telefonica O2 (Safety Line Association)", das scheint also von einer Übersetzung weit entfernt zu sein!

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