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Tuesday, January 29, 2008

EuGH zur Weitergabe der IP-Adressen von Filesharern

Kein Gebot, aber auch kein definitives Verbot - und über allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So lässt sich das heutige Urteil des EuGH in der Rechtssache C-275/06 Promusicae zusammenfassen.

Die Mitgliedstaaten sind demnach nicht verpflichtet, nationale Regelungen vorzusehen, nach denen Betreiber von Telekommunikationsnetzen verpflichtet werden, IP-Adressen von P2P-Nutzern an Urhebergesellschaften zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche herauszugeben - es ist ihnen aber auch nicht generell verboten. Jedenfalls muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten (zu denen sowohl das Eigentumsrecht als auch das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und damit des Privatlebens fällt) sichergestellt werden und die gefundene Auslegung der Richtlinien und des nationalen Rechts darf auch nicht mit allegemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kollidieren.

Allzu deutlich ist der EuGH damit nicht geworden, und die - im Vorlageverfahren noch nicht anzuwendende - Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten wird erwartungsgemäß mit keinem Wort erwähnt. [Die Generalanwältin hatte in ihren Schlussanträgen (siehe dazu schon hier) noch darauf hingewiesen, dass diese RL dazu führen könnte, "den gemeinschaftsrechtlichen Datenschutz in Bezug auf Streitigkeiten wegen Verletzungen des Urheberrechts zu stärken." ]

Dennoch kann der prominente und wiederholte Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch als Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalanwältin verstanden werden, die unter Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insbesondere auch zum Ergebnis gekommen ist , dass "die Angemessenheit der Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten ... bei der Einbindung staatlicher Stellen besser gewährleistet" werde und "die Möglichkeit der Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten auf besonders schwerwiegende Fälle beschränkt werden" könne, "etwa auf Taten in der Absicht, Gewinn zu erzielen, d. h. eine rechtswidrige Nutzung geschützter Werke, die ihre wirtschaftliche Verwertung durch den Inhaber des Rechts erheblich beeinträchtigt."

Hier noch die Beantwortung der Vorlagefrage im Wortlaut (das ganze Urteil ist auf der Website des EuGH verfügbar):
"Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) gebieten es den Mitgliedstaaten nicht, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf einen effektiven Schutz des Urheberrechts die Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sind gemäß dem Gemeinschaftsrecht jedoch dazu verpflichtet, sich bei der Umsetzung dieser Richtlinien auf eine Auslegung derselben zu stützen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit diesen Richtlinien auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert."

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