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Sunday, November 18, 2007

Der EGMR zur "Jagdgesellschaft"

Der Begriff der "Jagdgesellschaft" ist in der gegenwärtigen politischen Diskussion ziemlich eindeutig besetzt: durchsucht man etwa die APA-OTS-Datenbank, so stammen fast alle Aussendungen des Jahres 2007 , in denen der Begriff "Jagdgesellschaft" vorkommt, entweder von der Freiheitlichen Partei oder vom Bündnis Zukunft Österreich, eine auch vom Österreichischen Pennäler Ring. Auch in den Vorjahren zieht sich das im Wesentlichen so durch, wenngleich auch der (damalige) ÖVP-Generalsekretär Lopatka im Jahr 2006 diesen Begriff mehrfach in Aussendungen gebraucht hat.

Auch im rechten Wochenblatt "Zur Zeit", das nach eigenen Angaben "gegen den linken Tugendterror, der mit der Faschismuskeule unabhängiges Denken und Publizieren verhindern möchte" eintritt, kam der Begriff der Jagdgesellschaft vor. Er richtete sich gegen den Publizisten Karl Pfeifer, dem von einem gewissen M., "former Chairperson of the Freedom Party's Academy", vorgeworfen wurde, Mitglied einer Jagdgesellschaft gewesen zu sein, die einen konservativen Politologen in den Tod getrieben habe. Pfeifer klagte wegen übler Nachrede, gewann in erster und verlor in zweiter (und letzter) Instanz (OLG Wien). Er brachte die Sache vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der nun - sechs Jahre später - in seinem Urteil vom 15. November 2007 (Appl. No. 12556/03 Pfeifer v. Austria) eine Verletzung des Art 8 EMRK feststellte: Österreich habe es verabsäumt, den guten Ruf des Betroffenen zu schützen.
Kern der Entscheidung ist wieder einmal die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK und dem Recht auf Achtung des guten Rufs, das sich aus Art. 8 EMRK herleitet. Der EGMR, der wie in allen Fällen der jüngeren Vergangenheit auch diesmal eine Feinprüfung in der Art eines Berufungsgerichtes vornimmt, kommt zunächst einmal zum Ergebnis, dass der Vorwurf, Mitglied einer Jagdgesellschaft zu sein, die jemanden in den Tod getrieben hat, als Tatsachenbehauptung zu verstehen ist. Selbst wenn man aber darin ein Werturteil erblicken sollte, hätte es keine ausreichende Tatsachengrundlage:
"The use of the term 'member of a hunting society' implies that the applicant was acting in cooperation with others with the aim of persecuting and attacking P. There is no indication, however, that the applicant, who merely wrote one article at the very beginning of a series of events and did not take any further action thereafter, acted in such a manner or with such an intention."
Richter Loucaides (zuletzt hervorgetreten in der Sache Lindon mit einer Umkehrung des "chilling effects"-Grundsatzes) begrüßte zwar ausdrücklich, dass erstmals ganz klar der Schutz des guten Rufs einer Person als unter Art 8 EMRK fallend festgestellt wurde, schloss sich aber der Mehrheitsmeinung nicht an. Ebenfalls eine abweichende Meinung vertrat Heinz Schäffer, der als ad hoc-Richter in diesem Fall eintrat. Schäffer stützt sich auch auf die Frage, welche Bedeutung dem Begriff "Jagdgesellschaft" zukommt:
"At any rate, in the German language the phrase 'Jagdgesellschaft' (hunting society/hunting party) – as a language statement – does not necessarily mean an organised group of consciously active collaborators, it very often also refers to a spontaneous social phenomenon: parallel action or an agitated mass."
Als Rechtsbegriff ist die Jagdgesellschaft in den Landesjagdgesetzen definiert; "spontane" Jagdgesellschaften gibt es hier nicht, in der Regel wird ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag verlangt (zB § 26 Sbg Jagdgesetz, § 27 NÖ-JG), oder es handelt sich um einen "Verein, dessen satzungsgemäßer Zweck die Pachtung eines Jagdausübungsrechtes ist" (§ 18 Abs 4 Kärntner JG).

Angebliches Opfer nicht nur einer Jagdgesellschaft, sondern gleich einer Treibjagd ist übrigens ein EGMR-bekannter "Austrian citizen born in 1950 and residing in Klagenfurt", der derzeitige Kärntner Landeshauptmann und Kulturreferent Dr. J.H. (so wurde er zuletzt etwa in einer Entscheidung des Bundeskommunikationssenats "anonymisiert"); siehe dazu hier.

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