In der Rechtssache C-195/06 KommAustria/ORF hatte der EuGH nicht nur die Fernsehrichtlinie auszulegen (siehe zu dieser Frage hier), sondern musste auch klären, ob der Bundeskommunikationssenat (BKS) ein vorlageberechtigtes nationales Gericht im Sinne des Art 234 EG ist. Da es sich nach nationalem Recht um eine Verwaltungsbehörde - wenn auch "mit richterlichem Einschlag" und verfassungsrechtlich gesicherter Unabhängigkeit - handelt, hatte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (siehe dazu hier) vor der Gefahr der "Einmischung einer Verwaltungsbehörde in einen Dialog zwischen Richtern" gewarnt und die Vorlageberechtigung des BKS bezweifelt.
Der EuGH ist den Bedenken des Generalanwalts in diesem Punkt nicht gefolgt. In Rnr. 19-21 heißt es dazu:
"Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Gerichtshof zur Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein Gericht im Sinne von Art. 234 EG handelt, auf eine ganze Reihe von Gesichtspunkten ab, wie z. B. gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit (vgl. insbesondere Urteile vom 31. Mai 2005, Syfait u. a., C‑53/03, Slg. 2005, I‑4609, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. Juni 2007, Häupl, C‑246/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 16).
Zum einen lassen die Bestimmungen der §§ 11, 11a und 12 KOG zweifelsfrei erkennen, dass der Bundeskommunikationssenat die Kriterien bezüglich der gesetzlichen Grundlage, einer ständigen und obligatorischen Gerichtsbarkeit, des streitigen Verfahrens und der Anwendung von Rechtsnormen erfüllt.
Zum anderen gewährleistet § 12 KOG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Unabhängigkeit des Bundeskommunikationssenats.
Demnach ist der Bundeskommunikationssenat als Gericht im Sinne von Art. 234 EG anzusehen, so dass seine Fragen zulässig sind."
Während alle anderen Aspekte meines Erachtens unproblematisch sind, ist die Frage des "streitigen Verfahrens", von dem der EuGH hier ohne weiteres ausgeht, nicht so evident.
Der BKS entscheidet im vorliegenden Fall (betroffen ist eine behauptete Rechtsverletzung des ORF) in erster Instanz gemäß §§ 35ff ORF-G. Nach § 2 Abs 1 Z 7 KommAustria-Gesetz hat die KommAustria zwar die Einhaltung der werberechtichen Bestimmungen des ORF-G zu "beobachten" und nach § 11a KommAustria-Gesetz an den BKS Anzeige zu erstatten; vor dem BKS hat die KommAustria allerdings keine Parteistellung, nicht einmal ein unbedingtes Anhörungsrecht (der BKS ist bloß ermächtigt, die KommAustria zu hören, er muss dies aber nicht tun).
Insofern ist schon die offizielle Bezeichnung der Rechtssache vor dem EuGH als "Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) gegen Österreichischer Rundfunk (ORF)" missverständlich. Der Telekom-Control-Kommission, ebenfalls eine unabhängige Verwaltungsbehörde mit allen Garantien eines Tribunals, hat der EuGH in einer vergleichbaren Angelegenheit (ebenfalls ein erstinstanzlich anhängiges Einparteienverfahren) relativ knapp beschieden, dass "kein Rechtsstreit" vorliege (Rs C-256/05 Telekom Austria).
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