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Wednesday, March 07, 2007

Skandal! Urteil! Richterstaat!

"The applicant is an Austrian citizen born in 1950 and residing in Klagenfurt." Diesen Textbaustein (aus der Unzulässigkeitsentscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission in Haider v. Austria, Application No. 25060/94) könnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bald wieder einmal einsetzen. Denn der solcherart angesprochene "politician and leader of the Austrian Freedom Party" ließ - immer noch als Politiker, bloß einer anderen Partei (oder auch nicht) - ankündigen, dass er in einem aktuellen medienrechtlichen Streitfall "den Weg durch die Instanzen antreten werde. 'Wenn es sein muss, bis zum Europäischen Gerichtshof'" (damit dürfte wohl der EGMR gemeint sein, nicht der EuGH, obwohl man sich auch da manchmal nicht so sicher sein kann, siehe etwa hier).

Ausgangspunkt der Streitigkeit war eine Presseaussendung des FPÖ-Generalsekretärs, in der Landeshauptmann Haider als "abgewrackter Altpolitiker" bezeichnet wurde, der "längst zum Systemerhalter mit vollen Taschen und leerem Herzen mutiert" sei und dessen Aussagen "jedenfalls auf veritable psychische Probleme schließen" ließen. Umgehend kündigte Stefan Petzner (nunmehr geschäftsführender Landesparteiobmann des BZÖ Kärnten) an, dass "rechtliche Schritte" gegen den FPÖ-Generalsekretär - von Petzner als "der Herr mit dem unaussprechlichen Namen" bezeichnet - geprüft würden.

Und nun liegt nach Pressemeldungen die (erstinstanzliche, nicht rechtskräftige) Entscheidung des Landesgerichts Wien vor. Die Entscheidung ist nicht veröffentlicht, laut Aussendung der FPÖ hat das Gericht die Aussendung ihres Generalsekretärs als zulässiges Werturteil angesehen. Die Reaktion von BZÖ-Vertreter Petzner dazu: "ein beispielloser Skandal der österreichischen Rechtsgeschichte. Dieses Skandal-Urteil zeigt einmal mehr, dass der rot-schwarze Richterstaat längst den unabhängigen österreichischen Rechtsstaat abgelöst hat."

Petzners "einmal mehr" bezieht sich wohl auf seine Presseaussendung vom Tag zuvor, in der er meint, dass an diesem Tag "der rot-schwarze Richterstaat die Treibjagd auf den Kärntner Landeshauptmann Haider eröffnet" habe (§ 36 Kärntner Jagdgesetz versteht unter Treib- bzw Riegeljagden übrigens "Jagden, bei denen Wild den Schützen zugetrieben oder zugedrückt wird"). Auch Landeshauptmann Haider selbst hat sich schon öfter (zB hier, hier und hier) vom "rot-schwarzen Richterstaat" verfolgt gesehen.

Bemerkenswert aber ist die Hoffnung auf den EGMR (falls Haider auch im Instanzenzug gegen Vilimsky verlieren sollte), denn dieser war zwar schon mehrfach mit Fragen der Meinungsäußerungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Kärntner Landeshauptmann befasst, das Ergebnis dürfte aber aus der Sicht Haiders bisher wohl eher weniger zufriedenstellend sein - etwa in den folgenden Fällen:
  • Haider v Austria, Application No. 25060/94: Haider sah sich durch die Berichterstattung über ihn im ORF in seinen Rechten nach Art 10 EMRK verletzt (im Kern ging es um ein ZIB 2-Interview mit Josef Broukal nach den Wiener Gemeinderatswahlen im November 1991): die Europäische Menschenrechtskommission ließ die Beschwerde nicht zu, sie war "manifestly ill founded"
  • Oberschlick v Austria (No 2), Application No. 20834/92: der Journalist Gerhard Oberschlick hatte in der Zeitschrift Forum als Reaktion auf eine Rede Haiders geschrieben: "Ich werde Jörg Haider erstens keinen Nazi nennen, sondern zweitens einen Trottel." Die dafür erfolgte Verurteilung Oberschlicks wegen Beleidigung wurde vom EGMR als Verletzung des Art 10 beurteilt.
  • Unabhängige Initiative Informationsvielfalt v. Austria, Application no. 28525/95: das OLG Wien hatte den im "TATblatt" gegen Haider geäußerten Vorwurf der "rassistischen Hetze" als (unrichtige) Tatsachenbehauptung beurteilt und dem Unterlassungsbegehren Haiders stattgegeben (die ao Revision wurde vom OGH zurückgewiesen) - der EGMR sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK.

Erfolgreich war Haider vor dem EGMR in einem Fall, der nicht unter seinem Namen, sondern dem eines weiteren Antragstellers bekannt wurde: Informationsverein Lentia and others v. Austria. In dieser Sache stellte der EGMR fest, dass das damals bestehende österreichische Rundfunkmonopol nicht mit Art 10 EMRK vereinbar war.

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