Wenn Peter Hörmanseder (von maschek) im Zeit-Blog das Transkript eines höchst skurrilen Telefonates veröffentlicht, dann ist die erste Annahme natürlich: das muss erfunden sein, so wie die Dialoge in den voice-overs, für die maschek bekannt ist.
Und ganz sicher bin ich mir ja noch immer nicht, dass das Telefonat des angeblichen Journalisten der "Österreich"-Zeitung mit dem in einer Bank verschanzten Geiselnehmer wirklich so stattgefunden hat. Aber die nun mit einer gewissen Verzögerung doch eingetretene allgemeine Entrüstung einerseits und Leugnung jedes Fehlverhaltens durch Wolfgang Fellner andererseits (beides auf derStandard.at nachzulesen) machen die Sache doch recht glaubwürdig.
Demnach dürfte es stimmen: ein Mitarbeiter von "Österreich" ruft während einer Geiselnahme in der betroffenen Bank an, lässt sich von einem Bank-Mitarbeiter ("Das heißt, Sie sind Geisel?") mit dem Geiselnehmer verbinden und - der Mann muss Sportreporter gelernt haben - fragt dann, wie es dem Geiselnehmer so geht (ihm selbst übrigens, sagt der Mitarbeiter von "Österreich", "geht's ausgezeichnet").
Nachdem also die Befindlichkeiten geklärt waren und glücklicherweise die Geiselnahme später ohne weitere Zwischenfälle beendet werden konnte, setzt nun die Debatte ein, ob das Vorgehen des "Österreich"-Mitarbeiters dem journalistischen Berufsethos entsprochen hat oder gar strafrechtlich zu beurteilen wäre (von möglicher Gefährdung der körperlichen Sicherheit - § 89 StGB - oder fahrlässiger Gemeingefährdung - § 177 StGB - ist die Rede).
Der konkrete Fall soll hier nicht vertieft werden, aber er gibt Anlass, auf die seit Jahren offene Situation der Selbstregulierung in Fragen der journalistischen Berufsethik hinzuweisen. Während etwa in Deutschland und der Schweiz - in unterschiedlichen Formen - Presseräte als Selbstkontrolleinrichtungen bestehen (Schweizer Presserat, Deutscher Presserat), ist der österreichische Presserat 2002 "entschlafen" - eine wirkliche Erfolgsgeschichte war er zu diesem Zeitpunkt trotz vierzigjähriger Geschichte ohnehin längst nicht mehr, da sich gerade jene, die regelmäßig Anlass für ein Einschreiten gaben, nicht mehr beteiligten. Der sogenannte Ehrenkodex der österreichischen Presse ist seither ohne jegliches enforcement, aber auch eine Modernisierung wie in Deutschland (Pressekodex) oder der Schweiz (Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten und Richtlinien des Schweizer Presserats) hat nicht stattgefunden.
Journalistische Berufsausübung stützt sich auf die durch die Verfassung garantierte Pressefreiheit, trägt aber auch Verantwortung für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der von der journalistischen Tätigkeit Betroffenen - gerade in diesem heiklen Bereich gäbe es Bedarf an einem gewissen "standard setting" in Selbstverantwortung der Medien und ihrer JournalistInnen.
Das aktuelle Geschehen - das im österreichischen, ohnehin wirkungslosen Ehrenkodex anders als im deutschen Pressekodex (dort auf Grund eines anderen Anlassfalls) nicht ausdrücklich geregelt ist - könnte Anlass sein, die Bemühungen um eine neue Form der Medien-Selbstkontrolle in Österreich zu verstärken. Immerhin liegt mit einer Studie des Medienhauses Wien (Zusammenfassung; als Buch im Lit Verlag erschienen) ein guter Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen vor.
Dass aber trotz fehlendem Presserat und einem nicht aktuellen Ehrenkodex im journalistischen Berufsleben selbst des zu aktueller Berühmtheit gekommenen "Österreich"-Reporters die Ehre nicht ganz verloren ist, zeigt schon die Eröffnung des Telefonats, hier wiedergegeben nach dem Transkript im Zeit-Blog:
"Journalist: Guten Tag, ich wollte mit dem Herrn sprechen, der dort mit ein paar Leuten drinnen sitzt. Mit wem hab ich die Ehre?"
Ein PS aus telekommunikationsrechtlicher Sicht: § 78 TKG 2003 untersagt die missbräuchliche Verwendung von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen. Als missbräuchliche Verwendung gilt unter anderem jede Nachrichtenübermittlung, welche die öffentliche Sicherheit gefährdet.
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