Das von der Europäischen Kommission präsentierte Arbeitspapier zur Medienvielfalt (siehe hier) enthält bei aller sonstigen Unschärfe immerhin auch den Hinweis, dass es für die Bewahrung der Vielfalt auf "real editorial independence from the owner" ankommt.
Ein Musterbeispiel gelebter redaktioneller Unabhängigkeit ist dieser Tage ausgerechnet die Wiener Zeitung, zu hundert Prozent im Eigentum der Republik Österreich, vertreten durch den Bundeskanzler. Wie ich schon vor ein paar Wochen geschrieben habe, meint der Chefredakteur, sein Eigentümer schütze mit kleinlichen Mediengesetzen die Ehre von Verbrechern, aber auch seine Mitarbeiter scheuen sich nicht, klare Worte zu wichtigen Institutionen des Eigentümers zu finden: "hübsch, aber unnötig", so assoziiert Christoph Irrgeher zum Verfassungsgerichtshof in einer Glosse vom 17. Jänner 2007.
Und hätte es noch eines Beweises der redaktionellen Unabhängigkeit bedurft, so ist er heute, 18. Jänner 2007, jedenfalls erbracht: das im Eigentum der Republik Österreich stehende Blatt ermöglicht Herrn Dr. Herbert Schaller, zuletzt laut Bericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands hervorgetreten als Redner bei einer notorischen Konferenz in Teheran, einen Gastkommentar zu publizieren, in dem er (anders als die kleinlichen Mediengesetze) nicht die Ehre von Verbrechern, sondern die Ehre eines "studierten Historikers und berusfmäßigen Autors von Büchern" verteidigt. [update 24.5.2008: ein paar Links zur weiteren Dokumentation dieser Sache: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 - oder auch hier: die Verteidigung des Chefredakteurs durch einen seiner Kolumnisten]
Ich weiß, dass der amtierende Bundeskanzler Privatisierungen ausgeschlossen hat - aber könnte man nicht wenigstens bei der Wiener Zeitung eine Ausnahme machen?
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