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Friday, October 30, 2009

VfGH: Universaldienstverpflichtungen der Post keine Verletzung der Erwerbsfreiheit

Mit Bescheid vom 30.6.2009 hatte die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie die Schließung von 193 Potämtern bis zum Ablauf von drei Monaten nach Bescheidzustellung untersagt (siehe dazu diesen Bericht in der Presse, der auch die betroffenen Postämter nennt; zB auch dieses). Die Österreichische Post AG erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und stellte auch Individualanträge zur Aufhebung einzelner Bestimmungen des Postgesetzes und der Post-Universaldienstverordnung. Mit  Erkenntnis vom 8.10.2009, B 828/09 ua, hat der VfGH nun die Beschwerde ab- und die Individualanträge zurückgewiesen. Das Erkenntnis enthält auch ganz grundsätzliche Ausführungen zum (Post-)Universaldienst, in denen die Bedeutung der Infrastrukturverantwortung des Staates betont wird. Auch wenn sich die Situation der Post - im Hinblick auf das (noch) bestehende Monopol im reservierten Bereich (§ 6 PostG) - von Universaldiensterbringern zB im Telekombereich unterscheidet, so ist doch die Hervorhebung der staatlichen Gewährleistung für das Fuktionieren von Infrastrukturen auch für andere Netzinfrastrukturen interessant. Wörtlich heißt es im Erkenntnis des VfGH:
"Der Universaldienst weist gegenüber anderer unternehmerischer Tätigkeit eine Reihe von Besonderheiten auf:
Postdienstleistungen machen einen wesentlichen Teil der Infrastruktur eines Landes aus. Auf die besondere Bedeutung der Postdienste weist auch die Post-RL in Art. 3 hin. Mit der Gewährleistung des Funktionierens von Infrastruktureinrichtungen nimmt der Bund seine Infrastrukturverantwortung wahr. Überträgt er im Rahmen dieser Verantwortung die Erbringung solcher Dienstleistungen an ein privates Unternehmen, so hat dieses auch ein höheres Maß an Intensität der Wirtschaftsaufsicht hinzunehmen (vgl. Raschauer, Österreichisches Wirtschaftsrecht2, 2003, 185). Schließlich hängt vom Funktionieren des Universaldienstes und der Versorgung mit flächendeckenden Dienstleistungen das wirtschaftliche Wohl des Landes ab. ...
Zieht man die Besonderheiten des Universaldienstes und die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei in Betracht, so ist allein in dem Umstand, dass dem Betreiber von Universaldiensten im Interesse des Funktionierens des Universaldienstes intensivere Beschränkungen als anderen Unternehmen auferlegt werden, keine Verletzung der Erwerbsfreiheit oder des Gleichheitssatzes zu erkennen."
Auch dass vor der Schließung von Postämtern eine gewisse Mitwirkung der Gemeinden vorgesehen ist (diese sind zu informieren und im Einvernehmen mit ihnen sind innerhalb von drei Monaten alternative Lösungen zu suchen), wurde nicht als verfassungswidrig beurteilt - es hätte für die Post auch noch schlimmer können, etwa ein Verfahren mit echter Bürgerbeteiligung. Der VfGH hält der Post entgegen, sie übersehe,
"dass der Postmarkt nicht nur aus den Postdienstbetreibern besteht, sondern auch aus deren Kunden, seien es Private oder andere Unternehmen, deren unternehmerischer Erfolg ganz entscheidend vom Vorhandensein einer funktionierenden Infrastruktur, und damit auch des Postdienstes, abhängt. Die Mitwirkung der Gemeinden entspricht einer mediatisierten Mitwirkung der lokalen Postkunden, zu denen nahezu alle Gemeindebewohner zählen. Der Gesetzgeber hat eine verhältnismäßige Lösung gefunden. Er hat keine Bürgerbeteiligung am Verfahren vorgesehen, wie sie in anderen Bereichen vorgesehen ist, bei denen eine Vielzahl von Menschen von Maßnahmen betroffen sind. Selbst die Gemeinden haben im Verfahren keine Parteistellung. Der Gesetzgeber mutet dem Universaldienstbetreiber also bloß Verhandlungen mit den betroffenen Gemeinden für die Dauer von maximal drei Monaten zu, räumt den Gemeinden aber keine Möglichkeit ein, geplante Postamtsschließungen über diese Zeit hinaus zu verzögern."
PS: die Regierungsvorlage zum neuen Postmarktgesetz (zum Entwurf hier), dürfte am 10.11.2009 im Verkehrsausschuss und am 18.11.2009 im Plenum des Nationalrats behandelt und wohl auch beschlossen werden.

Thursday, October 29, 2009

OGH zu Mobilkom: Konsument muss sich nicht als Testsubjekt behandeln lassen

Wie kann man die Vertragsbedingungen für Kunden verschlechtern und zugleich verhindern, dass manche Kunden das für solche Fälle vorgesehene außerordentliche Kündigungsrecht ausüben? Indem man sich vorbehält, den tatsächlich Kündigenden allenfalls doch wieder die alten Bedingungen anzubieten und sie in diesem Fall zur Fortsetzung des Vertrags verpflichtet. Darauf sollten im Wesentlichen zwei Vertragsklauseln hinauslaufen, die mobilkom austria AG im Februar letzten Jahres ihren Kunden übermittelt hat.

Der Verein für Konsumenteninformation hat dagegen geklagt und in allen Instanzen gewonnen (Urteil des HG Wien [dazu in diesem Blog hier], Urteil des OLG Wien [dazu - kurz - hier], Urteil des Obersten Gerichtshofs).

Schon das OLG Wien (Urteil vom 31.3.2009, 1 R 180/08k) hatte der mobilkom austria AG beschieden, dass "das Interesse eines Unternehmers auf Ausschaltung des wirtschaftlichen Risikos aus einer von ihm beabsichtigten Verschlechterung der Vertragsbedingungen für die Verbraucher" keine sachliche Rechtfertigung für eine in zwei AGB-Klauseln vorgesehene, den Kunden nachteilige Änderung der Rechtslage ist.

Der OGH konnte in seinem Urteil vom 8.9.2009, 1 Ob 123/09h, auf die zutreffende Begründung des OLG Wien verweisen und musste sich nur knapp mit dem Revisionsvorbringen auseinandersetzen. Dabei fand der OGH durchaus deutliche Worte:
"Die den Teilnehmern seitens der Beklagten offensichtlich zugedachte Rolle von 'Testsubjekten' (rentiert sich aufgrund der Anzahl der Widersprüche bzw Kündigungen die Änderung der AGB?) muss der Konsument nicht spielen."
Klargestellt wurde, dass § 25 Abs 3 TKG 2003 eine konsumentenschutzrechtliche Norm ist, die das Kündigungsrecht des Teilnehmers von bestimmten gesetzlichen Bedingungen abhängig macht; macht der Teilnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, kann er aber - ab dem Zugang der Kündigungserklärung an den Betreiber - mit einer wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses rechnen.

Die Frage, ob auch § 25 TKG 2003 - wie vom OGH zur Vorgängerbestimmung des § 18 TKG 1997 judiziert wurde - dem Betreiber ein einseitiges Änderungsrecht einräumt, hatte der OGH im Urteil vom 20.3.2007, 4 Ob 227/06w, zuletzt ausdrücklich offen gelassen. Im nun entschiedenen Fall stellte der OGH allerdings klar, dass er die zu § 18 TKG 1997 begründete Rechtsprechung (insbesondere 14.3.2000, 4 Ob 50/00g) fortschreibt:
"Diese Bestimmungen [§ 25 Abs 2 und 3 TKG 2003] berechtigen den Anbieter ex lege zu einer einseitigen Vertragsänderung, soweit es die Änderung von AGB und Entgeltbedingungen betrifft (Feiel/Lehofer, TKG 2003, 96; Ertl, Die AGB-Kontrolle nach § 25 TKG 2003, MR 2005, 139 [141f]; Lehofer in FS Mayer 148f; 4 Ob 98/04x). Als Ausgleich dafür erhält der Teilnehmer in Übereinstimmung mit Art 20 Abs 4 der Universaldienstrichtlinie (RL 2002/22/EG) ein kostenloses außerordentliches Kündigungsrecht, das spätestens bis zum In-Kraft-Treten des Änderungen auszuüben ist [Feiel/Lehofer aaO 96f; Ertl aaO; Lehofer aaO)."
PS: Der OGH spricht nur davon, dass Konsumenten die Rolle als "Testsubjekte" nicht spielen müssen. Ob sich manche Leser einer bestimmten Wochenzeitschrift von deren Chefredakteur als "meine Meerschweinchen" behandeln lassen müssen, ist eine ganz andere Frage (mehr dazu zB hier, hier und hier)

"und mach dann noch 'nen zweiten Plan": nationaler Breitbandplan für Österreich?

"Gegen das Fehlschlagen eines Plans gibt es keinen besseren Trost, als auf der Stelle einen neuen zu machen" (Jean Paul) - und manchmal hilft es vielleicht auch schon, einen neuen Plan vorzuschlagen.

Ziel des IKT-Masterplans (2005) war es, "in drei Jahren unter die Top 10 IKT-Länder der Welt und die Top 5 der Europäischen Union zu kommen". Das Ergebnis wird im heute veröffentlichten Band 2/2009 der Schriftenreihe der RTR "Breitbandanschlussnetze in Österreich" etwas euphemistisch so beschrieben: "Dieses Ziel wurde je nach Messmethode und Indikator unterschiedlich gut erreicht" (statt "unterschiedlich gut" könnte man wohl auch schreiben: "nicht"). Was liegt da näher, als einen neuen Plan zu machen vorzuschlagen: den "nationalen Breitbandplan".
"Mit einem nationalen Breitbandplan könnte man mittelfristig konsistente Ziele setzen, die einschlägigen Zielsetzungen des aktuellen Regierungsübereinkommens operationalisieren und in zeitlicher und finanzieller Hinsicht ein gewisses Momentum entwickeln."
Die Veröffentlichung der RTR bringt aber nicht nur Schlagworte, sondern geht durchaus ernsthaft auf die Themenstellung "Kooperationsmodelle und Finanzierung für Infrastruktur für Next Generation Access" ein und bietet eine gute Übersicht über die Bestandssituation in Österreich, über mögliche Kooperationsmodelle (auch im internationalen Vergleich), über Finanzierungsvarianten, aber auch über die zu berücksichtigenden regulatorischen Rahmenbedingungen.

Update 30.10.2009: Weitere Unterlagen dazu: Präsentation der RTR zur Pressekonferenz, Präsentationen "Perspektiven 2010" und "Breitbandanschlussnetze in Österreich" beim Regulierungsworkshop am 29.10.2009

Wednesday, October 28, 2009

Beihilfenverfahren zur ORF-Finanzierung eingestellt - 12 Monate Zeit zur Umsetzung

Erst gestern wurde die überarbeitete Rundfunkmitteilung der Kommission vom 2.7.2009 (mehr dazu zuletzt hier) auch im Amtsblatt veröffentlicht, und heute hat die Kommission schon betont, die Kriterien der neuen Mitteilung erstmals in der nun getroffenen Entscheidung, das Beihilfenverfahren gegen Österreich wegen der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzustellen, angewandt zu haben (Presseaussendung der Kommission). Was das im Detail heißt, wird man erst beurteilen können, wenn die Entscheidung in einiger Zeit auch öffentlich zugänglich gemacht wird (hier, unter der Zahl E 2/2008), vorerst kann man sich nur auf die Pressemitteilung der Kommission stützen, die sich im Rahmen des Erwarteten hält. Zusammenfassend:
  • "präziserer öffentlich-rechtlicher Auftrag" heißt, dass "zusätzliche Kriterien für die Erbringung neuer Mediendienste eingeführt werden";
  • "neue Medienaufsicht", die überwachen wird, inwieweit der ORF den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt, und auch (im Nachhinein) prüft, ob es zu einer "Überkompensierung"gekommen ist;
  • Amsterdam-Test für neue Mediendienste (inklusive öffentliche Konsultation, Prüfung des gesellschaftlichen Mehrwerts und market impact assessment); gilt auch bei "den vom ORF geplanten neuen Spartenprogrammen für Information und Kultur"; mit der ORF TV-THEK darf aber schon vor dem Abschluss des Amsterdam-Tests gestartet werden, sofern dieses Angebot erst danach kommerziell verwertet wird;
  • Der ORF muss nicht genutzte Sportrechte Dritten in Sublizenzierung anbieten; "ORF Sport Plus" muss sich auf Sportarten konzentrieren, "denen in der österreichischen Medienberichterstattung kein breiter Raum zukommt" (2007 standen auf Sport Plus Fußball und Tennis mit je ca. 15% der Sendestunden an der Spitze).
  • "Die Programmgestaltung der bestehenden Fernsehkanäle ORF1 und ORF2 wird Gegenstand einer laufenden internen Qualitätskontrolle sein." [Zwischenfrage: sollte das nicht jetzt schon so sein? Man denke etwa an § 4 Abs 3 letzter Satz, an § 21 Abs 1 Z 12 und an § 30 Abs 1 Z 7 ORF-Gesetz. Und btw: was macht eigentlich der vom ORF bestellte "Sachverständige für das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009", wenn er gelegentlich von Hollywood herüberschaut, wo er (laut Meedia-Interview vom 19.10.2009 mit ARD-Chef Boudgoust) seinen Wohnsitz hat und "Trends und Entwicklungen für die ARD auf dem amerikanischen Fernsehmarkt" beobachtet?]
  • Österreich hat 12 Monate Zeit, die gegebenen Zusicherungen umzusetzen (also vor allem auch die dafür notwendigen Novellen zum ORF-G und KommAustria-Gesetz zu beschließen).
In der Kommissions-Presseaussendung ist nur ein Satzteil wirklich überraschend: dass nämlich ausdrücklich auch eine "Rekapitalisierung [des ORF] nach der Krise" erwähnt wird. Ich will hier nicht spekulieren, was damit gesagt werden soll, denn seriöser Weise muss man, wie schon erwähnt, den vollen Text der Entscheidung abwarten.

PS (update 29.10.2009): Standard-Redakteur Harald Fidler hat offenbar den Entscheidungstext - weitere Details von ihm hier, hier, hier und hier.

Another year, another roadmap: Mitteilung und Empfehlung der Kommission zur Digitalen Dividende

Letztes Jahr wurde in einem CEPT-Bericht die "Technical Roadmap proposing relevant technical options and scenarios to optimise the Digital Dividend" vorgelegt, heuer legt die Europäische Kommission ihre eigene Roadmap für die erleichterte Nutzung der digitalen Dividende vor - oder besser: ihren Vorschlag, nun eine Roadmap auszuarbeiten. Sie veröffentlicht dazu einerseits die Empfehlung "Facilitating the release of the digital dividend in Europe" (vorläufige Fasung), andererseits die Mitteilung der Kommission "Transforming the digital dividend into social benefits and economic growth" (vorläufige Fassung) vor (siehe auch die Presseaussendung der Kommission, deutsche Sprachfassungen der Empfehlung und Mitteilung sind noch nicht verfügbar).

Die Empfehlung hat nur zwei einfache Punkte:
  • Erstens wird den Mitgliedstaaten empfohlen, bis spätestens 1.1.2012 die analogen Fernsehsender abzuschalten (nach dem Motto: "jetzt aber wirklich", denn "eingeladen" dazu wurden die Mitgliedstaaten ja schon im Jahr 2005).
  • Zweitens sollen die Mitgliedstaaten die Bemühungen unterstützen, harmonisierte Bedingungen für die Nutzung des Sub-Bandes 790-862 MHz durch andere als Rundfunkdienste (und zusätzlich zu diesen!) zu schaffen und sie sollten den Einsatz solcher anderer Dienste in diesem Band nicht hindern.
Die Mitteilung bringt das übliche Wortgeklingel, komplett mit immediate progress, urgent challenges, key strategic issues etc. etc. Eine fast beliebig herausgesuchte Passage liest sich zB so:
"It is essential that this window of opportunity is used to ensure an appropriate level of coordination in the European Union to reap the full social and economic benefits possible from access to this spectrum, and to provide a clear EU roadmap for Member States moving ahead at different speeds as a result of differing national circumstances."
Interessant ist, dass wieder einmal die "roadmap" als "praktischer Weg nach vorne" gepriesen wird:*) "In practical terms, it is proposed to achieve the necessary coordination by agreeing on a common ‘EU roadmap’ for implementing a set of agreed actions." Ein wenig konkreter wird es dann aber doch noch. Die Kommission will sich schon nach dem noch nicht beschlossenen geänderten Rechtsrahmen richten und dem Parlament und Rat Legislativvorschläge zur Aufstellung mehrjähriger Programme im Bereich der Funkfrequenzpolitik vorlegen (Art 8a Abs 3 der geänderten RahmenRL) - an ein Scheitern der derzeit im Vermittlungsverfahren behandelten Vorschläge glaubt wohl niemand.

Weiters wird die Kommission noch vor Ende 2009 dem Funkfrequenzausschuss einen Entwurf für eine Entscheidung über die Harmonisierung des 790-862 MHz Sub-Bands vorlegen. Auch an der gemeinsamen EU-Position für die nächste Weltfunkkonferenz Anfang 2012 will man schon zu arbeiten beginnen. Und schließlich könnte ein Legislativvorschlag vorgelegt werden, um das Abschalten aller Hochleistungs-Rundfunksender im Band 790-862 MHz bis zu einem noch zu vereinbarenden Datum zu erreichen. Das wäre natürlich besonders für Österreich von Interesse, da durch den Betrieb von Hochleistungssendern in den Nachbarstaaten die
anderweitige Nutzung der digitalen Dividende in Österreich nur eingeschränkt möglich ist.

*) In der analogen Welt scheint mir übrigens, dass das Entwerfen und Betrachten einer Straßenkarte noch nicht dazu beiträgt, tatsächlich weiterzukommen, dazu muss man sich dann auch anhand der Karte auf den Weg machen.

Tuesday, October 27, 2009

ORF-Werbebeschränkungen 2001: wieviel Geld entging dem ORF?

"Im Publikumsrat rechnete Wrabetz vor, wie viel die letzten TV-Gesetze den ORF 2001 bis 2009 gekostet hätten: 416 Millionen mangels Gebührenabgeltung, 193 aus Werbebeschränkungen, 59 ob 'Preisdrucks der Werbefenster'", heißt es auf derStandard.at in einem Bericht über die Sitzung des Publikumsrates vom 27.10.2009; diepresse.com schreibt, Wrabetz habe vorgerechnet, "dass dem ORF seit der letzten Änderung des ORF-Gesetzes im Jahr 2001 und den darin enthaltenen Einschnitten kumuliert rund 700 Millionen Euro entgangen seien. Allein die nicht erfolgte Refundierung der Gebührenbefreiungen habe den Sender knapp 420 Millionen Euro gekostet, durch Werbebeschränkungen kamen weitere 250 Millionen Euro dazu." Dazu drei schnelle Anmerkungen:
  1. Die "Gebührenabgeltung" (oder "Refundierung der Gebührenbefreiung") war in BGBl I 1999/159 erstmals für 2001 (in der Höhe von 25% der durch Befreiungen entgangenen Programmentgelte) angekündigt und wurde mit BGBl I 2000/142 (also mit dem Budgetbegleitgesetz, nicht erst mit der Novelle zum Rundfunkgesetz 2001) noch vor ihrem Wirksamwerden wieder abgeschafft. De facto hat es eine "Refundierung" daher noch nie gegeben (siehe zB auch schon hier).
  2. Der "Preisdruck der Werbefenster" hat nichts mit dem ORF-Gesetz zu tun; wie gesetzliche Maßnahmen aussehen könnten, die den oft lamentierten "Abfluss" von Werbegeldern in deutsche Privatsender bzw deren österreichische Werbefenster auf gemeinschaftsrechtlich zulässige Weise verhindern würden, habe ich noch nirgends gelesen oder gehört (siehe zur "Werbefenster"-Diskussion hier).
  3. Damit bleiben 193 Mio Euro entgangene Einnahmen des ORF aus Werbebeschränkungen. An dieser Zahl - Berechnungsgrundlagen sind nicht veröffentlicht - ist vor allem bemerkenswert, wie niedrig sie angesetzt ist.
    Vor dem Inkrafttreten der Rundfunkgesetz-Novelle 2001 (mit der das Rundfunkgesetz zum ORF-Gesetz wurde) hatte der ORF nämlich allein schon aus dem Entfall der Regionalradio-Ringwerbung jährliche Einbußen von rund 9,45 Mio Euro erwartet, in den neun Jahren 2002 bis 2009 also kumuliert ca. 85 Mio Euro. Dazu wurden Einbußen aus Beschränkungen im "Merchandising" und bei "Kooperationen mit der Musikindustrie" erwartet (kumuliert zwischen 11 und 18 Mio Euro), bei der Werbemittlung im Bereich von 18 bis 73 Mio Euro, ebenso bei der Unterbrecherwerbung; dann bei der Werbung für periodische Druckwerke zwischen 40 und 55 Mio Euro, bei Sonderwerbeformen zwischen 58 und 82 Mio Euro, bei "Remindern" 7 Mio Euro und für die Einrechung von Patronanzhinweisen in die Werbezeit zwischen 36 und 55 Mio Euro.*)
    Summiert man nur die niedrigeren Beträge, so erwartete der ORF durch die Novelle 2001 Einbußen in der Höhe von (über neun Jahre kumuliert) mindestens 273 Mio Euro (das ist alles noch nominell gerechnet, ohne Berücksichtigung der Geldwertentwicklung).
    Zwei mögliche Schlussfolgerungen: entweder die Kostenaufstellung im Juni 2001 war sogar bei der "Kalkulation" der Untergrenze der "sicher eintretenden Belastungen" (das wording damals war "best worst case") um einiges zu pessimistisch, oder die Geschäftsführung in den Jahren 2002 bis 2009 war einfach so fantastisch erfolgreich, wie man sich dies 2001 gar nicht vorstellen konnte.
*) Die Zahlen stammen aus der Stellungnahme des ORF zum Entwurf der Rundfunkgesetz-Novelle 2001. Nach Presseberichten von Anfang Juni 2001 (online nicht mehr verfügbar) wurde die "detailierte Rechnung" zu diesen Belastungen von Alexander Wrabetz, damals kaufmännischer Direktor des ORF, vorgelegt.
(Meine Lieblingszahl aus dieser Stellungnahme ist übrigens der befürchtete Einnahmenentfall wegen der Verpflichtung, dass zur Prime Time in der Regel anspruchsvolle Programme zur Wahl stehen müssen: allein aus diesem Grund befürchtete der ORF einen Einnahmenentfall von 55 bis 109 Mio Euro pro Jahr - offenbar ging er davon aus, dass er bis dahin keine anspruchsvollen Programme zur Wahl stellte.)

RTR schreibt Studie zur Verteilung der digitalen Dividende aus

"Anfang 2010" sollten in Österreich die politischen Entscheidungen über die Verteilung der "digitalen Dividende" getroffen werden, hatte Staatssekretär Ostermayer beim letzten Telekom-Forum Ende August dieses Jahres in Salzburg angekündigt (siehe dazu hier). Zuvor sollte noch eine wissenschaftliche Studie die Grundlagen für die politischen Entscheidungen treffen.

Dass sich das bis Anfang 2010 nicht ausgehen würde, war abzusehen, denn zuvor musste erst noch der Studienauftrag zwischen BKA und BMVIT abgestimmt und danach die Studie ausgeschrieben werden. Im heutigen Amtsblatt zur Wiener Zeitung (online war das zumindest um 7 Uhr noch nicht verfügbar; update: hier nun der Link, hier zur Veröffentlichung der RTR) wurde nun bekanntgegeben, dass die RTR dazu ein "Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung" (§ 30 BVergG) durchführt. Leistungsgegenstand laut Bekanntmachung ist die "Erstellung einer wissenschaftlichen Studie betreffend die Verteilung von im Zuge der Digitalisierung freigewordenen Frequenzen (Digitale Dividende) in deutscher Sprache". Anträge zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren müssen bis 11.11.2009 gestellt werden, als Erfüllungszeitraum ist "voraussichtlich: ab Jänner bis März 2010" angegeben.

Berücksichtigt man, dass nach Vorliegen der Studie noch ein gewisser Zeitraum zur Bewertung und Diskussion der Ergebnisse erforderlich sein wird, so ist mit einer politischen Entscheidung über die digitale Dividende realistisch also nicht "Anfang 2010", sondern wohl eher nicht vor Mai 2010 zu rechnen.

PS: "Unternehmer, die Anbieter von Diensten elektronischer Kommunikation sind oder mit solchen verbundene Unternehmer" können sich um die Studie nicht bewerben.

Friday, October 23, 2009

"The purpose of these rules is to preserve the open Internet": FCC-Entwurf zur Netzneutralität

Nächster Schritt der FCC zum Thema Netzneutralität: gestern wurde die "Notice of Proposed Rulemaking" veröffentlicht. Zu Diskussion gestellt werden vor allem folgende Regeln (Hervorhebung hinzugefügt):
§ 8.5 Content.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not prevent any of its users from sending or receiving the lawful content of the user’s choice over the Internet.

§ 8.7 Applications and Services.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not prevent any of its users from running the lawful applications or using the lawful services of the user’s choice.

§ 8.9 Devices.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not prevent any of its users from connecting to and using on its network the user’s choice of lawful devices that do not harm the network.

§ 8.11 Competitive Options.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service may not deprive any of its users of the user’s entitlement to competition among network providers, application providers, service providers, and content providers.

§ 8.13 Nondiscrimination.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service must treat lawful content, applications, and services in a nondiscriminatory manner.

§ 8.15 Transparency.
Subject to reasonable network management, a provider of broadband Internet access service must disclose such information concerning network management and other practices as is reasonably required for users and content, application, and service providers to enjoy the protections specified in this part.
Was unter "reasonable network management" zu verstehen sein soll, steht in den Definitionen:
Reasonable network management consists of:
(a) reasonable practices employed by a provider of broadband Internet access service to:
(i) reduce or mitigate the effects of congestion on its network or to address quality-of-service concerns;
(ii) address traffic that is unwanted by users or harmful;
(iii) prevent the transfer of unlawful content; or
(iv) prevent the unlawful transfer of content; and
(b) other reasonable network management practices.
Vor allem aus dem letzten Punkt wird man freilich nicht besonders schlau: "Reasonable network management consists of ... other reasonable management practices" ?! Siehe weitere Berichte zB bei Law.com oder Bloomberg (update 24.10.2009: bei TeleFrieden) und auch die Statements der FCC-Mitglieder Genachowski, Copps, McDowell, Clyburn und Baker. Die Angelegenheit war in der FCC erwartungsgemäß nicht einstimmig, McDowell und Baker stimmten teilweise dagegen, sind aber mit dem prozeduralen Weg (insbesondere auch mit der langen Stellungnahmefrist bis zum 14.1.2010) einverstanden; tatsächlich dürfte sich auch bei den kritischen FCC-Mitgliedern etwas Bewegung zeigen - so sagt Meredith Baker in ihrem Statement: "when we began this process three weeks ago, I was prepared to dissent with respect to this entire initiative. But I am not there today."

Thursday, October 22, 2009

Harmonisierung im 900 und 1800 MHz-Band

"Alle vorgeschlagenen Maßnahmen werden voraussichtlich bis Ende des Jahres [2007] in Kraft treten." - das glaubte die Europäische Kommission Mitte 2007 (Presseaussendung) von ihrem Vorschlag, die GSM-Richtlinie ganz aufzuheben und mit einer Entscheidung das 900 MHz-Band und das 1800 MHz-Band auch für UMTS-Dienste zu öffnen.

Es hat fast zwei Jahre länger gedauert als geplant und die GSM-RL 87/372/EWG wurde gar nicht aufgehoben, sondern "bloß" geändert (wenngleich so vollständig, dass vom ursprünglichen Text nichts übrigblieb), aber im Ergebnis ist die Kommission nun doch am Ziel angelangt. Die RL 87/372/EWG in der Fassung durch die RL 2009/114/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Frequenzen 880-915 und 925-960 MHz (das 900 MHz-Band) "für GSM- und UMTS-Systeme sowie für andere terrestrsiche Systeme verfügbar, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste erbringen" und störtungsfrei neben GSM-Systemen betrieben werden können. Umzusetzen ist die RL bis zum 9. Mai 2010.

Zeitgleich mit der Änderung der GSM-RL wurde auch die Entscheidung 2009/766/EG der Kommission vom 16. Oktober 2009 zur Harmonisierung des 900-MHz-Bands und des 1800-MHz-Bands für terrestrische Systeme, die europaweite elektronische Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft erbringen können, veröffentlicht. Damit werden GSM- und UMTS-Dienste in beiden Bändern möglich sein.

PS: Die deutsche Bundesnetzagentur hat übrigens in einer Entscheidung der Präsidentenkammer zur Flexibilisierung der Frequenznutzungsrechte schon festgehalten, dass sie die GSM-Frequenznutzungsrechte auf Antrag (und nach Maßgabe der GSM-Änderungs-RL) "schnellstmöglich flexibilisieren" wolle.

Monday, October 19, 2009

Medienrecht: wenn auch "Fettdruck und Großbuchstaben im Rechtsmittel" nicht mehr helfen

"Dürfen Medien alles - wo sind die Grenzen des Journalismus?" war Thema des Club 2 vom 14.10.2009. Die Sendung bot Gelegenheit, nach langer Zeit wieder einmal ein News-Cover ausführlich im ORF zu zeigen und den Inhalt dieses "periodischen Druckwerks" zu bewerben darzulegen (warum das in der Werbung im ORF nicht geht, steht in § 13 Abs 8 ORF-G, s dazu auch das VfGH-Erkenntnis VfSlg 16.911). Der größte Teil der Diskussion kreiste denn auch um die Cover-Geschichte des am nächsten Morgen erschienenen News-Hefts.

Respekt habe ich vor Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt (unter anderem für den ORF) und Honorarprofessor an der Uni Wien, der tapfer auf die tatsächlichen rechtlichen Rahmenbedingungen einschließlich der relevanten Rechtsprechung hinwies, während sonst weniger die rechtliche als die (jeweilige) moralische Dimension des "Dürfens" verhandelt wurde. News-Chefredakteur Atha Athanasiadis betonte, News mache "keinen Schlüssellochjournalismus", räumte aber immerhin ein, dass im Kriminalfall Josef F./Amstetten (in der Diskussion wurde der Name "F." übrigens immer ausgesprochen) ein News-"Cover" - ich denke, er meinte damit auch die Covergeschichte, nicht nur das Titelblatt selbst - erschien, das auch die News-eigenen Grenzen überschritten habe. Wörtlich sagte er:
"Das war ein Cover, von dem ich der Meinung bin, es hätte nicht erscheinen dürfen ... es war vor meiner Zeit, egal, aber es war ein Fehler, und dazu steht der gesamte Verlag."
Diese Erkenntnis dürfte eher neueren Datums sein, denn noch im Frühjahr 2009 hatte "die Medieninhaberin des periodischen Druckwerks N." außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine einstweilige Verfügung des OLG Wien vom 19.3.2009 im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu diesem Kriminalfall erhoben (die wesentlichen Ausführungen des OLG Wien sind abgedruckt in Medien und Recht 2009, 239). Das OLG Wien hatte in der Berichterstattung einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich bzw eine Bloßstellung des Opfers konstatiert, durch "Veröffentlichungen, in denen das mutmaßlich Geschehene nicht neutral und sachlich, sondern in detailliertester, offenkundig auf die bloße Befriedigung der Neugier und Sensationslust der Leserschaft ausgerichteter Weise dargestellt wird". Auch das Recht des Opfers auf Namensanonymität wurde vom OLG Wien anerkannt.

Der OGH hat mit Beschluss vom 12. Mai 2005, 4 Ob 82/09a, den ao Revisionsrekurs zurückgewiesen, da keine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden war. Es lohnt sich, die - hier vollständig wiedergegebene - knappe Begründung zu lesen (Hervorhebung hinzugefügt):
"Es mag zwar zutreffen, dass das vorliegende Verfahren im Zusammenhang mit einem in den Medien so bezeichneten 'Kriminalfall des Jahrhunderts' steht. Allein dieser Umstand führt aber - trotz seiner mehrfachen Hervorhebung durch Fettdruck und Großbuchstaben auch im Rechtsmittel - noch nicht zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses. Auf die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage hat schon das Rekursgericht eine ausführliche und zutreffende Antwort gegeben. Der Name der Klägerin mag zwar bereits bekannt gewesen sein. Das rechtfertigte es aber bei einer umfassenden, auch die Wertungen des Medienrechts berücksichtigenden Interessenabwägung (dazu 6 Ob 266/06w = MR 2007, 73 - Mordzeuge) noch nicht, ihren Namen immer wieder im Zusammenhang mit drastischen Schilderungen intimer Details ihres Schicksals zu nennen und sie so stets neu der Sensationsgier des Publikums auszusetzen."
Leider lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen, ob der ao Revisionsrekurs vielleicht nicht nur Fettdruck und Großbuchstaben verwendete, sondern womöglich auch noch "exklusiv" war.

Weitere Lesetipps im Nachhang zum Club 2: das Caroline-Urteil des EGMR, § 7 Mediengesetz, (beide von Dr. Korn erwähnt) und das Urteil des OGH vom 19.8.2009, 15 Os 81/09i, betreffend ein anderes Medium und ein anderes Verbrechensopfer (Schlagzeile "Natascha: Sooo süß ist ihre erste Liebe!"). Auch dieses Urteil trägt vielleicht ein wenig zur Antwort auf die Frage bei, ob Medien alles dürfen (die einfache Antwort: nein).

Sunday, October 18, 2009

Ernsthafte Zweifel: Kommission leitet "Phase II" zur Breitbandmarktdefinition der RTR ein

Schon mit Presseaussendung vom 5. 10.2009 hat die Kommission bekanntgegeben, dass sie "ernsthafte Zweifel" an der Marktabgrenzung der RTR für den Breitbandzugang hatte (Entwurf für eine Novelle zur Telekommunikationsmärkteverordnung 2008; Erläuterungen; Begleittext; Stellungnahmen in der Konsultation). Erst am 16.10.2009 wurde aber der offizielle "serious doubts-letter" (ergänzt um eine Berichtigung vom 15.10.2009) auch online zugänglich gemacht.

Die Kommission zweifelt vor allem an der "Austauschbarkeit von Mobilfunk- und Festnetz-Produkten", von der die RTR hinsichtlich des von ihr abgegrenzten Marktes für den Breitbandzugang für Privatkunden ausgeht. Auch auf der Vorleistungsebene ist nach Ansicht der Kommission die Austauschbarkeit detaillierter zu analysieren. In den kommenden zwei Monaten darf der Maßnahmenentwurf gemäß Artikel 7 Abs 4 der RahmenRL nun nicht angenommen werden.

PS: Dass man sich auf europäischer Ebene mit der merkwürdigen Struktur der österreichischen Regulierungsbehörden schwer tut (siehe für den EuGH schon hier) merkt man auch im aktuellen serious doubts-letter, der von der "Auferlegung von Verpflichtungen durch RTR" spricht, wo selbstverständlich Bescheide der Telekom-Control-Kommission gemeint sind.

Saturday, October 17, 2009

"unimpressed by the current approach": Britische Allparteien-Parlamentariergruppe zum Thema "hands off the net"

"Can we keep our hands off the net?" fragte sich ApComms ("an independent group of MPs and Lords, from all political parties") in einer aktuellen Untersuchung. Die Ergebnisse und Empfehlungen sind im Abschlussbericht zusammengestellt (mehr dazu auch bei TJ McIntyre) und Scott Vine). Interessant sind aus meiner Sicht vor allem zwei Punkte:

Zu network neutrality:
"From the evidence we have received we are persuaded that in the UK, at present, 'network neutrality' is being delivered by market mechanisms. However, we also believe that the evidence shows that this situation could change. Therefore, we recommend that Ofcom keep the issue of 'network neutrality' under review and include a section in each annual report that indicates whether there are any signs of change."

Zur Werbung für Breitbanddienste:
"We are unimpressed by the current approach of advertising a maximum speed, which few if any customers will actually achieve. Although we recognise that speeds can be affected by many different variables, we do not consider the current method of advertising broadband speeds to be acceptable. ... Hence we recommend that Ofcom regulate to require ISPs to advertise a minimum guaranteed speed for broadband connections."

EU-bookshop: elektronischer Zugang nun auch zu alten Veröffentlichungen

"Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften" war eine bemerkenswerte Bezeichnung für eine Gemeinschaftseinrichtung, die zwar auch das Amtsblatt, aber daneben zahlreiche weitere Veröffentlichungen, von Studien bis zu massenhaft verteilten Werbebroschüren, herausgab. Seit 1. Juli dieses Jahres heißt die Einrichtung nun etwas schlichter "Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union" (Beschluss 2009/496/EG, Euratom). Seit gestern zeigt sich die Website des Amts in neuem Design, und auch das Angebot wurde deutlich erweitert: nicht mehr nur die aktuellen Veröffentlichungen, sondern alle seit 1952 veröffentlichten Dokumente (laut Pressemitteilung 12 Millionen Seiten) sind nun kostenlos online als pdf verfügbar.

Die digitale Bibliothek im EU-bookshop ist eine wahre Fundgrube, auch um rechtliche bzw. regulatorische Entwicklungen nachzuvollziehen, für die nicht nur die verbindlichen Rechtstexte (die über EUR-LEX schon länger zugänglich sind) relevant sind, sondern auch diverse Weiß- und Grünbücher, Strategiepapiere und Studien, die bisher nur in Papierform vorlagen (mein ganz privater Vorteil daraus ist, dass einiges an altem Papier, das ich bisher nicht wegwerfen wollte, zum Altpapier kommen kann und durch digitale Versionen ersetzt wird).

Nur als Beispiel aus dem Fachbereich dieses Blogs verweise ich auf die Studie "The EEC Telecommunications Industry - Competition, Concentration & Competitiveness" von Gareth Lockley aus dem Jahr 1983, aus der das obige Schaubild stammt. Zum Zeitpunkt der Studie war die Situation in der gesamten EU noch so: "The State, through some legal arrangement like a statutory monopoly, operates the telephone networks. To do this it purchases equipment from private industry." (p. 101) Lockley beschreibt knapp die Theorie dazu:

"The condition of the single supplier of services (as in the US) is explained by the concepts of the 'natural monopoly' and the 'public interest'. A natural monopoly rests on the assumption of declining marginal costs - that is as output expands each additional unit can be supplied at a lower cost then proceeding units. It is thus a technological assumption. The conclusion to be drawn from this condition is that two firms would supply goods or services more expensively than one. There is a natural tendency towards monopoly. This being the case a private monopoly would exploit consumers whilst a regulated or public monopoly would operate in the public interest. However it is not clear whether this reasoning holds where the monopolist makes many products or services as is the case now in telecommunications .
There are further explenations of the monopoly, the most important being the necessity of 'universality'. This is a political objective concerned with integrating all the outposts of a country through the communications system. But there is also an economic aspect of universality. Clearly
the value to any individual subscriber to a network and thereby the price he is willing to pay is related to the total number of subscribers. However providing a new telephone line to a premises not previously served is very expensive and if these costs are borne by the subscriber the size of the network will be limited. All telephone operators charge connection fees below direct costs in order to expand the number of subscribers. However, as more new subscribers are connected the telephone service operator experiences increasing losses. Telecommunications agencies can only make up this shortfall by charging above unit costs for their subsequent services but such conduct is only possible where the telecommunications agency holds a monopoly of service provision." (pp. 101-104)


Weitere Lesehinweise: Telecommunications in Europe (1990, von Herbert Ungerer, der von 1975 bis 1999 in der Kommission unmittelbar mit Telekomsachen befasst war und erst vor kurzem als stv. Generaldirektor für staatliche Behilfen in Pension gegangen ist) und European Telecommunication Organisations (1988), darin auch ein Bericht über die österreichische Situation von Johannes M. Bauer (nun Professor an der Michigan State University) und Michael Latzer (nun Professor am IPMZ in Zürich), mit einer nicht unrealistischen, fast zeitlosen Einschätzung: "A reorganisation of the PTT will create the open resistance of the well-organised postal workers. To avoid this additional conflict, the government probably will postpone any attempts to develop new telecommunications concepts." (S. 83; Hervorhebung hinzugefügt)

Friday, October 16, 2009

Vermischte Lesehinweise (1)

Ad hoc wieder einmal ein paar nicht weiter strukturierte Lesehinweise:

In Sachen Medienvielfalt verweise ich auf die in der Endfassung vorliegende Studie zu Indikatoren für Medienvielfalt, die von der Kommission beauftragt worden war; ergänzend dazu gibt es einen User Guide und ein Excel Sheet als "Media Pluralism Monitor"; ebenso verfügbar ist eine Präsentationen von einem Workshop am 8. Juni 2009 (alle weiteren Informationen und Dateien dazu auf dieser Seite]. Über die Beta-Version der Studie habe ich schon hier geschrieben; ein kurzer Blick in die Endfassung zeigt, dass für die Korrektur der Detailfehler offenbar keine Zeit mehr blieb. Ich bin jedenfalls weiterhin gespannt, ob sich in Österreich jemand an die Berechnung der in der Studie vorgesehenen Indikatoren wagt.

Net Neutrality bleibt in den USA ein heißes Thema, nicht nur auf der politischen Ebene - dazu verweise ich auf die Rede von Senator Al Franken vom 5.10.2009 (Al Franken, der ja eine Comedy-Vergangenheit hat, macht sich darin auch ein wenig über den ehemaligen Senator Ted Stevens - legendär für sein "series of tubes"-Statement - lustig, auf dessen "Expertise" der Senat nun verzichten müsse). Auf der rechtlichen Ebene spannend ist der derzeit am DC Cirucit Court anhängige Rechtsstreit zwischen Comcast und der FCC, dazu verweise ich auf diesen lesenswerten Beitrag auf Balkinization (mit weiteren Links zu den Gerichtsdokumenten). Eine andere Sichtweise kommt wieder einmal von Christopher S. Yoo ("Free Speech and the Myth of the Internet as an Unintermediated Experience", zugänglich über SSRN). Wer das Thema aus europäischer Perspektive verfolgen will, sei insbesondere auch den Blog von Chris Marsden hingewiesen, von dem demnächst auch ein einschlägiges Buch erscheint.

Und im weiteren Sinne mit Netzneutralität hängt natürlich auch das EU-Telekompaket zusammen, das sich derzeit im Vermittlungsverfahren befindet. Angeblich steht ein Durchbruch bevor, berichtet jedenfalls EurActiv. Das Amendment 138, eine rechtstechnisch fragwürdige Ergänzung der Regulierungsziele in Art 8 der Rahmenrichtlinie (zum Text der Änderung siehe hier, mit weiteren Links zu vom Parlament beschlossenen Texten) soll demnach fallen bzw durch einen Satz ersetzt werden, der das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts betont - eine klassische Leerformel, jedenfalls wenn sie nur bei den Regulierungszielen des Art 8 steht. Wunderbar auch die von EurActiv zitierte Äußerung eines Teilnehmers am Vermittlungsverfahren: "As it is now, the text represents a valid compromise, which stresses the importance of the judicial authorities but leaves room for member states to apply a variety of solutions" (mit anderen Worten: die neue Fassung regelt inhatlich gar nichts, Internetsperren durch Provider auf Anordnung von Verwaltungsbehörden, wie in Frankreich geplant, werden damit nicht verhindert). La Quadrature du Net veröffentlichte auch eine vertrauliche Analyse des Juristischen Dienstes des Parlaments zur Rechtsgrundlage von Amendment 138.

Die European Regulators Group (ERG) hat auch wieder einmal ein paar Dokumente veröffentlicht; interessant daran - neben der aktualisierten Übersicht über die Mobilterminierungsentgelte in Europa - ist ein Bericht über den Übergang von sektorspezifischer Regulierung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht, der sich insbesondere auch mit der Frage beschäftigt, wie lange die Übergangsperioden bei der Aufhebung spezifischer Verpflichtungen sein sollen (wie bei der ERG üblich gibt es allerdings eher diplomatisch formulierte Überlegungen, was man dabei berückichtigen soll und/oder kann, aber keine ziffernmäßig bestimmten Vorschläge). Ein weiterer Bericht beschäftigt sich mit regulatory accounting in practice 2009.

Die Europäische Kommission hat eine Studie über nationale Aktivitäten zur Bekämpfung von Spam, Spyware und Schadsoftware veröffentlicht (Presseaussendung). Österreich wird in dieser von einer Anwaltskanzlei erstellten Studie zu den sechs aktiven Mitgliedstaaten gerechnet (warum auch immer - aus dem Länderanhang, der auch von Strafen[?] spricht, die von der österreichischen Telekom-Regulierungsbehörde angeblich gegen Malware-Anbieter verhängt worden seien, wird mir das nicht ganz klar).

Breitband: Die FCC hat die vom Berkman Center for Internet and Society erstellte Studie "Next Generation Connectivity - a review of broadband Internet transitions and policy from around the world" veröffentlicht (bzw zur Diskussion gestellt) - wenn man sich dabei die Ländervergleiche anschaut, in denen Österreich durchgängig unter dreißig verglichenen OECD-Ländern unterdurchschnittlich ist (im gewichteten Gesamtvergleich von Penetration, Geschwindigkeit und Preis kommt Österreich auf eine Platzziffer von 18,33 von 30), dann ist der Weg noch weit bis zur "Spitze der IKT-Nationen", wo sich Österreich laut Regierungsprogramm positionieren will.

Thursday, October 15, 2009

Transparenz ist unser Bier: Schlussanträge in der Rechtssache "Bavarian Lager"

Bayrisches Bier beschäftigt den EuGH nicht nur im Zusammenhang mit dem Reinheitsgebot (zuletzt C-343/07 Bavaria; siehe auch Rs 178/84 Kommission/Deutschland), sondern auch mit dem Transparenzgebot: in der Rechtssache C-28/08 P Kommission / Bavarian Lager hat Generalanwältin Sharpston heute ihre Schlussanträge erstattet.

The Bavarian Lager Co Ltd. ist (war?) ein Unternehmen, das schon in den 90er Jahren bayrisches Bier in Flaschen nach Großbritannien importieren wollte, dort aber auf rechtliche Hindernisse stieß und bei der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das UK anregte. Die Kommission ging der Sache nach und hielt unter anderem am 11. Oktober 1996 ein Treffen ab, an dem Vertreter der britischen Behörden und des Bierbrauerverbandes CBMC teilnahmen; Bavarian Lager wollte ebenfalls teilnehmen, wurde aber von der Kommission nicht zugelassen. In der Folge änderte das UK die strittige Verordnung und die Kommission stellte darauf das Vertragsverletzungsverfahren ein. Bavarian Lager veruschte auf verschiedenen Wegen Zugang zu den Verfahrensunterlagen zu bekommen. Zuletzt blieb noch ein Antrag nach der Verordnung Nr. 1049/2001 auf Zugang zum Protokoll des Treffens vom 11.10.1996 offen; Bavarian Lager ging es vor allem darum herauszufinden, wer an diesem Treffen teilgenommen hatte. Die Kommission lehnte die Herausgabe des vollständigen Dokuments ab und schwärzte fünf Namen von Sitzungsteilnehmern, weil diese ihrer Nennung widersprachen oder nicht erreichbar waren.

Das EuG gab der dagegen gerichteten Klage von Bavarian Lager Folge (Urteil vom 8.11.2007, T-194/04). Die Kommission fand aber immer noch, dass die Namen von Besprechungsteilnehmern geheim bleiben müssten und legte dagegen ein Rechtsmittel ein.

Generalanwältin Sharpston befasst sich nun in ihren Schlussanträgen ausführlich mit dem Verhältnis zwischen der VO 1049/2001 und der Datenschutz-Verordnung 45/2001, mit einem - wie soll man sagen - eher ungewöhnlichen Zugang. Vereinfacht gesagt scheint sie der Auffassung zu sein, dass der Zugang zu Dokumenten, in denen Daten von Teilnehmern bloß "beiläufig enthalten" sind, nicht (auch) nach der VO 45/2001, sondern nur nach der VO 1049/2001 zu beurteilen ist. Der Zugang zu Protokollen, in denen auch die Namen der Teilnehmer stehen, und die elektronisch vorliegen und bearbeitet werden, würde nur "Verarbeitung von Dokumenten, nicht aber Datenverarbeitung" (??) sein (RNr 139). Für DatenschutzexpertInnen ist es empfehlenswert, die diesbezügliche Argumentation (RNr 99-194!) selbst nachzulesen, ich bin jedenfalls noch nicht ganz überzeugt (immerhin sieht Sharpston in RNr 175 selbst die "Gefahr, dass [ihre] Rechtsausführungen als theoretisch eingestuft werden könnten").

Im Ergebnis stimmt die Generalanwältin allerdings dem Urteil des EuG zu. Der konventionellere Teil der Analyse kommte denn auch eher gegen Ende der Schlussanträge (ab RNr 195); in RNr 204 bis 219 macht Sharpston auch noch einen "subsidiären Lösungsvorschlag", falls man ihrem bemerkenswerten Hauptvorschlag nicht folgen will. Auch dieser Vorschlag bestätigt das Ersturteil: Sharpston sieht - anders als das EuG - in der Bekanntgabe der Namen der Sitzungsteilnehmer zwar grundsätzlich einen ("wahrhaft geringfügigen") Eingriff in deren Privatleben im Sinne des Art 8 EMRK, dieser Eingriff ist aber "absolut verhältnismäßig"; programmatisch schreibt sie (RNr 212):
"nur wenige Dinge scheinen in einer demokratischen Gesellschaft notwendiger zu sein als die Transparenz und Bürgernähe von Entscheidungsprozessen."
Die Kommission und - sie unterstützend - der Rat sowie das UK waren anderer Meinung; den Zugang befürwortend hatten sich Schweden, Finnland und Dänemark am Verfahren beteiligt. Abzuwarten ist jetzt das Urteil des EuGH, der sich aber zB in C-52/05 P Schweden und Turco / Rat, sehr transparenzfreundlich geäußert hat (siehe dazu hier).

PS: eine statistische Übersicht über den Zugang zu Dokumenten im letzten Jahr enthält der Bericht über die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission im Jahr 2008.

PPS [update] - falls sich jemand fragt, warum ich auf diesen Fall hier eingehe: ich hatte die Kommission schon vor längerer Zeit um verschiedene Dokumente im Zusammenhang mit der ERG ersucht und diese nicht bekommen (zweimal habe ich dann auch den Europäischen Bürgerbeauftragten damit befasst, der in beiden Fällen einen Missstand der Verwaltung feststellte (siehe hier und hier); nach Hinweis auf das erstinstanzliche Bavarian Lager-Urteil war die Kommission dann endlich bereit, die Anwesenheitslisten der ERG-Meetings herauszugeben.

Wednesday, October 14, 2009

Rat auf Draht: Notruf in Not?

Die Notrufnummer 147 ist seit Jahren mit Abstand die meistgewählte Notrufnummer Österreichs, was auch daran liegen dürfte, dass - entgegen den rechtlichen Bestimmungen - die überwiegende Zahl der Anrufer den Notrufdienst gar nicht erreicht, sondern das Besetztzeichen oder ein Tonband hört. 2008 gab es allein aus den Mobilnetzen 1,23 Mio Anrufe zu 147; dem stehen laut Angaben des ORF "nur" 178.126 Kontakte, davon 116.411 Beratungsgespräche gegenüber (im Schnitt also etwa 319 Beratungsgesprächen pro Tag); siehe dazu in diesem Blog schon hier, hier und hier.

Finanziert wird dieses Beratungsangebot etwa zur Hälfte durch den ORF, dem dieses Beratungsangebot damit etwa soviel kostet wie der Generaldirektor: laut Petition des Netzwerks Kinderrechte € 350.000 pro Jahr (laut Harald Fidlers Medienwelt von A-Z lag der Bezug des Generaldirektors 2007 bei 348.500 zuzüglich Erfolgsprämie). Die anderen € 350.000 kommen überweigend von Bund und Ländern, teilweise auch von privaten Sponsoren.

Auf Grund der Einsparungen beim ORF ist die Zukunft von "Rat aud Draht" nicht gesichert, fürchtet - wohl nicht zu unrecht - das Netzwerk Kinderrechte, dessen Petition heute im Petitionsausschuss des Nationalrats behandelt wurde, siehe auch hier). Denn zum Kerngeschäft des ORF zählt der Notruf nicht.

Der Unternehmensgegenstand des ORF umfasst gemäß § 2 Abs 1 ORF-G
  1. die Veranstaltung von Rundfunk,
  2. die Durchführung von mit der Tätigkeit nach Z 1 in Zusammenhang stehenden Online-Diensten und Teletext und den Betrieb von für die Tätigkeiten nach dieser Ziffer und Z 1 notwendigen technischen Einrichtungen,
  3. alle Geschäfte und Maßnahmen, die für die Tätigkeit nach Z 1 und 2 oder die Vermarktung dieser Tätigkeiten geboten sind.
Außerdem darf sich der ORF nach § 2 Abs 2 ORF-G noch an bestimmten Unternehmen beteiligen. Mehr geht nicht: "Tätigkeiten, die nicht unter Abs. 1 und 2 subsumierbar sind, sind dem ORF - unabhängig davon wie sie finanziert werden - gesetzlich verwehrt." (Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze, 2. Auflage, S. 8).

Ein "telefonisches psychologisches Beratungsangebot" wie "Rat auf Draht" muss daher, soll es vom ORF zulässigerweise angeboten werden, für die Veranstaltung von Rundfunk oder Online-Diensten oder zur Vermarktung dieser Dienste geboten sein. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, dürfte der ORF offensichtlich annehmen, denn er betreibt ja nicht nur den Notrufdienst unter 147, sondern hat sich erst letztes Jahr auch die Nummer 116123 - eine "öffentliche Kurzrufnummern für harmonisierte Dienste von sozialem Wert" - gesichert, unter der er - als "Hotline zur Lebenshilfe" - die "ö3-Kummernummer" erreichbar machen will (siehe dazu hier). Eine Verpflichtung, den Notrufdienst (oder die Kummernummer) zu betreiben, gibt es aber für den ORF gegenwärtig nicht.

Neues zur Frequenzverwaltung: Novellen zu FBZV und FNV

Mit BGBl II 2009/332 bzw BGBl II 2009/333 wurden am 12.10.2009 Novellen zur Frequenzbereichszuweisungsverordnung (FBZV) und zur Frequenznutzungsverordnung (FNV) kundgemacht. Da die jeweiligen Anlagen (Frequenzbereichszuweisungsplan und Fußnoten bzw Frequenznutzungsplan) zur Gänze neugefasst wurden, stehen damit auch wieder einheitliche aktuelle Gesamtdokumente zur Verfügung.

Nachdem die Neufestlegung der Nutzung für den Frequenzbereich von 790-862 MHz (Stichwort: "digitale Dividende") mit Novellen zu FBZV und FNV vor nicht einmal drei Monaten erfolgte, sind die nunmehrigen Änderungen noch weniger spektakulär. Im Wesentlichen werden weitere Ergebnisse der Weltfunkkonferenz 2007 bzw des Genfer Plans (GE06) - insbesondere T-DAB+ und T-DMB im Bereich zwischen 174 und 230 MHz und DVB-H im Bereich 470-750 MHz - sowie mehrere Entscheidungen der Europäischen Kommission, vor allem zu Geräten mit geringer Reichweite* (zuletzt Entscheidung 2009/381/EG) umgesetzt.

*Die "Geräte mit geringer Reichweite", wie sie in der deutschen Fassung der Kommissionsentscheidung bezeichnet werden, heißen im österreichischen Frequenznutzungsplan übrigens konsequent "Short Range Devices".

Friday, October 09, 2009

Guter Rat von der BBC: use your own best judgement

Die Editorial Guidelines der BBC sind dem Grundsatz nach vergleichbar mit den Programmrichtlinien des ORF, allerdings etwa zehnmal so umfangreich. Nun, nach diversen mehr oder weniger großen Skandalen der letzten Zeit (zB 1 2 3 4 5), hat der BBC Trust den den Entwurf neuer Editorial Guidelines zur Konsultation vorgelegt (Stellungnahme bis Weihnachten möglich). Wie zu erwarten war, gibt es vor allem detailliertere Anweisungen zum Umgang mit "strong language", neu ist unter anderem die Verpflichtung, drei konkrete Wörter samt ihrer Ableitungen nur nach Sondergenehmigung zu verwenden (ich habe im folgenden Zitat die Worte "anonymisiert", schließlich soll mein Blog ja nicht auf dem Index etwa des Justizministeriums landen):
"5.3.2 Any proposal to use the strongest language (c***, m*********** and f*** or its derivatives) must be referred to and approved by the relevant Output Controller."
Die ganzen fast zweihundert Seiten des neuen Entwurfs habe ich natürlich noch nicht gelesen; aus konkretem Anlass habe ich mir zwecks Vergleich mit Österreich allerdings angeschaut, ob auch die Regeln für "On-Air Talent and Commercial Advertising" geändert wurden, insbesondere für "General consumer programmes" (also etwa ein Konsumentenmagazin). Derzeit sind die Regeln dafür ganz klar so festgelegt:

"Presenters and reporters on consumer programmes which cover a wide range of topics, such as Watchdog, may not undertake any promotional work for third parties as there is no product or service outside the remit of the programme."

Der Entwurf der neuen Guidelines ist diesbezüglich (Punkt 15.4.6) etwas umfangreicher:

"People (especially on-air talent and editorial staff) working on consumer and lifestyle programmes or related websites and other content, must have no commercial or other links which could appear to influence their BBC work in relation to any product, service or organisation. In particular, they must not advertise or promote any product, service or organisation they might review on air."

Sind so detaillierte Regeln sinnvoll? "No set of rules or guidelines can ever replace the need for producers, editors and managers to use the wisdom that comes from experience, commonsense and a clear set of editorial and ethical values", sagt die BBC in der Einleitung zu den derzeit geltenden Guidelines, und: in einer perfekten Welt würde ein Satz reichen: "use your own best judgement." Das wiederum könnte man auch in Österreich empfehlen.

PS: noch ein Lesehinweis: David Elstein hat sich am 24. September 2009 in seiner Beesley Lecture (die Beesley Lecutres sind eine Vorlesungsreihe des IEA zum Thema regulierter Industrien im UK, seit 1991) mit dem Thema "What is the role of public service broadcasting in the digital age?" auseinandergesetzt, Redetext hier (Elstein hat sich schon vor fünf Jahren, auch vor dem IEA, kritisch mit der BBC befasst).

Thursday, October 08, 2009

Je länger, desto eher ungültig? EuGH-Generalanwalt zur Preisregelung durch die Roaming-VO

Die Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro in der Rechtssache C-58/08 Vodafone ua betreffend die Gültigkeit von Art 4 der Roaming-Verordnung liegen nun schon eine Woche zurück - da ich aber die letzten acht Tage offline war und mich in dieser Zeit mit Roaming nur ganz pragmatisch (als Roaming-Endkunde) beschäftigt habe (die nächste Handy-Rechnung werde ich wohl genauer anschauer müssen), kann ich erst jetzt darauf hinweisen.

An den Beginn seiner Ausführungen stellt Poiares Maduro den Hinweis, dass die gerichtliche Überprüfung "nicht der einzige Weg zur Kontrolle der Kompetenzen der Union und insbesondere der Gemeinschaft" ist, denn die "Entscheidungsfindungsprozesse, die im Rahmen der Gemeinschaftskompetenzen zu beachten sind, und die dabei vorgesehene Mitwirkung der Mitgliedstaaten und der verschiedenen Gemeinschaftsorgane stellen häufig das wirksamste Mittel zur Kontrolle dieser Kompetenzen dar." Fast könnte man in diesem Hinweis eine Art prima facie-Annahme entdecken, dass eine Verordnung, die - wie die Roaming-VO - vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen wird, ohne dass Mitgliedstaaten im Rat deutliche Bedenken zur Rechtsgrundlage geäußert hätten, auch tatsächlich nicht in die Kompetenz der Mitgliedstaaten eingreift. So einfach macht sich der Generalanwalt die Sache freilich nicht.

Rechtsgrundlage der Roaming-VO ist Art 95 EG, der die Gemeinschaft zu "Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben", ermächtigt. Erforderlich ist also, dass der Rechtsakt den Zweck hat, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern. Das bedeutet allerdings nicht, dass mit dem Rechtsakt nur das Ziel der Harmonisierung verfolgt werden muss (RNr 8f): "Die Förderung der Marktintegration ist zwar eine zwingende Voraussetzung für die Begründung der Gemeinschaftskompetenz nach Art. 95 EG, die Wahrnehmung dieser Kompetenz darf jedoch nicht auf das Ziel der Marktintegration beschränkt werden."

Dass der Ansatz der Roaming-VO nicht mit dem zuvor bestehenden Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste übereinstimmt, macht nichts, denn schließlich kann den Gemeinschaftsgesetzgeber niemand darin hindern, klüger zu werden (Generalanwalt Poiares Maduro formuliert das in RNr 11 so: "Es wäre abwegig und undemokratisch, wenn es dem Gemeinschaftsgesetzgeber verwehrt wäre, frühere politische Entscheidungen, die im Rahmen der auf Art. 95 EG gestützten Maßnahmen getroffen wurden, zu revidieren, um Änderungen der öffentlichen Meinung und neue Erkenntnisse zu berücksichtigen oder um unvorhergesehene negative Konsequenzen von Harmonisierungsmaßnahmen zu korrigieren.")

Der Generalanwalt kann zwar "nicht feststellen, dass die Gefahr, dass zukünftige Unterschiede in den nationalen Preiskontrollvorschriften Hindernisse für den Handel schaffen, in einem Maße dargetan wurde, dass gemeinschaftliche Preiskontrollmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 95 EG gerechtfertigt wären" (RNr 18) Er findet es aber dennoch zulässig, die Preisregelung der Roaming-VO auf Art 95 EG zu stützen, "nämlich zur Beseitigung von Beschränkungen des freien Verkehrs, die auf ein Verhalten Privater zurückzuführen sind, das grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit beeinträchtigt. ... Eine Preisbegrenzung für Roamingdienste lässt sich zu Recht als Mittel zur Errichtung des Binnenmarkts durch Beseitigung von Hindernissen für eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit betrachten" (RNr 19). Mit anderen Worten: die Regelung kann auf Art 95 EG gestützt werden, weil das Verhalten der Mobilnetzbetreiber bei der Festsetzung von Roamingentgelten unmittelbar eine grenzüberschreitende Tätigkeit betrifft, und weil dieses Verhalten geeignet ist, die grenzüberschreitende Tätigkeit und damit den freien Verkehr tatsächlich zu beschränken.

Zur Subsidiarität verweist der Generalanwalt auch darauf, dass für nationale Regulierungsstellen "kein Anreiz zur Kontrolle der Großkundenentgelte" besteht, die ausländischen Anbietern und den Kunden dieser Anbieter in Rechnung gestellt werden (RNr 27). Die Regulierung der Endkundenentgelte ist "in gewisser Weise problematischer", aber auch hier stellt Poiares Maduro die Frage, ob denn vielleicht die Mitgliedstaaten etwas daran hindere, "das Problem überhöhter Roamingentgelte auf Endkundenebene zu lösen" (RNr 28); im Ergebnis dürfte dies auch der Fall sein: "Da es um die Korrektur einer gemeinschaftlichen Rechtslage ging, durfte der Gemeinschaftsgesetzgeber vernünftigerweise davon ausgehen, dass die nationalen Regulierungsbehörden diesem Anliegen möglicherweise nicht die Priorität einräumen würden, die er für geboten hielt. ... Aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters des Roaming ist es die Gemeinschaft, die ein besonderes Interesse an dem Schutz und der Förderung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Das ist genau die Art von Situation, in der der demokratische Prozess der Mitgliedstaaten dazu führen kann, dass grenzüberschreitende Tätigkeiten nicht geschützt werden. Insofern ist verständlich, warum der Gemeinschaftsgesetzgeber tätig geworden ist. " (RNr 34).

Die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit sind aus meiner Sicht in zwei Punkten interessant: Erstens meint der Generalanwalt, der Gemeinschaftsgesetzgeber habe "auf ein Tätigwerden erst als letztes Mittel zurückgegriffen. In der Folgenabschätzung sind die Maßnahmen aufgeführt, mit denen die Kommission versucht hat, eine Senkung der Endkundenroamingentgelte zu erreichen, u. a. wettbewerbsrechtliche Ermittlungen, Initiativen für mehr Transparenz, Regulierungsmaßnahmen nach Maßgabe des alten Rahmens und Ausübung von politischem Druck" (RNr 39). Ob etwa die wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit verfolgt wurden, wird in diesem Zusammenhang nicht geprüft.

Zweitens betont der Generalanwalt die Bedeutung der zeitlichen Befristung der Regelung: "Durch die Begrenzung der Geltungsdauer der Verordnung auf drei Jahre hat der Gemeinschaftsgesetzgeber auch den Umfang der mit den Kontrollen verbundenen Eingriffe begrenzt und damit dem Markt 'eine zweite Chance' gegeben, dieses Versagen zu korrigieren. Wegen ihrer äußerst einschneidenden Wirkung auf den Markt sind Preiskontrollen stets sorgfältig zu prüfen, im vorliegenden Fall lassen sie sich jedoch angesichts ihrer begrenzten Dauer und des mit ihnen verfolgten Ziels, ein durch ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen nicht zu behebendes Marktversagen zu korrigieren, eher akzeptieren. Darüber hinaus mildert die Existenz einer Verfallsklausel die Folgen für die Rechte der Wirtschaftsteilnehmer. Derartige Verfallsklauseln stellen sicher, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber seine Maßnahmen in Bereichen wie Roaming, die einem raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel unterliegen, regelmäßig überprüft. Sollte der Gemeinschaftsgesetzgeber die zeitliche Geltung der Preiskontrollen ausdehnen oder die Kontrollen dauerhaft machen wollen, müsste auch diese Entscheidung die Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit erfüllen und bedürfte zu ihrer Rechtfertigung zusätzlicher Gründe" (RNr 41f, Hervorhebung hinzugefügt).

Übernimmt der EuGH diese Position des Generalanwalts, sind damit weitere Streitigkeiten aufgelegt, schließlich wurde erst vor kurzem mit der Änderung der Roaming-VO durch die Verordnung (EG) Nr. 544/2009 gerade die zeitliche Befristung der Regelung um zwei Jahre verlängert.

PS: Die Funktionsperiode von Generalanwalt Poiares Maduro, der große Erfahrung in Telekom-Sachen hatte (zB in der Regulierungsferien-Causa C-427/07, in C-426/05 Tele2UTA, C-55/06 Arcor oder C-380/05 Centro Europa 7) ist nun abgelaufen, an seine Stelle tritt Niilo Jääskinen, zuletzt Richter am Obersten Verwaltungsgericht Finnlands; er schreibt nicht nur Aufsätze mit so schönen Titeln wie "Back to the Begriffshimmel?", sondern ist auch einer der wenigen "linked in"-Richter (der Karrieresprung ist dort noch nicht nachgezogen, heute steht dort noch "justice at kho", aber der Industriezweig "judiciary industry" hat sich ja nicht geändert).