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Friday, January 30, 2009

Digitales (terrestrisches) Radio ist doch nicht tot - im UK

In Österreich wurde vor wenigen Wochen der DAB-Versuchsbetrieb eingestellt, und in Deutschland war DAB bislang auch noch keine Erfolgsstory. Auch wenn die Fachwelt sich damit weiter beschäftigt - zum Beispiel auf der Vollversammlung der Digitalen Plattform Austria letzten Sommer -, ist die Einschätzung der Erfolgsaussichten für Österreich kurz- und mittelfristig eher von großer Skepsis getragen. Die Überschrift dre Presseaussendung zu dieser DPA-Veranstaltung lautete denn auch: "Ja zum digitalen Hörfunk, aber erst in einigen Jahren"

Im UK scheint man diesbezüglich mutiger zu sein: der "Digital Britain"-Bericht (siehe dazu schon hier) enthält jedenfalls auch ein deutliches Bekenntnis zu DAB als primärem Weg der Radioversorgung. Ein Migrationsszenario oder ein Datum für den analogue turn-off enthält allerdings auch dieser Bericht nicht. Erst wenn 50% des Radioempfangs digital sind und die DAB-coverage der analogen vergleichbar ist, soll ein Migrationsplan in Kraft treten (siehe auch diesen Bericht im Guardian).

Thursday, January 29, 2009

Digital Britain: Breitband in jedes Haus - außer für Filesharer?


Faszination USB-Stick? Die sogenannte "Internetoffensive Österreich" verwendet den USB-Stick genauso (völlig unpassend) als Symbol wie nunmehr der lange erwartete Bericht des neuen britischen Kommunikationsministers (und Ex-Ofcom-Chefs) Stephen Lord Carter mit dem Titel "Digital Britain" (siehe dazu auch die Presseaussendung des DCMS). Eigentlich ist es noch ein Zwischenbericht (der Endbericht soll "in early summer" folgen), aber er enthält schon 22 mehr oder weniger konkrete Empfehlungen, die nach Ansicht der Autoren dem UK einen Platz an der Spitze der globalen digitalen Wirtschaft sichern sollen. Interessant ist die Mischung von Infrastruktur und Content-Fragen; es geht nicht nur um den Ausbau der Breitbandversorgung, sondern zum Beispiel auch um Fragen des Public Service Broadcasting - bis hin zur Erwartung, dass die BBC durch Marketing, "Cross-Promotion" und Bereitstellung von Inhalten eine führende Rolle bei der Steigerung des Interesses an der Breitbandversorgung übernehmen soll.

Vieles im Bericht ist natürlich typischer Ofcom-Consulter-Jargon, der selbst dort, wo er von "messbaren Zielen" spricht, höchst allgemein und unverbindlich bleibt. Auf Ofcomwatch heißt es: "It is quite a spectacularly boring read only lightened by surprise attempts at humour" (wobei eher unfreiwilliger Humor gemeint ist). Wie "konkret" die Ziele sind, zeigt sich etwa in den Schlussfolgerungen:
"For Digital Britain, the measurable goals are that by 2012 we should aspire to have:
● Universal Participation in the broadband world.
● Highly capable and robust networks.
● A world leading position in the Communications and Creative Industries.
● High quality digital delivery of essential Public Services."
Eine interessante Vorstellung, dass allein schon das Anstreben von weiteren (nicht quantifizierten) Zielen (und das erst im Jahr 2012) ein messbarer Erfolg sein soll! Einem konkreten Ziel am nächsten kommt wohl die Ankündigung, bis 2012 eine flächendeckende Versorgung mit mindestens 2 Mbit/s anzustreben - aber nicht einmal das ist verbindlich formuliert, sondern lautet so:
"We will develop plans for a digital Universal Service Commitment to be effective by 2012, delivered by a mixture of fixed and mobile, wired and wireless means. Subject to further study of the costs and benefits, we will set out our plans for the level of service which we believe should be universal. We anticipate this consideration will include options up to 2Mb/s."
Kritische Reaktionen (zB hier) ausgelöst hat vor allem die Ankündigung gesetzlicher Regelungen, um Internet Service Provider dazu zu verpflichten, Daten über filesharer - und zwar über bloß angebliche Rechtsverletzer ("alleged infringers of rights [subject to reasonable levels of proof from rights-holders]") - zu sammeln und im Wiederholungsfall an Rechteinhaber herauszugeben, wenn auch erst nach Gerichtsbeschluss. Zudem ist Net Neutrality kein Anliegen der britischen Regierung (Reaktionen dazu zB hier und hier); Eingriffe von ISPs sollen nicht verhindert werden:
"the Government has yet to see a case for legislation in favour of net neutrality. In consequence, unless Ofcom find network operators or ISPs to have Significant Market Power and justify intervention on competition grounds, traffic management will not be prevented."
PS: den Platz an der Spitze der digitalen Welt, wie ihn das UK anstrebt, wollen auch andere erreichen: im aktuellen österreichischen Regierungsprogramm heißt es etwa: "Österreich soll sich in der Spitze der IKT-Nationen positionieren". Mich erinnert das übrigens an den legendären Best Practice Cartoon von Dilbert.

PPS: Immerhin haben die Briten einen Bericht - die sogenannte Internetoffensive Österreich hält ihre angeblich fertige Internetdeklaration noch immer geheim. Dafür wird auf der Website noch immer auf Ex-Bundeskanzler Gusenbauer und Ex-Vizekanzler Molterer hingewiesen, die die "Schirmherrschaft" übernommen haben, auch wenn sie von der Herrschaft mittlerweile eher abgeschirmt sind.

PPPS: Ebenfalls heute bekannt geworden: in Irland haben Eircom und die Musikindustrie ein Gerichtsverfahren durch Vergleich beigelegt - und sich darauf geeinigt, dass Eircom (der größte irische ISP) seine Breitbandkunden informieren wird, wenn ein Urheberrechtsverstoß entdeckt (von wem?) wird und diese Kunden dann warnt, dass sie abgesschaltet werden, wenn die Rechtsverletzungen nicht beendet werden. Nützt die Warnung nichts, werden die betreffenden Kunden tatsächlich abgeschaltet. "The worst of both worlds", nennt LexFerenda dieses Ergebnis (siehe auch hier, hier, hier oder hier).

Roaming: neuer ERG-Bericht

Die European Regulators Group ist ihrer aktuellen Hauptaufgabe - Monitoring - wieder einmal gerecht geworden und hat einen neuen Bericht über die Preisentwicklungen im Internationalen Roaming vorgelegt ("3rd Roaming Data Report"; zum ersten Bericht siehe hier). Rund eineinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten der Roaming-Verordnung stellt die ERG darin fest, dass sich die Roamingentgelte für Sprachanrufe ziemlich genau bei den Höchstgrenzen eingependelt haben, allenfalls ganz wenig darunter. Zum wiederholten Mal wird auch auf die "Schlupf"-Problematik hingewiesen (auf Grund der Minuten- oder Halbminutentaktung, die von den meisten Anbietern angewendet wird, sind die tatsächlichen Kosten für die Anrufer etwa 25% höher als der nominelle Minutentarif). Eine klare Position der ERG dazu gibt es allerdings nicht. Einerseits wird die Taktung zumindest implizit stark kritisiert (die Hervorhebung der tatsächlich 25% höheren Entgelte kann wohl nur als kritische Anmerkung verstanden werden), andererseits hat die ERG in ihren "Guidelines" selbst gemeint, dass die Anbieter sich ein bequemes "charging interval" (Abrechnungseinheit) aussuchen sollten.

Interessant sind die Informationen zum Datenroaming. Hier liegt Österreich übrigens preismäßig unter den günstigsten Ländern, sowohl auf der Endkunden- als auch auf der Vorleistungsebene.

Tuesday, January 27, 2009

Medienkonzentration: irischer Bericht, mit rechtsvergleichendem Anhang

Zu Jahresbeginn wurde ein bereits Mitte 2008 von der irischen Advisory Group on Media Mergers erstellter Bericht über Medienpluralität in Irland veröffentlicht (download [12 MB!] hier, Bericht bei lexferenda). In einem Anhang wird auch eine Zusammenfassung der Rechtslage für Medienfusionen in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika und zahlreichen europäischen Staaten, darunter Österreich, geboten - sehr praktisch für eine schnelle Erstinformation.
Österreich kommt sonst nur einmal vor: als jenes Land, in dem - neben der Schweiz - viele, vor allem osteuropäische, Medienunternehmen im Schutz des Bankgeheimnisses bevorzugt ihre Bankgeschäfte abwickeln, wodurch ein Monitoring der Eigentumsstrukturen erschwert wird.

Monday, January 26, 2009

ORF: Geheimnisvoll gesicherte Qualität

Qualitätssicherung ist ein spannendes Feld, überhaupt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Im Juni 2006 sagte die damalige Generaldirektorin des ORF:
"Das zweite Indiz [dafür, dass der ORF seinen Auftrag ganz gut erfülle] ist das so genannte 'Qualitätssicherungssystem', das der ORF für seine TV-Programme eingerichtet hat. Im Rahmen dieses von Wissenschaftern und dem ORF erarbeiteten Messsystems zur Qualitätssicherung von TV-Programmen überprüfen externe, weisungsungebundene Sachverständige die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags durch den ORF. Bisher konnte die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch den ORF bestätigt werden."
Ich habe daraufhin nachgefragt, ob Methodik und Ergebnisse dieser Qualitätssicherung bzw des Qualitätsmonitorings zugänglich sind, und folgende Antwort erhalten:
"Das gesetzlich vorgesehene Qualitätssicherungssystem, das mit Zustimmung des Stiftungsrats eingerichtet wurde, besteht aus den Komponenten Programmstrukturanalyse, Analyse anspruchsvoller Programme, Qualitätsmonitoring (das sich im jährlichen Wechsel auf einzelne Programmkategorien bezieht) und den Bericht des Jugendschutzbeauftragten. Aufgrund dieser Komponenten erstellt der Sachverständige ein Gutachten darüber, ob im jeweiligen Geschäftsjahr den Qualitätskriterien im Wesentlichen entsprochen wurde. Sachverständiger ist derzeit Prof. Dr. Rudolf Bretschneider. ... Veröffentlicht werden die Detailfeststellungen des Qualitätsicherungssystems nicht, weil es sich um wettbewerbsrelevante Angaben handelt."
Und damit komme ich nun zum aktuellen Rechnungshofbericht zum ORF (siehe eine erste Detailanmerkung dazu hier), der auch vom Qualitätssicherungssystem berichtet - wörtliches Zitat:
"Die vom Stiftungsrat genehmigten Dienstverträge für die Generaldirektorin und die sechs Direktoren sahen die Auszahlung von je einem Viertel der Bonifikation von höchstens 15 % des Jahresgehaltes bei Erreichung oder Überschreitung der folgenden vier Ziele vor: ...
2002 die Erarbeitung eines nach den Bestimmungen des ORF–G vom Stiftungsrat zu beschließenden Qualitätssicherungssystems, danach die Erfüllung der gesetzlichen Auflagen in qualitativer Hinsicht. ...
2002 legte die Generaldirektorin dem Stiftungsrat einen drei Seiten umfassenden Vorschlag zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems für Programme vor. Dieser Vorschlag basierte auf einem seit mehreren Jahren im ORF bestehenden Qualitätsmonitoring, das nunmehr auf das gesamte Programmangebot ausgeweitet und um Maßnahmen zum Jugendschutz erweitert wurde. Für diesen Vorschlag wurden der Generaldirektorin und den sechs Direktoren Bonifikationen von insgesamt rd. 63.600 EUR ausgezahlt.
Ab 2003 stellte ein Gutachter jährlich fest, dass den Qualitätskriterien insgesamt in den wesentlichen Belangen entsprochen wurde. Das Gutachten kostete jährlich zwischen 225.000 EUR und 279.000 EUR. Die Bonifikation für die Erfüllung der gesetzlichen Auflagen in qualitativer Hinsicht betrug für die Generaldirektorin und die sechs Direktoren insgesamt jährlich zwischen rd. 63.600 EUR und rd. 67.700 EUR. ...
Die Gewährung einer Bonifikation für die Ausarbeitung eines drei Seiten umfassenden Vorschlages zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems sowie die Gewährung einer Bonifikation für das qualitative Ziel Qualitätssicherung, dessen Erreichung mit hohen Aufwendungen für den ORF von einem externen Gutachter lediglich als in wesentlichen Belangen bestätigt wurde, waren äußerst großzügig."
Ich fasse zusammen:
  1. es gibt ein Qualitätssicherungssystem im ORF;
  2. es ist so genial, dass es auf drei Seiten beschrieben werden kann, und zwar so umfassend, dass es für eine Beschlussfassung im Stiftungsrat ausreicht (für eine derartige Leistung sind 63.600 Euro Bonifikation meines Erachtens nicht zu großzügig - jedenfalls kenne ich bislang kein - unternehmensweites! - Qualitätssicherungssystem, das derart knapp dargestellt worden wäre);
  3. Beschreibung und Ergebnisse der Qualitätssicherung bleiben aber geheim; die Programmentgelt zahlenden Kunden dürfen sich auf das Wort der (damaligen) Generaldirektorin verlassen, dass alles "im Wesentlichen" den Qualitätskriterien entsprach (was hat Prof. Bretschneider eigentlich zum "Quiz Express" gesagt? Zu "Bachelor" oder "Dismissed"? - und wie wäre das "wettbewerbsrelevant"?).

Sunday, January 25, 2009

Bedauernswerter ORF: zum Kauf von TW1 gezwungen

Über den aktuellen Rechnungshofbericht zum ORF wurde in den Medien breit berichtet (zB 1, 2, 3, 4, 5 usw). Der Bericht ist - ebenso wie eine Stellungnahme des ORF dazu - online leicht verfügbar (zB auch hier) und hat natürlich zahlreiche mehr oder weniger qualifizierte Reaktionen ausgelöst (und wird dies auch noch weiter tun). Ich habe nicht die Absicht, hier eine weitere allgemeine Stellungnahme dazu abzugeben, sondern - eher gegenläufig - in zwei oder drei Raten ein paar Details herausnehmen, die sonst eher untergehen.

Heute eine Anmerkung zu TW1, einem "Prestigeobjekt des ORF", in dem zB Bankhofers bezahlte Beiträge laufen. Im September 2005 vereinbarten ORF-Generaldirektorin Dr. Monika Lindner und Prof. Peter Schröcksnadel, Eigentümer der Sitour Management GmbH, die vollständige Übernahme des Spartenkanals TW1 durch den ORF (siehe diese ORF-Presseaussendung). Zu 50% gehörte die Gesellschaft damals bereits dem ORF, über den Kaufpreis für die weiteren 50% wurde, so die ORF-Aussendung, Stillschweigen vereinbart. Auch über die Motive für den Erwerb und die Ziele, die man mit damit verfolgen wollte, wurde nicht gerade offensiv kommuniziert ("Der ORF strebt an, langfristig die Zukunft für den Spartenkanal TW1 abzusichern", hieß es - aber warum das dem ORF ein Anliegen war, erschließt sich mir bis heute nicht). Der Rechnungshofbericht bringt nun ein klein wenig Aufklärung:
"Im Oktober 2005 genehmigte der Stiftungsrat den Erwerb von 50 % der Gesellschaftsanteile an der Tourismusfernsehen Gesellschaft mbH durch das neu gegründete 100%–Tochterunternehmen des ORF, TW1 Betriebsführungsgesellschaft mbH, zu einem Kaufpreis von 3,2 Mill. EUR. ...
Der RH bemängelte die nur wenig aussagekräftigen Anträge an den Stiftungsrat über den Erwerb von Beteiligungen. Der RH empfahl, mit den Anträgen an den Stiftungsrat eine fundierte Unternehmensprognose vorzulegen ... Weiters empfahl der RH, vor jedem Beteiligungserwerb eine Unternehmensbewertung durchzuführen."
Warum also hat der ORF das Unternehmen zur Gänze gekauft (und zwar ohne dass zuvor der Unternehmenswert ermittelt worden wäre)? Noch ein Zitat aus dem Bericht:
"Der ORF erwiderte, faktisch gezwungen gewesen zu sein, die Anteile an TW1 zu übernehmen, weil der gesetzliche Auftrag zum Teil mit dieser Gesellschaft erfüllt werde."
Eine mutige Behauptung - aber falsch. Denn erstens erklärt der "weil"-Halbsatz gar nichts: dass der gesetzliche Auftrag zum Teil mit TW1 erfüllt wird, begründet in keiner Weise, weshalb es im Jahr 2005 plötzlich nicht mehr ausreichend war, "bloß" 50% der Anteile und beherrschenden Einfluss auf diese Gesellschaft - gesichert zB durch gesellschaftsvertragliche Regelungen oder Syndikatsvertrag - zu haben (wie dies § 9 Abs 1 Z 1 ORF-G seit 2001 verlangt hat - und ich will ja nicht annehmen, dass der ORF Jahre hindurch einfach das ORF-G ignoriert hätte).

Und zweitens ist der "weil"-Halbsatz auch für sich allein falsch: der gesetzliche Auftrag des ORF wird nicht, auch nicht zum Teil, mit TW1 erfüllt. Der gesetzliche Auftrag des ORF ist in den §§ 3 bis 5 ORF-G (und seit 2006, also nach dem Erwerb der restlichen TW1-Anteile, auch in § 9a ORF-G) geregelt, und der Betrieb des Spartenprogramms TW1 durch eine Tochtergesellschaft geht "über die Aufträge nach den §§ 3 bis 5 hinaus", wie § 9 Abs 1 ORF-G ausdrücklich festhält.

Es wäre interessant zu wissen, wodurch oder durch wen der ORF wirklich "faktisch gezwungen" wurde, die restlichen TW1-Anteile zu übernehmen. Ein erzwungener Vertrag im Sinne des § 870 ABGB, der also "durch ungerechte und gegründete Furcht" veranlasst wurde, wäre übrigens nicht verbindlich ("Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilet werden."). Auch wenn jemand die Zwangslage eines anderen "dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Mißverhältnisse steht", wäre der Vertrag nichtig (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB; das gilt auch, wenn der Leichtsinn, die Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung ausgenützt wurde - aber das sollte man im gegebenen Fall doch nicht annehmen). Zur Frage des Missverhältnisses würde die Antwort freilich - mangels Unternehmensbewertung - eher schwierig.

Der Rechnungshof hält jedenfalls "beim Erwerb von Beteiligungen eine Unternehmensbewertung zur Beurteilung der Angemessenheit des Kaufpreises für erforderlich. Dies auch deshalb, weil der ORF laut dem Antrag an den Stiftungsrat neben strategischen auch wirtschaftliche Interessen an der Übernahme der Gesellschaftsanteile an der Tourismusfernsehen Gesellschaft mbH verfolgte." (Hervorhebung hinzugefügt).

Was wurde aus diesen wirtschaftlichen Interessen? Hier die Werte aus den Jahresabschlüssen: rechnet man die Ergebnisse der TW1 Betriebsführungs GmbH und der TW1 Tourismus Fernsehen GmbH jeweils zusammen, so ergibt sich aus dem Abschluss 2005 ein Minus von 8,9 TEUR, 2006 ein Plus von 12 TEUR und 2007 ein Plus von 18,3 TEUR. Unter Zugrundelegung des Kaufpreises von 3,2 Mio EUR für den 50% Anteil hat das Investment also in den Jahren 2006 und 2007 (zusammengerechnet!) nicht einmal ein halbes Prozent Rendite gebracht (der im Rumpfjahr 2005 erwirtschaftete Verlust trübt das Bild noch zusätzlich). Sollten vielleicht andere wirtschaftliche Interessen maßgeblich gewesen sein?

Nun, vielleicht entwickelt sich TW1 ja noch. Derzeit hat man allerdings eher den Eindruck, dass TW1 teilweise die Funktion einer ORF-Version der ÖIAG-Personalagentur (oder des Post-JobCenters) übernimmt: um Menschen zu beschäftigen, die man im angestammten Betrieb nicht mehr braucht, aber auch nicht kündigen kann. Im Kurier heißt es etwa: "Keine Diskussion beginnen will Wrabetz derzeit über die vom RH empfohlene Reduzierung der Direktoren-Posten. Die vom RH als nicht notwendig eingestufte Online-Direktion habe mit der Neuordnung von TW1 neue Aufgaben." Blöd nur, dass damit der wirtschaftliche "Erfolg" von TW1 gefährdet werden könnte: Geht man nämlich - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben - davon aus, dass die Tätigkeit von TW1 kostenrechnerisch sauber getrennt ist, dann müssen natürlich die Aktivitäten von (zB) Online-Direktor Thomas Prantner für TW1 auch dort in Rechnung gestellt werden. Und legt man einen jährlichen Überschuss von TW1 in der Größenordnung von 20.000 Euro (nach 18.300 Euro 2007) zu Grunde, dann dürfte Direktor Prantner bei seinem Gehalt von - laut RH-Bericht - zumindest 240.000 Euro jedenfalls nicht länger als ein Monat für TW1 arbeiten, soll das Ergebnis nicht ins Minus drehen.

Noch zwei letzte Anmerkungen:
1. Bei einzelnen Tochtergesellschaften des ORF beziehen laut Angaben des ORF, die der Rechnungshof in seinem Bericht wiedergibt, die Geschäftsführer "aus alten ORF–Verträgen so hohe Einkommen ..., dass eine zusätzliche Zielvereinbarung nicht sinnvoll war"(!). Ob TW1 dazu gehört, geht aus dem Bericht nicht hervor; TW1-Geschäftsführer Mück war jedenfalls zuvor TV-Chefredakteur im ORF.
2. Wenn man sich das Programmschema von TW1 ansieht, fällt auf, dass die großen Werbeblocks (zehn Minuten) jeweils unmittelbar vor dem Wechsel zum - gebührenfinanzierten - Programm ORF Sport plus vorgesehen sind. Wie hier im Sinne der kostenrechnerischen Trennung die Einnahmen zugerechnet werden, hat der Rechnungshof offenbar nicht geprüft, jedenfalls steht dazu nichts im Bericht.

Saturday, January 24, 2009

Steilerer Gleitpfad - eine unsanfte Landung für Ofcom

Ein kurzer Hinweis für den harten Kern der Telekomrechtler: die britische Competition Commission hat am vergangenen Donnerstag eine Entscheidung über die Höhe der Mobilterminierungsentgelte veröffentlicht. Ofcom hatte 2007 entschieden, dass die Entgelte für die Terminierung in einem Gleitpfad bis 2010/2011 auf 5,1 Pence/Minute fallen sollten (in den Netzen von O2, Orange, T-Mobile und Vodafone, bzw. 5,9 Pence/Min im H3G-Netz). Die Competition Commission (CC) reduzierte diese Entgelte (Zielwerte 2010/2011) nun auf 4,0 bzw. 4,4 Pence/Min. Sie berücksichtigte dabei vor allem die UMTS-Lizenzen/Frequenzen nicht zum Anschaffungspreis, sondern zum aktuellen Wert, und nahm auch einen geringeren Aufschlag für Netwerkexternalitäten an. Auch wenn einige besonders spanennde Daten in der Veröffentlichung herausgenommen wurden, bleiben noch gut 350 interessante Seiten zu lesen.

Die Fragen waren der Competition Commisison gemäß Sec. 193 des Communications Act 2003 vom Competition Appeals Tribunal (CAT) - der ersten Gerichtsinstanz für Rechtsmittel gegen Entscheidungen von Ofcom - vorgelegt worden. Die nicht unmittelbar mit der Preisfestsetzung zusammenhängenden Fragen sind vom CAT selbst zu entscheiden. In einem (Zwischen-)Urteil vom 22. Jänner 2009 hat das CAT nun - ebenfalls gegen die Ansicht von Ofcom - entschieden, dass die Preisfestsetzung nach der gerichtlichen Entscheidung den gesamten Zeitraum umfassen muss, für den die Festlegung durch die Regulierungsbehörde erfolgte (und nicht bloß die Zukunft, ab der Entscheidung des CAT). Im Detail geht es dabei um komplexe Fragen des anzuwendenden spezifischen Prozessrechts und materiellen Rechts, die auf andere Staaten nicht übertragen werden können, im Hintergrund - und vom CAT ausdrücklich angesprochen - ist freilich stets die Frage des wirksamen Rechtsbehelfs nach Art 4 der RahmenRL.

Dass das ganze Verfahren (siehe im Detail die Case Site) nicht gerade einfach und übersichtlich ist, zeigt sich zB auch in dieser Bemerkung des CAT: "We have in several previous rulings in this appeal stressed the need to keep the appeal within manageable bounds and on track to reach a conclusion before the whole of the price control expires."

Friday, January 23, 2009

Wieder einmal: "Rat auf Draht" am häufigsten gewählter Notruf

Das Forum Mobilkommunikation - ein Interessenverband der Mobilfunkbranche - veröffentlicht Jahr für Jahr eine Notrufstatistik mit der genauen Anzahl aller über österreichische Mobilfunknetze abgesetzten Notrufe, aufgeschlüsselt nach den Notrufnummern. Und Jahr für Jahr aufs Neue überraschen die Zahlen für die Notrufnummer 147 (die vom ORF unter der Bezeichnung "Rat auf Draht" betriebene "Telefonhilfe für Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen"). Interessanterweise scheinen sich die Anrufzahlen in letzter Zeit jährlich etwa zu halbieren: rund 4,9 Mio Anrufe im Jahr 2006, 2,7 Mio im Jahr 2007, und nun 1,23 Mio Anrufe im Jahr 2008 (damit noch immer klare Nummer 1 aller Notrufnummern).

Verliert diese Notrufnummer also an Bedeutung? Gibt es weniger einschlägige Notfälle? Das lässt sich aus den FMK-Daten nicht ableiten: denn die Zahl der abgesetzten Notrufe sagt in diesem Fall offensichtlich nichts darüber aus, wieviele dieser Notrufe auch beim Notrufträger wirklich behandelt werden. Letztes Jahr habe ich schon darauf hingewiesen, dass nicht einmal ein Zehntel der allein über Mobiltelefone erfolgten Anrufe vom Notrufbetreiber als Kontakte gewertet wurden. Zurückzuführen ist das wohl darauf, dass - entgegen der für Notrufe bestehenden Verpflichtung nach § 19 der KEM-V - zahlreiche Anrufe auf einer Tonbandansage landen ("Probier dann einfach ein bisschen später noch einmal"), oder zumindest in einer längeren Warteschleife (nach eigenen Angaben des Notrufbetreibers!). Der am häufigsten gewählte Notruf ist - einigermaßen befremdlich - also nicht der auch am häufigsten beantwortete.

Bemerkenswerterweise führt das FMK den drastischen Rückgang der Anrufe bei der Notrufnummer 147 denn auch auf die verbesserte Serviceleistung, die verkürzten Wartezeiten (und das verbesserte Internetangebot) zurück (siehe Presseaussendung). Mit anderen Worten: wer diesen Notruf erreichen will, muss jetzt offenbar nicht mehr so oft vergeblich die Notrufnummer wählen. Wenn es so weitergeht, könnte vielleicht in zwei Jahren sogar bei der Notrufnummer 147 jener Zustand erreicht werden, der in den jeweiligen Rechtsvorschriften seit mehr als zehn Jahren vorgeschrieben ist.

Thursday, January 22, 2009

EuGH: "Teilnehmer" iSd RahmenRL auch ohne schriftlichen Vertrag

Der EuGH hat mit seinem heutigen Urteil in der Rs C-492/07, Kommission/Polen, (derzeit nur in französischer und polnischer Sprache verfügbar) festgestellt, dass Polen die Definition des "Teilnehmers" gemäß Art 2 lit k) der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG nicht richtig umgesetzt hat. Diese Bestimmung definiert "Teilnehmer" als "jede natürliche oder juristische Person, die mit einem Anbieter öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste einen Vertrag über die Bereitstellung derartiger Dienste geschlossen hat". Die Definition gilt auch für die ZugangsRL 2002/19/EG, die GenehmigungsRL 2002/20/EG, die UniversaldienstRL 2002/22/EG und die e-DatenschutzRL 2002/58/EG.

Nach der Definition des "Teilnehmers" im polnischen Telekommunikationsgesetz sollten darunter Personen verstanden werden, die einen schriftlichen Vertrag mit einem Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste abgeschlossen haben. Die Kommission brachte vor, dass durch diese Definition Kunden ohne schriftlichen Vertrag um eine Reihe der ihnen nach den genannten RL zustehenden Rechte gebracht würden. Polen wandte vor allem ein, dass die Bestimmung der RL teleologisch einschränkend ausgelegt werden müsste, da sonst auch allen pre-paid-Kunden die in den RL vorgesehenen Rechte (etwa betreffend den Einzelgebührennachweis) eingeräumt werden müssten. Den Gerichtshof überzeugte das nicht, zumal damit auch pre-paid-Kunden, die auf ihre Anonymität verzichten (ohne einen schriftlichen Vertrag abzuschließen), von den in den RL gewährten Rechten ausgeschlossen würden.

Update 2.11.2009: Polen ist der Verpflichtung zur Umsetzung des EuGH-Urteils bislang nicht nachgekommen, die Europäische Kommission hat daher ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet (Presseaussendung der Kommission)

Wednesday, January 21, 2009

Ofcom: Second Public Service Broadcasting Review

Wer wissen will, wie es im Vereinigten Königreich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen soll (Kurzfassung im typischen Ofcom-Jargon: "greater choice, flexibility, and opportunities to enjoy public service content"), kann nun die Ergebnisse des Second Public Service Broadcasting Review der Ofcom lesen:

update: der Guardian "mediamonkey" bietet einen "idiot's guide" zu Ofcom's PSB-Review - Zitat (who wants what):

  • Lord Carter (communications minister)
    Would like: 'To be seen as the man who saved public service broadcasting'
    Offering: 'A very long, much-heralded report'
  • Ed Richards (Ofcom)
    Would like: 'To be seen as the man who actually saved public service broadcasting'
    Offering: 'A very long, much-heralded report'
  • Andy Duncan (Channel 4)
    Would like: 'Lots of other people’s money'
    Offering: 'To continue broadcasting Channel 4 News, Dispatches and, er... Big Brother'
  • Mark Thompson (BBC)
    Would like: 'To keep all his money – and Top Gear merchandising – to himself'
    Offering: 'To let other broadcasters use his iPlayer and maybe the odd satellite truck now and again' ...
  • Michael Grade (ITV)
    Would like: 'To be freed of all the costs of public service broadcasting while maintaining the fig leaf of being a public service broadcaster'
    Offering: 'To continue broadcasting a bit of fuddy duddy public service stuff – if we must'

Tuesday, January 20, 2009

Neuer Präsident, neues Personal: die FCC bekommt einen neuen Vorsitzenden

Julius Genachowski war Barack Obamas Technologieberater im Wahlkampf und für dessen Technologieprogramm verantwortlich, in dem die Offenheit des Internet (mit starker Betonung des Prinzips der Netzneutralität) und die Medien(eigentümer)vielfalt an erster Stelle stehen. Demnächst wird Genachowski wesentlich dafür verantwortlich sein, dieses Programm auch umzusetzen - als designierter neuer FCC-Vorsitzender. Genachowski war bereits für die FCC tätig, ein wenig Hintergrund bietet diese Story auf ars technica (siehe auch das Porträt im WSJ)

Auch ein führender Verfassungs- und Verwaltungsrechtsprofessor wird in Obamas Team mit Regulierungsfragen befasst sein: Cass Sunstein, derzeit Professor an der Harvard Law School, wird Chef des Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA), einer Einrichtung im Office of Management and Budget. Das OIRA "develops and oversees the implementation of government-wide policies in the areas of information technology, information policy, privacy, and statistical policy. OIRA also oversees agency implementation of the Information Quality Law". Sunstein, der in früheren Jahren auch Rundfunkrechtliches publiziert hat (1999: "Private Broadcasters and the Public Interest: Notes Toward a 'Third Way'"), hat sich in vielen Aufsätzen und Büchern mit allgemeinen Regulierungsfragen, insbesondere der gerichtlichen Kontrolle von Regulierungsentscheidungen, befasst, zB in Avoiding Absurdity? A New Canon in Regulatory Law (with notes on interpretive theory), Do Judges Make Regulatory Policy? An Empirical Investigation of 'Chevron' oder The Real World of Arbitrariness Review).

PS: Auch die britische Regulierungsbehörde Ofcom wird demnächst eine neue Vorsitzende haben: zu Ostern wird Lord Currie für Colette Bowe Platz machen (zum möglichen Kulturwandel siehe wieder einmal Maggie Brown im Guardian). Lord Currie selbst wird übrigens auch Aufsichtsrat (non-executive director) der Royal Mail - da Ofcom demnächst auch Postregulierer werden soll, wurde dieser Wechsel natürlich kritisch beurteilt (zB hier oder hier).

Monday, January 19, 2009

Gerhard Zeiler: "Now is the time to think big"

Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beschäftigt auch Gerhard Zeiler, CEO der RTL Gruppe. An der Übernahme des österreichischen öffentlichen-rechtlichen Programms ORF 1 hat RTL zwar - nach eigenen Angaben - kein Interesse, und dass Zeiler selbst an die ORF-Spitze zurückkehren soll, ist wohl auch nur ein stets wiederkehrendes Gerücht, aber im Vereinigten Königreich gibt es ernste Überlegungen, den in Schieflage geratenen öffentlich-rechtlichen "Channel 4" zu übernehmen (oder besser: mit dem RTL-Sender Five zu fusionieren). Nachdem Gespräche zwischen Channel 4 und Five-Vertretern im Dezember noch nicht bestätigt wurden, ist seit einigen Tagen auch öffentlich bekannt, dass Luke Johnson, Chairman von Channel 4, mit RTL-Chef Zeiler im Dezember Geheimgespräche über eine Fusion führte - mit ausdrücklicher Unterstützung durch den britischen Medienminister, Ex-Ofcom-Chef Stephen - nun: Lord - Carter.

Und heute hat sich Zeiler mit einem Kommentar in der Financial Times selbst zu Wort gemeldet, um Werbung für eine Fusion zwischen Channel 4 und Five zu machen. Der Zeitpunkt ist günstig, denn Channel 4 hat massive Finanzprobleme. Eine geplante staatliche Beihilfe in der Höhe von 14 Mio Pfund, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung gewährt werden sollte, war letztes Jahr auf Kritik in der Kommission gestoßen; nach der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme (siehe dazu auch die Presseaussendung: Commission opens inquiry sowie die case site) hat sich die britische Regierung nämlich entschlossen, dieses Projekt nicht weiterzuverfolgen (siehe einen Bericht im Guardian) - nach dem Motto: es zahlt sich gar nicht aus, um die 14 Mio Pfund zu streiten, wenn Channel 4 doch eher 150 Mio Pfund Staatshilfe benötigen würde.

Nicht erst seit damals steht eine Privatisierung von Channel 4 im Raum (siehe etwa den Beitrag von Maggie Brown im Guardian-Blog vom 3. Dezember 2008) - was auch in einer Studie der beiden Ex-Ofcom-Leute Kip Meek und Robin Foster (Public Service Broadcasting in the UK - A Longer Term View) vom vergangenen November nicht ausgeschlossen wurde. Interessant dabei: finanziell unterstützt wurde dieses Werk von der BBC und von Five. Meek und Foster kamen unter anderem zu folgendem Ergebnis: "Now is not the time for any significant increase in direct spend on PSB; indeed, over time its cost to the nation may reduce." Wesentliche Policy-Implications in der Studie von Meek/Foster lauten:

  • High-speed broadband provision should be prioritised ahead of any new PSB interventions
  • There should be tight scrutiny of any new claims for increased funding of PSB
  • A limited number of “market-tuning” and“market-changing” interventions should be considered to ensure plurality of PSB provision and maintain content standards
  • A fair and transparent approach to awarding PSB contracts is needed, including an element of contestability in some cases
Überhaupt ist die Breitbandversorgung für Meek und Foster wichtiger als die Content-Finanzierung - in der Zusammenfassung heißt es zu dieser Studie:
"It argues that the expansion of access to high-speed broadband will unlock the potential for the market to deliver much more public service content than in the old linear broadcasting world, and that a new balance of markets and public intervention will therefore be needed to secure key public policy objectives in the future."
Jeff Jarvis auf BuzzMachine bringt diesen Gedanken (ohne ausdrücklichen Bezug zu Meek/Foster) so auf den Punkt: "To hell with public-service broadcasting. How about public-service connectivity?"

PS: noch ein paar Überlegungen zu den Optionen betreffend Channel 4 aus britischen Medien: BBC-Partnership (Guardian), Options narrowing (FT), Channel 4's targeting of BBC Worldwide (Guardian); Why Channel 4's future is tied to 'broadband for all' (Guardian) ;
update 20.1.: Channel 4-CEO Andy Duncan antwortet in der FT (lesenswert dazu Vicky Frost im Guardian)

Sunday, January 18, 2009

EGMR: Das Recht auf die eigene Sat-Schüssel

Gibt Art 10 EMRK einem Mieter das Recht, gegen den Willen des Vermieters eine eigene Sat-Schüssel zu montieren? Mit dieser Frage befasste sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 im Fall Khurshid Mustafa and Tarzibachi v. Sweden (Application no. 23883/06).

Der Fall nahm seinen Ausgang in Schweden: ein schwedisches Ehepaar irakischer Herkunft nutzte eine Parabolantenne, die schon beim Einzug in die Mietwohnung an der Fassade angebracht gewesen war, um Programme in Arabisch und Farsi zu empfangen. Nach einem Vermieterwechsel verlangte der neue Vermieter die Demontage der Antenne und beantragte bei Gericht die Räumung der Mietwohnung, da das Anbringen der Sat-Schüssel entgegen einer Klausel im Mietvertrag erfolgt war. Die Mieter nahmen die alte Sat-Schüssel ab, montierten aber eine neue, allerdings nicht an der Fassade, sondern auf einem eisernen Ständer in der Küche; die Antenne war auf einem Ausleger montiert, der durch das Küchenfenster ins Freie ging, und sie konnte bei Nichtgebrauch eingezogen werden. Ein Sachverständiger einer Mieterorganisation bestätigte, dass die Konstruktion sicher war. Das Mietengericht (Rent Review Board) gab den Mietern recht, das Berufungsgericht dem Vermieter - die Mieter mussten schließlich ausziehen.

Der von den Mietern angerufene EGMR betonte zunächst, dass die effektive Ausübung der Äußerungsfreiheit nach Artikel 10 EMRK positive Maßnahmen des Staates erfordern kann. Entsprechend seinem Prüfschema in Artikel 10-Fällen hielt der EGMR dann fest, dass ein Eingriff in die Rechte nach Artikel 10 EMRK vorlag, dass dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen war und auch ein legitimes Ziel - den Schutz der Rechte anderer - verfolgte. Zur Frage, ob der Eingriff auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war, verwies der EGMR darauf, dass die Kläger dadurch effektiv vom Empfang bestimmter, nur über Satellit verbreiteter Informationen ausgeschlossen wurden. Interessant ist, dass der EGMR in diesem Zusammenhang besonders auch auf die Bedeutung der Unterhaltung hinweist:
"...the freedom to receive information does not extend only to reports of events of public concern, but covers in principle also cultural expressions as well as pure entertainment. The importance of the latter types of information should not be underestimated, especially for an immigrant family with three children, who may wish to maintain in contact with the culture and language of their country of origin. The right at issue was therefore of particular importance to the applicants."
Dass die Programme über den vom Vermieter geplanten Breitbandzugang hätten empfangen werden können, wurde nicht aufgezeigt. Die Sat-Schüssel begegnete auch keinen Sicherheitsbedenken, und die vom Vermieter behaupteten ästhetischen Schäden konnten vom EGMR auch nicht nachvollzogen werden - wörtlich heißt es: "In this connection, it should be mentioned that the applicants' flat was located in one of the suburbs of Stockholm, in a tenement house with no particular aesthetic aspirations." Alles in allem kam der EGMR zum Ergebnis, dass die Räumung der Mietwohnung keinesfalls mehr verhältnismäßig war und dass - auch wenn man den nationalen Gerichten einen gewissen Beurteilungsspielraum ("a certain margin of appreciation") lässt - der Eingriff nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.

Wie wäre das in Österreich? Nach § 9 Abs 2 Z 5 MRG ist "die Anbringung der nach dem Stand der Technik notwendigen Antennen und sonstigen Einrichtungen für den Hörfunk- und Fernsehempfang sowie für Multimediadienste, sofern der Anschluß an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist" eine Veränderung des Mietgegenstands, die einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient und der der Vermieter daher in der Regel zustimmen muss. Dabei geht es um eine Abwägung im Einzelfall, wie der OGH etwa in seinem Beschluss vom 30. Mai 200, 5 Ob 140/00z, festgehalten hat: dort war es einem türkischen Mieter nicht zumutbar, anstelle der Sat-Schüssel, über die er zehn türkische Kanäle empfangen konnte, auf den Kabelanschluss verwiesen zu werden, der nur ein türkisches Programm anbot.

Mit der gemeinschaftsrechtlichen Dimension befasste sich der OGH in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2003, 5 Ob 199/03f: er kam dabei unter Hinweis auf die Dienstleistungsfreiheit, das Urteil des EuGH in der Rs C-17/00 De Coster, und schließlich die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs - Artikel 28 und 49 EG Vertrag - Auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen (KOM/2001/0351 endg.), zu einem sehr ähnlichen Ergebnis wie der EGMR. Art 10 EMRK findet dabei gewissermaßen über den Umweg der Kommissionsmitteilung Eingang in die Argumentation des OGH. In der Kommissions-Mitteilung wurde nämlich - ua mit Hinweis auf Art 10 EMRK - ein "individuelles Recht auf die Antenne" postuliert; der OGH schließt sich den Überlegungen der Kommission - die "ein durchaus schlüssiges und überzeugendes Rechtsverständnis" vermitteln - ausdrücklich an und überträgt sie auch auf das Mietrecht:
"Nicht explizit beschäftigt hat sich die Kommission mit den Problemen, die sich bei eingeschränkten Möglichkeiten privatautonomer Rechtsgestaltung im Mietrecht, insbesondere durch Interessengegensätze zwischen dem Eigentümer und dem Mieter eines Objekts ergeben. Die nicht nur beiläufige Ableitung des individuellen Rechts auf Nutzung der Empfangsmöglichkeiten einer Parabolantenne aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit zwingt jedoch zum Schluss, dass es auch im Mietrecht nur jenen Beschränkungen unterworfen werden darf, die ihm durch gemeinschaftsrechtlich anerkannte, höherwertige Allgemeininteressen gesetzt sind. Wenn daher die Kommission mit Blick auf Art 10 [EMRK] ausführte, die Möglichkeit eine Parabolantenne zu nutzen, müsse im Allgemeinen jedem, der eine solche Antenne besitzen möchte, zuerkannt werden, hat dies auch für die Parteien eines Mietverhältnisses zu gelten. Für die Lösung der hier interessierenden Rechtsfrage nach möglichen Alternativen für eine vom Mieter gewünschte Satellitenempfangsanlage bedeutet dies, dass ihm die Errichtung einer solchen Anlage jedenfalls nicht allein mit dem Argument verwehrt werden kann, ihm stehe ohnehin die Möglichkeit des Anschlusses an ein im Haus bereits vorhandenes Telekabel offen".
Update: 14.05.2013: siehe zur deutschen Rechtslage nun den Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 31.03.2013, 1 BvR 1314/11 (Pressemitteilung), wonach im Wesentlichen ein Verbot des Vermieters betreffend die Anbringung von "Satellitenschüsseln" nur nach vorheriger konkreter Interessenabwägung im Einzelfall zulässig ist; siehe zu diesem Beschluss (nun, 16.05.2013) auch den Beitrag
"Der jüngste Parabolantenne-Beschluss: Karlsruhe doing diversity" von Cengiz Barskanmaz (Verfassungsblog).

Thursday, January 15, 2009

Abschied vom "ORF-Sendernetz" - das Ende der vertikalen Integration des ORF?

Noch hält der ORF die Mehrheit an der ORS (Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG), die das frühere ORF-Sendernetz betreibt. Doch nicht nur diverse Ankündigungen (von Raiffeisen genauso wie vom ORF) lassen erwarten, dass sich das sehr bald ändern könnte. Zwar hat ORF-Generaldirektor Wrabetz noch vor einem Monat behauptet, dass ein Anteilsverkauf an der ORS "im Strategiekonzept im Frühjahr zu beantworten" sein werde und dies jedenfalls kurzfristig "nicht vorgesehen" sei, doch mit dem damals schon bekannten Engagement in Bulgarien scheint mir dies nur schwer vereinbar. Immerhin soll die ORS das komplette Netz an Rundfunksendern in Bulgarien übernehmen (siehe Pressemitteilungen hier oder hier).

Nach § 2 Abs 2 ORF-G ist der ORF "zur Gründung von Tochtergesellschaften und zur Beteiligung an anderen Unternehmen im In- und Ausland berechtigt, sofern diese den gleichen Unternehmensgegenstand haben oder der Unternehmensgegenstand gemäß Abs. 1 dies erfordert." Der Bundeskommunikationssenat hat sich mit dieser Frage aus einem anderen Anlass schon eingehend auseinandergesetzt und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen:
"Die Grenze zwischen nach dem Unternehmensgegenstand gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 letzter Fall ORF-G zulässigen über den öffentlichen Auftrag hinausgehenden Tätigkeiten und Tätigkeiten, die auch als über den öffentlichen Auftrag hinausgehende Tätigkeiten vom Unternehmensgegenstand gemäß dieser Bestimmung nicht mehr erfasst sind, liegt dort, wo der Betrieb bestimmter technischer Einrichtungen als solcher für die Veranstaltung von Rundfunk im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 ORF-G nicht mehr notwendig ist. ... Die Grenze ist aber jedenfalls dort überschritten, wo bestimmte Technologien oder Netzwerke größeren Umfangs ausschließlich für die Zurverfügungstellung an Dritte errichtet und betrieben werden sollen." (Hervorhebung hinzugefügt)
Legt man diese Sichtweise des BKS zugrunde, so scheint der Betrieb eines Sendernetzes in Bulgarien wohl nicht mehr vom gesetzlich vorgesehenen Unternehmensgegenstand des ORF oder seiner Tochtergesellschaften gedeckt. Damit wäre aber - falls die veröffentlichten Pressemeldungen den Sachverhalt zutreffend schildern - auch die Beibehaltung einer Sperrminorität an der ORS (die hier noch erwartet wurde) für den ORF nicht mehr mit § 2 ORF-G, wie er vom BKS ausgelegt wird, vereinbar.

Der Stiftungsrat hat bei seiner Sitzung im vergangenen November der Expansion nach Bulgarien zugestimmt; dass ihm die rundfunkrechtlichen Implikationen im Hinblick auf den ORF-Unternehmensgegenstand dabei nicht bekannt waren, sollte auszuschließen sein. Somit ist wohl anzunehmen, dass der Verkauf der Mehrheit an der ORS auch vom Stiftungsrat schon zumindest implizit akzeptiert wurde und der ORF demnächst die Beteiligung an der ORS auf 25% oder weniger zurücknimmt (eine Beteiligung an Unternehmen mit anderem Unternehmensgegenstand ist dem ORF nämlich - zur Vermögensveranlagung!- nach § 2 Abs 2 ORF-G gestattet, sofern die Beteiligung an diesen Unternehmen 25% nicht übersteigt).

Wednesday, January 14, 2009

"Ehrliche, tolle Werbung" - aber nicht als solche gekennzeichnet

Die deutschen Landesmedienanstalten führen Sendungen wie "Wetter-Panorama" in ihrem Codebuch zur Programmanalyse unter der Kategorie "Programmüberbrückung". Für den ORF dürfte das Wetter-Panorama weit mehr sein, immerhin füllt er damit täglich mehrere Stunden seines Programms auf TW1 und auch auf ORF2.

Produziert wird das Ganze von der feratel media technologies AG, die (allerdings schon im Jahr 2001) stolz auf "langfristige Exklusivverträge mit dem ORF" für die Ausstrahlung der Wetterbilder im "Frühstücksfernsehen" (und auch auf "langfristige Nutzungsrechte am Richtfunknetz des ORF") hinwies. "Die Kooperationen mit den TV-Sendern", heißt es im letzten Geschäftsbericht der feratel (ähnliche Programme laufen auch in Bayern, der Schweiz oder den Niederlanden), "eröffnen den Tourismusanbietern ein Fenster zu ihrer Destination, durch das potenzielle Kundschaft in ganz Europa blickt." Der Zweck ist klar: Werbung für den jeweiligen Ort, der sich die Kameras leistet. Wie auf der feratel-Website zu lesen ist: "ehrliche, tolle Werbung".
Fragt sich dann nur, warum das Ganze nicht als Werbung gekennzeichnet ist (auf ORF 2 wäre eine Dauerwerbesendung allerdings gemäß § 13 Abs 7 ORF-Gesetz nicht zulässig).

Tuesday, January 13, 2009

Regionale Märkte für Breitbandzugang auf Vorleistungsebene

Die Frage der räumlichen Marktabgrenzung (subnationale oder regionale Märkte) oder geographisch differenzierter Regulierungsinstrumente ist in der Telekomregulierung insbesondere auf dem Markt für den Breitbandzugang für Großkunden (Markt 5 der neuen Märkteempfehlung) in Europa weiterhin aktuell.

Im Vereinigten Königreich wurde - mit Zustimmung der Kommission (siehe Presseaussendung) - schon vor fast einem Jahr eine regionale Marktdefinition vorgenommen. Finnland wollte dies nun nachmachen, wurde aber von der Kommission zumindest vorerst zurückgehalten: mit einem "serious doubts"-Schreiben hat die Kommission die Phase II des Artikel-7-Verfahrens nach der Rahmenrichtlinie eingeleitet (siehe dazu auch die Pressemitteilung der Kommission und die Zusammenfassung des Maßnahmenentwurfs). Ein Maßnahmenentwurf der Regulierungsbehörde aus Portugal wiederum, in dem auch eine regionale Marktabgrenzung vorgenommen wird, hat allerdings die Zustimmung der Kommission gefunden (Zusammenfassung des Entwurfs, Comments-Letter, Presseaussendung).

In Österreich hat die für die Marktdefinition im Telekombereich zuständige Regulierungsbehörde (RTR, Fachbereich Telekom) bislang keine regionale Marktabgrenzung im Breitbandbereich getroffen (die erste Definition des Breitbandmarkts erfolgte mit einer Novelle zur TKMVO 2003 im Jahr 2005 [Markt 17]; die neue Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 hat den Markt des Breitbandzugangs für Großkunden noch nicht neu geregelt). Allerdings hat die Telekom-Control-Kommission in ihrem Marktanalysebescheid für den Breitbandmarkt vom 4. Juli 2008 regional differenzierte Regulierungsmaßnahmen vorgesehen; dieser Bescheid wurde jedoch vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Dezember 2008, 2008/03/0116 ua, aufgehoben.

Sunday, January 11, 2009

ORF Landesstudio NÖ: "Bewerbung über das redaktionelle Ausmaß hinaus"

Der niederösterreichische Landeshauptmann hat jüngst behauptet, vielen würden "die Augen übergehen", wüssten sie, wie viele ORF-Gebühren Niederösterreich kassiert und wie viel es für ORF-Filme ausgibt. Die APA hat daraufhin vorgerechnet, dass Niederösterreich 25,4 Millionen Euro "aus der GIS-Gebühr 2007" (gemeint: aus der gemeinsam mit dem Programmentgelt eingehobenen Landesabgabe) bekomme, aber nur 2,88 Mio Euro für die Filmförderung aufgewendet habe. Die Presse zitiert dazu den Sprecher des Landeshauptmanns, der darauf hinweist, dass das Geld auch für Tourismuskooperationen, Sport-, Kulturförderungen und TV-Produktionen bzw. -Serien ("Universum", "Julia", "Soko Donau") verwendet worden sei.

Wofür könnte das Land Niederösterreich also dem ORF Geld zahlen? Location Placement zum Beispiel wird in den Materialien zum ORF-G von Product Placement abgegrenzt und wohl als zulässig angesehen; Kogler/Traimer/Truppe sehen das als vertretbar an, weisen aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dann noch zu prüfen sei, ob Werbung (allenfalls Schleichwerbung) oder Sponsoring vorliege. Wie weit "Politician Placement" zulässig ist, wurde in der Literatur und Rechtsprechung meines Wissens bisher nicht näher erörtert; LH Pröll ist jedenfalls schon in einem vom Land Niederösterreich geförderten Fernsehfilm als er selbst aufgetreten.

Dem Landesstudio Niederösterreich aber dafür Geld zu geben, dass eine "verstärkte Bewerbung [zB: der Landesausstellung] über das redaktionelle Ausmaß hinaus" erfolgt (so wurde dies in einer Anfragebeantwortung von LH Pröll im Jahr 2004 dargestellt), ist doch mutig: impliziert es doch, dass durch diese Zahlung das Landesstudio Niederösterreich bewogen werden könnte, mehr als redaktionell gerechtfertigt zu berichten (denn werben darf das Landesstudio ohnehin nicht).

PS: Natürlich zweifle ich nicht daran, dass sich das Landesstudio Niederösterreich in seiner Berichterstattung von solchen Zahlungen keinesfalls beeinflussen lassen könnte. Andererseits: "Wer zahlt kommt vor" entspricht nach Ansicht des ORF-Kommunikationschefs ohnehin den journalistischen Regeln.

Outsourcing à la ORF: "Die Sparte Industrie erstellt das Drehbuch"

"Die Gestaltung von Sendungen oder Sendungsteilen nach thematischen Vorgaben Dritter gegen Entgelt ist unzulässig", heißt es in § 17 Abs 7 ORF-Gesetz, und auch die Programmrichtlinien des ORF sind eindeutig: "Die Einflussnahme Außenstehender auf Inhalt und Form von Programmelementen ist unzulässig".

Aber das hindert offenbar nicht ein Outsourcing besonderer Art: dass der Auftraggeber einer Patronanzsendung gleich selbst das Drehbuch für die Sendung erstellt. Genau das beschreibt jedenfalls die Wirtschaftskammer Salzburg in einer aktuellen "Chefinfo". Zwar geht es dabei nur um relativ harmlose kleine Filmchen, in denen Lehrberufe vorgestellt werden (ausdrücklich als "Lehrlingswerbung" bezeichnet es die Kammer in einer Aussendung), aber die Drehbucherstellung ist nicht die einzige Leistung der Wirtschaftskammer - sie bezahlt auch noch einen "Produktionskostenzuschuss" (nachzulesen im Detail in der "Chefinfo"). Betriebe der Sparte Gewerbe/Handwerk der Wirtschaftksammer, die in der Sendereihe vorkommen möchten, müssen keine weiteren Leistungen erbringen (aber: "Sponsoring erwünscht", siehe hier); Betriebe der Sparte Industrie müssen hingegen auch selbst beisteuern: "€ 1.167,00 + 20 % MwSt. + 0,75 % Werbeabgabe."
Das mit der Werbeabgabe ist insofern bemerkenswert, als der angegebene Satz von 0,75% normalerweise für Hörfunk-Patronanzen angewendet wird, bei Fernseh-Patronanzsendungen wären es laut Durchführungserlass des BMF nur 0,5%; bei "echter" Werbung, die freilich in den regionalen Programmen des ORF nach § 13 Abs 7 ORF-G nicht zulässig ist, würde der Satz 5% betragen. Und bei Patronanzsendungen wäre es nach § 17 Abs 2 ORF-G erforderlich, dass sie durch Namen oder Firmenemblem des Auftraggebers am Anfang und am Ende eindeutig gekennzeichnet wären. Die Filmchen, die auf der Website der Salzburger Wirtschaftskammer abrufbar sind (zB hier, hier oder hier), zeigen aber nur einen Hinweis auf eine Lehrlingsinitiative von ORF Salzburg und WKS, nicht aber auch auf das jeweilige Unternehmen.

Thursday, January 08, 2009

Burg-Schauspiele mit gerichtlichem Nachspiel

Aus aktuellem Anlass ein Hinweis auf ein (deutsches) Urteil zu einem Sendeformat, das "erkennbar darauf anlegt [war], dass sich die Teilnehmer zur Belustigung des Publikums bloßstellen und zum Teil entwürdigen, wohl um ihre eigene Bekanntheit zu steigern." Betroffen war allerdings nicht das RTL-"Dschungelcamp", sondern die 2005 ausgestrahlte ProSieben-Reality-Show "Die Burg" (von Oliver Kalkofe als "Teletrash der ganz fiesen Art für geschmacksresistente Allesglotzer" bezeichnet). Zwei Teilnehmer dieser Show waren in der Sendung aneinandergeraten (im Urteil des LG Berlin heißt es, die Beklagte habe "- offenbar dem Stil der Sendung entsprechend - handgreiflich reagiert"), und trafen sich dann, schon zum zweiten Mal in dieser Sache, vor Gericht wieder.

Wer sich den Ausgangspunkt des Streits wirklich ansehen will, hat hier auf YouTube dazu Gelegenheit; eine Zusammenfassung findet sich auch im Urteil des Landgerichts Berlin (siehe dazu auch hier; den Hinweis auf das Urteil verdanke ich Telemedicus):
"Der Kläger und die Beklagte traten im Jahr 2004/2005 in der Sendung 'Die …' auf, die von dem Sender … bundesweit ausgestrahlt wurde und in der eine Reihe von Prominenten und solchen, die sich dafür halten, unter vermeintlich mittelalterlich Umständen lebten. Die Mitspieler wurden dabei in die Gruppen 'Adel' und 'Pöbel' eingeteilt. Der Kläger gehörte zum Pöbel', die Beklagte zum 'Adel'.
Am 31.01.2005 verlangte die Beklagte vom 'Pöbel', man solle ihr ein heißes Bad zubereiten. Der Kläger und ein weiterer Mitspieler dieser Gruppe bereiteten daraufhin das Bad und urinierten vor laufender Kamera in das Wasser. Die Beklagte tauchte lediglich einen Arm in das Badewasser, wurde jedoch rechtzeitig gewarnt, so dass sie letztlich nicht in dem Wasser badete. Als die Beklagte die gemeinsamen Aufnahmen beim Abendessen am selben Tag sah, schlich sie sich von hinten mit einer Schüssel roter Marmelade an den Kläger heran, der dem Bildschirm zugewandt saß und beschmierte ihn im Gesicht mit Marmelade. Die Beklagte wurde daraufhin von einem Schlag an ihrem Kopf getroffen. Die genauen Umstände dieser Auseinandersetzung sind streitig."
Die Beklagte hatte (aufrechnungsweise) einen Schmerzengeldanspruch geltend gemacht, da sie meinte, durch die Handlungen des Klägers "vor einem Millionenpublikum erniedrigt worden" zu sein, was besonders schwerwiegend sei, weil sie "von ihrem positiven Image lebe". Das LG Berlin konnte dem nichts abgewinnen, weil
"nicht erkennbar ist, dass die Beklagte gerade wegen der Handlungen des Klägers in besonderer Weise der Lächerlichkeit preisgegeben worden wäre. ... Zudem hat die Beklagte weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich, dass sie verlangt hätte, dass die betreffenden Teile der Sendung nicht ausgestrahlt oder zumindest nicht wiederholt werden, womit sie ohne weiteres hätte verhindern [können], dass ihr, wie sie vortragen lässt, 'positives Image', von dem sie lebe, Schaden nimmt. Schließlich hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte in einer früheren auf einem ähnlichen Prinzip basierenden Sendung freiwillig in einen Bottich voller Gülle gestiegen ist. Wenn die Beklagte aber aus freien Stücken ihren Körper in flüssigen Tierfäkalien taucht, ist unklar, weshalb sie dadurch der Lächerlichkeit preisgegeben worden sein soll, dass sie ihre Hand in mit menschlichem Urin versetztes Badewasser hält."
Deutliche Worte - ein grober Klotz auf einen groben Keil, und hier wohl angebracht, zumal man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren kann, dass auch die Auseinandersetzung vor Gericht den Streitparteien vor allem dazu dienen sollte, "ihre eigene Bekanntheit zu steigern" (vielleicht ist die konsequente Anonymisierung im Urteil, trotz des von den Beteiligten öffentlich gemachten Falles, auch einfach ein subtiler Versuch, dieses Anliegen ein wenig zu unterlaufen). Telemedicus hat allerdings - unter Hinweis auf die Laserdrome-Entscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts - zurecht angemerkt, dass es fraglich ist, wie weit man mit der Teilnahme an Reality-Shows tatsächlich in jede erdenkliche Persönlichkeitsrechtsverletzung einwilligt und überhaupt einwilligen kann.

Tuesday, January 06, 2009

Lesestoff

Nach dem Motto "everything is miscellaneous" ein paar nicht weiter strukturierte Hinweise auf interessanten Lesestoff:
  • Eine ziemlich harte Beurteilung für das Wirken der amerikanischen Regulierungsbehörde unter ihrem - noch - aktuellen Vorsitzenden, bzw vor allem eine harte Beurteilung des Vorsitzenden selbst, findet sich in einem Bericht des Kongress-Ausschusses für Energie und Wirtschaft mit dem klaren Titel "Deception and Distrust, The Federal Communications Commission under Chairman Kevin J. Martin." (siehe dazu auch hier und hier; der Bericht bestärkt durchaus den Eindruck, den ich aus einem Gespräch mit Kevin Martin vor etwa drei Jahren mitgenommen habe: eine sehr starke politische Ausrichtung, die in der FCC ein Instrument zur Förderung auch gesellschaftspolitischer Ziele der Bush-Administration sah und wenig Raum für auch vorsichtigen Widerspruch ließ).
  • Zum Thema Next Generation Access erschien ein Band in der Schriftenreihe der RTR und auch die Studie The Economics of Next Generation Access des WIK.
  • Der AK-Wettbewerbsbericht 2008 enthält wie jedes Jahr auch wieder Berichte aus den Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden, unter anderem für Telekom und Rundfunk.
  • Medien und Kommunikationsbericht der deutschen Bundesregierung (mit Anlage: Gutachten des Hans Bredow-Instituts).
  • das EMR Saarbrücken hat schon vor etwa einem Jahr im Auftrag des Ausschusses der Regionen eine Evaluation" des TK-Pakets vorgenommen, die ich erst kürzlich entdeckt habe; ungeachtet der inzwischen eingetretenen Entwicklungen ist dieses Dokument schon insofern interessant, als das EMR seinen spezifisch rundfunkrechtlichen Background einbringt und Frequenzmanagement-Fragen an die Spitze stellt.
  • Das Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher (Website dazu) nennt zwar den Finanzbereich als jenen, in dem Verbraucher "die wirksame Durchsetzung von Massenforderungen für am schwierigsten halten" - an zweiter Stelle steht aber schon der Telekombereich; dass kollektive Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten hier interessant sein könnten, meint auch das Ofcomwatch-Blog. Wer einen Überblick bekommen will, was Verbraucherschützer in Österreich im Telekombereich bislang so alles erstritten haben, ist auf der Seite verbraucherrecht.at (konkret: hier) gut aufgehoben.
  • Weiter mit Ofcom und Konsumenten: "The Consumer Experience" nennt sich ein jährlicher Bericht von Ofcom, zuletzt im vergangenen November vorgelegt, in dem die Situation der Konsumenten auf den Kommunikationsmärkten untersucht wird und Policy-Schlussfolgerungen gezogen werden. Auch wenn im Policy-Teil die Dichte an Ofcom-typischen Sprechblasen recht hoch ist ("We will continue to work in this area to ensure that these services can develop to meet changing consumer needs and expectations."), finden sich doch viele wesentliche Informationen und auch vergleichsweise konkrete Positionen.
  • Hinzuweisen ist auch auf den ebenfalls im vergangenen November vorgelegten neuen International Communications Markets Report von Ofcom. Die schon bisher im internationalen Vergleich herangezogenen Länder (Frankreich, Deutschland, Italien, USA, Kanada und Japan wurden diesmal um Polen, Spanien, die Niederlande Schweden und Irland ergänzt (vielleicht kommt irgendwann einmal auch Österreich dazu?), außerdem wird die Entwicklung in Brasilien, Russland, Indien und China beleuchtet.