Monday, July 23, 2012

EuG: Klage auf Zugang zu Dokumenten aus Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zur Vorratsdaten-RL anhängig

Mit Urteil vom 29.07.2010, C-189/09, hat der EuGH festgestellt, dass Österreich der Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten nicht nachgekommen war. Das daraufhin von der Kommission eingeleitete Verfahren zur Überprüfung, ob Österreich dem EuGH-Urteil entsprochen hat (Verfahren nach Art 260 AEUV) wurde laut Pressemitteilung der Kommission vom 31.05.2012 - nach Inkrafttreten der TKG-Novelle zur Vorratsdatenspeicherung - eingestellt.

Dennoch beschäftigen Fragen rund um diese Verfahren das EuG (Gericht des Gerichtshofs der Europäischen Union), und zwar aufgrund einer Klage von Patrick Breyer, der nicht nur Vorsitzender der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag ist, sondern sich auch schon in seiner juristischen Dissertation im Jahr 2004 mit der Vorratsdatenspeicherung auseinandergesetzt hat (Verfahren T-188/12 Breyer / Kommission). Breyer hat, gestützt auf die Verordnung (EG) Nr 1049/2001, Anträge auf Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit der Vorratsdaten-RL an die Kommission gestellt, und zwar einerseits betreffend ein Rechtsgutachten des Juristischen Dienstes der Kommission und andererseits betreffend Dokumente "bezüglich der Umsetzung oder Nichtumsetzung der Richtlinie 2006/24/EG durch Österreich und Deutschland, einschließlich aller Dokumente betreffend das Gerichtsverfahren C-189/09." Die Kommission verweigerte die Herausgabe des Gutachtens des juristischen Dienstes und der Schriftsätze Österreichs im Verfahren C-189/09, sodass Breyer Klage beim EuG erhoben hat (Pressemitteilung, Klagsschrift).

In der Folge hat die Kommission das Gutachten des juristischen Dienstes "freiwillig" herausgegeben (kritische Anmerkungen dazu von Patrick Breyer), die Klage wurde entsprechend eingeschränkt. Damit ist die Klage nur mehr gegen die Verweigerung des Zugangs zu den österreichischen Dokumenten anhängig. Die Argumentation der Kommission, weshalb der Zugang verweigert werden soll, ist in der Ablehnung nachzulesen, die der Klagsschrift angeschlossen ist.
Interessant ist dabei, dass sich die österreichischen Behörden sogar geweigert haben, Dokumente aus dem bereits abgeschlossenen Vertragsverletzungsverfahren C-189/09 zugänglich zu machen (was selbst  die Kommission als nicht gerechtfertigt ansieht). Und das Argument, dass die im nachfolgenden Überprüfungsverfahren, ob Österreich dem EuGH-Urteil nachgekommen ist, vorgelegten Dokumente noch dem "Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung" im Sinn des Art 4 Abs 2 VO 1049/2001 dienen, ist spätestens seit der Einstellung dieses (Folge-)Verfahrens Ende Mai 2012 nicht mehr haltbar.

Angesichts dessen würde ich eher nicht erwarten, dass die - im Grundsätzlichen durchaus interessanten - Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Dokumenten aus Vertragsverletzungsverfahren in diesem Fall tatsächlich ausjudiziert werden (Leitentscheidung des EuGH dazu ist übrigens das in der Kommissionsentscheidung auch zitierte Urteil vom 21.09.2010, C-514/07 ua, Schweden / API / Kommission). Aber ganz abgesehen davon ist es schon bemerkenswert, dass Österreich sich gerade im Fall der Vorratsdatenspeicherung so nachhaltig weigert, Zugang zu den Verfahrensdokumenten zuzulassen (und damit die Sache natürlich umso interessanter macht).

1 comment :

André Rebentisch said...

Bezgl. Dokumentzugang ist es notwendig, auf das Urteil Turco sich zu beziehen; EC/1049/2001 reflektiert nicht das Fallrecht des EuGH und die Rechte aus dem Lissabonvertrag. Eine Neufassung der Regulierung (mit Berichterstatter M. Cashman im Europaparlament) liegt beim Rat blockiert (Vorgang 2008/0090(COD)).