Wednesday, December 28, 2011

Detail am Rande: der ORF und das Lobbying-Gesetz

Natürlich verfolge auch ich die aktuelle Debatte zu den kurz vor Weihnachten verkündeten ORF-Personalentscheidungen, von denen man ja nicht mehr recht weiß, ob sie schon getroffen wurden (in diese Richtung ging die ORF-Presseaussendung), oder ob doch noch BewerberInnen gesucht werden (worauf die Ausschreibung von drei dieser Positionen hindeuten würde). Aber zu diesen Personalgeschichten will ich mich ausdrücklich nicht äußern.

Als Detail am Rande interessant fand ich - in einem ganz anderen Zusammenhang - aber folgende Antwort von Thomas Prantner, der gerade noch Online-Direktor des ORF ist und laut ORF-Presseaussendung demnächst "stellvertretender Technischer Direktor"* des ORF sein wird, in einem aktuellen Interview mit dem Standard
"Ich gebe gerne zu, dass ich beim Zustandekommen der Zweidrittelmehrheit für das ORF-Gesetz 2010 versucht habe, bei Abgeordneten Überzeugungsarbeit im Interesse des Unternehmens zu leisten."
Das wäre natürlich eine ganz klassische Lobbyingtätigkeit im Sinne des - noch nicht beschlossenen - "Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetzes" (kurz: LobbyG). Der im Juni 2011 zur Begutachtung versandte Ministerialentwurf sollte für "alle Aktivitäten mit dem Ziel der direkten Einflussnahme auf einen bestimmten Entscheidungsprozess der österreichischen Gesetzgebung und Verwaltung" gelten (mit einigen, hier nicht relevanten Ausnahmen) und hätte insbesondere auch Unternehmenslobbyisten erfasst (Unternehmenslobbyist sollte nach der Definition in § 3 Z 4 des Entwurfs ein "Organ oder Dienstnehmer [sein], zu dessen Aufgaben es gehört, Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 [Lobbying] für seinen Dienstgeber auszuüben"). Wäre ein Gesetz mit dem Inhalt des Ministerialentwurfs zum Zeitpunkt der Prantnerschen Bemühungen schon in Geltung gestanden, dann wäre diese Tätigkeit registrierungspflichtig gewesen und hätte einem Verhaltenskodex unterliegen müssen.

Aus der Stellungnahme im Begutachtungsverfahren lässt sich entnehmen, dass der ORF seiner Einbeziehung in das LobbyG allerdings nicht viel abgewinnen konnte; wörtlich heißt es dort:
"Der ORF erfüllt [...] einen öffentlichen Auftrag. Aktivitäten, die dessen Erfüllung dienen, sind - vergleichbar der Funktion der öffentlichen Hand - Anliegen der Allgemeinheit. Aus diesem Grund regen wir an, die Tätigkeit des ORF in den Katalog der Ausnahmen von der Anwendung des geplanten Gesetzes in § 1 Abs 3 - allenfalls Abs 4 - aufzunehmen."
Mittlerweile gibt es eine Regierungsvorlage, bei der sich gegenüber dem Ministerialentwurf zwar nicht der Titel, aber doch einiges am Inhalt des geplanten Gesetzes verändert hat. Würde die Überzeugungsarbeit des Onlinedirektors (oder - wohl bei anderen Abgeordneten - anderer DirektorInnen oder des Generaldirektors) auch nach der Regierungsvorlage noch unter das LobbyG fallen? Die Antwort, nicht wirklich überraschend, lautet: Nein.

Denn erstens wurde der Begriff des Unternehmenslobbyisten neu definiert, sodass nur mehr "Organe oder Dienstnehmer eines Unternehmens, zu deren überwiegendem Aufgabenbereich Lobbying-Tätigkeiten für dieses Unternehmen oder für ein mit ihm in einem Konzern verbundenes Unternehmen gehören" erfasst sind. Ich würde nicht annehmen, dass die Direktoren überwiegend mit Lobbying beschäftigt sind.

Zweitens aber - und für den ORF noch wichtiger - soll das LobbyG nach der Regierungsvorlage "auf die Interessenvertretung durch die Sozialpartner und kollektivvertragsfähigen Einrichtungen" weitestgehend nicht anzuwenden sein (ausgenommen sind nur die Registrierungspflichten nach den §§ 9 und 12). Da der ORF nach § 48 Abs 5 ORF-Gesetz kollektivvertragsfähig ist, würde er also bei Gesetzwerdung der Regierungsvorlage schon aus diesem Grund den zentralen Verhaltenspflichten des LobbyG nicht unterliegen (die Erläuterungen verweisen zur Kollektivvertragsfähigkeit zwar auf § 4 ArbVG, der Gesetzesentwurf selbst differenziert aber nicht danach, ob die Kollektivvertragsfähigkeit nach dieser oder einer anderen gesetzlichen Bestimmung - wie zB für die Akademie der Wissenschaften oder eben den ORF - gegeben ist).

Auch der zukünftigen Überzeugungsarbeit des "stellvertretenden Technischen Direktors"* oder der echten ORF-DirektorInnen und des Generaldirektors (oder des Einsatzes der "politischen Kontakte", auf die Prantner im Presse-Interview hinweist) würde das LobbyG - sollte es in der Fassung der Regierungsvorlage im Nationalrat beschlossen werden - also keine Steine in den Weg legen.

PS, aber das ist ohnehin bekannt: Das Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks verlangt, dass die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der Rundfunkaufgaben betraut sind, gewährleistet ist.

*) Die Anführungszeichen bei "stellvertretender Technischer Direktor" habe ich gesetzt, weil das ORF-Gesetz zwar (ab 1.1.2012: maximal vier) DirektorInnen vorsieht, aber keine StellvertreterInnen. Auch ein sogenannter "stellvertretender Technischer Direktor" kann den technischen Direktor daher nicht bei jenen Aufgaben vertreten, die diesem nach dem Gesetz und der (vom Stiftungsrat zu beschließenden) Geschäftsverteilung zukommen. De facto aber könnte man wohl mit entsprechenden Handlungsvollmachten und Organisationsanweisungen eine Funktion einrichten, die der eines "stv. TD" weitgehend gleichkommt, sodass die Bezeichnung "stv. TD" wohl nur eine sprachliche Verkürzung eines vielleicht komplexeren Sachverhalts ist. Aber derzeit ist ja offenbar noch nicht einmal klar, ob die Bestellung Prantners für diese Funktion schon fix ist (so die ORF-Presseaussendung vom 23.12.2011), oder ob die Funktion nun ausgeschrieben wird (so ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann im APA-Interview) oder vielleicht doch wieder nicht (so verstehe ich jedenfalls ORF-Generaldirektor Wrabetz in einem wenig später veröffentlichten APA-Interview).

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