Tuesday, May 19, 2009

Aus der wunderbaren Welt der deutschen Medienanstalten

Die deutsche Rundfunkregulierung ist eine Wunderwelt von Anstalten, gemeinsamen Stellen, Kommissionen, Direktorenkonferenzen, Beauftragten und manchen anderen Blüten föderaler Organisationskunst. Dazu kommt dann noch die Parallelwelt der Gremien, Konferenzen und Räte der öffentlich-rechtlichen Anstalten. In beiden Welten sind Freunde komplexer Organisationscharts und manchmal skurriler Abkürzungen gut aufgehoben.

Alle Medienanstalten sind bekannt staatsfern und unabhängig, auch wenn - natürlich ganz zufällig - so manche Präsidenten oder Direktoren früher in den Staats- bzw. Senatskanzleien tätig waren (zB Ring, Langheinrich, Hege, Schneider, etc.). Wie weit die Unabhängigkeit in der Praxis wirklich geht, wird derzeit am Fall der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) in den Zeitungen aufgerollt, zB unter der Headline "Korruption bei bayrischer Medienaufsicht" in der taz oder unter "Fragwürdige Geschäfte im TV" bei der Sueddeutschen. (weitere Infos auch bei telemedicus und im epd). Der Vorsitzende des Medienrates der BLM selbst zitiert in seinem Bericht an den Medienrat - auch wenn es ihm eingestandenermaßen "nicht leicht fällt" - weitere Schlagzeilen, zB "Die Spezln aus dem Mediensumpf", "CSU-Filz in Reinkultur" oder "Heuchelei in höchsten Kreisen".

In der Sache selbst geht es - knapp zusammengefasst - um Darlehen, die der ehemalige Vorsitzende des Medienrates (bzw seine Lebensgefährtin) von einem Unternehmer erhalten hat, der wiederum wesentlich am - von der Genehmigung der BLM abhängigen - Veranstalter des "Bayern Journal" auf Sat 1 und RTL beteiligt war. Allein schon die Pressemitteilungen der BLM selbst (mit Titeln wie: "BLM-Präsident Ring ist seiner Informationspflicht gegenüber den Organen der BLM nachgekommen" oder "Vorwürfe, dass die BLM ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkomme, gehen an den Tatsachen vorbei") bieten ein echtes Sittenbild bayerischer Medienregulierung, gemeinsam natürlich mit dem Bericht des Vorsitzenden und vor allem auch dem Bericht des Präsidenten der BLM. Dieser gesteht ein, "ungeachtet juristischer Implikationen" den Vorgang "als politisch brisant eingestuft" zu haben - und dann "die größten Anstrengungen auf die Ordnung der Zukunft" (heißt: nicht auf die Aufklärung des Geschehenen) verwendet zu haben.

Womit sich die Medienanstalten sonst noch so beschäftigen, zeigt ein zweites aktuelles Sittenbild: die Regulierung von "Call-In TV". Schon vor etwas zwei Jahren bedauerte der damalige Vorsitzende der "Gemeinsamen Stelle Programm, Werbung, Medienkompetenz der Landesmedienanstalten", dass es bei der Prüfung der Spiele "um höchst komplexe Sachverhalte" gehe, und dass ein Gesetz notwendig wäre, um dagegen vorgehen zu können. Auch und insbesondere die BLM, in deren Aufsichtsbereich einige der aktivsten Call-In-Anbieter tätig sind, konnte zu ihrem großen Bedauern leider nichts unternehmen, jedenfalls nicht vor dem Inkrafttreten der "Gewinnspielsatzung" (zu diesem Lehrstück in regulatory capture, courtesy of telemedicus, siehe schon hier). Und jetzt, wo die Gewinnspielsatzung ein paar Monate in Kraft ist: kann man leider auch nicht viel machen, zumindest bei den Geldbußen. Was man natürlich schon kann: weiter beobachten! Und zum Zuschauen wird Fernsehen ja gemacht.

[update 28.05.2009: wer weiterlesen will, kann das auch im 48-seitigen "Bericht der Geschäftsleitung" der BLM tun, der für die Sondersitzung des Medienrats der BLM am 26.05.2009 erstellt wurde; in dieser Sitzung wurde u.a. beschlossen, die Geschäftsführung der BLM mit der Ausarbeitung eines Verhaltenskodizes für die Organe, deren Mitglieder und die Beschäftigten der BLM auszuarbeiten.
update 12.08.2009: ein Porträt des BLM-Präsidenten findet sich in der Süddeutschen Zeitung vom 08.08.2009]

2 comments :

Simon said...

Es wäre ja lustig, wenn es nicht so traurig wäre.

Anonymous said...

"Für eine transparente Medienaufsicht im Hörfunk" werden hier gerade Unterschriften gesammelt:
http://www.fair-radio.net/