Friday, March 30, 2007

Zeugnisverteilung: der 12. Umsetzungsbericht

Die Europäische Kommission hat gestern den 12. Umsetzungsbericht vorgelegt. In formaler Hinsicht folgt er dem mittlerweile - zur Vermeidung von Übersetzungskosten - üblichen Konzept: neben einem schmalen offiziellen Bericht (in allen Sprachfassungen) werden Arbeitspapiere der Kommissionsdienststellen vorgelegt, in denen - nur in englischer Sprachfassung - die Details enthalten sind (Staff Working Paper Volume 1 und Volume 2).

Im Web verfügbar ist neben der Pressemiteilung auch die Präsentation der Kommissarin, in der unter anderem auch wieder einmal eine neue Perspektive für die Organisation der europäischen Regulierung aufgezeigt wird: "Towards a European FCC"

Darüber werde ich noch nachdenken müssen: soll das heißen, dass fünf politisch bestellte - und auch wirklich parteipolitisch zugerechnete - Mitglieder (wie in der FCC, vielleicht müssten das in Europa aber auch 27 sein) eine zentrale europäische Regulierungsbehörde bilden sollten? Eine interessante Perspektive, gerade angesichts des Umstands, dass an anderer Stelle der Präsentation (Folie 12) von Reding die "uncertainty over political independence of national regulators" kritisch bemerkt wird.

Österreich wird im Umsetzungsbericht vergleichsweise freundlich beurteilt; der Einleitungssatz im Länderteil des Staff Working Papers (ab Seite 219) lautet:
"The current framework is firmly established in Austria and has by and large produced benefits for end-users."
Mit dieser Einleitung beginnt auch das "fact sheet", das die Kommission auch für Österreich (wie für jeden anderen Mitgliedstaat) erstellt hat.

Für historisch Interessierte: hier kann man nachlesen, was im ersten Umsetzungsbericht (vom 29. Mai 1997) zu Österreich gestanden ist.

Notruf ohne Not?

Manche Rechtsvorschriften werden geschaffen, um das Image des Rechtssetzenden zu verbessern, oder, wie man in der Theater- und Opernstadt Wien so schön sagt, "für die Galerie" - damit also die Menschen auf den billigen Plätzen auch was zu sehen bekommen. (Soviel zur Bilderklärung, mit dem folgenden Text hat das natürlich nichts zu tun)

Die Europäische Kommission hat in einem Akt wohl vorbereiteter Rechtssetzung einen klaren und entschlossenen Schritt zur Einführung eines "Notrufs für vermisste Kinder" (falls jemand fragt: die Nummer lautet 116000) gesetzt und dazu gleich einmal eine ganze Nummerngasse für "harmonisierte Dienste von sozialem Wert" reserviert (Entscheidung vom 15. Februar 2007, siehe dazu schon hier).

Und nach dem Konzept "erst entscheiden, dann nachdenken" fragt man sich nun, wofür diese Nummern denn sonst noch gut sein sollen: in einer Konsultation sucht die Kommission nach "Stellungnahmen, Vorschlägen sowie sonstigen einschlägigen Informationen."

Interessant ist folgende Erklärung: "Anrufe bei 116-Nummern werden genauso behandelt wie bei den bestehenden gebührenfreien Rufnummern, bei denen der angerufene Teilnehmer die Kosten überwiegend oder ganz trägt."
Das würde es für Österreich nahelegen, die Nummern nicht als "echte Notrufe" ("Öffentliche Kurzrufnummern für Notrufdienste" im Sinne der §§ 16ff KEM-V) festzulegen - zumal es ja auch keine Kurzrufnummern sind -, sondern sie tatsächlich den entgeltfreien Rufnummern im Bereich 0800 gleichzustellen (siehe § 71 Abs 1 KEM-V). Damit würde nicht der Kommunikationsdiensteanbieter, sondern der Anbieter des Notrufdienstes die Anrufkosten zu übernehmen haben.
Kritisch könnte das für "Rat auf Draht", die derzeit in Österreich jedenfalls aus dem Mobilnetz am häufigsten gewählte Notrufnummer, werden. Dieser "Notrufdienst für Kinder und Jugendliche" unter der Notrufnummer 147 (§ 17 Z 9 KEM-V) könnte nämlich nach dem Konzept der Kommission in Hinkunft in den Rufnummernbereich 116 fallen: Im Konsultationsdokument wird die Nummer 116111 für "Hotline-Dienste für Hilfe suchende Kinder" vorgeschlagen.

Thursday, March 29, 2007

Markt 18 - der ungeliebte Preis der Konvergenz

"Markt 18" der Märkteempfehlung der Europäischen Kommission ist der Markt für "Rundfunk-Übertragungsdienste zur Bereitstellung von Sendeinhalten für Endnutzer". Nach dem technologieneutralen, konvergenten Ansatz, der bei der Schaffung des neuen Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste verfolgt wurde, mussten Rundfunkübertragungsdienste natürlich in den Anwendungsbereich des Rechtsrahmens einbezogen werden. Richtig vorbereitet war darauf aber offenbar weder die Kommission noch die meisten nationalen Regulierungsbehörden, deren Schwerpunkt bis dahin ja ganz überwiegend im "klassischen" Telekomrecht gelegen war. So ist es wenig überraschend, wenn die Kommission im soeben veröffentlichten 12. Umsetzungsbericht festhält:
"Die Analyse der Märkte für Rundfunkübertragungsdienste, die vielen NRB weniger vertraut sind, ist noch immer nicht abgeschlossen."

In den wenigen Fällen, in denen in den Mitgliedstaaten bislang die Marktanalyse hinsichtlich der Rundfunkübertragungsdienste abgeschlossen wurde, ist das Ergebnis schon insofern bemerkenswert, als die Regulierungsbehörden der Märkteempfehlung in diesem Punkt durchwegs nicht gefolgt sind. Das gilt für Österreich - das einer der ersten Mitgliedstaaten war, der die Marktanalyse auch im Rundfunkbereich abgeschlossen hatte - ebenso wie zB für Finnland, das Vereinigte Königreich oder die Niederlande. In manchen Staaten wiederum hat man noch nicht einmal eine Behörde bestimmt, die diese Analysen durchführen soll, oder die Behörden haben sich für unzuständig erklärt (Griechenland, Frankreich, Polen). Und Belgien fällt wieder einmal durch die "complex division of responsibilities between the federal and regional regulatory authorities" auf, durch die die Marktanalyse verzögert worden sei.

Und nun gibt es in Belgien eine weitere Verzögerung, denn die Kommission hat mit Schreiben vom 21. März 2007, BE/2007/0578, ihre Bedenken zum Maßnahmenentwurf der "nationalen Regulierungsbehörde" CSA - die eigentlich eine bloß regionale ist - bekanntgegeben und das "Phase II"- Verfahren eingeleitet. Unter anderem richten sich die Bedenken gegen den nach Sprachgemeinschaften abgegrenzten Markt für "terrestrial television broadcasting transmission services in Wallonia and Brussels, to the extent that the access seekers are French language broadcasting stations."

Das will die die Kommission nicht akzeptieren:
"First, the Commission has doubts as regards the market definition that limits the wholesale market for terrestrial television broadcasting transmission services to operators using frequencies assigned by the French Community, i.e. broadcasters transmitting in French language. The CSA did not provide sufficient evidence why the broadcasters transmitting in other languages, such as Dutch and German would face different market conditions and why the RTBF would have less market power vis-à-vis such broadcasters."

[Nachtrag 21. April 2007: Der CSA hat seine Notifikation mit Schreiben vom 18. April zurückgezogen - der Showdown scheint also, jedenfalls vorerst, auszubleiben.]

Ob ein Rundfunkmarkt in der derzeit in Überarbeit befindlichen Märkteempfehlung noch aufscheinen wird, ist nicht sicher; im Konsultationsdokument ließ die Kommission das ausdrücklich offen, überlegte aber zugleich "Broadcasting transmission services over individual transmission platforms to deliver broadcast content to end users" als Markt festzulegen.

Tuesday, March 27, 2007

Begrüßen, betonen, appellieren: die europäische Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft

Der Rat der Europäischen Union hat wieder einmal beschlossen, entschlossen zu sein: die Entschließung vom 22. März 2007 zu einer Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft in Europa (2007/C 68/01) wurde am 24. März im Amtsblatt veröffentlicht.

Was macht der Rat in dieser Entschließung? Er
  • begrüßt (eine Mitteilung der Kommission)
  • nimmt Kenntnis von (einer anderen Mitteilung der Kommission)
  • verweist auf (diverse Entschließungen, Schlussfolgerungen, Richtlinien, Verordnungen, etc.),
  • betont diverse Allgemeinplätze (zB "Vertrauen ist Grundbestandteil des Erfolgs der neuen Informationsgesellschaft", "Zusammenarbeit und praxisorientierte Konzepte sind notwendiger denn je", etc),
  • ersucht die Mitgliedstaaten (zB "für die Einführung nahtlos ineinander greifender elektronischer Behördendienste zu sorgen, interoperable Identitätsmanagementlösungen zu fördern und alle geeigneten Änderungen bei der Organisation des öffentlichen Sektors vorzunehmen" - geradezu ein Aufruf zur Staatsreform!),
  • begrüßt noch was (nämlich "die Absicht der Kommission, die Entwicklung einer umfassenden und dynamischen EU-weiten Strategie für Netz- und Informationssicherheit fortzusetzen" - und einige vergleichbare Absichten mehr), und
  • appelliert schließlich an die ENISA (ihre Arbeit fortzusetzen), "an alle Akteure" (unter anderem "einen die verschiedenen Akteure einschließenden strukturierten Dialog über die Frage aufzunehmen, wie die bestehenden Werkzeuge und Regelungsinstrumente am besten genützt werden können"), an die Unternehmen ("eine positive Grundhaltung zu Netz- und Informationssicherheit einzunehmen"), etc. etc. (weitere Appelle richten sich "an die Hersteller und Diensteanbieter", "an die Akteure", "an alle Akteure", "an die Diensteanbieter und die IKT-Branche" und schließlich "an die Netzbetreiber, die Diensteanbieter und die Privatwirtschaft")

Bei soviel Entschlusskraft fühlt man sich doch gleich viel sicherer!

Monday, March 26, 2007

sic transit ...

Wenn es um Transit geht, hört sich in Österreich der Spaß auf - und Meinungsverschiedenheiten mit der Europäischen Kommission landen da nicht selten beim EuGH (zB C-393/03 R, C-445/00, C-205/98 ua). Das Überraschende daran: nicht nur der alpenquerende Transitverkehr mit Lastkraftwagen wurde zum Streitfall, auch die "Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz" (Markt 10 der Märkteempfehlung) sorgten für einige Verstimmung zwischen Österreich und der Kommission - und für ein Verfahren beim EuGH.

Schon im Jahr 2004 war die Telekom-Control-Kommission zum Ergebnis gekommen, dass auf dem Transit-Markt effektiver Wettbewerb bestehe - und sie wollte die bestehenden Verpflichtungen der Telekom Austria AG auf diesem Markt aufheben (Konsultationsdokument vom 20.7.2004). Die Europäische Kommission hatte Bedenken - vor allem wegen der Marktabgrenzung - und leitete im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 der Rahmenrichtlinie zunächst das Phase 2-Verfahren ein ("serious doubts letter" vom 20.8.2004). In der Folge kam es zu einem sogenannten "Veto" nach Artikel 7 Abs 4 der RahmenRL, dh die Telekom-Control-Kommission wurde zur Rücknahme des Maßnahmenentwurfs aufgefordert (Entscheidung vom 20.10.2004, AT/2004/0090).

Was nun? Die Telekom-Control-Kommission konnte gegen das "Veto" der Europäischen Kommission den Entwurf nicht beschließen - und ändern wollte sie ihn auch nicht. Also legte sie dem EuGH die Frage vor, ob die Entscheidung der Kommission überhaupt gültig sei. Der EuGH gab darauf allerdings keine Antwort, da er schon er die Zulässigkeit der Frage verneinte (C‑256/05): vor der Telekom-Control-Kommission sei nämlich noch gar kein Rechtsstreit anhängig; die Telekom-Control-Kommission habe der Europäischen Kommission "aus eigener Initiative" (!) einen Maßnahmenentwurf vorgelegt und diese habe "der nationalen Behörde nur geantwortet." Das war im Oktober 2005.

Etwa ein Jahr später begann der Marktanalyseprozess von neuem. Wenig überraschend kam die Telekom-Control-Kommission darin zum selben Ergebnis wie schon 2004 (Konsultationsdokument vom 7.2.2007). Und siehe da - die Europäische Kommission hat keine Einwendungen mehr. In der Stellungnahme vom 6.3.2007 versucht sie zu begründen, dass sich ihr Standpunkt eigentlich nicht geändert habe: die zuletzt strittige genauere Marktdefinition sei nämlich nicht notwendig, da der Markt gar nicht relevant sei, weil er den "drei Kriterien-Test" nicht bestehe (keine hohen, nicht nur vorübergehenden Markteintrittsbarrieren, Tendenz zu wirksamem Wettbewerb, ausreichende Wirkung des allgemeinen Wettbewerbsrechts). Wörtlich liest sich das so:

"Die Kommission ist daher auf der Grundlage der bereitgestellten aktuellen Information der Auffassung, dass der Markt für Transitdienste in Österreich nicht den Drei-Kriterien-Test erfüllt, aufgrund dessen der Markt der ex ante Regulierung unterworfen werden kann. Daher kann eine genauere Marktabgrenzung des relevanten Marktes unterbleiben und die Frage, ob TA SMP auf einem solchen Markt haben würde, kann offen bleiben."

Das mag zwar kein Muster an Klarheit sein (wenn die Marktabgrenzung richtig und der Markt nicht relevant ist, wozu soll dann eine "genauere Marktabgrenzung" führen?), aber der Konflikt mit der österreichischen Regulierungsbehörde scheint damit beigelegt. Die Telekom-Control-Kommission hat nun am 19.3.2007 daher das Marktanalyseverfahren für diesen Markt eingestellt (M 16/06-26) und mit Bescheid die bisher bestehenden Verpflichtungen der Telekom Austria AG auf diesem Markt aufgehoben (M 16a/06-25). Nächster Schritt - wenn man der Ansicht der Europäiuschen Kommission folgt, dass der Markt für Transitdienste kein relevanter Markt sei - wäre die Anpassung der Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO), wofür allerdings die RTR-GmbH zuständig ist.

Tuesday, March 20, 2007

Wettbewerbsvorsprung Amtsblatt?

"Der Name weckt Assoziationen an Gemütlichkeit und Traditionalität" schreibt die Wiener Zeitung auf ihrer Website über das Amtsblatt.
Tradition ist jedenfalls, dass bestimmte Informationen zwingend in diesem Amtsblatt zu veröffentlichen sind - so etwa Stellenausschreibungen nach dem Stellenbesetzungsgesetz oder dem Ausschreibungsgesetz.

Gar nicht gemütlich aber ist die Wiener Zeitung, wenn es darum geht, die bei ihr zwingend zu veröffentlichenden Ausschreibungen auch gleich (= in der selben Ausgabe) redaktionell zu verwerten - was immerhin voraussetzt, dass die Ausschreibungsinformation vor dem Erscheinen an die nicht damit befasste Redaktion weitergeleitet wird.

So kann dann am selben Tag, an dem die künstlerische Geschäftsführung der Wiener Staatsoper ausgeschrieben wird, im redaktionellen Teil schon ein Kommentator unter dem sinnigen Titel "Ministerin quält Katze" die Ausschreibung als "nebulos" abqualifizieren (10.3.2007). Und wenn die Funktion des Generaldirektors / der Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde ausgeschrieben wird, so lässt sich im redaktionellen Teil der selben Ausgabe schon über einen damit verbundenen nächsten Koalitionskrach spekulieren (17.3.2007).

Ist das mit dem Wesen einer amtlichen Ausschreibung vereinbar? Sinn jeder Ausschreibung ist schließlich auch die gleichmäßige Information aller Interessierten; niemand soll durch umfangreichere oder frühere Informationen einen Vorteil gegenüber anderen haben - die Ausschreibung gibt sozusagen den Startschuss für das Bewerbungsrennen. Damit verbunden ist aber auch, dass die Ausschreibungsinhalte nicht bereits vor der amtlichen Veröffentlichung weitergeleitet werden, und sei es "bloß" vom Amtsblatt zur Redaktion. Schließlich könnte sich ja selbst ein Kulturredakteur der Wiener Zeitung als Operndirektor bewerben (zumal gerade dieser Redakteur ohnehin - damit ist er allerdings in Wien nicht allein - der Meinung sein dürfte, oberster Auskenner in Sachen Oper zu sein).

Qualitätszeitungen haben aus guten Gründen "Chinese Walls" zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion. Wollte die Wiener Zeitung eine Qualitätszeitung sein - und solange sie zu 100% im Eigentum der Republik steht, sollte sie das wohl anstreben -, so würde es ihr nicht schaden, sich an solchen Standards zu orientieren.

So aber scheint es, als ob nicht bloß das Entgelt für die Pflichtveröffentlichungen - aus dem sich die Wiener Zeitung laut Medienministerin Bures "hauptsächlich finanziert" (Quelle: Interview mit Harald Fidler auf derStandard.at) -, sondern auch noch deren Informationsgehalt dazu verwendet wird, im Wettbewerb mit anderen Zeitungen einen kleinen Vorsprung zu erzielen, und sei es nur durch das (die Kulturredaktion der Wiener Zeitung auszeichnende) Alleinstellungsmerkmal allgemein missmutiger Kommentare zu gleichzeitig veröffentlichten amtlichen Ausschreibungen.

Aber - auch hier zitiere ich Medienministerin Bures auf derStandard.at - die "Wiener Zeitung ... hat das Problem eines Verfahrens über die Veröffentlichungspflicht von Ausschreibungen dort. ... Die Zukunft und finanzielle Basis der Wiener Zeitung wird von diesem Verfahren abhängig sein. Das ist abzuwarten, und dann sind die nächsten Schritte zu diskutieren, also die Finanzierung und der weitere Fortbestand der Wiener Zeitung."
Dieser Diskussion - zu der ich hier, hier und hier schon einen kleinen Beitrag geleistet habe - sehe ich mit Interesse entgegen.

Saturday, March 17, 2007

Mehrere Milliarden intelligenter Geräte ...

... und eine ausgefeilte Sensortechnik könnten zu einer global vernetzten Kommunikationsinfrastruktur verbunden werden - das erwartet die Europäische Kommission in ihrer neuen Mitteilung: "Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) in Europa:
Schritte zu einem ordnungspolitischen Rahmen" (
KOM(2007) 96 endgültig)

Die Mitteilung fasst die Ergebnisse einer Konsultation zusammen und soll die "ersten Schritte" darlegen, die von der Kommission in diesem Bereich geplant sind. Neben der Einsetzung einer "RFID-Interessengruppe" ist da nicht allzuviel Konkretes vorgesehen:

"In den kommenden zwei Jahren wird die Kommission weiterhin prüfen, welche Alternativen es für die Ausräumung der Bedenken und die Lösung der Probleme gibt, und dabei das Gespräch mit allen Beteiligten suchen. Auf einigen Gebieten wie Funkfrequenzen, Forschung und Innovation sowie Normung wird die Kommission ihre laufenden Initiativen zugunsten der Zusammenarbeit und des Dialogs mit den interessierten Kreisen fortsetzen. Auf anderen Gebieten, insbesondere Sicherheit, Datenschutz und Wahrung der Privatsphäre sowie in weiteren Politikbereichen, die für den Übergang von RFID zum 'Internet der Dinge' von Bedeutung sind, können zwar bis Ende 2007 einige konkrete Schritte unternommen werden, hier besteht aber noch Diskussionsbedarf zwischen den Beteiligten, um die Erörterung weiterer Folgemaßnahmen zu vertiefen."

"I've been roaming everywhere / Never been satisfied anywhere"

So ähnlich könnte Erwägungsgrund 1 zur demnächst kommenden Roaming-Verordnung lauten, doch diese Textzeilen sind exakt 50 Jahre alt, geschrieben von Malvina Reynolds für den Song "Sally don't you grieve" (zur Musik von Woody Guthrie), der in der Interpretation von Lonnie Donegan immerhin Platz 7 der britischen Charts erreichte.

Was die Roaming-Verordnung (siehe schon hier und hier) betrifft, so gibt es noch Bewegung in den Charts - und ob letztlich Kommission, Rat oder Parlament ein oder zwei Cent vorne liegen, scheint noch nicht endgültig entschieden. In der Zwischenwertung laut Presseaussendung der Kommission vom 14. März 2007 lag die Kommission in der Disziplin "Endkunden, Anruf ins Heimatland" mit 44 Cent klar in Führung vor dem Parlament mit 48 Cent und dem Rat mit 50 Cent. In der Wertung "Großkunden, Anruf ins Heimatland" (gemeint ist die Vorleistungsebene) lag allerdings das Parlament mit 25 Cent vorne, gefolgt vom Rat mit 30 und der Kommission mit 34 Cent (die detaillierte Tabelle findet sich am Ende der Presseaussendung).
Doch gekämpft wird um jeden Cent: nun hat das Parlament nachgebessert und liegt sowohl auf der Endkundenbene mit 42 Cent als auch bei den Vorleistungen mit 21 Cent vorne. Wenn sich aber ausgerechnet der ehemalige Wirtschaftskammer- und Industriellenvereinigungsfunktionär Dr. Paul Rübig, Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter zur Roamingverordnung, zur Speerspitze des Verbraucherschutzes macht, sollte man schon genauer hinschauen: und tatsächlich hat sein Vorschlag den Charme, es offenbar allen recht zu machen, jedenfalls wenn man sich seine Presseaussendung durchliest - dort ist von drei Wahlmöglichkeiten für die Konsumenten und auch von drei Chancen für die Industrie die Rede.
Der Trick ist simpel: eine Höchstgrenze für die Roaming-Endkundenentgelte soll es nicht in allen Tarifen geben, die Mobilfunker werden bloß verpflichtet, einen derartigen Tarif anzubieten. Und da die Endkundenentgelte im Inland nicht reguliert sind, könnten also im (tatsächlich von Rübig so genannten) "Konsumentenschutztarif" zwar die Roamingentgelte akzeptabel, die Inlandsentgelte aber unattraktiv sein. (Wer sich nicht vorstellen kann, wie so etwas in der Praxis funktionert, möge sich die "Erfolgsstory" der Tarife mit sekundengenauer Abrechnung anschauen: Teil 1, Teil 2, Teil 3 - und Fortsetzung dürfte folgen.)
Jedenfalls dürfte nun nach dem informellen Telekom-Ministerrat vom 15. März 2007 (siehe auch die Presseaussendung von BM Faymann) klar sein, dass eine Einigung in erster Lesung versucht wird, um die Verordnung noch im Juni fertigzustellen. Schließlich war der Kampf um jeden Cent ja auch schon wichtig genug, den Europäischen Rat am 9. März 2007 zu beschäftigen. Kommt die Verordnung Ende Juni (Telekom-Ministerrat ist für 6./7./8. Juni vorgesehen), könnte sich die Verbilligung schon bei einem Urlaub im heurigen Sommer bemerkbar machen, hofft die Kommission. Eine Übergangsfrist ist im Verordnungsvorschlag jedenfalls nicht vorgesehen.
PS: Erwägungsgrund 1 des Vorschlags für die Roaming-Verordnung beginnt übrigens so:
"Das hohe Niveau der Preise, die von den Nutzern öffentlicher Mobilfunknetze für die Verwendung ihres Mobiltelefons auf Reisen innerhalb der Gemeinschaft verlangt werden, wird von den nationalen Regulierungsbehörden als besorgniserregend eingeschätzt."
Ich finde nach wie vor, man hätte auch die Worte von Malvina Reynolds - "I've been roaming everywhere / Never been satisfied anywhere" - nehmen können.

Monday, March 12, 2007

Die letzte Schweizer Meile

In der Schweiz wird am 1. April 2007 nicht nur das neue Radio- und Fernsehgesetz und die Radio- und Fernsehverordnung (siehe dazu hier), sondern auch das revidierte Fernmeldegesetz in Kraft treten. Wesentlichste Neuerung ist die Verpflichtung des "marktbeherrschenden Fernmeldedienstanbieters" (aka: Swisscom), den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung ("letzte Meile") zu gewähren. Die Schweiz sieht die Entbündelung damit nicht nur später vor als die EU, sie schränkt sie auch gesetzlich auf die Varianten der Vollentbündelung und des Bitstream-Access ein - wobei dieser nur in einer Übergangszeit von vier Jahren möglich sein soll (siehe die Information des BAKOM). Danach müssen alternative Anbieter entweder voll oder gar nicht entbündeln. (In Österreich, so geht aus dem letzten "RTR Telekom Monitor" hervor, haben die Breitbandzugänge über vollständig entbündelte Leitung seit etwa einem Jahr jene über Bitstream überholt)

Auch sprachlich ist die Schweiz ihrer Tradition treu geblieben: das Fernmeldegesetz wurde nicht (wie in Österreich schon 1997) zum Telekommunikationsgesetz. Nachdem auch Liechtenstein - wenn auch erst nach Verurteilung durch den EFTA-Gerichtshof - seine Rechtsvorschriften den EU-Richtlinien angepasst hat und ein Kommunikationsgesetz geschaffen hat - Gesetz über die elektronische Kommunikation (Kommunikationsgesetz, KomG) - wurde so das "Fernmelderecht" zur exklusiv schweizerischen Angelegenheit.

Sunday, March 11, 2007

ORF 1: in der Schweiz ein wahrhaft öffentlich-rechtliches Programm

Spider-Man 2, Columbo, Tatort - das war das heutige Abendprogramm in ORF 1. Auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade ein Programm, das einen "besonderen Beitrag zur Bildung, zur kulturellen Entfaltung oder zur freien Meindungsbildung leistet", wie dies Art 59 Abs 2 des Schweizerischen Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) für jene Programme verlangt, die von Kabelnetzbetreibern verbreitet werden müssen.

Noch genauer werden die Voraussetzungen für die Verbreitung nun in Art 52 der
Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) des Schweizerischen Bundesrates vom 9. März 2007 definiert. Dort heißt es:

"Als ausländische Programme, die nach Artikel 59 Absatz 2 RTVG über Leitungen zu verbreiten sind, kommen Programme in Betracht, die in einer schweizerischen Landessprache ausgestrahlt werden und einen besonderen Beitrag zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrages namentlich dadurch erbringen, dass sie:
a. im Rahmen aufwändiger redaktioneller Formate vertieft über gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Phänomene berichten;
b. künstlerischen Filmproduktionen breiten Raum gewähren;
c. besondere redaktionelle Beiträge zur Bildung des Publikums liefern;
d. besondere redaktionelle Beiträge für jugendliche, alte oder sinnesbehinderte Menschen ausstrahlen; oder
e. regelmässig schweizerische Beiträge ausstrahlen oder sich regelmässig mit schweizerischen Themen befassen."


Die Überraschung folgt im Anhang 1 zur RTVV, in der die solcherart zu verbreitenden Programme dann namentlich genannt sind: neben ARTE, 3Sat, TV5, ARD, France 2, Rai Uno und Euronews findet sich da auch ORF 1!

Der Chefredakteur des Schweizer Fernsehens (dort heißt das natürlich "Chefredaktor") dazu in seinem Blog
"Aber warum ORF1? Ich kann mir das nur so erklären, dass der Bundesrat meinte, die Aufteilung sei wie bei uns: Vollprogramm auf SF1; Serien, Filme, Events und Sport auf SF2. 'Schlecht recherchiert' würde ich sagen, wenn das einem Journalisten passieren würde."

Die RTVV tritt - wie auch das überarbeitete RTVG (und übrigens auch das revidierte Fernmeldegesetz) - am 1. April 2007 in Kraft. Eine Übersicht über die wichtigsten Neuregelungen findet sich auf der Website des Bundesamts für Kommunikation; hier sei nur beispielsweise auf die ausdrückliche Regelung der "virtuellen Werbung" hingewiesen (Art 15 RTVV) und auf die Bestimmungen über die Verbreitungspflicht für Progamme, die Inhaber von Funkkonzessionen trifft, welche dafür eine kostenorientierte Entschädigung erhalten (Art 55 RTVG, Art 48 RTVV).

Audiovisuelle Mediendienste: konsolidierter RL-Vorschlag

Die Europäische Kommission hat am vergangenen Freitag die konsolidierte Fassung des Vorschlags für die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste veröffentlicht. Nach der ersten Lesung im Parlament und Rat besteht nun, so die Kommission in einer Aussendung, weitgehendes Einvernehmen.
Das Einvernehmen hat auch seinen Preis, denn die Änderungsvorschläge des Parlaments, die von der Kommission sehr weitgehend übernommen wurden, zeichneten sich nicht immer durch besondere Sinnhaftigkeit aus. Besonders deutlich wird dies bei der Definition der Ko-Regulierung. Schön, dass man dafür in der Richtlinie eine verbindliche Definition festlegen will ("a form of regulation based on cooperation between public authorities and self-regulating bodies") - aber vielleicht wäre es dann auch sinnvoll gewesen, den Begriff sonst in der Richtlinie (nicht nur in den Erwägungsgründen) noch irgendwo zu verwenden.

Für die Regulierungsbehörden-Diskussion (siehe dazu in diesem Blog zuletzt hier) interessant ist, dass der geänderte Vorschlag nun die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, Regulierungsbehörden einzurichten (und diese unabhängig sein müssen).

PS: das Zitat oben ist faksimiliert aus der Zeitschrift "Weidwerk", deren Editorial der Nummer 3/2007 sich dem Thema "Regulierung von Beutegreifern" widmete.

Wednesday, March 07, 2007

Tool time: structural separation

Bevor die Europäische Kommission im Juli die neuen Richtlinienvorschläge für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste präsentieren will, zieht Kommissarin Reding nun durch die Lande und betont nochmal einige der radikaleren Vorhaben: nach der zentralen europäischen Regulierungsbehörde, die einzelne Mitgliedstaaten und vor allem die Regulatoren aufgeschreckt hat, hat Reding nun wieder die Idee einer strukturellen Trennung von Netz- und Diensteebene ausgegraben, die in einer zum Review erstellten Studie von Hogan & Hartson and Analysys ("Preparing the Next Steps in Regulation of Electronic Communications") näher dargelegt wurde.

In einer Rede zu den Netzwerkindustrien im 21. Jahrhundert hat Reding am 5. März 2007 Vergleiche zwischen den Sektoren Energie einerseits und elektronische Kommunikationsnetze und -dienste andererseits angestellt; dabei ist sie ganz zwanglos natürlich auf die im Energiebereich schon bestehenden Unbundling-Verpflichtungen gekommen und kündigte an, dass ein "europäischer Weg" der Entflechtung gefunden werden sollte, der funktionale und strukturelle Elemente enthalten solle.

Die Möglichkeit vollständiger struktureller Entflechtung sollte allerdings nicht ausgeschlossen werden - sie wird sogar als Möglichkeit für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zur Verringerung der Regulierungsintensität hingestellt:

"The possibility of full structural separation should however not be excluded in the electronic Communications markets. For dominant companies that wish to reduce the intensity of regulation on electronic communications markets, full structural separation could be envisaged as a voluntary price to pay for reducing ex-ante-regulation."

Reding präzisierte in ihrer Rede, dass die Möglichkeit einer Verpflichtung zur strukturellen Trennung als weiteres Regulierungsinstrument vorgesehen werden sollte: "regulators should have a new remedy in their toolbox: the legal separation of the network assets from the service layers."

Das (bislang offenbar in Europa einzige) Beispiel funktioneller Trennung erwähnt Reding auch: OpenReach, die Ausgliederung des Anschlussnetzes der British Telecom, oder - in den eigenen Worten - "the proud guardians of the nation's local access network."
(Die Präsentation der OpenReach-Chefin Anne Heal anlässlich des VAT-Forums letzten November ist auf der VAT-Website verfügbar).

Skandal! Urteil! Richterstaat!

"The applicant is an Austrian citizen born in 1950 and residing in Klagenfurt." Diesen Textbaustein (aus der Unzulässigkeitsentscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission in Haider v. Austria, Application No. 25060/94) könnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bald wieder einmal einsetzen. Denn der solcherart angesprochene "politician and leader of the Austrian Freedom Party" ließ - immer noch als Politiker, bloß einer anderen Partei (oder auch nicht) - ankündigen, dass er in einem aktuellen medienrechtlichen Streitfall "den Weg durch die Instanzen antreten werde. 'Wenn es sein muss, bis zum Europäischen Gerichtshof'" (damit dürfte wohl der EGMR gemeint sein, nicht der EuGH, obwohl man sich auch da manchmal nicht so sicher sein kann, siehe etwa hier).

Ausgangspunkt der Streitigkeit war eine Presseaussendung des FPÖ-Generalsekretärs, in der Landeshauptmann Haider als "abgewrackter Altpolitiker" bezeichnet wurde, der "längst zum Systemerhalter mit vollen Taschen und leerem Herzen mutiert" sei und dessen Aussagen "jedenfalls auf veritable psychische Probleme schließen" ließen. Umgehend kündigte Stefan Petzner (nunmehr geschäftsführender Landesparteiobmann des BZÖ Kärnten) an, dass "rechtliche Schritte" gegen den FPÖ-Generalsekretär - von Petzner als "der Herr mit dem unaussprechlichen Namen" bezeichnet - geprüft würden.

Und nun liegt nach Pressemeldungen die (erstinstanzliche, nicht rechtskräftige) Entscheidung des Landesgerichts Wien vor. Die Entscheidung ist nicht veröffentlicht, laut Aussendung der FPÖ hat das Gericht die Aussendung ihres Generalsekretärs als zulässiges Werturteil angesehen. Die Reaktion von BZÖ-Vertreter Petzner dazu: "ein beispielloser Skandal der österreichischen Rechtsgeschichte. Dieses Skandal-Urteil zeigt einmal mehr, dass der rot-schwarze Richterstaat längst den unabhängigen österreichischen Rechtsstaat abgelöst hat."

Petzners "einmal mehr" bezieht sich wohl auf seine Presseaussendung vom Tag zuvor, in der er meint, dass an diesem Tag "der rot-schwarze Richterstaat die Treibjagd auf den Kärntner Landeshauptmann Haider eröffnet" habe (§ 36 Kärntner Jagdgesetz versteht unter Treib- bzw Riegeljagden übrigens "Jagden, bei denen Wild den Schützen zugetrieben oder zugedrückt wird"). Auch Landeshauptmann Haider selbst hat sich schon öfter (zB hier, hier und hier) vom "rot-schwarzen Richterstaat" verfolgt gesehen.

Bemerkenswert aber ist die Hoffnung auf den EGMR (falls Haider auch im Instanzenzug gegen Vilimsky verlieren sollte), denn dieser war zwar schon mehrfach mit Fragen der Meinungsäußerungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Kärntner Landeshauptmann befasst, das Ergebnis dürfte aber aus der Sicht Haiders bisher wohl eher weniger zufriedenstellend sein - etwa in den folgenden Fällen:
  • Haider v Austria, Application No. 25060/94: Haider sah sich durch die Berichterstattung über ihn im ORF in seinen Rechten nach Art 10 EMRK verletzt (im Kern ging es um ein ZIB 2-Interview mit Josef Broukal nach den Wiener Gemeinderatswahlen im November 1991): die Europäische Menschenrechtskommission ließ die Beschwerde nicht zu, sie war "manifestly ill founded"
  • Oberschlick v Austria (No 2), Application No. 20834/92: der Journalist Gerhard Oberschlick hatte in der Zeitschrift Forum als Reaktion auf eine Rede Haiders geschrieben: "Ich werde Jörg Haider erstens keinen Nazi nennen, sondern zweitens einen Trottel." Die dafür erfolgte Verurteilung Oberschlicks wegen Beleidigung wurde vom EGMR als Verletzung des Art 10 beurteilt.
  • Unabhängige Initiative Informationsvielfalt v. Austria, Application no. 28525/95: das OLG Wien hatte den im "TATblatt" gegen Haider geäußerten Vorwurf der "rassistischen Hetze" als (unrichtige) Tatsachenbehauptung beurteilt und dem Unterlassungsbegehren Haiders stattgegeben (die ao Revision wurde vom OGH zurückgewiesen) - der EGMR sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK.

Erfolgreich war Haider vor dem EGMR in einem Fall, der nicht unter seinem Namen, sondern dem eines weiteren Antragstellers bekannt wurde: Informationsverein Lentia and others v. Austria. In dieser Sache stellte der EGMR fest, dass das damals bestehende österreichische Rundfunkmonopol nicht mit Art 10 EMRK vereinbar war.

Thursday, March 01, 2007

"ERG with teeth": damit sie morgen kraftvoll zubeißen kann?

Wenn ein "joint statement" verkündet wird, dann kann man ziemlich sicher sein, dass die inhaltlichen Gemeinsamkeiten nicht allzu weit gehen (der erste Treffer zu "joint statement" bei Google führt heute zB zu einer gemeinsamen Erklärung nach den Sechs-Parteien-Gesprächen zu Nordkoreas Atomprogramm).

Ein Lehrbuchbeispiel dafür ist auch das "Joint Statement" der European Regulators Group (ERG) mit Kommissarin Reding, für dessen Verkündung sogar das sonst auf der ERG-Website offenbar bestehende Bilderverbot aufgehoben wurde (wer schon immer einmal sehen wollte, wie Roberto Viola und Viviane Reding vor einer Europa-Fahne gemeinsam ein Dokument festhalten, wird hier bedient).

Nicht dass es eigentlich Aufgabe der ERG wäre, als Verhandlungspartner der Kommission aufzutreten und mit dieser etwas zu vereinbaren (nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften [Beschlüsse 2002/627/EG und 2004/641/EG] soll die ERG die Kommission beraten und unterstützen) - aber im "joint statement" nennt man immerhin zwei Punkte, auf die sich die ERG und Komission geeinigt haben: einerseits auf die Veröffentlichung des zwischen Ihnen geführten Briefwechsels, und andererseits darauf, weitere Überlegungen anzustellen:

"We have agreed today to consider with an open mind all means of improving the current system of cooperation between the Commission and the ERG, and of strengthening the ERG as an efficient integrated system of independent regulators."

Wie beim Begriff "joint statement" gilt auch hier eine alte Weisheit: wenn man Selbstverständlichkeiten betonen muss, dann sind sie nicht selbstverständlich. Wer vereinbart, in Zukunft "with an open mind" handeln zu wollen, impliziert damit, dass bisher Engstirnigkeit vorgeherrscht habe.

Aber worum geht es abseits des etwas merkwürdigen pseudo-diplomatischen Notenwechsels wirklich?
Die Kommission will nicht nur bei Marktdefinition und Marktanalyse, sondern auch bei den "remedies" - den "spezifischen Verpflichtungen" - ein Vetorecht bei Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden (das hat sie schon in Punkt 5.3.1 der Mitteilung zum Review angekündigt), und sie will nun den Regulierungsbehörden auch einen Zeitrahmen für die Durchführung einer Marktanalyse oder der Auferlegung von remedies vorgeben können (das geht aus dem nun veröffentlichten Schreiben Redings vom 30. November 2006 an die ERG hervor). Beide Vorschläge stoßen - wenig überraschend - bei der ERG nicht auf ungeteilte Zustimmung.

Vor diesem Hintergrund hat Reding auch zwischendurch das Gespenst einer Europäsichen Regulierungsbehörde, eines "Netzes Europäischer Regulierungsbehörden" (nach dem Muster des Zentralbanksystems) oder verschiedener anderer Modelle ventiliert, unter anderem auch einer "ERG with teeth". In jedem Fall scheint das derzeitige auf Konsens aufgebaute Modell der ERG nicht haltbar (Reding says majority vote for telecoms regulators 'non-negotiable').

Die von der ERG dazu eingenommene Position ist im ebenfalls neu veröffentlichten Schreiben vom 27. Februar 2007 (mit Anhängen 1 und 2) enthalten. Zusammenfassen lässt sich die Antwort dahin, dass die ERG
  • erstens ab sofort wichtiger genommen werden will (siehe auch hier), dass
  • zweitens bis zur Umsetzung des zukünftigen Rechtsrahmens die derzeit bestehenden Probleme mit inkonsistenter Regulierung ohnehin nicht mehr von Bedeutung sein werden, und dass somit
  • drittens eigentlich alles beim Alten bleiben kann.
Natürlich ist dies im Schreiben der ERG diplomatischer formuliert ("ERG believes that the current Framework is fundamentally sound. ... ERG believes it is necessary to continue to encourage actively the positive trends ..." etc.).

Tatsächlich spricht einiges gegen ein Konzept einer "ERG with teeth", in der - wie von Reding zur Diskussion gestellt - einem Gremium aus Vertretern von 27 Regulierungsbehörden die Aufgabe zukommen sollte, über Maßnahmen nationaler Regulierungsbehörden bei Marktdefinition, Marktananlyse und der Auferlegung von remedies zu entscheiden.
Aus spezifisch österreichischer Sicht würde sich auch die Frage stellen, weshalb gerade der Geschäftsführer der RTR-GmbH, der Mitglied der ERG ist, über Martkanalysen oder Remedies mitentscheiden sollte, die auf nationaler Ebene gerade nicht von der RTR getroffen werden (dass aber die Identifikation der national zuständigen Regulierungsbehörden ein ständiges Problem gerade der ERG ist, zeigt sich auch in deren Dokumenten, wo geradezu im Regelfall die falschen Behörden benannt werden - zB im Bericht zum Markt 18, in dem konsequent mehr als vierzig Mal die falsche Behörde angegeben wird).

Die Überlegung, die ERG mit mehr Kompetenzen auszustatten, scheint daher wohl kaum ein besonders zukunftsträchtiger Weg. Nach wie vor bin ich überzeugt davon, dass die Euro-Regulator- bzw "ERG with teeth"-Diskussion letztlich bloß die Stimmungslage für die Erweiterung des Veto-Rechts der Kommission aufbereiten soll: wenn sich alle schließlich über den Euro-Regulator oder die "ERG with teeth" aufregen, wird eine Einigung auf die "Rückzugsposition" des erweiterten Veto-Rechts wesentlich leichter fallen.