Tuesday, October 31, 2006

Vorschlag zur Änderung der Postdienste-Richtlinie

Im neuen Richtlinienvorschlag der Kommission zur Änderung der Postdienste-Richtlinie (RL 97/67/EG in der Fassung der RL 2002/39/EG) ist vorgesehen, dass ab dem 1. Jänner 2009 keine ausschließlichen und besonderen Rechte (Monopolbereiche) mehr bestehen dürfen. Zugleich sollen die Regeln zur Sicherstellung des Universaldienstes neu gefasst werden.

Neue Regeln sollen auch für die Regulierungsbehörde(n) gelten, wobei sich der Vorschlag deutlich an Art 3 und 4 der Rahmenrichtlinie für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste orientiert. Für die Postdienste neu ist in diesem Zusammenhang,
  1. dass nun ausdrücklich die Sicherstellung der wirksamen strukturellen Trennung der Regulierungsfunktionen von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentum oder der Kontrolle verlangt wird, wenn Mitgliedstaaten weiterhin an Unternehmen beteiligt sind, die Postdienste bereitstellen, oder diese kontrollieren (vgl Art 3 Abs 2 RahmenRL).
  2. dass die Mitgliedstaaten die von den nationalen Regulierungsbehörden wahrzunehmenden Aufgaben in leicht zugänglicher Form zu veröffentlichen haben, insbesondere wenn diese Aufgaben mehr als einer Stelle übertragen werden, und dass die Mitgliedstaaten gegebenenfalls für die Konsultation und Zusammenarbeit zwischen diesen Behörden und den für die Anwendung des Wettbewerbs- und des Verbraucherschutzrechts zuständigen nationalen Behörden in Fragen von gemeinsamem Interesse sorgen müssen (vgl. Art 3 Abs. 4 RahmenRL),
  3. dass die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten eng zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig Amtshilfe zu leisten haben, um die Anwendung dieser Richtlinie zu erleichtern (vgl dazu die Verpflichtung zum Informationsaustausch nach Art 3 Abs 5 RahmenRL), und
  4. dass die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter von Postdiensten, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann, sowie dass bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens der Beschluss der nationalen Regulierungsbehörde in Kraft bleibt, sofern die Beschwerdeinstanz nicht anders entscheidet (vgl Art 4 Abs 1 RahmenRL).

Interessanterweise nicht übernommen wurde die Bestimmung aus Art 4 Abs 1 RahmenRL, wonach die Beschwerdinstanz über den angemessenen Sachverstand verfügen muss, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Ein e-contrario-Schluss wird aber wohl nicht angebracht sein ;-)

Für Österreich wurden in der Postgesetznovelle 2005 (BGBl I 2006/2) die Weichen gestellt, dass ab 1. Jänner 2008 die Aufgaben der Regulierungsbehörde von der RTR-GmbH und der Telekom-Control-Kommission wahrgenommen werden (vgl § 25a und § 28a in Verbindung mit § 31 Abs 8 PostG).

Saturday, October 28, 2006

Chevron - by any other name?

Die "Chevron deference" ist eine zentale Doktrin der US-amerikanischen Rechtsprechung bei der gerichtlichen Kontrolle von Regulierungsentscheidungen. Im Ausgangsfall Chevron, U.S.A., Inc. v. NRDC, 467 U.S. 837. (1984) hatte sich der Supreme Court mit einer Auslegung des Luftreinhaltegesetzes durch die Environmental Protection Agency (EPA) zu befassen und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass sich das Gericht im Fall einer auslegungsbedürftigen Rechtslage einer zulässigen (permissible) bzw. vernünftigen (reasonable) Auslegung durch die zuständige Regulierungsbehörde zu fügen (to defer) hat.


With regard to judicial review of an agency's construction [dt: Auslegung] of the statute which it administers, if Congress has not directly spoken to the precise question at issue, the question for the court is whether the agency's answer is based on a permissible construction of the statute.

Das Gericht hat demnach nicht eine eigene Auslegung vorzunehmen, sondern gewissermaßen nur die Schlüssigkeit der Auslegung durch die Regulierungsbehörde zu prüfen. Ausdrücklich hat dies der Supreme Court in der Entscheidung NCTA v. Brand X aus dem Jahr 2005 so formuliert:


Chevron requires a federal court to defer to an agency’s construction, even if it differs from what the court believes to be the best interpretation, if the particular statute is within the agency’s jurisdiction to administer, the statute is ambiguous on the point at issue, and the agency’s construction is reasonable.
In der Brand X-Entscheidung wurde nicht nur akzeptiert, dass es sich die Regulierungsbehörde anders überlegt und ihre Auslegung im Lauf der Zeit ändert (sofern dies nicht willkürlich erfolgt, was aber bei einer gründlichen neuen Analyse nicht der Fall ist: "There is nothing arbitrary or capricious about applying a fresh analysis" - schon Chevron betraf übrigens eine geänderte Auslegung). Im Fall Brand X stand die geänderte Auslegung durch die Regulierungsbehörde zudem im Widerspruch zu einer Gerichtsentscheidung, mit der die frühere Auslegung bestätigt worden war. Dennoch hat der Supreme Court (anders noch als der Court of Appeal for the Ninth Circuit) entschieden, dass sich das Gericht der (geänderten) Auslegung durch die Regulierungsbehörde fügen muss.

Was aber hat Chevron mit dem österreichischen Regulierungsrecht zu tun? Auf den ersten Blick: nichts (vielleicht mag man Parallelen im Bereich der Ermessensentscheidungen sehen). Hier haben sich die Gerichte nicht einer geänderten Auslegung durch die Regulierungsbehörde, wohl aber einer geänderten Rechtslage zu fügen - wenn man sich etwa die Novelle zur Universaldienstverordnung ansieht, mag das am Ergebnis oft wenig zu ändern. Chevron - by any other name.

Thursday, October 26, 2006

Novelle zur Universaldienstverordnung


Mit BGBl II 2006/400 wurde eine Änderung der Universaldienstverordnung kundgemacht. Aus öffentlichen Sprechstellen muss ab sofort der Zugang zu den Rufnummernbereichen 0800, 0810 und 0820 nicht mehr ungehindert möglich sein. Die Änderung ist eine Folgewirkung der Streitigkeiten zwischen der Telekom Austria und alternativen Betreibern über die sogenannte Payphone-Access-Charge ("PAC") - siehe dazu die VwGH-Erkenntnisse vom 25.2.2004, 2002/03/0273, und vom 19.12.2005, 2005/03/0200.
Die Positionen der Beteiligten in Presseaussendungen:
VAT: "Verordnungspläne des BMVIT bedrohen kostenlose 0800-Nummern"
TA: "Kostenlose Nutzung von 0800-Nummern durch Payphone Access Charge nicht gefährdet"

In der politischen Diskussion wurden Mutmaßungen über einen möglichen Zusammenhang mit Wahlspenden angestellt - siehe dazu die parlamentarische Anfrage von Abg. Dr. Gabriele Moser und die Antwort von Bundesminister Hubert Gorbach.
Nach der (vorerst?) nicht geänderten Bestimmung des § 71 KEM-V darf übrigens den Teilnehmern für Dienste im Bereich 800 weiterhin kein Entgelt verrechnet werden - wenn also 0800-Nummern aus Telefonzellen erreichbar sein sollen, werden sich die Diensteanbieter mit dem Sprechstellenbetreiber auf eine Payphone Access-Charge einigen müssen.

Die auf dieser Website zur Verfügung gestellte Übersicht über die Rechtsgrundlagen wurde entsprechend aktualisiert.

Update 24.08.2011: News bringt die Novelle zur Universaldienstverordnung mit Zahlungen an Ex-Vizekanzler Gorbach (in der Höhe von € 264.000) in Zusammenhang; die Links im Beitrag oben wurden aktualisiert.
Update25.08.2011: Näheres zur Universaldienstverordnung und zum Hintergrund der Novelle in einem neuen Blogpost hier.

Zu diesem Blog - Das Mission-Statement

In diesem Blog geht es um das Recht der elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste (anders gesagt: um Telekommunikations- und Rundfunkrecht). Dabei schließe ich nicht aus, dass auch gewisse verwandte Bereiche thematisiert werden, wie zB Post-, Eisenbahn- und Energieregulierung, oder - auch abseits vom reinen Rundfunkrecht - allgemeine medienrechtliche Fragen.
Ich werde gelegentlich (nach Bedarf und Zeit, vielleicht im Schnitt einmal pro Woche) auf mir subjektiv wesentlich scheinende Entwicklungen hinweisen, insbesondere zu Neuerungen im österreichischen und gemeinschaftlichen Telekom- und Rundfunkrecht.
Keinesfalls ist eine stets aktuelle und vollständige Dokumentation zu erwarten!
(Wer sich mit den Details der österreichischen Regulierung und Rechtsetzung befassen will, ist dazu mit den Websites der Regulierungsbehörde und des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie besser bedient; für die europäische Entwicklung ist auf die Website der Generaldirektion Informationsgesellschaft zu verweisen).

PS: das Blog existiert seit 26. Oktober 2006; ich habe aber einige "aktuelle" Meldungen, die zuvor auf der Startseite von http://www.lehofer.at/ standen, heruntergenommen und entsprechend rückdatiert hier eingestellt.

UPDATE 30.6.2008:
Creative Commons License
e-comm blog von HP Lehofer steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Österreich Lizenz.

UPDATE 3.12.2008:
Ab 3.12.2008 steht dieses Blog unter einer Creative Commons Namensnennung - Keine kommerzielle Nutzung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich Lizenz.

Noch ein Hinweis zur editorial policy: dies ist kein professionell redigiertes Projekt; dementsprechend sind Tippfehler oder andere Flüchtigkeitsfehler nicht ungewöhnlich. Wenn mir solche Fehler - oder auch broken links - auffallen, führe ich die notwendigen Änderungen in der Regel ohne weiteren Hinweis durch (ich überprüfe aber nicht regelmäßig, ob früher gesetzte Links noch zum Ziel führen). Soweit ich jedoch nachträglich inhaltliche Änderungen oder Ergänzungen anbringe, wird dies entsprechend gekennzeichnet (zB durch "update", oder "Ergänzung").

Hinweis (15.03.2012): Weil ich heute wieder einmal eine Anfrage bekommen habe, möchte ich darauf hinweisen, dass ich mit Rechtsanwalt Dr. Hans Lehofer weder ident noch verwandt bin und ihn auch nicht persönlich kenne. Da ich keine Website seiner Kanzlei gefunden habe und seine E-Mail-Anschrift zur Vermeidung von Spam hier nicht angeben will, bitte ich bei der Suche nach RA Dr. Hans Lehofer oder RA Mag. Bernhard Lehofer (ebenfalls nicht mit mir verwandt) das Rechtsanwaltsverzeichnis zu nutzen.

Friday, October 20, 2006

Novelle zur KEM-V

Am 18. Oktober 2006 wurde eine Novelle zur Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdiensteverordnung (KEM-V) kundgemacht (nach den gesetzlichen Vorschriften sowohl auf der Website der RTR-GmbH als auch im Bundesgesetzgeblatt, eine konsolidierte Fassung sowie Erläuterungen zur Novelle und auch zur konsolidierten Fassung sind auf der RTR-Website verfügbar). Schwerpunkt der Novelle sind Anpassungen im Bereich der Mehrwertdienste; eine Präsenation der RTR zum wesentlichen Inhalt der Novelle ist hier abrufbar.

Saturday, October 14, 2006

Vertragsverletzungsverfahren zum EU-Telekommunikationsrecht

Am 12. Oktober 2006 hat die Europäische Kommission bekannt gegeben, dass neun neue Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden (siehe dazu auch eine nähere thematische Information zu den Verfahren und die Übersichten zu den Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung sowie wegen Nichtnotifizierung von Umsetzungsmaßnahmen). Bei den neu eingeleiteten Verfahren fällt auf, dass die Kommission nun im Hinblick auf das Rechtsbehelfsrecht nach Artikel 4 der Rahmenrichtlinie gegen Schweden vorgeht und ausdrücklich Folgendes festhält: "In the Commission's view, the right to appeal laid down in Article 4 of the Framework Directive goes beyond the addressee of the decision." Die sich aus dem nationalen schwedischen Verfahrensrecht ergebende Einschränkung, wonach nur der unmittelbare Adressat einer Entscheidung das Recht hat, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, scheint der Kommission damit (jedenfalls in den Fällen der Marktanalyseentscheidungen) nicht zulässig. Die Vereinbarkeit der in gewissem Sinne vergleichbaren österreichischen Regelung (§ 37 Abs 5 TKG 2003) mit Artikel 4 der Rahmenrichtlinie ist bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes (beim EuGH anhängig unter C-426/05).